aus der Firmengeschichte C.& F.Schlothauer / Ruhla
aus der Firmengeschichte C.& F.Schlothauer / Ruhla

Quelle : Tamara Hawich: Manufakturen Maschinen Manager : Unternehmer und
Unternehmen zwischen Gotha und Eisenach - Geschichte und Geschichten /
Hrsg. Industrie- und Handelskammer Erfurt. - Erfurt: 2002, S.85 ff.
Auszug aus der Firmengeschichte des FER ( Fahrzeug Elektrik Ruhla ) :
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Historische Wurzeln weit zurück
Das ältere von beiden war das Ruhlaer Unternehmen - es wurde 1868 gegründet. Otto Schlothauer & Söhne OHG - dahinter standen Otto Schlothauer und seine Söhne Christoph und Friedrich. Ihre Firma existierte sogar schon einige Zeit vor der handelsgerichtlichen Eintragung. Die Wurzeln hatten allerdings wenig mit den späteren Autos zu tun. Ruhla war zur Gründungszeit des Unternehmens die Hochburg der Meerschaum-Pfeifen-Industrie. Fast jedes Unternehmen der Stadt verdiente irgendwie an der Pfeifenherstellung mit. Auch Schlothauers befassten sich in ihrer kleinen Pfeifenfabrik mit Meerschaumwaren und Holzartikeln: 1883 firmierten sie zur C. & F. Schlothauer OHG. Mit zehn bis fünfzehn Arbeitern stellten sie jetzt Metallkurzwaren für die in der Gegend ansässige Portmonneebügel-Industrie her. Flexibel und den Wünschen des Marktes angepasst. Schnell vergrößerte sich der Produktionsumfang, Erweiterungsbauten mussten vorgenommen werden. Da man damals die Wasserkraft als Energielieferant nutzte, baute die Firma 1886 und 1896 neue Wasserräder.
Der erste Schritt zum Auto
Von der Meerschaumpfeife zum Auto-Licht war es ein langer Weg. Kurz vor der Jahrhundertwende nahm das Unternehmen - der Zeit entsprechend - die Herstellung von Gas- und Wasserarmaturen sowie von Elektroinstallationsmaterial auf. 1906 errichteten C. & F. - also Christoph und Friedrich (Fritz) - mit ihren Söhnen Reinhold und Ernst die C. & F. Schlothauer GmbH. Sie blieb immer ein Familienbetrieb. Dieser konzentrierte sich auf die Fabrikation von Metallwaren sowie eine Messinggießerei. Mit dieser Gründung ging auch eine größere Betriebserweiterung einher - man baute und kaufte zu. Zuerst ließen die Firmenchefs einen neuen Fabrikschornstein errichten. Dann folgten ein Fabrik - und Verwaltungsgebäude sowie ein Anbau am Messingwalzwerk samt Lager. Das alles realisierten sie bis 1910. Ebenfalls in dieser Zeit eröffnete die Firma Schlothauer in Bebra einen Zweigbetrieb. Man folgte äußeren Zwängen, denn in Ruhla waren die Arbeitskräfte knapp geworden. In Bebra produzierte die neue Bügelfabrik zunächst auch Teile für die regionale Taschenfabrikation. Später spezialisierte man sich dort auf Isoliermaterial. Diese Metall- und Bakelitteile wurden im Ruhlaer Hauptwerk weiterverarbeitet. Auch in Eger (Böhmen) war inzwischen ein Unternehmen für C. & F. Schlothauer entstanden - Globalisierung schon vor hundert Jahren.
Abnehmer in ganz Europa
Das Produktionsprogramm veränderte sich mit den Jahren. Man sagte, »es ging mit der Zeit«. Neben die unterschiedlichsten Metallwaren, elektrotechnische Artikel und Gasarmaturen traten Autozubehörteile. Und zwar Armaturen für Pkw. Im Jahre 1908 wurden angeboten:
. Kompressionshähne
. Luft-und Entleerungshähne
. Benzinhähne mit Verschraubungen für Rohre
. Schlauchhähne
. VerschraubungenfürWasser-undBenzinrohre
. Einfüllverschraubungen
. Kabelschuhe
. sowie Glühlampenfassungen für elektrische Beleuchtung und für Swan - und Edisonlampen.
Der Betrieb lieferte die Lampenfassungen allerdings nicht nur für Automobile, sondern auch an die Erfurter und Neheimer Lampenfabriken. Diese galten zu damaligen Zeiten als Zentren der Lampenherstellung. Abnehmer waren ebenso Leipziger und Gothaer Unternehmen. Zu den Kunden zählten solche bekannten Lampenhersteller wie :
. Toebelmann & Grimm
. Kaestner & Toebelmann
. E. Kloepfel & Sohn - alle aus Erfurt
. sowie Hugo Schneider aus Leipzig.
Geschäftliche Beziehungen knüpfte man nicht nur im thüringisch-sächsischen Raum. Die Kontakte reichten bald in alle Teile Deutschlands und über die deutschen Grenzen hinaus. Besonders viele Abnehmer hatten die Ruhlaer in Berlin. Daneben gingen die Schlothauer-Erzeugnisse auch nach Magdeburg, Stuttgart, Mühlheim, Frankfurt, Hamburg, Köln und Göttingen.
Und weiter weg wie nach Zürich, Genf, Wien, Brüssel oder Kopenhagen und London.
Zünder für den Krieg
Während des Ersten Weltkrieges fand im Schlothauer Unternehmen eine recht umfangreiche Zünderproduktion statt. Das führte zwangsweise zu Einschränkungen in der Herstellung anderer Produkte, beispielsweise für die Automobilindustrie.
Gleich nach dem Krieg 1919 begann eine Zweigniederlassung in Berlin - der Heimstatt der Elektroindustrie überhaupt - mit ihrer Arbeit. Möglicherweise hatte man sie schon vor dem Krieg eingerichtet, dann aber ruhen lassen. Jetzt leitete Oskar Schlothauer, ein Sohn der Gründer, diese Verkaufsfiliale mit fünf Angestellten. Die zahlreichen Berliner Kunden konnten vor Ort besser bedient werden.
Die Elektro-Linie setzt sich durch
Der Bereich Elektro spielte im Produkt-Mix eine immer größere Rolle. Im Jahre 1919 gründete Reinhold Schlothauer - inzwischen längst zum Kommerzienrat ernannt - gemeinsam mit August Schuchardt (von Thiel & Schuchardt Metallwarenfabrik in Ruhla) und drei weiteren Herren die Elektrotechnische Fabrik AG in Vacha. August Schuchardt und Reinhold Schlothauer hatten den Vorsitz und die Stellvertretung im Aufsichtsrat der neuen Aktiengesellschaft inne. Den Vorstand bildeten die Direktoren und Ingenieure Max Maltzahn aus Vacha sowie Ernst Schuchardt aus Philippsthal. Die Hauptproduktion der Vachaer Fabrik bestand in Kabeln. Schon im Frühsommer 1920 hatten die Chefs die Einrichtung so weit vorangetrieben, dass die Mitarbeiter mit der Produktion beginnen konnten. Es wurden ein- und zweiadrige Rohrdrähte sowie Gummiaderleitungen gefertigt. 1924 passte man den Namen dem Produktionsprogramm an: Aus der elektrotechnischen Fabrik wurde die Kabelwerk Vacha AG. Die Fabrik wurde ständig erweitert und die Geschäftsberichte bis 1936 bezeugen eine »stetige günstige Geschäftslage«. Ausgenommen das Jahr 1931 mit seiner »beispiellosen allgemeinen Wirtschaftskrise«. Die Mitarbeiterzahl wuchs von anfänglich zwanzig auf 170 im Jahre 1936. Und natürlich entwickelte sich das Produktionsprogramm weiter. In den 30er-Jahren widmete man sich verstärkt der Hochfrequenz-Kabel-Fertigung.
Mit eigener Porzellanfabrik
Nach dem Tod von August Schuchardt 1934 übernahm Reinhold Schlothauer den Vorsitz im Aufsichtsrat. Jetzt verfügte die Firma sogar über eine eigene Porzellanfabrik. Anfang der zwanziger Jahre erwarb die Unternehmensleitung die Gothaer Porzellanfabrik Friedrich Schwab & Co. Diese hatte eine lange Geschichte und nannte sich zwischen 1866 und 1918 Porzellanfabrik Morgenroth & Co. Dem Geschmack der Zeit angepasst, wurden damals Nippes, Figuren, Vasen und ähnliche mehr oder weniger schöne Dinge hergestellt. Mit dem neuen Firmenchefs war Schluss mit modischem Beiwerk. Jetzt dominierte die Technik. Man stellte auf Elektro-Porzellan um, was mehr Geld in die Kasse brachte. Diese technischen Porzellane waren im einzelnen:
. Kabelschellen
. Lüsterklemmen
. Fassungen
. Stecker
. Schalter
. und auch Leuchten.
Anschließend erwarb die Ruhlaer Firma ein größeres Anwesen in Gotha, um dort einen weiteren Betrieb - eine Montagewerkstatt mit einhundert angestellten Mädchen - einzurichten. Die Gothaer Erzeugnisse gingen vor allem in das Ruhlaer Hauptwerk.
1921 schwankten die Beschäftigungszahlen im Ruhlaer Werk je nach Geschäftslage zwischen 200 und 460, wobei rund ein Drittel davon Frauen waren.
Patente Ruhlaer
In Ruhla wurde viel erfunden. Die Fabrik konnte auf zahlreiche Patente verweisen. Darunter solche für Glühlampenfassungen. Legendär war beispielsweise das Patent für eine Glühlampenfassung mit Zugkettenbetätigung von 1922. Patente gab es auch für elektrische Christbaum- und die Illuminationsfassungen, gesicherte Steckdosen (1922), einen Bananenstecker (1926), Kipphebelschalter (1928) sowie Reflektoren für Leuchten aller Art (1932).
Welcher Thüringer Betrieb konnte schon eine solche Bilanz vorlegen? Eine Auflistung von 1940 enthält 240 erteilte Patente seit1904.
Studienreise in die USA
Neben Produktforschung und -entwicklung orientierte das Unternehmen auf moderne Technologien. Reinhold Schlothauer nahm deshalb 1926 an einer Amerikareise zum Studium der US- Produktionsverhältnisse teil. Ihn interessierte dabei vor allem die Massenfabrikation von elektrotechnischen Artikeln sowie die Messing- und Metallverarbeitung. Die vom Internationalen Verkehrsverein des Messeamtes Leipzig organisierte Fahrt, an der übrigens auch August Schuchard teilnahm, ermöglichte neben dem Besuch der Ford-Werke oder der General Electric Company, auch die Teilnahme an einer Konferenz der Internationalen Elektrotechnischen Commission in New York. Die Reise schien ein Erfolg, denn schon 1931 wollte Reinhold Schlothauer seinen Sohn Franz ebenfalls für ein Jahr nach Amerika schicken. Da dort aber gerade Krise und eine riesige Arbeitslosigkeit herrschte, verweigerte man ihm das Visum. Erst 1936 war es Franz Schlothauer möglich, die USA- Verhältnisse zu studieren.
Die Firma dehnt sich aus
Die Firma war im Ortsbild längst nicht mehr zu übersehen. Überall Zulieferer, Lager und Fertigungsstätten. Dazu gehörten:
. das eigene Walzwerk
. die Messinggießerei
. die Drahtglüherei
. die Warmprägerei
. die Drahtzieherei
. verschiedene Drehereien
. eine Stanzerei
. Pressereien
. die Schlosserei
. verschiedene Montagehallen
. Hallen für die Schweißerei
. die Rumpelei
. die Schmiede
. die Galvanisierabteilung
. die Metallschleiferei
. eine Poliererei
. die Lackiererei
. und eine Gasarmaturenabteilung.
Diese nur unvollständige Aufzählung wurde durch die zahllosen Lagerkapazitäten für Rohstoffe wie Messing, Draht oder Porzellan sowie durch Büros, Prüfräume und natürlich Räumlichkeiten für die Antriebselemente ergänzt. In einem der Gebäude befand sich auch ein Automatensaal mit zirka fünfzig Automaten und diversen anderen Maschinen. Der Automatensaal und die Schlosserei wurden dann 1937/38 erweitert.In den 30er-Jahren belieferte man den Elektromarkt mit elektrotechnischem Installationsmaterial:
. Einheitskippschalter
. Dreh- und Zugschalter
. Einheitslampenfassungen
. Porzellan- und Isolierstoff-Leuchten
. sowie Nähmaschinenleuchten.
Den Radiomarkt versorgten die Ruhlaer mit den Blitzschutzautomaten »Simplex« und »Duplex« mit eingebauten Antennenschaltern. Verschiedene Armaturen, beispielsweise Gasarmaturen, wurden am Maschinenmarkt platziert. Natürlich gehörten weiterhin Armaturen für die Automobilbranche sowie Zubehör für Fahrräder zum Erzeugnisprogramm. Nicht zu vergessen die Produkte aus dem eigenen Messingwerk: Metall-Dreh-, -Press- und -Stanzteile wie Flügel- und Trapsschrauben oder Staufferbüchsen aus Messing. Das Sortiment konnte sich in seiner ganzen Vielfalt sehen lassen.
Im Dienste der Rüstung
Der nahende Krieg machte auch um Ruhla keinen Bogen. Schon seit 1934 war man bemüht, militärische Aufträge in der erheblich forcierten Rüstungsbranche unterzubringen. Es gelang: Im November 1934 wurde C. & F. Schlothauer in die Lieferkartei des Reichsluftfahrtministeriums aufgenommen. Bereits 1935 verfügte das Unternehmen über einige Aufträge von Flugzeugfirmen. Die Junkers Flugzeugwerke Dessau / Bernburg ließen in Ruhla zum Beispiel Teile für die Ju 52 und die Ju 88 bauen. Außerdem wurden wieder Zünder hergestellt. Waren es im Ersten Weltkrieg Wurfminenzünder, so produzierte man nun Flakzünder. Und auch das Installationsgeschäft partizipierte von den zahlreichen militärischen Neubauten.
Wechsel an der Spitze
1941 starb Reinhold Schlothauer, der schon seit 1906 in der Geschäftsleitung tätig war und die Regie bis zu seinem Tod in seiner Hand hielt. Er agierte in Ehrenämtern auch außerhalb von Ruhla. Beispielsweise in der Mittelthüringischen IHK Weimar oder in Verbänden der verschiedenen Wirtschaftsgruppen. Seine Nachfolge trat Ernst Schlothauer an, der ebenfalls seit 1906 in der Geschäftsleitung mitgearbeitet hatte.
1943 und 1944 wurde die Filiale in Berlin bei Luftangriffen in Mitleidenschaft gezogen, schließlich waren dort nur noch zwei Angestellte tätig. Insgesamt beschäftigte die Firma 1944 noch ungefähr 680 Mitarbeiter, darunter auch 25 französische Kriegsgefangene. Am 7. April 1945 besetzten die Amerikaner die Stadt Ruhla, die Firma C. & F. Schlothauer legte die Produktion still. Erst nach dem Einzug der russischen Militärs im Juli 1945 begann eine Hand voll Leute mit ersten Aufräumarbeiten. Im August arbeiteten dann schon 162 und im November 286 Arbeiter im Unternehmen Schlothauer.
Unter russischer Regie
Die C. & F. Schlothauer GmbH wurde auf Grund ihrer Rüstungsproduktion am 6. März 1946 unter Sequester gestellt, dann in eine Sowjetische Aktiengesellschaft eingegliedert. In dieser Zeit stand das Werk in Ruhla unter der Leitung des russischen Direktors Viktor Prokofiew. Ernst Schlothauer blieb bis zu seiner Pensionierung 1947 deutscher Geschäftsführer. Zuerst nannte sich das Werk Elektrowerk Schlothauer, später Elektroarmaturenwerk Ruhla (EAW). Nun wurden auch Produktionsstandorte in Brotterode und Gumpelstadt dem Betrieb zugeordnet. Von 1947 an stellte man Fahrzeugelektrik für die in der Sowjetischen Besatzungszone gebauten Automobile her: Das waren Lichtmaschinen, Anlasser, Scheinwerfer, Signallampen und Hupen. Sicher hatte man die bisherigen Erfahrungen und Entwicklungen nutzen können, aber es kamen auch neue Sortimente hinzu. Immerhin musste der abgeschnittene Westmarkt, der bisher Hauptlieferant dieser Technik für die ostdeutsche Industrie war, ersetzt werden. Und das Ruhlaer EA W profilierte sich zunehmend. 1949 realisierte es sogar erste Exporte - die Auftraggeber kamen aus den Niederlanden.
Wieder auf eigenen Füßen
1950 übergaben die sowjetischen Behörden das EAW wieder in deutsche Hände. Besser gesagt: Es wurde in Volkseigentum überführt und der Vereinigung Volkseigener Betriebe Installation, Kabel und Apparate (VVB IKA) unterstellt. Dementsprechend nannte es sich jetzt »IKA Elektro-Armaturen«, In den Fünfzigern kam noch ein neuer Name hinzu: VEB Elektrische Fahrzeugausrüstung Ruhla, kurz »EFR«. Bis zum Jahre 1958 hatte sich der Ruhlaer Fahrzeugausrüster zu einem bedeutenden Betrieb in dieser Branche innerhalb der DDR entwickelt.
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Mit freundlicher Genehmigung von Tamara Hawich.
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Ergänzung zur FER-Geschichte

Ich möchte hier eine Ergänzung der Geschichte des Betriebes aus der Chronik des heute noch existierenden Betriebes (bzw. seines Nachfolgers) bringen. Der Betrieb ist insofern für uns als Rundfunkhistoriker und Radiosammler relevant, da in den 1960er Jahren auch ein Batterie-Hersteller als "Betrieb Tabarz" integriert wurde, der VEB Batterien- und Elementefabrik Tabarz /Thür. Wald . Sein Fertigungsprogramm reichte von der Anodenbatterie bis zur einfachen Zelle für Taschenlampen. Daher trugen die Batterien aus dieser Zeit auch das FER-Logo:
Monozelle (R20) aus den 1950er Jahren | Flachbatterie 3R12 aus den 1970er Jahren
1868
Die Firma "Otto Schlothauer und Söhne OHG" wurde in Ruhla gegründet.
Stammbetrieb Betriebsteil Ruhla
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