Chronik von Stern Radio Berlin

ID: 107177
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Chronik von Stern Radio Berlin 
01.Apr.06 07:51
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Mario Spitzer (D)
Redakteur
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Stern-Radio-Berlin in Berlin-Weißensee 


Die Vorgeschichte 1920 - 1945

 

Bis 1945 befand sich auf dem Gelände des ehemaligen Hauptwerkes Stern-Radio-Berlin die Kugellagerfabrik Raspe (vorm. Riebe) der 20er Jahre. Im 2. Weltkrieg wurden hier Erzeugnisse für die Flugzeugindustrie hergestellt. Es bestanden Verbindungen zu Loewe-Opta in Berlin-Steglitz. Zum Transport von Materialien zwischen beiden Betrieben diente die Straßenbahn. Da Bombentreffer den Ostflügel des Haupthauses zerstörten, waren nach Kriegsende nur noch der westliche Rundbau und eine Lagerhalle verwendbar.





 

Die Zeit von 1945 - 1950


Loewe-Opta übernahm nach 1945 die verbliebenen Fertigungsstätten. Zunächst wurden Kriegsschäden beseitigt und mit 10 Arbeitskräften die Röhrenproduktion aufgenommen.

Aus Wehrmachtsbeständen wurden Kleinsuper und Einkreiser gefertigt.

 

Bis 1946 wurden Produktionsanlagen als Reparationsleistung demontiert.

 

Die Restbestände bildeten den Grundstock für die Neugründung der Firma. 1947 wurde der Treuhandbetrieb Phonetika Radio gegründet. Loewe sah ihn als Vorpostenbetrieb in der russischen Zone. Die politische Entwicklung ließ Loewe von weiterer Unterstützung Abstand nehmen und so wurde 1948 die Phonetika Radio GmbH gegründet. Im großem Klinkerbau in der Liebermannstraße von Weißensee wurden ab 1948 Röhren und Radios produziert.

 

Etwa 110 Mitarbeiter waren in der Röhrenfertigung tätig. Bei Phonetika wurden folgende Röhren gefertigt:

AZ1, AZ11 und AZ12
AF3, AF7 und CF7
ACH1
AL4 und CL4


Die Stückzahl aller Röhren betrug im Jahr ca. 250.000. Der Bedarf an Radios war nach dem Krieg sehr groß. Um dem zu entsprechen, fanden sich Fachkräfte und Enthusiasten zusammen. Es wurde mit den selbst gefertigten Röhren AF7, AL4 und AZ11 der Einkreiser W149 produziert. Es war ein Gerät mit Holzgehäuse, 3 Wellenbereichen, Drehkoabstimmung und elektrodynamischem Lautsprecher. Es gab auch eine Sonderausführung als Phonokombination.

Hauptabnehmer der Röhren waren:
Stern Radio Leipzig
Stern Radio Rochlitz

Stern Radio Staßfurt
Funkwerk Leipzig
Funkwerk Kölleda

Fernmeldewerk Arnstadt
EAK Köppelsdorf  (später Stern Radio Sonneberg)

Die Phonetika Radio GmbH geriet 1948 in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1950 bezirksgeleiteter volkseigener Betrieb und nannte sich nun VEB Phonetika Radio.

Stern-Radio - Berlin, die Jahre 1951 - 1961, Radio und Fernsehgeräte

Die eigentliche Geschichte des Betriebes beginnt mit der Zuordnung zur Vereinigung volkseigener Betriebe RFT. Ab Januar 1951 wurde der Betrieb umbenannt und heißt jetzt VEB Stern-Radio-Berlin.
Seit der Überführung des noch privat geführten Betriebes in einen VEB 1950, wurde die Versorgung mit Spezialmaterialien kontinuierlich verbessert. Es wurde eine vom Funkwerk Erfurt entwickelte Spezialröhre in die Produktion übernommen. Ab Januar 1951 wurden die ersten Röhren vom Typ KC01 in Berlin gefertigt. Ihr Haupteinsatzgebiet war der Wetter- und Flugtechnische Dienst. Als kleine Senderöhre war sie Bestandteil der Sonden, die im Balloneinsatz waren.

Vom Funkwerk Leipzig wurde Ende 1950 der Einkreiser 1U11 übernommen und nun auch in Berlin produziert. Zur Steigerung der Produktion im Gerätewerk wurde zusätzlich weitere einfache  Einkreiser mit induktiver Abstimmung und einfachem Netzteil entwickelt. Hierzu wurde ebenfalls die Röhre UEL51 vom Funkwerk Erfurt eingesetzt. Noch einfacher gehalten als der 1U11, aber mit gleicher Röhre bestückt, war der 1U16, der im Januar 1952 auf dem Markt kam. Ein kleinerer Lautsprecher, eingeschränkter Wellenbereich und sehr billiges Gehäuse waren der Unterschied zum 1U11.  Der letzte Einkreiser "Grünau" wurde zwischen 1956 und 1958 gefertigt.

Im August 1951 wurde mit dem Erweiterungsbau begonnen. Auf den alten Fundamenten der Ostseite des Rundbaus wurde in Stahlbeton-Bauweise ein Anbau errichtet. Die neu gewonnenen 2500 m² kamen dem Röhrenwerk und dem Gerätewerk zu gute.
 
Mit dem Produktionsbeginn des Einkreisers "Kolibri" und des
Kleinsupers "Zaunkönig" mit Bakelitgehäuse wurde begonnen,
der Radioproduktion den Vorrang vor der Röhrenproduktion zu
geben.
Es wurde eine Jahresproduktion von 60.000 Radios
erreicht. Eine bedeutende Leistung angesichts der vorhandenen Fertigungstechnik. Im Januar 1952 fiel die Entscheidung, die Röhrenproduktion in Berlin zu beenden. Bis März wurden sämtliche Maschinen und Ausrüstungen nach Mühlhausen in Thüringen Ausgelagert.

Dort gab es viele ausgebildete Facharbeiter der früheren Lorenz AG, die im Krieg in dieser Region ein Röhrenwerk betrieb. So wurden die beruflichen Erfahrungen aus früherer Zeit für den Neubeginn der Röhrenproduktion in Mühlhausen genutzt. In Berlin wurde die Radioproduktion 1955 auf eine Tagesstückzahl auf 800 gesteigert. Mit Einrichten von Betriebsverkaufsstellen und einer Sanitätsstelle verbesserte sich die Versorgungssituation der Angestellten kontinuierlich. .

Der Umstieg von der Einkreiserfertigung zu Supern mit Röhren der 80er Reihe begann. Neue Formen und furnierte Gehäuse bestimmen das Äußere der Geräte. Der aufkommende UKW-Rundfunk stelle immer höhere Forderungen an die Produktion. Im Jahre 1955/56 wurde der aus Rochlitz übernommene "Paganini" gefertigt. Als Eigenentwicklungen wurden der "Berolina", später "Potsdam", "Nauen", "Werder", "Bernau" und viele weitere Radios gefertigt.



















Im Mai 1957 erschien zum ersten Mal die Betriebszeitung von Stern-Radio-Berlin. Sie erschien monatlich unter dem Namen "Bildschirm" und ab 1962 unter der Überschrift "aktuelle Welle". In diesem Jahr wurde auch der Betriebskindergarten eröffnet, eine große Erleichterung für Frauen mit Kindern.

Im gleichen Jahr erhielt der Betrieb für die gute Gehäusegestaltung von "Potsdam" und "Berolina" eine Ehrenurkunde auf der Leipziger Frühjahrsmesse. 

Im Februar 1959 wurde das Kulturgebäude an die Belegschaft des Betriebes übergeben. Das war zu diesem frühen Zeitpunkt nur möglich, weil insgesamt 16.871 Aufbaustunden im Nationalen Aufbauwerk (NAW) geleistet worden waren. Viele Arbeiten, die zur Fertigstellung des Gebäudes nötig waren, konnten so von Werktätigen des Betriebes geleistet werden. Jeder Mitarbeiter war jetzt angesprochen, Vorschläge und Wünsche zu äußern, um dieses Haus mit Leben zu erfüllen und seinem kulturellen Zweck entsprechend zu nutzen.

So wurde das Gebäude zum Ort kulturellen Geschehens im Betrieb. Im Vorraum des Kultursaales hing ein Wandbrett, auf dem die jeweils anstehenden Möglichkeiten des Betätigens für Interessenten zu lesen waren. So gab es Singestunden und monatliche Tee-Nachmittage. Geleitet von einem erfahrenen Tanzpädagogen existierten der Volkstanz und der dramatische Zirkel. Im oberen Stockwerk fand später die Bibliothek Platz, unten waren neben Kultur- und Essensaal die Räumlichkeiten der Küche, in denen für die gesamte Belegschaft gekocht wurde.

Die Berliner Fernsehgeräte


Fließbandfertigung des Weißensee


Auf der Leipziger Herbstmesse stellte Stern-Radio-Berlin seinen ersten Fernsehempfänger "Weißensee" und den Projektionsempfänger "Panke" vor. Einige Messebesucher brachten ihr Staunen zum Ausdruck, andere zweifelten, dass es Stern-Radio-Berlin gelingen würde, Fernsehgeräte zu produzieren.

Interessant die Tatsache, dass zum einem von einer Eigenentwicklung gesprochen wird, andererseits der Hinweis einer Fremdentwicklung auftaucht.

Ende 1957 kam die Überraschung. Die Berliner hatten bereits 1000 Stück vom "Weißensee" produziert. Sie kamen mit 30er und 43er Bildröhre vom Band.


Um derartige Stückzahl in kurzer Zeit zu ermöglichen, kamen technologische Änderungen im Fertigungsablauf zum Tragen. In der Vorfertigung wurden einzelne Bauelemente auf Lötleisten zu Baugruppen montiert. Dadurch wurde zum Einen das Montageband verkürzt, zum Anderen die Übersichtlichkeit auf dem Chassis verbessert.

Die Spulen für die Kanalsegmente des Tuners wurden nach Schablonen gewickelt. Der fertig montierte Tuner wurde auf einem Schlitten mit Netzteil, Röhrenvoltmeter und erster ZF- Baugruppe befestigt und und passierte für jeden Kanal einen gesonderten Abgleichplatz. Der Schlitten war fahrbar und wurde mittels Schienen durchgehend mit Strom versorgt. Wiederholtes Anheizen der Röhren und Anschlussarbeiten entfielen dadurch.

Die Ablenkeinheit, welche man in Berlin selbst fertigte, wurden für 30er und 43er Bildröhren konzipiert. Die fertig gewickelten Ablenkspulen wurden nicht wie anderswo "gebacken" sondern mittels Wechselstrom auf 180 - 200 °C direkt erhitzt  damit die Klebelackschicht erweicht und die Windungen verkleben. So konnte die Fertigungszeit von ca. 25-30 Minuten auf 2,5 Minuten verkürzt werden. Hoher Ausschuss entstand, da der vom KWK gelieferte Draht Qualitätsschwankungen hatte.


Die Fertigung der Geräte erfolgte auf einem Schiebeband, dessen erster Arbeitsschritt das Nieten der Röhrenfassungen war. Danach kam das Chassis auf einem schwenkbaren Montagerahmen, es wurden die vorgefertigen Lötleisten montiert und komplettiert. Die Taktzeit betrug 4,5 Minuten. Die Bildröhren wurden erst zum Schluss montiert, so dass die Funktionsprüfung und der Abgleich mit einer Fremdbildröhre erfolgte (aus Sicherheitsgründen, denn die Bildröhren waren noch ohne Implosionsschutz).

 

Nach dem Abgleich wurden die Filterkerne mit einer eigens dafür entwickelten Spritzpistole mit Ceresil vergossen. Erst jetzt erfolgt die Bildröhrenmontage und der Gehäuseeinbau.  

Es sollte keinesfalls unerwähnt bleiben, dass der "Weißensee" nicht nur Berlins Erstgebohrenes, sondern auch ein Problemkind war. Die Konstruktion war nicht ausgereift, die Röhren wurden in der einfachen Schaltung außerhalb der Grenzdaten betrieben.

So schreibt eine Frau P. 1959

"Würden Sie bitte so freundlich sein und meinen Apparat noch einmal gründlich durchsehen. Ich muß ihn leider das fünfte Mal in der Garantiezeit weggeben."

Die Hauptfehler lagen im Tuner, der PCL82 und der Kontrastregelung mit der Röhre PCF82 sowie starkes Intercarrierbrummen. Es brannten immer wieder die gleichen Widerstände durch. Dazu kamen Fertigungsfehler wie kalte Lötstellen, Berührungsschluss von Bauelemente usw. worüber die Besitzer sehr verärgert waren.

So streitete z.B. Stern-Radio mit dem Röhrenhersteller der PCF82 wegen der häufigen Ausfälle, stellt aber nicht die angeforderten Testmuster des "Weißensee" zur Verfügung.

Trotzdem gelingt es den Technikern im Werk für Fernmeldewesen nachzuweisen, dass die PCF82 außerhalb der Grenzdaten betrieben wurde und die Kolbentemperatur 50 Grad über dem Zulässigen betrug.

Stern-Radio besserte nach und brachte noch 1958 den "Weißensee FS02" auf dem Markt.



Der Fernsehprojektor "Panke"






Zum damaligen Zeitpunkt war man nicht in der Lage, große Bildröhren herzustellen. Das mag zum einem an der damaligen Technologie gelegen haben, zum anderem an der noch nicht gelösten Implosionsschutzproblematik. Die Lösung damals waren Projektionsfernseher. Ein solches Gerät stellte Stern-Radio-Berlin auf Leipziger Herbstmesse 1957 vor.


Die Projektionsbildröhre MW 6-2 und die so genannte "Schmidt Optik" wurden importiert. Der "Panke" war in der Lage, Fernsehbilder bis zu einer Größe von 120 x 160 cm zu projizieren. Eine ausreichende Verdunklung ist notwendig. Es war eine sehr hohe Strahlleistung der Projektionsbildröhre erforderlich, so dass mit einer Hochspannung von 25.000 Volt gearbeitet werden musste.


Diese große Anodenspannung bring leider auch Risiken mit sich, da Röntgenstrahlung austritt. Das Zentralinstitut DAMG stellt mit dem Prüfbericht DMAG 040-58 V-1 fest, dass bei normal betriebenen Chassis die wöchentliche Aufenthaltsdauer mehr als 48 Stunden betragen darf.

Besonders kritisch wird es bei geöffneten Hochspannungskäfig. Hier darf die Aufenthaltsdauer nur 5 Minuten je Arbeitswoche betragen. Das Gehäuse ist transportabel ausgelegt, der Lautsprecher befindet sich in einen externen Gehäuse.

Das Chassis ähnelt dem "Weißensee", jedoch mit spezifische Abweichungen in der Schaltung, da Projektionsröhren andere Anforderungen stellen, wie zum Beispiel eine Schutzschaltung gegen Einbrennen falls die VK-Ablenkung ausfällt, automatische Schärfenregelung usw.






Der kleine Berliner kam wie sein großer Bruder "Weißensee" mit einem kunstlederbezogenen Gehäuse daher. Die importierte Bildröhre (AW43-80) ist ebenfalls am Chassis montiert, im Gehäuse eingeschoben.

Bei dem kleinen Gehäuse mussten besondere Wärmeschutzmaßnahmen ergriffen werden. Große Öffnungen an Gehäuse und Rückwand erleichterten die Luftzirkulation. Ein Asbestschirm verhinderte die direkte Wärmestrahlung des Heizwiderstandes auf das Gehäuse, welches von innen mit einer Aluminiumschicht zur Abschirmung versehen war.

Die Schaltung ist sehr einfach gehalten, der "Alex" ist als reiner Regionalempfänger gedacht und nur zum Gebrauch in Ballungsgebieten geeignet. Eine getastete Regelung ist nicht vorhanden.

Der ursprüngliche "Alex" wurde der 1958 auf der Leipziger Frühjahrsmesse ausgestellt.

Er hatte seine Bedienelemente hinten an der Gehäuseoberseite, unter einer Klappe versteckt. Die Senderwahl erfolgte mittels üblichen Trommelkanalwähler.

Besonderes Highlight, der Fernbedienanschluss.

Für den "Alex" wurde eine Fernbedienung (Helligkeit/Lautstärke) und eingebauten UKW-Empfänger (Umsetzer welcher den ZF-Verstärker des Fernsehers nutzte) entwickelt Bestückt mit 2 Röhren, PCC85 und EF80 konnte eine Eingangsempfindlichkeit von ca. 4 µV erreicht werden. Damit konnten Rundfunksender zwischen 87 und 100 MHz empfangen und bequem im Sessel eingestellt werden.


Der überarbeitete "Alex" wurde auf der Leipziger Herbstmesse 1958 vorgestellt.

Die oberen Bedienelemente wurden durch Lüftungsklappen ersetzt, die Bedienelemente seitlich angeordnet.


Der Trommelkanalwähler wurde durch einen Kippschalter mit festen Kanalsegmenten ersetzt. Ein Kanal für VHF-Band I und einer für VHF-Band III. Da in Berlin sowohl DFF (Kanal 5) und ARD (Kanal 7) im Band III sendeten, war das "Westfernsehen" somit ausgesperrt. Es wird zwar erwähnt, die Kanalsegmente problemlos selbst auswechseln zu können, jedoch erscheint dessen Beschaffbarkeit unwahrscheinlich, zumal man damals mit Voranmeldung 1-2 Jahre auf seinen Fernseher warten musste. Da waren wieder die Bastler gefragt.








"Berolina" - der letzte Fernseher von Stern-Radio-Berlin




Der letzte, aber am besten durchkonstruierte Berliner Fernseher war der "Berolina", welcher auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1960 vorgestellt wurde.

Er verfügt über einen standardisierten Trommelkanalwähler mit Kaskodeneingang (Rafena?), getastete Regelung, pseudoautomatische Helligkeitsregelung, Tonblende mit Doppelfunktion und Anschluss für eine Drahtfernbedienung.

Das hochglanzpolierte Edelholzgehäuse (410 x 470 x 465 mm) wurde in 3 Farbnuancen gefertigt.
Das Gerät wiegt ca. 25 kg.

Leider liegen von diesem Gerät zu wenig Informationen vor, diese werden später (mit Ihrer Hilfe) ergänzt.


Die eigene Reparaturabteilung


Die 1956 in Weißensee gegründete Reparaturabteilung des Industrieladen Stalinallee (heute die berühmte Karl-Marx-Allee) wurde am 1.04.1960 dem Betrieb Stern-Radio-Berlin angeschlossen. Sie arbeitet aber weiterhin selbstständig und repariert täglich bis zu 120 Fernsehgeräte. Davon fielen ca. 80 - 90 Fernsehereparaturen auf den Außendienst, welche direkt beim Kunden repariert wurden.

Durch den neuen Trägerbetrieb verbesserte sich die Versorgung mit Ersatzteilen und Garantie-Reparaturen von bei Stern-Radio-Berlin gefertigten Geräten konnten so direkt ab Werk erledigt werden. Die dabei gesammelten Erfahrungen waren sicherlich auch für die Konstrukteure im eigenem Hause von Bedeutung.


Radioreparatur

Fernsehreparatur

Abgleich des Sternchen

Messplatz


Stern-Radio-Berlin, die Jahre 1961 - 1970 Taschen-, Koffer- und Autoempfänger

Nach dem Auslaufen der Fernsehgeräteproduktion wurden die folgenden Jahre der Werksgeschichte ausschließlich durch die Produktion von Taschen-, Koffer- und Autoradios bestimmt. Es wurden erhebliche Stückzahlen gefertigt:
- als Taschenempfänger "Sternchen", "Club", "Mikki" und "Junior"
- als Koffergeräte "Party", "R111"
- als "R100 Vagant"
- als "Camping", "Format", "Elite", "Automatic" und "Effekt"
- als Autoradio "Konstant", "Autoportable", "Transit" und "Coupe"


Außerdem gab es den transistorisierten Heimsuper "Conbrio", der mit Batterien betrieben und bis zur Nullserie entwickelt wurde. Das einmillionste Koffergerät kam 1966 auf dem Markt. Der R110 erhielt das begehrte Messegold der Leipziger Messe.

Stern-Radio-Berlin, die Jahre 1970 - 1978

Diese besonders erfolgreiche Etappe war durch Weiterentwicklung der bisherigen Palette und Neuentwicklung von Radiorecordern gekennzeichnet. So gab es neben den Radiorecordern den "Berolina", "Sport", "Format" und "Stern 400" die Koffergeräte "Dynamic", "Contura", "Sensomat" und die Autosuper "Trophy" und "Touring".

Neu war die Fertigung von Radio-Recordern. Der wohl bekannteste und beliebteste war der "Sternrecorder R160", welcher ab 1972 gefertigt wurde. Aus Kapazitätsgründen wurde die Leiterplattenfertigung zu Nachrichten Elektronik Greifswald (NEG) ausgelagert. Die Kassettenlaufwerke ("Kassettengrundbaustein KGB4") lieferte Robotron-Messelektronik 'Otto Schön' Dresden, anfangs mit ungarischem Tonkopf (BRG), später mit Kopf aus DDR-Produktion (Goldpfeil). 

1971 wurde der einmillionste Taschenempfänger als Ergebnis der Produktionsintensivierung ausgeliefert. Das Produktionsvolumen aller 4 Gerätetypen im obigen Zeitraum betrug 4,2 Millionen Stück. Messegold wurde mehrfach errungen. Im sozialen Bereich wurden bis 1973 Berufsschule, Ambulatorium, Bibliothek und Ferienheim geschaffen.


Stern-Radio-Berlin, die Jahre 1979 - 1991
Betrieb des VEB Kombinat Rundfunk und Fernsehen

Neben der Überführung der Kombinatsfunktion nach Staßfurt im Jahre 1979 war der Parteitagsbeschluss von 1986 für die Errichtung des Erweiterungsbaues in Berlin Marzahn von maßgebender Bedeutung für den Betrieb. Auf die Technologie der Bauelementefertigung hatte die rasante Einführung der Mikroelektronik großen Einfluss. 
Die Lehrlingsausbildung wurde erweitert, der Jugend mehr Verantwortung im Fertigungsbereich gegeben.

In Serienproduktion gingen 1983 die Monorecorder KR 650/660 (in der BRD auch als Bruns bekannt), ab 1985 die Stereo Radiorecorder SKR 700-1200 und 1989 die moderne HiFi-Anlage HMK 200 (D200, V200). Letztere wurde in Berlin-Marzahn gefertigt und galt als Spitzenprodukt des Kombinates. Die Plattenspieler HMK- SD 200, PA1203, 1205, 2105 (beiden letzen mit programmierbaren Tangentialtonarm, Titelreihenfolgeprogrammierung wie beim CD-Player) wurden von Ziphona im passenden Design zugeliefert.

Für die Massenproduktion wurden aus Japan (z.B. Toshiba) moderne Bestückungsautomaten für Leiterplatten importiert. Die neue Plastgalvanik trug zur wesentlichen Verbesserungen der Gehäuse-Attraktivität bei. Die Farbpigmente für die mitunter knallig bunten Gehäuse, welche gerade bei Jugendlichen sehr beliebt waren, wurden importiert; zum Teil auch Bauelemente wie Lautsprecher von Forster, Motoren von Sankyo usw.wenn die eigene Zulieferindustrie Kapazitätsprobleme hatte. So kommt es zu Stande, dass 2 gleiche Geräte (SKR 700) völlig anders klingen. Der eine SKR hat Lautsprecher aus DDR-Produktion, der andere welche von Forster, was man an den besseren tiefen Tönen gut erkennen kann.


Einen besonderen Clou landete Stern-Radio-Berlin mit den in japanischer Lizenz gefertigten Kassettenlaufwerken der MU300-Reihe, welche mit den Motorunterstützen Tasten einen hohen Bedienkomfort boten und den sehr guten technischen Parametern nicht nur bei den eigenen Geräten wie die SKR-Reihe, KR2000 usw. - verwendet, sondern auch bei Stern Radio Sonneberg in den hochwertigen Casseiver, Kassetten- und Doppelkassettendecks eingesetzt wurden. Sie wurden auch vom VEB Elektronik Gera für die dort produzierten Kassettenrecorder und als "Datasette", den LCR-C Data für die Heimcomputer der KC-Reihe verwendet.







Mit den politischen Veränderungen des Jahres 1989 war trotz modernsten japanischen und amerikanischen (auch SMD) Fertigungsanlagen keine Zukunftschance für die Radioproduktion gegeben. Eine Konzeption zur Umstrukturierung wurde von der Treuhand verworfen, die Abwicklung und Liquidierung des Betriebes beschlossen.

Zum 30.06.1991 wurden alle Mitarbeiter (ca. 3300) entlassen und eine unbekannte Erscheinung, die Arbeitslosigkeit, griff um sich.

In dem Betriebsgelände Berlin-Marzahn, an der Allee der Kosmonauten verkauft heute die Metro ihre Produkte an Gewerbetreibende.



Mario Spitzer für www.Radiomuseum.org

Quellenangabe:

Stern-Radio-Berlin Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaft für Arbeitnehmer mbH
Radio und Fernsehen
Original Unterlagen
Div. Helfer von eBay
Eigene Sammlung und Unterlagen

Mein besonderer Dank gilt Herrn Kieck und Herrn Erb für Ihre freundliche Unterstützung!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Gelungene Chronik 
01.Apr.06 14:06

Enno Janke (D)
Beiträge: 87
Anzahl Danke: 76

Hallo Mario,
ein sehr schöner Beitrag über diese Firma.
Es hat direkt Spaß gemacht diesen zu lesen.
Gerade über die Firmen der ehemaligen DDR ist mir bisher noch nicht viel bekannt.

Gruß Enno

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Spitzen-Artikel 
06.Jun.06 15:55

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5746
Anzahl Danke: 80
Ernst Erb

Erst jetzt - durch die Verlinkung in einem anderen Beitrag über das Thema wie man Fotos integriert - stosse ich auf diesen höchst interessanten Beitrag, der dazu noch technisch ausgezeichnet bebildert und verlinkt ist. Er ist auch richtigerweise über die Firma (Hersteller) gepostet.

Dieser Beitrag ist einfach "Spitze" - und hat damit Vorbildcharakter. Ich werde ihn gerne prominent verlinken. Danke, Mario Spitzer.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.