Cu-Kathoden gescheitert - warum?

ID: 130250
Cu-Kathoden gescheitert - warum? 
07.Jan.07 08:25
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Gerhard Eisenbarth (D)
Redakteur
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Gründe für das Scheitern der Kupfer-Kathode „Cupra von Philips bzw. Cu-Bi von Telefunken“.


Die Verwendung von Kupfer in Hochvakuumröhren ist von Anfang an umstritten.

In der Telefunken-Zeitung [1], Seite 17 schreibt Herr Rukop über die Verwendung von Kupfer: „Wir waren daher etwa die letzten zwei Jahre zu Kupferelektroden übergegangen. Aber Kupfer ist ein hinterlistiges Material; es ist oft sehr schön; gibt ohne große Anstrengung bestes Vakuum, oft ist es dagegen gar nicht gasfrei zu kriegen, es verdirbt noch obendrein die Fäden beim Evakuieren und die Vakuumverschlechterung tritt allmählich ein“.

Kupferblech wurde ersatzweise in den Kriegs- und Nachkriegsjahren (1917, 1918 …) statt Nickelblech für Anoden verwendet. Einige Röhren des Typs EVE173 sind mit Kupferanode ausgeführt.
Kupfer macht hier Probleme durch Fremdmetalle, die als Verunreinigungen im Kupfer enthalten sind und nachträglich nach der Evakuierung langsam ausgasen. Da in dieser Zeit noch keine Getterstoffe verwendet wurden, hat sich dies besonders negativ ausgewirkt. Auch die Vergiftung der Wolframfäden mit Kupfer ist bereits angesprochen. Bei den später verwendeten Thorium- und Oxid-Kathoden hätte sich eine derartige Kupfervergiftung noch fataler ausgewirkt. Erst als es gelang, Kupfermaterialien mit hoher Reinheit herzustellen und dies auch noch im Hochvakuum beherrschte, haben einige Hersteller für die Wärmeableitung beim kathodennahen Gitter 1 die Haltestäbe in Kupfer ausgeführt.

Die positive Wärmebilanz des Kupfers hat dann auch Philips dazu verführt, Kathoden in Kupfer auszuführen. Von der Wärmebilanz her ist dies ein durchaus nachvollziehbarer Schritt gewesen. Die gesehenen Vorteile sind auch vorhanden und lassen sich sowohl physikalisch als auch technisch nachvollziehen.

Ein Nachteil wurde dabei allerdings unterschätzt nämlich den der Temperatur auf Kupfer.
Die Kathode ist das heißeste Bauteil in einer Röhre. Die Oxidschicht muss eine Temperatur um die 800 Grad Celsius haben, damit die Emission funktioniert, siehe dazu Bild 1, aus [2], Seite 54.
Dagegen wird die Temperatur des Heizers höher sein wegen der Wärmebilanz der Kathode. Hier liegt das eigentliche Problem der Kupferkathode. Auf der einen Seite kann man wegen der geringeren Abstrahlung der Kupferkathode die Heizleistung des Heizers verringern, aber die Temperatur der Oxidschicht muss erhalten bleiben.

Zur Verwendung des Werkstoffs Kupfer in Vakuumröhren hat Dr. W. Espe folgende Bemerkung:

„Die Verdampfungsgeschwindigkeit ist relativ groß, etwa eine Zehnerpotenz größer als die von Ni. Die Betriebstemperatur von Cu-Teilen in Vakuumröhren darf deshalb im allgemeinen 400-500 Grad Celsius nicht überschreiten“, Siehe dazu auch [3], Seite 71.

Weiter dazu aus Grundlagen und Kennlinien der Elektronenröhren [4], Seite 349:

„Es ist versucht worden, an Stelle von Nickel Kupfer zu verwenden. Anlass dazu war die geringere Wärmestrahlung von Kupfer gegenüber Nickel und die Tatsache, dass bei sehr dünnen Emissionsschichten das Trägermaterial noch merklich an der Wärmeabstrahlung beteiligt ist. Die durch die Verwendung von Kupfer vorhandene Ersparnis an Heizleistung wiegt jedoch den Nachteil der großen Empfindlichkeit sehr dünner Schichten gegen äußere Einflüsse nicht auf. Kupfer besitzt außerdem einen sehr niederen Schmelzpunkt (1080 Grad Celsius) gegenüber Nickel (1450 Grad Celsius), dass es bereits bei normaler Betriebstemperatur stark verdampft und sich Kupfer auf Isolatoren und Innenwand des Kolbens niederschlägt.“

Wenn man sich dann noch als letzten Beweis das Diagramm der Sättigungsdampfdrücke von Metalldämpfen von Dr. W. Espe ansieht (Bild 2) ist der technische Grund für das Versagen von Kathoden aus Kupfer durchaus verständlich [3].

In einem vom Verfasser erstellten Diagramm sind die Verhältnisse um die Kupferkathode aufgezeigt, Bild 3.

Der Temperaturbezug ist die Oberflächentemperatur der Kathode von 800 Grad Celsius.  Im Innenbereich der Kathode ist die Temperatur noch höher, ca. 1200 Grad Celsius. Dort verdampft dadurch noch mehr Material.
Durch den geringen Verdampfungsgrad ist eine gewisse Zeit notwendig, in der sich das Material an Stellen innerhalb der Röhre niederschlägt, an denen dann tatsächlich auch Funktionsbeeinträchtigungen der Röhre erfolgen.
Dies ist sowohl von Philips als auch von Telefunken unterschätzt worden. Das nachträgliche Verschweigen der Gründe dieser Fehlentwicklung ist auf  Angst vor Imageverlust zurückzuführen. Selbst heute ist kaum jemandem bekannt, dass es mal Röhren mit Kupferkathode gegeben hat. Die Telefunken-Typen EB2, EL1, EF3, EF7, EZ1 sind aus den Datenbüchern ab ca. 1938 verschwunden.
Ob Philips – als Verursacher der Kupferkathode – mit Kupferkathoden-Typen auf dem Markt kam, konnte ich bisher nicht herausfinden.
Wir werden vermutlich keine offizielle Stellungnahme von Philips oder Telefunken finden über die Gründe, warum diese Röhrenserie nicht auf dem Markt kam oder vom Markt genommen wurde.

Eine Philips-Cupra-Röhre konnte ich bis heute nicht auftreiben. Von den Telefunken Typen habe ich eine EF7 als Cu-Bi-Type und zwei EL1-Typen. Eine EL1 ist eine Cu-Bi-Type und die Andere eine Normaltype.
Die Vorteile hinsichtlich der verringerten Heizleistung bei gleicher Emission, kann ich bei den Röhren mit Kupferkathode nachvollziehen. Da beide Röhren nicht lange im Einsatz waren, besteht noch keine messbare Beeinträchtigung durch verdampftes Kupfer.
Bei meiner EF7 kann ich deutlich einen Kupfer-Niederschlag auf der obere Glimmerbrücke im Bereich der Kathode erkennen.

Literaturverzeichnis

[1]  Telefunkenzeitung Nr. 19, Die Fabrikation von Hochvakuumröhren, Dr. Hans Rukop
[2]  Radio-Röhren, RPB Band 18/19, 2. Auflage, Herbert G. Mende
[3]  Werkstoffkunde der Hochvakuumtechnik, Verlag Julius Springer 1936, Dr. W. Espe
[4]  Grundlagen und Kennlinien der Elektronenröhren, 2. Auflage 1943, Rothe/Kleen

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10.Jan.07 12:22

Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Hallo Herr Eisenbarth,

das ist sind interressante Erkenntnisse !

Diese Probleme hatte man seinerzeit wohl unterschätzt oder ignoirt, bzw. zu spät erkannt.

Zumindest hatte Philips gerade noch rechtzeitig vor der Massenfertigung der Cupra-Röhren die Notbremse gezogen und diese nicht zum Verkauf gebracht.

Umso mehr muss man sich darüber wundern, warum Telefunken zwei Jahre später solche Röhren sogar mit exakt den gleichen Heizdaten (6,3V/0,24A) der Philips- Cupra-Röhren tatsächlich auf den Markt bringt.

Das gibt immer noch Anlass zur Spekulation, dass vielleicht Philips diese Technik an Telefunken untergeschoben hatte, um damit Telefunken auf einen Holzweg zu führen. Philips konnte sich dann selbst konkurrenzlos der Produktion praxistauglicher Neuentwicklungen zuwenden (Rote Serie) und dabei eventuell noch Restbestände von Cupra- Teilen gewinnbringend entsorgen.

Ich besitze selbst die meisten Typen dieser Serie. Man kann zwar die Cu-Kathode an sich erkennen, aber, um einen Kupfer-Niederschlag deutlich zu sehen, sind die Sichtverhältnisse zu schlecht.

Eine Ausnahme macht diese EZ1. Auf dem Bild ist der Niederschlag auf dem Kolben relativ farbgetreu zu sehen, der zu dem sonst üblichen Grau bis Schwarz einen gewissen Grünstich enthält.

Bei diesem Grün kann es sich fast nur um verdampftes Kupfer handeln.
Der Niederschlag stammt eindeutig von der Katode, da die Haltestäbe einen entsprechenden Schatten werfen. Die Maschen der Drahtgaze- Anode bieten hier keinen Widerstand.

An den Glimmerbrücken kann man mit etwas Phantasie auch einen kleinen Cu- Niederschlag in Katodennähe erkennen. Viel mehr wird es nicht werden, da die Röhre kaum betriebstauglich ist.

Obwohl als OVP- neu erhalten, neigt sie zu Überschlägen und musste daher durch eine andere EZ ersetzt werden, bzw. durch eine umgesockelte 6Z4/84, die so zur "EZ2E" wurde.

Die anderen Röhren dieser Serie arbeiten noch, wenngleich das verwendete Gerät eine ausgesprochen übele Wiedergabequalität hat.

M.f.G. J.R.

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Kupferniederschlag 
11.Jan.07 22:07

Gerhard Eisenbarth (D)
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Hallo Herr Roschy,

Sie haben recht. Es ist verwunderlich, dass Telefunken mit den Röhren auf dem Markt kam
und Philips nicht, obwohl Philips die Kupferkathode entwickelt hat und vor der Einführung
rührig die Werbetrommel geschlagen hat. Telefunken wurde nicht von Philips über die
erkannten Probleme informiert.

Ein Foto möchte ich noch bringen, wo man den Kupferniederschlag deutlich sehen kann.
Das Bild zeigt die Kathode an der oberen Brücke meiner EL1. Der Bereich zwischen
Kathode und G1 ist vollflächig mit Kupferniederschlag ausgefüllt. Ein Schluss zwischen
G1 und Kathode ist noch nicht messbar.

Interessant ist der Niederschlag innen am Kolben bei Ihrer EZ1. An der Kolbeninnenseite
ist dieser Niederschlag noch nicht kritisch, aber er könnte zur Vakuumverschlechterung
und/oder Kathodenvergiftung beigetragen haben. Die Überschläge deuten auf Vakuum-
verschlechterung hin


Gerhard Eisenbarth
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30.Jan.07 18:59

Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Hallo Herr Eisenbarth,

nach außen hin hatte Philips nicht groß die Werbetrommel geschlagen. Die dem Cupra-Röhren- Artikel zugunde liegende Dokumentation war von Philips nur an ihre Großkunden, d. h. die Geräteindustrie gerichtet. Laien und Leser normaler Fachzeitschriften (Funkschau etc.) erfuhren davon nichts.

So konnte Philips die Cupra- Technik als "bahnbrechnde" Erfindung eventuell noch an Telefunken verramscht haben, wie ich es schon im Artikel Außenkontaktröhren 1935 / 36 Teil I (post 3) angedeuted hatte.

  

Um die Verfärbung des Kobenniederschlags durch verdampftes Kupfer auf der EZ1 besser beurteilen zu können, habe ich hier zum Vergleich noch eine VY1 sehr ähnlicher Bauart eingestellt. Deren Kolbenverdunkelung erscheint in der Realität leicht heller als bei der EZ1, nur eben ohne Grünstich.

M.f.G. J.R.

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Weitere mögliche Gründe 
06.Feb.07 11:41

Gerhard Eisenbarth (D)
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Hallo Herr Roschy,

es gibt noch weitere mögliche Gründe für den Werkstoff-Fehlgriff, Kupfer für
Kathoden einzusetzen.
Aus einem Bericht von Herrn Dr. K. Steimel über den Zustand der Röhrentechnik
in Deutschland zum Abschluß des Krieges - Seite 6.

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"Röhren- und Gerätetechnik"
Für die damalige Zeit war folgender Zustand der Entwicklungstätigkeit besonders
kennzeichnend. Die Röhrenentwickler beschäftigten sich gleichzeitig mit den
grundlegenden Problemen der Hoch- und Niederfrequenztechnik. Auf diese Weise
hatten sie ein sehr gutes Urteil über die Anwendung der Röhre. Dadurch wurde
die Entwicklung von vornherein in solche Bahnen gelenkt, dass das entstehende
Produkt den Anforderungen der Technik am besten entgegenkam. Diese
technische Entwicklungsrichtung ging etwa 1927 ganz verloren, als H. Rukop
die Leitung der Röhrenentwicklung aufgab und Professor an dem neugegründeten
Lehrstuhl für technische Physik an der Universität Köln wurde.

"Tiefstand der deutschen Röhrenentwicklung"
In den folgenden Jahren wurde die Röhrenentwickung in Deutschland sehr
einseitig. Es kamen starke Fehlentwicklungen auf. Die krasseste war die
Entwicklung der sogenannten Außensteuerröhren, welche zu einem technischen
und wirtschaftlichen Misserfolg wurde.
Die Entfremdung zwischen Röhrenentwicklern und Gerätebauern, als Benutzer
der Röhren, ging sehr weit. Die Gerätebauer  pflegten diesen für sie sehr un-
zuträglichen Zustand durch folgende ironische Formulierung zu charakterisieren:
Die Röhre ist dazu da, um eine Kennlinie zu haben. Ihre Anwendung in einem
Gerät ist Missbrauch.
Der damalige Zustand des Niedergangs der deutschen Röhrenentwicklung
wurde auch dadurch gekennzeichnet, dass die Firma Philips in Europa in
jenen Jahren erheblichen Vorsprung gewann. Dabei hatte auch die Firma
Philips in jener Zeit nicht einmal eine sehr gute Besetzung ihrer Laboratorien.
----

Hierin sehe ich auch eine Möglichkeit  für  diese  Fehlentwicklung.
Nach meiner Auffassung wäre unter Leitung von Herrn Rukop, zumindest
für Telefunken,  keine Kathode aus Kupfer realisiert worden.

Freundliche Grüße von

Gerhard Eisenbarth

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