Die frühen Jahre der Deutschen Philips GmbH
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Die frühen Jahre der Deutschen Philips GmbH
11.Feb.08 20:14
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Bericht von 2001: 75 Jahre Philips Deutschland, Graf von Westap war von 1932 bis 1955 Geschäftsführer der Deutsche Philips GmbH (DPG)
Die frühen Jahre der Philips Aktivitäten in Deutschland waren eng verbunden mit dem Namen eines Mannes: Theodor Graf von Westarp. 1890 in Altona geboren, erlebte Graf von Westarp als Marineoffizier auf dem Kreuzer »Derfflinger« die Schlacht im Skagerrak. 1922 startete er seine Laufbahn in der Einkaufsabteilung der Hamburger Röntgenröhrenfabrik C.H.F. Müller (»Röntgenmüller«). Es schloss sich eine heutzutage kaum vorstellbare Karriere an. Zwei Jahre nach seinem Start wechselte Graf Westarp als Verkaufsleiter in die neue, von der Röntgenröhrenfabrik ausgegliederte Radioröhrenfabrik, die spätere »Valvo«.
Alle Aktivitäten unter dem Dach der DPG
C.H.F Müller, durch Nachkriegs- und Inflationszeit geschwächt, suchte und fand mit dem niederländischen Unternehmen Philips einen starken Partner. 1927 wurde C.H.F Müller als neue Tochterfirma übernommen, blieb aber als Aktiengesellschaft rechtlich selbstständig. 1932 wurden alle Aktivitäten des Konzerns in Deutschland in der DPG zusammen gefasst. Graf Westarp, der bereits seine Fähigkeiten als Verkaufsleiter und anschließend als Geschäfts-Führer der Radioröhrenfabrik unter Beweis gestellt hatte, wurde erster Geschäftsführer der Deutschen Philips GmbH (DPG).Das Erfolgsgeheimnis des »Grafen«, wie er von Mitarbeitern mit Hochachtung genannt wunde, lag in seiner Persönlichkeit begründet. Graf Westarp war nicht das, was man sich landläufig unter einem kalt rechnenden Manager vorstellt.
»Sommersprossen sind keine Gesichtspunkte«
Er war ein universell gebildeter und interessierter Mensch. Neben Disziplin zählten bei ihm ebenso Kollegialität und Menschlichkeit. Mit seinem Humor gelang es ihm immer wieder, hochernste Verhandlungen aufzulockern - legendär sein Spruch: »Aber, aber, Sommersprossen sind doch keine Gesichtspunkte.« Ebenso sprichwörtlich war seine Fähigkeit, neue Wissensgebiete - besonders technischer Art - in sich aufzusaugen. So repräsentierte Graf Westarp - kaum zwei Jahren nach Aufnahme seiner Tätigkeit - das Unternehmen C.H.F. Müller auf einem internationalen Kongress in Moskau.
Rundfunkempfänger selbst gebaut
Typisch: Als Graf Westarp zur Radioröhrenfabrik wechselte, baute er sich in der Freizeit zunächst selbst einen Rundfunkempfänger, um ein Gefühl für die Technik zu bekommen, die er nunmehr vertreten und verkaufen sollte. Seine Frau schilderte die Begebenheit später sehr plastisch, wie er nach Tagen gespannter Erwartung dem Gerät endlich die ersten Töne entlockte: »Es waren scheußliche Missklänge...« Hatte der Graf beim Basteln etwas falsch gemacht? Die Auflösung erfolgte schließlich per Sender-Absage: »Sie hörten soeben die erste Übertragung chinesischer Musik, wenn Sie uns gehört haben, teilen Sie uns dies bitte auf einer Postkarte kurz mit. « Rundfunk zur Pionierzeit.
Theodor Graf von Westarp war nach Feierabend oft in seinem Hobbykeller seines Heims in Hamburg-Blankenese anzutreffen.
Von Hamburg nach Berlin umgezogen
Mit der Übernahme der DPG-Geschäftsführung übersiedelte Graf Westarp mit seiner Familie von Hamburg nach Berlin. Schnell wuchs die Vertriebstätigkeit auf dem deutschen Markt: So sah der Geschäftsplan für 1934 beispielsweise den Absatz von 35.000 Radioapparaten vor.
Es war eine Sensation, als 1934 das erste Radio die Werkshallen der damaligen Apparatefabrik Aachen verließ.
Immerhin war der Betrieb erst wenige Monate zuvor gegründet worden. Aus kleinsten Anfängen heraus entwickelte sich die Fabrik rasch zu einem der angesehensten Unternehmen der deutschen Rundfunkindustrie. Bis zu 1000 Beschäftigte fertigten damals in Aachen Glühlampen, Radioröhren und Rundfunkgeräte. Der Philips Weltempfänger »Superhet« wurde in Deutschland zum Verkaufsschlager. Und das, obwohl er mit einem Preis von 320 Reichsmark für damalige Verhältnisse nicht gerade günstig zu nennen war.
In den folgenden Jahren entstand die repräsentative Hauptverwaltung
Die an der Kurfürstenstraße 1938 in Berlin bezogen wurde. Schon ein Jahr später musste Graf Westarp als politisch unerwünscht von seiner Position zurücktreten. Die »unfreiwilligen Ruhejahre«, wie Ehefrau Margarete später schrieb, hatten für die Familie auch gute Seiten: Zum ersten Mal seien sie 1939 nicht wegen Firmenangelegenheiten vorzeitig aus einem Urlaub zurückgerufen worden. Neben der Familie widmete sich der Graf seinen Hobbys. Dazu gehörten Schachspielen, Tischlern und die Pflege von mehr als 300 verschiedenen Gewächshaus-Kakteen auf dem Grundstück in Berlin-Schlachtensee. Hinzu kam - schon seit Moskauer Tagen im Jahre 1924 ins Auge gefasst - das Studium der russischen Sprache. Das sollte sich schon bald bezahlt machen.
Nach der Zwangspause wieder eingesetzt
Denn am 21. Mai 1945, wenige Wochen nach dem Untergang des Nazi-Reichs, wurde Graf Westarp wieder in die Führung der deutschen Philips Betriebe eingesetzt, beziehungsweise das, was von ihnen übrig geblieben war. So wurden beispielsweise die Büros in der Kurfürstenstraße von russischen Soldaten als Pferdeställe genutzt. Nicht zuletzt dank seiner inzwischen hervorragenden Russisch-Kenntnisse gelang es Graf Westarp relativ schnell, verschiedene Betriebe in Berlin wieder in Gang zu bringen. Auf abenteuerlichen Wegen wurden - auch mit Unterstützung durch russische Soldaten - ausgelagerte Warenbestände aus dem Umland zurückgeholt. Firmenangehörige konnten mit Lebensmitteln versorgt werden, die man auf Überlandtouren eintauschte. Margarete von Westarp beteiligte sich am allgemeinen Tauschhandel Privatbesitz gegen Lebensmittel, um die Mitarbeiter zu ernähren: So wurde beispielsweise ein Klein-Klavier schnell in zehn Pfund Butter verwandelt.
Täglich 60 Kilometer auf dem Fahrrad
Der Firmenchef selbst radelte täglich 50 bis 60 Kilometer von Schlachtensee zum Arbeitsplatz und zurück. Die Deutsche Philips, die theoretisch noch über Bankguthaben von zwölf Millionen Reichsmark verfügte, startete den Aufbau mit 8000 Reichsmark Barmitteln. Ab 1946 arbeitete Graf Westarp monatlich drei Wochen lang in Hamburg und eine in Berlin. Zwei Jahre später, kurz vor der Berlin-Blockade, zog die Familie ganz nach Hamburg zurück und baute im schönen Blankenese ein neues Haus. Im Jahr darauf erhielten die Westarps dort hohen Besuch aus Holland. Anton Philips überreichte als Gastgeschenk Delfter Teller, die einen Ehrenplatz im Blankeneser Haus erhielten.
Foto links: Geschäftsführer-Theodor Graf von Westarp mit einer Neuheit auf dem damaligen Rundfunkgerätemarkt.- Foto rechts: Dr. Kurt Sieveking (rechts), derzeit Erster Bürgermeister in Hamburg, zeichnete 1955 im Auftrage des Bundespräsidenten den Pionier der deutschen Rundfunk- und Fernsehwirtschaft mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland aus.
Zum Abschied das Große Bundesverdienstkreuz
Mit den Philips Unternehmen ging es in den folgenden Jahren steil bergauf. Allein 1954 brachte den deutschen Philips Unternehmen ein Umsatzplus von 29 Prozent. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von knapp 11.000 auf mehr als 14.000. Anlässlich seines 65. Geburtstages verlieh Bundespräsident Theodor Heuss Graf Westarp das Große Verdienstkreuz. Noch im gleichen Jahr ging der Firmenlenker und Rundfunkpionier in den wohlverdienten Ruhestand, blieb jedoch als Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Philips GmbH erhalten. Theodor Graf Westarp starb am 4. Juni 1959 nach kurzer Krankheit in Hamburg. Mit ihm verlor Nachkriegsdeutschland » einen der sympathischsten Wirtschaftskapitäne«, wie das »Hamburger Echo« schrieb. Und einen der Erfolgreichsten, sollte man hinzufügen.
Quelle: WIR BEI PHILIPS NR.6 Juni 2001 (Werkzeitung)
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