Radio Record DM300, eine Übersicht

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Radio Record DM300, eine Übersicht  
08.Mar.11 16:33
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

Man stellt sich die Frage: wieso eigentlich ‚Übersicht’, gab es denn unterschiedliche Röhren dieses Types?
 
Ja, das ist die Eigenheit der DM300 von Radio Record. Nach den alten Dokumenten, wurde die erste Serie schon Mitte der 20er Jahre produziert, dann im Laufe der Zeit zweimal in ihren Eigenschaften geändert. Letztendlich noch in den 50er Jahren auf den Markt gebracht, wo sie für die Röhrenversuche im Kosmos RADIOMANN und RADIO-TECHNIK verwendet wurde.
 
Nun hat niemand etwas gegen den technischen Fortschritt, hier wurden jedoch einschneidende Änderungen angebracht, ohne die Typenbezeichnung jeweils anzupassen! Der Hersteller „Radium“ in den Niederlanden -später von Tungsram übernommen- muss sich vorwerfen lassen, aus kommerziellen Gründen die notwendigen Schritte unterlassen zu haben und damit die Gebraucher, Ersteller von Röhrendokumenten, sowie die Hersteller von Röhrenprüfgeräten im Unklaren gelassen zu haben. Meiner persönlichen Einschätzung nach wurden die Anwender –hauptsächlich Radiohobbyisten- einfach nicht seriös genug genommen.
 
 
Was ist was?
Damit die Besitzer einer DM300 trotzdem eine Orientierungshilfe bekommen, habe ich alle vier, mir bekannten, Ausführungen in einem Foto zusammengestellt.
 
 
 
Von links nach rechts sehen wir die, äußerlich und elektrisch verschiedenen Ausführungen in zeitlicher Zuordnung.
Dabei wird im RM eine Unterscheidung zwischen DM300_old (früher DM300 alt) und DM300_new (früher DM300N) gemacht. Wir gehen mal davon aus, dass die Trennung so etwa 1945 erfolgte. Mit Sicherheit kann man das allerdings nicht sagen, weil einfach keinerlei Herstellerinformationen aufzutreiben sind. Oder kann ein Leser die Lücken füllen?
 
Hiernach werden die Einzelheiten beschrieben, soweit ich die an Hand von den wenigen Dokumenten ergründen und was ich selber noch im Laufe der Zeit an meinen DM300 ausmessen konnte.    
 
 
Ausführung A (unter DM300_old)
 
 
Das ist die Urausführung mit einem Metallsockel, hergestellt Mitte der 20er Jahre. Sie hat einen gelblich, mittelhell glühenden, thorierten Heizfaden. Das Raumladegitter (g1) ist mit der Seitenschraube verbunden. Wie im RM zu sehen, hat Radio Record damals technische Daten mit Kurven veröffentlicht. Vergleicht man beide Blätter, sind diese nicht im Einklang! Der Heizstrom z.B. ist mal mit 0,06A und mal mit 0,1A angegeben. Meine eigene DM300 zeigt selbst 0,13A bei Uf= 3,5V.
 
Dann fällt die Elektrodenanordnung auf. Telefunken hatte ein Patent auf zylinderische Gitter und dem Anodenblech um den zentralen Heizfaden. Nach der unten abgebildeten Bekanntmachung der Fa. RADIUM aus 1926 (mit herzlichem Dank an Herrn Kull), wurde ein Strafverfahren gegen RADIUM angedroht, weil Radio Record Röhren dieses Patent zunächst missachteten.
 
 
 
Man war also gezwungen, die Gitter und auch das Anodenblech einseitig offen zu lassen, so dass nun U-förmige Elektroden eingebaut wurden. Das hat natürlich seine Nachteile (was RADIUM mit schönen Worten verblümt), wie z.B. eine reduzierte Steuerwirkung. Die Kurvenscharen zeigen deutlich, dass der Anodenstrom auch bei einer höheren negativen Steuergitterspannung (mit Vg bezeichnet) nicht auf Null zurück geht. Die unkontrollierten Elektronen (Umgriff) sind die Ursache für den erhöhten „Schwanzstrom“.
 
 
 
 
 
Ausführung B (unter DM300_old)
 
 
Ab etwa Anfang der 30er Jahre wurde eine verbesserte Version der DM300 (manchmal auch als Dm300 bezeichnet) mit Bakelitsockel auf den Markt gebracht. Auch das Firmenlogo wurde überarbeitet, ein großes R steht jetzt vor Radio Record.
 
Die wesentliche Verbesserung ist der ‚moderne’ Heizfaden, welcher nach dem Barium-Aufdampfverfahren behandelt wurde. Somit ist kein Glühen von außen zu sehen. Wohl wurde dadurch die Emission deutlich erhöht. Das Raumladegitter (g1) ist mit der Seitenschraube verbunden. Um das schon erwähnte Telefunken-Patent zu umgehen, wurden jetzt die Gitter und die Anode kastenförmig angeordnet.
 
 
Ausführung C (unter DM300_new)
  
 
Ich nehme an, dass diese Röhre nach dem Kriege (bei Tungsram?) gefertigt wurde und zwar mit gänzlich anderen Eigenschaften! Der Heizfaden ist wieder vom Barium-Aufdampftyp, jedoch ist die Seitenschraube nicht mehr mit dem katodennahen Gitter verbunden, sondern liegt am anodennahen g2! Diese „Entdeckung“ war für mich -und andere- eine unerwartete Überraschung. Wie es dazu kam, ist in der Funkgeschichte (GFGF) Heft 139 von 2001 festgehalten und auch hier im RM nachzulesen.
 
Kennzeichnend ist der runde Firmenstempel und eine firmeninterne Kodierung, welche aus dem Buchstaben „N“, gefolgt durch zwei Ziffern, besteht. Diese „neue“ DM300 wurde in den 50er Jahren zu den Kosmos Experimentierkästen RADIOMANN und RADIO-TECHNIK geliefert. In den Anleitungsheftchen zu den genannten Kästen findet man keinerlei Hinweise auf die gravierenden Änderungen an der Röhre! Selbst im Kasten RADIO-TECHNIK (5. Auflage) findet man widersprüchliche Aussagen, wo dort die Radiotechnik doch viel tiefergehend behandelt wird. 
 
Nun höre ich Stimmen die sagen: „Wozu das ganze Bu-hei? Ist doch Jacke wie Hose, mit der alten, wie auch der neuen DM300 lassen sich die Röhrenexperimente durchführen!“ Das mag für die Audionschaltung zutreffen, ist aber für eine Negadynschaltung nicht mehr gültig. Da kommt es sehrwohl auf die Reihenfolge der Gitter an! Hier kann man die DM300_old nicht einfach durch eine DM300_new ersetzen. Die Gittervertauschung müsste dann in der Verdrahtung rückgängig gemacht werden.
 
Es ist aber nicht nur die Gittervertauschung, sondern auch die röhreninterne Geometrie der Elektroden wurde so geändert, dass die neue DM300 als Schirmgitterröhre auch bei einer Betriebsspannung von nur 13,5V noch gut funktioniert.
 
 
 
In einer Gegenlichtaufnahme habe ich versucht den Unterschied in den Abmessungen der Anodenkästen darzustellen. Durch Verkleinerung bei der neuen DM300, sind auch die Abstände aller Elektroden zum Heizfaden reduziert, was durch erhöhte Feldstärken einen ausreichenden Stromfluss bewirkt. Das bedeutet aber auch, dass das katodennahe g1 jetzt nicht mehr als Raumladegitter (auf voller +Ub) benutzt werden darf. Der Irg würde unverhältnismäßig hoch ansteigen. Um das auszuschließen, hatte man einfach die beiden Gitter vertauscht.
 
 
Ausführung D (unter DM300_new)
 
 

Da kann ich mich kurz fassen: diese ist elektrisch identisch mit Ausführung C. Nur die Form des Glaskolbens ist anders. Auch hier die schon erwähnte Firmenkodierung beginnend mit „N“ im runden Stempel, nun seitlich angebracht

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.