neuberger: Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM370 - Übersichtsartikel
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ID: 346748
Dieser Artikel betrifft das Modell: Röhrenmeßplatz RPM370/1 (Neuberger, Josef; München)
neuberger: Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM370 - Übersichtsartikel
21.Apr.14 23:16
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Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM 370
Übersichtsartikel
Kurt Schmid & Alfons Meisl
Das Neuberger RPM 370 ist ein sogenanntes „Kennlinien“-Gerät. Eingebaute einstellbare Spannungsquellen ermöglichen es, Röhren an beliebigen Punkten ihrer Kennlinie zu betreiben und zu vermessen. Daher spricht man auch gerne von statischen Röhrenmessgeräten. Als Urahn dieser Neuberger Geräte kann das WE 242 gelten, das 1936 auf den Markt kam [1]. Das RPM 375 [2], welches ab 1964 das, in diesem Übersichtsartikel beschriebene Vorgänger Modell RPM 370 ersetzte, markiert das Ende einer längeren Entwicklungsreihe. Das Röhrenzeitalter neigte sich seinem Ende zu; der Absatz ging zunehmend zurück.
Das RPM 370 muss in Hinblick auf die sehr konservative Entwicklungs-philosophie von Neuberger als Neukonstruktion bewertet werden. Schon nach zwei Jahren brachte Neuberger allerdings, eine in einigen Details verbesserte Version, als RPM 370/1 heraus.
Tabelle 1: Wichtigste Unterschiede zwischen RPM 370 und RPM 370/1
Die zementierten Rheostate stellen eine beträchtliche qualitative Verbesserung dar. Eine weitere deutliche Qualitätsverbesserung ist der Ersatz der Siebkondensatoren für die drei positiven Spannungsquellen von Elektrolyt- durch hochwertige Metallpapierkondensatoren. Daher sollte beim Kauf möglichst die Version RPM 370/1 angeschafft werden. Schon von außen lassen sich beide Versionen leicht durch die Farbe der Deckplatte der Universal-Schalteinrichtung unterscheiden. Die folgende Beschreibung basiert auf zwei vorhandene RPM 370/1, welche verkürzt als RPM 370 bezeichnet werden.
Abbildung 1: Bedienungsanleitung Neuberger RPM 370/1
Das Neuberger RPM 370 erlaubt folgende röhrenspezifische Prüfungen und Messungen:
A) Prüfmöglichkeiten
1. Durchgangsprüfung Heizfaden
2. Elektrodenschluss-Prüfung (jede Elektrode gegenüber jeder anderen
Elektrode)
3. Vakuum-Prüfung
B) Messmöglichkeiten
1. Leistungsmessung (Emissionsmessung)
2. Messung des Anodenstroms an jeder Stelle der Kennlinie
3. Durch Einschleifen externer Instrumente Messung von Strömen in allen
Elektrodenzuführungen
Mechanischer Aufbau
Stärken von Neuberger sind ein durchdachter mechanischer Aufbau sowie Solidität und hohe Qualität der Bauteile. Das gilt natürlich besonders für ein Premium-Gerät, wie das RPM 370. Kompaktheit und Gewicht hatten beim Design definitiv nicht die höchste Priorität. Mit Abmessungen von 585x462x230mm und einem Gewicht von 27,5 kg war offensichtlich nur stationärer Betrieb vorgesehen. Dementsprechend engte sich der Käuferkreis ein. Nicht zuletzt wegen des gerechtfertigten hohen Preises standen die Geräte hauptsächlich in Laboratorien der Industrie und des Militärs und waren recht selten in einer normalen Radiowerkstätte zu finden.
Abbildung 2: Ansicht des RPM 370/1 Koffers mit dazugehörigem Kartensatz (Versorgungsnummer 6625-AB-008-1208)
Unterschale und Deckel des Geräts bestehen aus lackiertem Stahlblech, was einen nicht unerheblichen Teil des Gerätegewichts ausmacht. Nach Jahrzehnten hat es sich gezeigt, dass alle lackierten Stahlbleche zu Rostansatz neigen. Die Frontplatte ist aus Aluminium und etwas dünn ausgefallen. Diese rostet zwar nicht, hat aber die Tendenz, dass die Lackoberschicht im Laufe der Jahre gerne abblättert. Sämtliche Bauteile sind auf der Rückseite der Frontplatte befestigt und bilden eine funktionsfähige Einheit, die in die Unterschale gehoben und mit dieser über 6 Schrauben verbunden wird. Zu Servicezwecken kann die Frontplatteneinheit einfach ausgebaut und so leicht zugänglich betrieben werden. Wer einmal versucht hat ein Konkurrenzprodukt von Funke (z.B. das W19 oder W20) zu reparieren, liebt Neuberger innig.
Abbildung 3: Blick auf die Frontplatte (Deckel abgenommen)
Wichtige Elemente: die oben mittig angeordnete sogenannte Universal-Schaltvorrichtung (schwarzes Rechteck) wird links und rechts von zwei Feldern mit je 9 Prüfröhrenfassungen flankiert. Als renommierter Hersteller von Einbaumessinstrumenten hat Neuberger an Messinstrumenten nicht gespart. Insgesamt sind fünf elegante Rundinstrumente der Genauigkeitsklasse 1,5 vorhanden. In der untersten Reihe sind sechs Elemente zur Einstellung der Prüfspannungsquellen angeordnet. Die Betätigung erfolgt platzsparend über koaxiale Doppeldrehknöpfe.
Funktionseinheiten eines Röhrenprüfgeräts
Jedes Röhrenprüfgerät, so auch das Neuberger RPM 370, besteht zumindest aus folgenden vier prinzipiell notwendigen Funktionseinheiten:
- Prüfröhrenfassungen
- Spannungsquellen
- Vorrichtung zur Zuordnung der Elektroden der Prüfröhrenfassungen zu den Spannungsquellen
- Anzeigen für die Prüf- und Messergebnisse
Die Prüfröhrenfassungen
Das RPM 370 zeichnet sich durch eine „opulente“ Auswahl an Fassungen aus.
Abbildung 4: Feld mit 9 Prüfröhrenfassungen auf der linken Frontplattenseite
Abbildung 5: Feld mit 9 Prüfröhrenfassungen auf der rechten Frontplattenseite
IInsgesamt sind somit 18 Prüfröhrenfassungen vorhanden
Tabelle 2: Tabelle der Prüfröhrenfassungen des RPM 370/1
Genannt sind die gängigen Namen der Röhrensockel und deren Normbezeichnungen
Zuordnung der Elektroden der Prüfröhrenfassungen zu den Spannungsquellen
Dazu sind die unterschiedlichsten Schalterkonzepte gebräuchlich. In deutschen Röhrenprüfgeräten dominieren hier Kreuzschienenverteiler bei denen vermittels Programmierstifte röhrenspezifisch gelochte Prüfkarten automatisch die richtigen Verbindungen zwischen den Röhrenelektroden und dem Rest des Röhrenprüfgeräts geschaltet werden. Dieses Prinzip wurde 1933 von Max Funke patentiert [3]. In der Folge erweiterte der ingeniöse Max Funke dieses Schaltprinzip um weitere Schaltfunktionen, die üblicherweise in einem Röhrenprüfgerät getrennt vorhanden sind.
Dieses clevere Prinzip findet sich auch bei Neuberger wieder. Der zentrale Kreuzschienenverteiler (= Sockelschaltgruppe) mutierte hier zur sogenannten „Universal-Schaltvorrichtung“ (s. Abb. 6).
Abbildung 6: Universal-Schaltvorrichtung
A Sockelschaltgruppe B Buchsen zu externen Röhrenfassungen
C Spannungsschaltgruppe D Einschleif-Kurzschlussstecker
E Prüfschaltgruppe F Taster: II. System
Neben der Sockelschaltgruppe (Feld A), die der Zuordnung der Spannungsquellen zu den Fassungskontakten dient, gibt es weitere über die Prüfkarte (s. Abb. 7) programmierbare Schalterfelder. Im Feld C (4x4 Schaltermatrix) können die vier vorhandenen Gitterspannungsquellen (UI, UII, UIII, UIV) wahlweise auf die vier möglichen Gitteranschlüsse (Feld A., G1-G4) verteilt werden. Im Feld E (Prüfschaltgruppe) erfolgt z.B. die automatische Messbereichsumschaltung des Hauptinstruments.
Abbildung 7: Beispiel einer Prüfkarte (Röhre EK90/6BE6)
Im Gegensatz zu den Funke Geräten hat Neuberger seinen Kreuzschienenverteiler (Sockelschaltgruppe) konsequent realisiert. Alle Spannungsquellen sind ausnahmslos und vollkommen frei auf alle Fassungskontakte zuordenbar.
Prüfspannungsquellen
Folgende sechs grob und fein einstellbare Prüfspannungsquellen stehen zur Verfügung:
- Heizspannung (Uf)
- zwei negative Gitterspannungen (UI und UII)
- zwei positive Gitterspannung (UIII und UIV)
- Anodenspannung (Ua)
Statische Röhrenmessgeräte erfordern eine möglichst genaue Einstellbarkeit der Prüfspannungswerte und deren belastungsunabhängige Konstanz. Letzteres kann entweder durch eine automatische Stabilisierung z.B. mit Hilfe von Glimmröhrenstabilisatoren, Längsregelnetzteilen oder umständlich und langsam durch manuelle Nachregelung auf den Sollwert erreicht werden. Zum Zeitpunkt der Entwicklung des PPM 370 kamen längsgeregelte Spannungsquellen, zumal mehrere davon benötigt worden wären, wegen des hohen Aufwands nicht in Betracht. Alle oben genannten sechs einstellbaren Prüfspannungsquellen arbeiten mit manueller Nachregelung vom der Istwert auf die Sollspannung.
Die Einstellung auf die Sollspannung erfolgt zuerst grob mit einem Stufenschalter (Bereichswahl). Danach erfolgt die Feineinstellung der Spannung mit einem Potentiometer bzw. Rheostaten (= Hochlast-Potentiometer). Die eingestellte Ausgangsspannung wird durch ein Kontrollinstrument angezeigt. Bei Bedarf (lastbedingte Spannungsänderung) wird mit der Feineinstellung auf den Sollwert nachgeregelt.
Abbildung 8: Frontplattenausschnitt mit Anzeigeinstrumenten und Bedienelementen
Rechts oben ist der Prüfschalter der im Laufe einer Umdrehung die Fadenprüfung, die Prüfung auf Elektrodenkurzschlüsse und in der letzten Stufe die Röhrenmessung initiiert.
Anzeigeinstrumente:
Oben Mitte: Hauptinstrument zur Messung des Anodenstroms (Messwert)
Reihe darunter: 4 Kontrollinstrumente für Heizspannung, negative und positive Gitterspannungen und Anodenspannung
Spannungseinstellung:
Untere Reihe: 6 Doppeldrehknöpfe (Grob- und Feineinstellung)
Zur Platzeinsparung auf der Bedienplatte ist die Grob- und Feineinstellung koaxial angeordnet (s. Beispiel in Abb 9).
Abbildung 9: Ensemble von Stufenschalter und Rheostat zur Grob- und Feineinstellung der drei positiven Spannungen im RPM 370/1
Von links nach rechts: Anodenspannung (Ua), positive Gitterspannung (UIV), positive Gitterspannung (UIII)
In Abbildung 10 ist gezeigt, wie die Kombielemente zur Grob- und Feineinstellung der Spannungen im Vorgängermodell aussehen.
Abbildung 10: Kombination Stufenschalter und Rheostat im RPM 370
Die Kombination von Grobeinstellung mit Stufenschaltern und Feineinstellung mit Rheostaten ist ein elegantes und platzsparendes Design. Im praktischen Gebrauch hat es sich herausgestellt, dass die Feineinstellung der Steuergitterspannung kritisch ist. Beim Einstellen auf die Sollspannung gibt es selbst bei sorgfältigstem Vorgehen genau auf den gewünschten Wert zu kommen den Effekt, dass man oft entweder etwas zu hoch oder zu tief liegt. Dieses Problem berichten sowohl Benutzer vom RPM 370 als auch vom Nachfolgemodell RPM375 [2].
In einer kleinen Untersuchungsreihe haben wir versucht, dieses Phänomen zu quantifizieren. In den 4 vorhandenen Neuberger Geräten (2 x RPM370 und 2 x RPM375) wurden die Gitterspannungsrheostaten (3k, 25W) untersucht.
Abbildung 11: Detail des Rheostaten zur Feineinstellung der Steuergitterspannung
Im roten Kreis ist eine vergrößerte Ansicht einer Stelle des Wickelkörpers dargestellt.
Die vom Rheostaten kommende Gitterspannung (0-5 V Bereich) wurde mit einem Gould Easygraph TA240 (500 mV Bereich) registriert. Beginnend an einem beliebigen Punkt irgendwo im Einstellbereich wurde nun per Hand der originale Einstellknopf langsam und möglichst kontinuierlich in eine Richtung gedreht. In Abbildung 12 ist eine repräsentative Aufzeichnung dargestellt.
Abbildung 12: Aufzeichnung der Diskontinuität des Steuergitter-Rheostaten
Die Aufzeichnung zeigt deutliche Stufen mit unterschiedlich großen Sprüngen. Die Sprünge betragen geschätzt im Mittel ca. 5 mV. Die größten Sprünge mit über 10 mV ergeben sich beim „Andrehen“. Also genau da, wo man, wenn die Sollspannung nicht gleich getroffen wurde, links oder rechts Angedreht werden muss. Die Auflösung des Gitterspannungsinstruments ist so, dass größere Spannungssprünge noch als solche angezeigt werden.
Vergleichbare Effekte zeigen auch die Rheostate der anderen Spannungsquellen. Diese fallen aber z. B. bei der Heizspannung oder der Anodenspannung im Effekt kaum ins Gewicht.
Funktionsprinzip der verschiedenen einstellbaren Spannungsquellen
Gemeinsam sind den einstellbaren Spannungsquellen die stufenweise Grobeinstellung (Bereichswähler) und die Feineinstellung mittels Rheostat.
Abbildung 13: Schaltungsprinzip der Heizspannungsquelle
Im Gegensatz zu den restlichen Prüfspannungsquellen, handelt es sich hier um eine einstellbare Wechselspannung. Gute Einstellbarkeit der Heizspannung mit einem feingestuften Stufenschalter, der entsprechende Anzapfungen auf der Sekundärseite des Heiztransformators abgreift. Während die Grobeinstellung (Bereichswahl) auf der Sekundärseite des Transformators erfolgt, ist der Rheostat zur Feineinstellung auf der Primärseite des Heiztransformators angeordnet.
Abbildung 14: Schaltungsprinzip der negativen Hochspannungsquellen (UI, UII)
Hier liegen sowohl die Grobeinstellung (Bereichsschalter) als auch der Rheostat zur Feineinstellung auf der Sekundärseite des Transformators. Für jeden Bereich ist ein eigener Einweggleichrichter vorhanden. Die Siebung erfolgt am Ausgang des Bereichswahlschalters, so dass nur ein Siebkondensator benötigt wird.
Abbildung 15: Schaltungsprinzip der positiven Hochspannungsquellen (UIII, UIV, Ua)
Die Spannungen der positiven Hochspannungsquellen reichen bis 500 Volt und sind deutlich stärker belastbar als die negativen Hochspannungsquellen. Die Spannungseinstellung erfolgt auf der Sekundärseite des Netztransformators. Dazu weist dieser von 0-500 V alle 50 V Abgriffe auf. Über einen Zweifach-Stufenschalter (Bereichsschalter, Grobeinstellung) wird ein Rheostat (Feineinstellung) jeweils mit zwei aufeinanderfolgenden Anzapfungen verbunden. Wenn wie im Beispiel (Abbildung 13) gezeigt, mit dem Stufenschalter 300 V gewählt wird, ist der Rheostat mit den Abgriffen bei 250 und 300 V verbunden. Damit addiert sich zu der Festspannung von 250 V eine variable Spannung von 0–50 V. Die so zwischen 250-300 V einstellbare Wechselspannung wird nun mit einer RGN1064 gleichgerichtet und geglättet.
Das „Innenleben“ des RPM 370
Zwei auf der Chassis-Unterseite längs verlaufende Trennbleche stabilisieren und unterteilen das Chassis in drei Kompartimente.
Abbildung 16: Chassis-Unterseite mit 3 Kompartimenten
Das untere Kompartiment I enthält hauptsächlich die Stufenschalter zur Bereichseinstellung der sechs Spannungsquellen mit den Rheostaten zur Feineinstellung. So z.B. ganz rechts der riesige Heizspannungsrheostat und links daneben der G1-Rheostat (rote Pfeile).
Im mittleren Kompartiment (II) dominieren die beiden großen Transformatoren (Rechts: Heiztransformator Tr1). Daneben sind hier der Prüfschalter, drei Elektrolytkondensatoren zur Siebung der negativen Spannungen und alle Lötösenbrettchen mit diversen Kleinbauteilen sichtbar. Relativ verdeckt sind die Rückseiten der fünf vorhandenen Messinstrumente.
Im oberen Kompartiment III befinden sich die drei Gleichrichterröhren (RGN1064), drei riesige MP-Kondensatoren zur Siebung der positiven Spannungen und eine Reihe von Leistungswiderständen. Weitegehend verdeckt sind die Rückseite der Universal-Schalteinrichtung und die Verdrahtungsseite der 18 Prüfröhrenfassungen. Diese sind aber in folgender Abbildung 17 gut erkennbar.
Abbildung 17: Blick auf Kompartiment II und III
Im Gerät sind insgesamt vier Platinen (Lötösenbrettchen), auf welchen hauptsächlich die Präzisionswiderstände der verschiedenen Widerstandsteiler verlötete sind, vorhanden. Zwei Beispiele sind in Abbildungen 18 und 19 gezeigt.
Abbildung 18: Platine L1 und L2
Auf der Platine (Lötösenbrettchen) L1 befinden sich die Präzisionswiderstände für die Spannungs- und Strommessbereiche der Prüfröhrenheizung. L2 ist die entsprechende Baugruppe für die Widerstände der Messbereiche der negativen Spannungen (UI & UII).
Abbildung 19: Platine L4
Die Platine L4 enthält Widerstände für Strommessbereiche und für die Messung externer Gleich- und Wechselspannungen und den dazu benutzten Messgleichrichter.
Während alle hier gezeigten Abbildungen von zwei intakten funktionsfähigen Geräten fotografiert sind, also sozusagen aus in situ Situationen stammen, werden vertiefende Aufbau- und Verdrahtungs-details aus einem extra zerlegten dritten RPM370 im Bericht von Meisl & Schmid [5] präsentiert.
Messbeispiel
Zur einfachen Überprüfung der Messgenauigkeit von Röhrenmessgeräten werden vorwiegend Referenzröhren mit bekannten Messergebnissen eingesetzt. Benutzt wurde eine sogenannte „Bogey Tube“ von Roger Kennedy [4]. Es handelt sich hierbei um eine sorgfältig im Arbeitspunkt (Ug1=-14,0 V, Ug2=250 V, Ua=250V) vermessene 6L6. Von dieser Röhre sind am Arbeitspunkt der Anoden- und Schirmgitterstrom und die Steilheit S [dIa/dUg1] bekannt.
Abbildung 20: Anordnung zur Vermessung einer 6L6
Das Messergebnis kann nun mit dem Sollwert verglichen und die prozentuale Abweichung berechnet werden. Die Abweichung betrug hier +2,3 %
Bei der Vermessung von Leistungsröhren, wie z.B. der 6L6, macht sich eine belastungsabhängige Spannungsveränderung überdeutlich bemerkbar. Dies wird z.B. schon in der Anheizphase der Prüfröhre durch einen Abfall der Heizspannung evident und muss letztendlich manuell korrigiert werden. Gleiches gilt für die Anodenspannung und in geringerem Maß für die Schirmgitterspannung.
In einer kurzen Studie wurde nun die Lastabhängigkeit der ungeregelten Schirmgitter- und Anodenspannung untersucht.
Lastabhängigkeit der ungeregelten Schirmgitter- und Anodenspannung
Ursächlich für diesen störenden Effekt ist der Innenwiderstand der Spannungsquelle. Hauptursache sind zum einen der Netztransformator und zum anderen der Gleichrichter. Während der Netztransformator des Geräts eine Gegebenheit ist (wir wollen keine verbastelten Geräte), kann man den dynamischen Innenwiderstand des Gleichrichters durch Austausch gegen Quecksilberdampfgleichrichterröhren oder Halbleiterdioden erniedrigen. Dafür liegen im RPM 370 gute Voraussetzungen vor, da bei den positiven Spannungsquellen (UIII, UIV, Ua) keine Elektrolyt- sondern MP-Kondensatoren als Siebkondensatoren eingebaut sind.
Probeweise wurde die RGN1064, allerdings mit geringem Erfolg, gegen die pinkompatible Quecksilberdampfgleichrichterröhre 4652 (verbesserte AX-1) ersetzt. Das Schaltungsprinzip der Anodenspannungsquelle (Abb. 15) zeigt, warum es nicht funktioniert. Die Spannungsregelung liegt VOR der Gleichrichterröhre (Zündspannung!). Also wie immer; erst überlegen, dann handeln.
Abbildung 21: Ansicht der MP-Siebkondensatoren und originalen Gleichrichterröhren RGN1064
In der Studie wurden nun die originalen Gleichrichterröhren (RGN1064) durch halbleiterbestückte Ersatzgleichrichter (SS-Replacements) ersetzt. Diese werden einfach anstatt der originalen RGN1064 in die Fassungen gesteckt („plug and play“). Ein Rückbau in den Originalzustand ist somit problemlos möglich [6].
Abbildung 22: Ansicht mit RGN1064 Replacements und deren Schaltplan
Die Einfügung zeigt die benutzte Schaltung aus einer Serie bestehend aus Leistungs-NTC (Anlaufstrombegrenzer), Gleichrichterdiode und Leistungszenerdiode. Durch Variation der Bauteilwerte kann der dynamische Innenwiderstand und dessen Verlauf über einen gewissen Bereich festgelegt werden.
Die Messungen wurden mit Hilfe einer Leistungspentode (E130L) durchgeführt. Die gewünschten Anodenströme wurden durch stufenweisen Änderung der Steuergitterspannung eingestellt. Die Anoden- und Schirmgitterspannung betrugen bei voll gesperrter Röhre je 250 Volt.
Abbildung 23: Ergebnis der Vermessung einer E130L
Das Messergebnis demonstriert die absolute Notwendigkeit einer Regelung der Prüfröhrenspannungen und führt den Hauptunterschied zwischen einem Röhrenprüfgerät und einem Röhrenmessgerät eindeutig vor Augen [7].
In Geräten mit manueller Regelung aber auch bei röhrenbestückten Längsregelnetzteilen bieten halbleiter-basierte Gleichrichter deutliche Vorteile. Durch Wegfall der Heizleistung der Gleichrichterröhren wird der Netztransformator zudem noch um 12 Watt entlastet.
Viele Neuberger RPM370 und RPM375 sind keine pure Sammlerobjekte, sondern dienen im täglichen Gebrauch ihrem eigentlichen Zweck. Hier könnte der Einsatz von SS-Gleichrichtern durchaus sinnvoll sein.
Resümee
Das Neuberger RPM 370 rechtfertigt seinen guten Ruf, ein überaus solides Röhrenprüf- und Messgerät zu sein.
Das Gerät beherrscht alle üblichen Basisprüfungen wie Elektrodenschlüsse, Kontinuität des Heizfadens und Vakuumtest. Die eingebauten einstellbaren und manuell nachregelbaren Prüfspannungsquellen ermöglichen genaue Messungen des Anodenstroms an jedem beliebigen Punkt der Kennlinie. Bezüglich des Anodenstroms kann das Gerät zurecht als Kennliniengerät bezeichnet werden. Dies gilt aber nicht für die im Handbuch angedeutete Möglichkeit, Steilheiten zu messen.
Durch den durchdachten mechanischen Aufbau ist eine hervorragende Servicefreundlichkeit gegeben. Das Nachfolgemodell RPM375 mit Rechteckinstrumenten bietet gegenüber dem RPM370 keine Vorteile. Es ist eine stilistische Geschmacksache, welches der beiden Geräte man bevorzugt.
Referenzen
[1] Neuberger, Josef, Gebrauchsanweisung zu dem Neuberger
Universal-Röhrenprüfgerät Type W 242, München 1936
[2] Schmid, Kurt, Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM 375,
Funkgeschichte 214: 74-79, 2014
[3] Funke, Max, Einrichtung zur Prüfung verschiedenartiger Radioröhren,
DRP Nr. 582749, 1933
[4] www alltubetesters.com/parts.htm#6L6
[5] Meisl, Alfons & Schmid, Kurt, Das Neuberger Röhrenprüfgerät
RPM 370 – Aufbau- und Verdrahtungsdetails
[6] Erb, Ernst, Radios von Gestern, Funk Verlag, Dessau 2009
[7] Nickel, Thomas, Röhrenprüfgeräte, Ein erster Überblick,
Funkgeschichte 204: 137-140, 2013
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