Signalverfolgung wie früher?

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Signalverfolgung wie früher? 
06.Feb.15 14:29
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Eike Grund (D)
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Eike Grund

In meinen Leserseminaren wurde gelegentlich der Wunsch nach Signalverfolgung geäußert.  Meine Antwort “Machen wir doch, mit dem Oszilloskop“ wurde wohl nicht immer als ausreichend empfunden. Das Zauberwort “Signalverfolgung“ soll daher hier etwas geklärt werden. Dabei ist das ziemlich einfach, man prüft Schritt für Schritt, ob das Signal noch nachweisbar, bzw. verzerrt oder verschwunden ist.
Der Vorteil eines Oszillografen bei der Signalverfolgung war auch schon Anfang der 50er Jahre unstrittig, was in einem Aufsatz von Dr. A. Renardy (FUNKSCHAU 1952 / Heft 7) zum Ausdruck kommt:

Signalverfolgung mit dem Katodenstrahloszillograf

Eine wenig gebräuchliche Art der Fehlersuche in Rundfunkempfängern stellt die Signalverfolgung mit dem Katodenstrahloszillograf dar. Die an den verschiedensten Stellen des Empfängers auftretenden Hoch- und Niederfrequenzspannungen werden hierbei durch einen Tastkopf demoduliert oder direkt dem Verstärker eines Katodenstrahloszillografen zugeführt und auf dem Bildschirm sichtbar gemacht. Dieses Verfahren hat gegenüber der gebräuchlichen Art der Signalverfolgung beachtliche Vorteile. Während mit Signalverfolgern nach Art eines Röhrenvoltmeters die von Stufe zu Stufe wachsende Verstärkung messend verfolgt werden kann oder mit dem Signalverfolger nach Art eines Verstärkers in den laufenden Empfänger hineingehorcht wird, gestattet der Oszillograf bedeutend genauere Feststellungen.
An erster Stelle steht die Messung der Verstärkung in jeder Stufe. Ein demodulierender Tastkopf richtet die Hochfrequenz gleich und führt die Modulation dem Katodenstrahloszillografen zu. Wird die Horizontalablenkung außer Betrieb gesetzt, so zeichnet die Modulationsspannung einen senkrechten Strich auf den Bildschirm, der von Stufe zu Stufe länger werden muß. Um absolute Messungen ausführen zu können, ist ein Signal aus einem Prüfgenerator erforderlich, dessen Spannung bei konstanter Modulation an einem Abschwächer eingestellt werden kann. Nachdem die Größe der Ablenkung am Eingang einer zu messenden Stufe bestimmt ist, wird der Tastkopf an den Ausgang gelegt und durch Herabsetzen der Eingangsspannung die ursprüngliche Ablenkungsgröße eingestellt. Wird die erste Spannung durch die zweite, niedrigere, dividiert, so erhält man die Stufenverstärkung. Das Verfahren unterscheidet sich nur in der Art der Anzeige von dem bei anderen Signalverfolgern geübten. Dagegen gestattet der Oszillograf sehr genaue Feststellungen hinsichtlich Art, Umfang und Entstehungsort von Verzerrungen. Mit eingeschalteter Horizontalablenkung erscheint auf dem Schirm der Verlauf der Modulationsspannung, und es ist nicht schwer, Verzerrungen zu erkennen, die innerhalb einer Stufe des Empfängers auftreten. Ähnlich arbeitet auch der Signalverfolger nach Art eines Verstärkers, bei dem eine solche Kontrolle im Lautsprecher erfolgt. Dabei liegt der Vorteil aber eindeutig beim Oszillografen, weil das Auge Verzerrungen längst erkannt hat, wenn das Ohr sie noch nicht bemerkt.
So groß die Vorteile der Signalverfolgung mit dem Katodenstrahloszillograf sein können, so schwierig ist das Einarbeiten in dieses Verfahren. Das gilt weniger für Verstärkungsmessungen als für die Feststellung von Verzerrungen. So empfiehlt es sich, ständig mit dem gleichen Signal, d. h. mit dem gleichen Prüfgenerator zu arbeiten, damit immer Klarheit über den Verlauf der Modulationsspannung herrscht. Nur so ist es möglich, verhältnismäßig geringfügige Verzerrungen zu erkennen.
Dr. A. Renardy


Ebenfalls von Dr. A. Renardy erschien in der Radio-Praktiker Buchreihe ein Doppelband (37/38)
mit dem Titel:

Fehlersuche durch Signalverfolgung und Signalzuführung“. Ein nützliches Büchlein, das noch antiquarisch erhältlich ist. Auch hier wird auf die “qualifizierte Art“ der Signalverfolgung mittels “Oszillograf“  hingewiesen.
Warum  nun ein Oszilloskop – trotz der Vorteile – für die damals übliche Art der Signalverfolgung kaum eingesetzt wurde, hat einfache Gründe:
Noch Ende der 50er Jahre musste für einen – aus heutiger Sicht einfachen – Oszillografen ein durchschnittliches Monatseinkommen (nach: Stat. Bundesamt) angelegt werden. Das konnte sich der Radiobastler nicht leisten, aber auch die Servicetechniker bevorzugten einen so genannten „Signalverfolger“ bei der Fehlersuche. Das war ein Gerät, mit dem die Signale hörbar gemacht werden konnten, was zur schnellen Eingrenzung eines Fehlers praktikabel war. Dem Fachmann reichte diese unkomplizierte Lokalisierung aus, waren doch oft nur (Früh-) Ausfälle einzelner Röhren zu beklagen. Komplizierte Fälle kamen in die Werkstatt.
Die Signalverfolger waren im mobilen Einsatz leichter handhabbar und kosteten ca. die Hälfte gegenüber einem Oszilloskop, das damals noch „Oszillograf“ hieß.
Signalverfolger wurden auch als Bausatz vertrieben oder in den Fachzeitschriften zum Nachbau beschrieben.
Heute liegt der Preis für ein vergleichbares einfaches (einkanaliges) Oszilloskop unter 10% eines durchschnittlichen Monatseinkommens. Weil bei uns der mobile Einsatz nicht mehr im Vordergrund steht, man eher Messungen und Reparaturen durchführen muss, kommt die Anschaffung eines Oszilloskops nun eher in Betracht. Mit den Maßnahmen, die wir durchführen bevor wir dauerhaft ans Netz gehen (Reinigung der Kontakte, Auswechseln von Kondensatoren, Prüfen der Röhren und der Spannungsversorgung) haben wir ganz sicher einige Fehlerursachen, die man früher mit dem Signalverfolger aufspürte, schon beseitigt.
Wer noch nie mit einem Oszilloskop gearbeitet hat, sollte mit einem einfachen (zweikanaligen) analogen Modell beginnen, dabei ist auf die Spannungsfestigkeit der Tastköpfe und Eingänge zu achten.

Signalverfolger
Trotzdem kann ein Signalverfolger, so wie dieser früher üblich war, auch heute noch sinnvoll eingesetzt werden. Er bestand im wesentlichen aus einem Verstärker, mit dem die mit einem Tastkopf aufgespürten Hf- und Nf-Signale hörbar gemacht werden konnten. Zum Nachweis der Regelspannungen war meist noch eine Abstimm-Anzeigeröhre verbaut, auch zur Anzeige unmodulierter (Oszillator-) Schwingungen.

In der FUNKSCHAU 1958 / Heft 24
wurde ein Signalverfolger der Firma Radio-RIM gezeigt, der als Baukasten geliefert wurde.

Andere Geräte wurden auch mit der Funktion eines Röhrenvoltmeters ausgestattet. Beim RIM-Signalverfolger kann das Nf-Signal, nochmals gleichgerichtet, auch an der EM80 angezeigt werden.

In der Buchreihe Der praktische Funkamateur“ wird im Band 40 der Aufbau eines einfachen Signalverfolgers und eines dazu passenden Signalinjektors beschrieben. Dieser Aufsatz liegt hier im ocr-pdf-Format vor. Er zeichnet sich durch eine ausgezeichnete Verständlichkeit aus, was nach meiner Auffassung für viele Fach- bzw. Lehrbücher der ehemaligen DDR zutrifft.

Baut man sich einen einfachen Tastkopf  entsprechend der oben gezeigten Beispiele auf, so kann man einen eventuell schon vorhandenen, bzw. für ca. 15 Euro beschaffbaren

Verstärker mit eingebautem Akku (einschließlich Lautsprecher)

auch zur Signalverfolgung verwenden. Dabei sind die äußerst geringen Abmessungen vor allem für eine schnelle Prüfung im mobilen Einsatz von Vorteil. Zum Abtasten können auch eventuell vorhandene Oszilloskop-Tastköpfe oder eine Suchspule (im Bild unten) verwendet werden.

Weil wir die Beschaltung des Verstärkereinganges nicht kennen, empfiehlt sich bei der Abtastung hoher Spannungen - neben dem obligatorischen Koppelkondensator - mit einem Vorwiderstand zu arbeiten, wie es z.B. im vorgenannten Aufsatz  beschrieben wird.

Signalzuführung
Die bisher beschriebene Vorgehensweise, das Abtasten verschiedener Punkte – auf der Suche nach einem Signal - funktioniert nur, wenn noch Signale vorhanden sind.
Ist das nicht der Fall, muss man ein Signal an verschiedenen Punkten einspeisen und dieses dann, wie beschrieben, verfolgen. Weil das sowohl im Hf- als auch im Nf-Bereich möglich sein muss, eignet sich ein Rechteckpuls im noch hörbaren Bereich (Nf), weil dessen Oberwellen bis in den Hf-Bereich reichen.
Dazu passt die folgende Übersichtsseite: Darstellung periodischer Funktionen durch Fouriersche Reihen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, breitbandige Signale zu erzeugen (mit einem Sperrschwinger zum Beispiel). Der symmetrische Rechteckpuls hat sich durchgesetzt, weil dieser schaltungstechnisch einfach realisierbar ist und weil dieser auch interessante Möglichkeiten zur Prüfung des Frequenzverlaufs und der Funktion der Klangsteller und -Tasten im Nf- Verstärker bietet. Dazu ist aber ein Oszilloskop erforderlich.

Signalfolgung mit dem Oszilloskop

könnte dann wie folgt aussehen, siehe im Bild rechts. Dieses Bild findet man im

Telefunken Laborbuch Band 2:

Nf-Verstärkerdaten und ihre Messung

Obwohl der symmetrische Puls (Impulsdauer = Impulspause) nur die ungeradzahligen Oberwellen enthält, kann die Resonanzfrequenz von Schwingkreisen im fliegenden Aufbau bis zum 30-fachen Wert der Pulsfrequenz nachgewiesen werden.

Speist man über die Antenne ein, so kann ein noch im hörbaren Bereich liegender Puls bis in den MW- und KW- Bereich nachgewiesen werden. Die Pulsfrequenz sollte aber dann höher gewählt werden, damit das Frequenzraster einen mehrfachen Kanalabstand aufweist.

Diese Bedingung wird für den UKW- Empfangsbereich eingehalten, wenn ein handelsüblicher 1 MHz – Quarzgenerator verwendet wird (s. im Bild rechts).

Man verwendet das Rechtecksignal, das sinusförmige Signal ist für andere Zwecke nützlich. Man kann dabei auch die Skala vermessen, weil die Signale im Abstand von 2 MHz einfallen. Weil die Rechteckform auf dem Weg über die Antenne etwas verunstaltet wird, sind auch die geradzahligen Vielfachen  (etwas schwächer) zu empfangen .

Der Vollständigkeit halber  sei noch auf eine weitere Möglichkeit zur Erzeugung eines breitbandigen Signals hingewiesen:
 

Der Rauschgenerator

Die hier abgebildete Schaltung (aus meinem Arsenal) zeigt das Prinzip. Diese Verwendung eines Transistors als Rauschquelle ist mir in den 70er Jahren begegnet, als die Musikelektronik noch analog war. Das Rauschen wurde für den Klang des Beckens verwendet. Bei mir wurde die abgebildete Schaltung ca. 100 mal für einen Kfz-Marderschreck  verwendet. Dabei wird die zweite Verstärkerstufe stark übersteuert, so dass ein aggressives, gefärbtes Rauschen entsteht, das nach weiterer Bearbeitung – neben anderen Effekten - als unregelmäßiges sch... sch... –Geräusch zu hören ist.

Für unsere Zwecke wird man einen für höhere Frequenzen geeigneten Operationsverstärker verwenden, z. einen LM324 oder LM6172.

Im Internet findet man Vorschläge zum Aufbau von Rauschgeneratoren, die dem oben gezeigten Prinzip entsprechen, aber auch andere Diodenstrecken nutzen. Mit einem nicht mehr ganz frischen BC107 aus der Kiste ließ sich ein Rauschsignal erzeugen, das keiner weiteren Verstärkung bedarf. Der UKW- Empfangsbereich wurde gut erreicht. Man kann trotzdem eine Verstärkerstufe hinzufügen, was zu der  abgebildeten Schaltung führt. Mit dieser einfachen Anordnung kann man passende Transistortypen aus dem Vorrat aussuchen.

Wer mit der Anwendung von Operationsverstärkern vertraut ist, wird diese zum platzsparenden Aufbau der benötigten Signalquellen bevorzugen. Alle hier besprochenen Signalformen lasen sich mit einem 4-fach OP-Amp realisieren.
Aber auch kleinere Bastelprojekte können zur unendlichen Geschichte werden. Man sollte sich daher überlegen, ob man sich nicht besser einen Signalgenerator zulegt, der keine Wünsche offen lässt, einschließlich Rauschsignal und Wobbelfunktion.  

Quellenangaben zu einigen Abbildungen wurden als LINK (zum Anklicken) ausgeführt.
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Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.