Fernsehgeschichte aus der Tschechoslowakei

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Fernsehgeschichte aus der Tschechoslowakei 
16.Jan.24 14:42
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Aus dem Nachlass von Jan Štika, verstorben am 22. Januar 2016 , der viele Jahre  an den Brennpunkten in der Tschechoslowakei und auch auf dem Gebiet der DDR als Übertragungstechniker zunächst bei der Tschechoslowakischen Post, dann nach der Privatisierung bei der Radiokomunikace arbeitete, habe ich einige interessante Bilder für unsere fernsehgschichtlich interessierten Freunde zusammengestellt.

Das Tschechoslowakische Fernsehen begann seine offiziellen Versuchssendungen am 1.Mai 1953 über den Sender in  Praha-Petřín und startete den Dauerbetrieb ab 25. Februar 1954 auf Kanal 1.

mit den damals typischen Schmetterlingsantennen 

Im Vorfeld hatte ich beim Tschechischen Fernsehen angefragt, ob ich fachliche Unterstützung für meine  historische Arbeit erhalten kann und auf den Nachlass von Jan Štika verwiesen, dummerweise mit diesem Einsatzplan von 1959 als Anlage:

Die Antwort kam prompt; die Kollegin von der Öffentlichkeitsarbeit schrieb mir, daß ein Kollege mit diesem Namen nicht mehr bei CT arbeitet. 

Er war von 1959 bis 1999,also 40 Jahre, bei der Tschechoslowakischen Post,  zuletzt bei der Radiokomunikace , tätig.

Richtfunkstrecken aufbauen, abbauen und die Übertragungen vom Ort sichern, das war die Aufgabe dieser Techniker.

Manchmal hatten die Kollegen tolle Drehorte und man musste egal wie, den Standort erreichen.Zunächst musste das Fahrzeug vom Schnee befreit und dann wieder in die Spur gebracht werden.

...und war der Schnee vorbei, dann musste man auch schon mal die "Karre aus dem Dreck ziehen".

Nach dem Motto; "wir senden von überall"

Wenn die Spiegel ausgerichtet waren, konnte es mit der Übertragung losgehen.

Manchmal war die Gegenstation weit entfernt und es musste eine mobile Richtfunkstrecke aufgebaut werden.

Kleine Blessuren an Fahrzeugen blieben nicht aus, aber wo gearbeitet wird....

Nicht so schlimm im Sozialismus, die Staatliche Versicherung zahlte und für wichtige Bedarfsträger wurden Reparaturen vorrangig ausgeführt.

Arbeitsschutz war jedoch ganz wichtig. Diese Lösung ist für den Kameramann eine recht sichere....

Der Kameramann filmt aus dem WOLGA - KOMBI (sowjetische Großraumlimousine)

Der Film wurde dann mit einem Kradfahrer zum nächsten Studio zum Entwickeln gebracht., häufig auch mittels Hubschrauber ( vergleiche Friedensfahrtübertragungen in der DDR). Die Platzierung des Kameramannes auf dem Motorrad halte ich doch für sehr abenteuerlich.

Es gab natürlich auch zunehmend Standorte, wo bereits Richtfunktechnik installiert war und genutzt werden konnte, wie hier im böhmischen Erzgebirge auf dem Klinovec ( Keilberg)1244 m NN

Im Nachlass fand ich auch ein Foto vom 21. August 1968, als die Bemühungen um einen Demokratischen Sozialismus zerschlagen wurden von Truppen der Warschauer Vertragsstaaten.

Aber die Arbeit geht weiter. Wer bekannt ist, wie  Alexander Dubček wird erst mal als Botschafter in die Türkei geschickt und Jan Štika in den Wald.....Techniker gibt es nicht wie "Sand am Meer", man ist auch damals schon auf Fachkräfte  angewiesen. 

Aus einem Nachruf entnehme ich:

Ca 1970 wechselte er zum tschechoslowakischen Fernsehen, wurde Mitglied des Teams für Sportübertragungen und stieg schließlich zum Leiter des Übertragungswagens auf. In den 1970er Jahren wechselte er zur Radiokommunikationsverwaltung und blieb dort bis zu seiner Pensionierung 1999. 

Tolle Übertragungen gab es damals, eine der beliebtesten Sportarten in der CSSR war Tennis. Er hatte auch das Glück Martina Navratilova ganz nah zu sehen.

Eine seiner speziellen Aufgaben war die Zusammenarbeit und Organisation von Übertragungen von Ereignissen aus der DDR..Vom tschechischslowakischen Übertragungswagen ging es zum Zittauer Robur. das war die Standardausrüstung in der DDR....

An einer Direktübertragung wurde zum Beispiel zusammengearbeitet am 21.September 1978, als eine Ehrenfahrt über 30 Km durch Ostberlin stattfand. Die beiden Kosmonauten Sigmund Jähn ( DDR) und Waleri Bykowski ( UdSSR ) zeigten sich den begeisterten Menschen aus dem offenen Tschaika PKW.  Die beim DDR- Fernsehen vorhandene Richtfunktechnik reichte nicht für alle geplanten Übertragungspunkte und deshalb kamen die Kollegen aus der CSSR mit zum Einsatz.

In der CSSR mussten zwei Programme bedient werden, daran änderte sich bis zum Ende 1990 auch nichts. Neben Ihrer teilweise abenteuerlichen Arbeit gab es auch abenteuerliche Exkursionen, wie hier festgehalten.

Inzwischen ist nicht nur Farbe auf den Bildschirmen zu sehen, in der CSSR wurde letztendlich das PAL-System vorbereitet und dann jedoch auf Forderung befreundeter Länder das SECAM System in OIRT-Norm eingeführt. . AB 3.10.1969 gibt es in der DDR  Farbübertragungen mit  SECAM- CCIR-Norm. In der CSSR in Farbe ab 1973 im 2. Programm UHF jedoch mit SECAM OIRT- Tonsystem. 

Auch die Fotos aus der Sammlung von Jan Štika werden bunter. 

Einer der Fahrzeug- Lieferanten ist die Firma LIAZ (Liberecké automobilové závody ) mit Sitz in Jablonec., die Nutzfahrzeugsparte von Škoda​.

40 Jahre war er dabei und hat viele tolle Erlebnisse gehabt, eine Menge technischer Neuheiten kennengelernt und damit kann er auf eine sehr sinnvolle BERUFSGESCHICHTE zurückblicken.

Dieser BEITRAG soll einige Episoden der Lebensgeschichte von Jan Štika wiedergeben, 40 Jahre Erinnerungen, ohne daß es Anspruch auf Vollständigkeit hat....

alle Fotos von Jan Štika und aus seiner Sammlung

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.