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Die Triergon-Röhre Siemens O 63
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Nikolaus Löwe
08.Aug.21 |
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Diese Röhre wurde von Siemens ab 1924 für Triergon hergestellt. Sie war durch Vogt, Engl und Masolle eigens entwickelt worden, um einen Verstärker mit hoher Spannungsverstärkung für ihre Tonfilm-Apparatur bauen zu können. Die Eigenentwicklung fürte zu einer Pentode mit Raumlade- und Schirmgitter, bei der das zweite Gitter zur Steuerung verwendet wurde. Die Entwicklung der Siemens/Schottky-Röhre mit Raumladegitter verlief unabhängig davon, und nur geringfügig früher. Hier das Schaltbild eines solchen Tonfilm-Verstärkers: Man beachte, daß derselbe Verstärker sowohl für Aufnahme- als auch für Wiedergabezwecke verwendet wurde. Ebenfalls bemerkenswert ist die Anschlußmöglichkeit für ein Kondensatormikrofon (in Niederfrequenzschaltung, etwa 4 Jahre vor dem Neumann CMV3) anstelle des Kathodophons. Hans Vogt beschreibt die Entwicklung der Röhre anhand vieler Fotos von den bei Triergon selbst hergestellten Prototypen in seinem Buch "Die Entwicklung des Tonfilms" von 1954. |
Nikolaus Löwe
13.Aug.21 |
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Aus der abenteuerlichen Geschichte des Triergon berichte ich hier auszugsweise. Zum tieferen Einstieg empfehle ich das wenig bekannte Buch von Hans Vogt, Die Erfindung des Tonfilms, 1954 beim Verfasser erschienen. Seinen ersten Stummfilm sah Hans Vogt 1905, im Alter von 15 Jahren, und war davon absolut begeistert. Seine Militärzeit absolvierte bei der Kreigsmarine in Kiel, wo er mit der Funkentelegraphie und dabei auch mit der Liebenröhre in Berührung kam. Im Betrieb leuchtet diese blau, und das Leuchten pulsiert gelegentlich im Takt der Modulation. Aus dieser Beobachtung entwickelt Hans Vogt die Idee, Töne so ähnlich wie Bewegtbilder photographisch festzuhalten, um damit dem Stummfilm seine Stummheit zu nehmen. Nach seiner Militärzeit trat er 1913 in die Firma Georg Seibt in Berlin ein. Er berichtet, daß zu dieser Zeit Lee de Forest, der mit Seibt gut bekannt war, diesem die deutschen Patentrechte an der Forest-Röhre gegen Zahlung der Patentgebühren anbot, was Seibt aber ausschlug. Neben seiner Tätigkeit bei Seibt kauft Vogt eine Filmkamera von Schrimpf. Er läßt sich im Laboratorium von Prof. Arthur Wehnelt Glühlampen mit außerordentlich dünnem Faden herstellen. Wegen dessen geringer Wärmeträgheit hofft Vogt, damit tonfrequente Stromschwankungen in Lichtschwankungen umsetzen zu können. Ein Versuch mit Wechselstrom von 1kHz aus einem Seibt-Erdtelegraphiesender beweist, daß die Helligkeitsschwankungen dieser Gühbirne auf einem gleichmäßig bewegten Film helle und dunkle Streifen hinterlassen: Die Sprossenschrift ist erfunden. Es ist 1918. Neben dem Problem einer trägheitsfreien elektrischen Lichtquelle ergeben sich noch zahlreiche andere konstruktive Herausforderungen. Vogt sucht für seine Idee Mitstreiter und findet sie in seinem früheren Unteroffizier und späteren Freund Joseph Masolle, Hochfrequenz-Ingenieur, und dem Physiker und Vakuumtechniker Dr. Joseph Engl. Auf Vogts Betreiben werden beide ebenfalls bei Seibt eingestellt. Die Gruppe nennt sich Triergon - das Werk der Drei. Ein Grund dafür soll gewesen sein, daß man sich so nicht auf eine bestimmte Reihenfolge bei der Namensnennung der Erfinder festlegen mußte, sondern alle als Kollektiv (nach östlicher Auffassung) beziehungsweise als Team (nach westlicher Auffassung) auftreten konnten. Der Versuch, Georg Seibt für das Unternehmen Tonfilm zu begeistern, führt zum Zerwürfnis mit diesem, und schließlich zum Rauswurf der drei - eine weitere verpasste Chance des Unternehmers Georg Seibt. Das muß etwa um die Jahreswende zu 1919 gewesen sein, der genaue Zeitpunkt wurde von Hans Vogt nicht festgehalten. Bekannt ist aber, daß am 1.7.1919 mit Unterstützung von Hans Harbich (Reichspost) und mit Kapital der C. Lorenz-Gesellschaft das "Laboratorium für Kinematographie" gegründet wird, in einem früheren Blumenladen in der Babelsberger Str. 49, Berlin-Wilmersdorf. Das "stille Örtchen" wird zur Dunkelkammer, der Kohlenkeller zu Glasbläserei und Vakuum-Labor. Die gesamte Kette, von der Mikrophonaufnahme über die Lichttonaufzeichnung, das Abspielen, Leistungsverstäkung und Lautsprecherwiedergabe, mußten von den Mitgliedern des Triergon in den folgenden Jahren grundlich und innovativ bearbeitet werden, zuzüglich der photochemischen und mechanischen Probleme. Mitte 1920 werden erste verständliche Tonfilmstreifen aufgenommen und wiedergegeben. Am 17.12.1922 gab es eine öffentliche Premiere im Kinopalast "Alhambra" am Ku'damm, mit zwei Stunden Programm. Es gibt erhebliche technische Aufgaben zu bewältigen. Eine davon ist der Bau von Verstärkerröhren mit hoher Verstärkung und geradezu unglaublicher Ausgangsleistung (mindestens 10W sind angestrebt), mit der die Lichtquelle zur Tonaufzeichnung ausgesteuert werden kann, und mit der auch eine brauchbare Lautsprecherwiedergabe zu erreichen ist. Die damals verfügbaren Röhren sind sehr weit davon entfernt: Eine EVE173 hat zum Beispiel eine Steilheit von ca. 0,2mA/V, und eine nutzbare Ausgangsleistung im Bereich von einigen dutzend Miliwatt. Mit "der frischen Unbekümmertheit der Jugend" begann man eine eigene Röhrenentwicklung, unter Leitung von Jo Engl, der Erfahrungen mit Glasbläserei hatte. Joseph Masolle kümmerte sich um die Elektrodenanordnungen. Schon bald erkannten die Erfinder, daß sich die angestrebten Eigenschaften mit einer einfachen Dreielektrodenröhre nicht würden erreichen lassen, und so wurde erst ein "Elektronen-Ziehgitter" (Raumladegitter) hinzugefügt (zwischen Kathode und Steuergitter), und dann zum Reduzieren der Anodenrückwirkung noch ein "Schutzgitter" (Schirmgitter). Die ersten Elektrodenanordnungen waren planparallel, später ging man zur zylindrischen Form über. Nach flachgehämmerten Wolframkathoden (mit vergrößerter Oberfläche) wechselte man zur Erhöhung der Emission zu Oxydkathoden. Getter hatte man noch nicht, die Evakuierung mußte also besonders gründlich sein. Der endgültige Röhrentyp hatte bei einer Heizung von 2,1V und 1,25A und einer Anodenspannung von 700V eine Emission von größer 40mA. An einem Arbeitswiderstand von 11kOhm ergab sich eine beachtliche Steilheit von 6mA/V. Dieser Typ wurde dann ab 1924 zur Fertigung an Siemens übergeben, wo er - mit gewissen glasbläserischen Verbesserungen - die Bezeichnung O 63 erhielt. |
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