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Die DE2 – Ein Unikum der Röhrentechnik
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Gerhard Eisenbarth
03.Apr.13 |
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Die 1920er Jahre zählen zur Pionierzeit der Röhrenentwicklung. In dieser Zeit sind viele der jetzt mittlerweile selten zu erhaltenden Röhrenkonstruktionen entstanden, teilweise mit Ausprägungen, die schon zur damaligen Zeit außergewöhnlichen Charakter hatten.
Die heute sehr seltenen Typen von „The Nelson Electric Co. LTD.“ aus England gehören dazu. Unter der Bezeichnung NELSON MULTI werden sie ab 1925 vorgestellt. Die Besonderheit dieser Nelson-Multi-Typen sind drei Heizfäden, die in einem Röhrensystem als Katoden eingebaut sind. Von außen kann man diese Heizfäden mit einem „Scissor Switch“ – Scherenschalter – die drei Fäden einzeln, oder in Gruppen zu zwei Fäden parallel schalten. Der Sinn dieser drei Heizer ist leicht zu ergründen. Schaltet man einen der drei Heizer, so kann die Röhre als Detektor- oder Verstärkerröhre verwendet werden mit dem Luxus, dass man zwei Heizfäden noch in Reserve hat. Nelson wirbt mit „A valve with three filaments and the life of three Valves“. Will man eine Leistungsverstärker-Röhre, schaltet man mit dem Scherenschalter zwei Heizfäden parallel. In diesem Fall hat man nur noch einen Heizfaden als Reserve.
Bild 1: Röhre mit Box
Die Type DE2 ist ein typischer Vertreter aus der Serie der Nelson-Multi-Typen. Es lohnt sich für einen Röhrenfachmann, die Typen aus der Pionierzeit etwas genauer anzuschauen um herauszufinden, was gerade das Besondere bei diesen Röhrenaufbauten ist. Eine Beschreibung des Unternehmens Nelson und die Besonderheit der umschaltbaren Heizfäden sind bereits hier beschrieben >, deshalb konzentriere ich mich auf die Type DE2.
Die wichtigsten technischen Daten zum Betrieb dieser Röhre stehen auf der Röhrenschachtel.
Nelson gibt drei Verwendungen an:
Als Detektorröhre mit einer Anodenspannung zwischen 30 und 60 Volt.
Als Verstärkerröhre mit einer Anodenspannung zwischen 50 und 80 Volt.
Als Leistungsröhre, zum Betrieb mit zwei Heizfäden geschaltet, bei einer Anodenspannung zwischen 80 und 120 Volt.
Die Gittervorspannung soll dann zwischen 3 und 6 Volt liegen.
Als Heizstrom ist der Wert 0,1 A angegeben. Dies ist nicht korrekt. Der Wert beträgt ca. 0,35 A, wie dies auch in verschiedenen zeitgenössischen Unterlagen angegeben ist, siehe auch hier: →
Bild 2: Die Daten der DE2
Leider gibt es keine von Nelson veröffentlichten Kennlinien für diese Röhre.
Eben dieser Mangel an Technischen Daten, Kennlinien und sonstiger Beschreibungen von Röhren aus der Pionierzeit fordert mich als Sammler und Fachmann heraus, Röhren aus meiner Sammlung oder von Sammlerkollegen genauer und detaillierter zu untersuchen und zu dokumentieren. Die Nelson Röhre Typ DE2 ist so ein Objekt, dass ich genauer untersuchte. Hier habe ich für alle Interessierten einige Informationen aus diesen Untersuchungen zur DE2 zusammengestellt.
Der innere Röhrenaufbau
Bild 3: Skizze vom inneren Röhrenaufbau der DE2
Das System ist ein Plattensystem, bestehend aus zwei Gitterplatten und zwei Anodenplatten. Die Gitterplatten sind grillartig aufgebaut. An der Oberseite sind die beiden Platten über einen an einer Längsseite angeordneten Gitterbügel miteinander verbunden. An der Unterseite hält eine Gitterstrebe je ein Gitter, versetzt angeordnet. Die Gitter haben einen Abstand von ca. 2 mm zu den drei Heizfäden. Die drei Heizfäden sind an einer Seite auf eine Strebe geführt, die jeweilige andere Seite ist auf jeweils getrennte Streben geführt. Der gemeinsame Fadenanschluß ist herausgeführt. Die jeweils gegenüberliegenden Fadenenden sind getrennt herausgeführt.
Die Anordnung und der Aufbau der Anodenplatten sind wie bei den Gitterrosten ausgeführt. Der Abstand von der Anodenplatte zum Heizer beträgt ca. 5 mm. Je ein Anodenanschluss und ein Gitteranschluss sind herausgeführt.
Die Heizdrähte sind durch Quetschverbindung mit den Zuleitungsdrähten verbunden. Anodenbleche und Gitterroste sind durch Punktschweißung mit den jeweiligen Haltern verbunden.
Die Ausführung der Systemaufbauten ist nicht wie der einer Serienfertigung, sondern der Aufbau sieht aus wie von Hand in einer Werkstatt gefertigt. Die Bleche sind grob geschnitten und wellig. An den Punkschweißstellen sind die Bleche durch Überhitzung verformt. Im Kolbenglas sind mehrere Lunkerstellen, welche durch ungleichmäßiges Aufheizen des Röhrenkolbens mit einer Flamme entstehen können. An Lunkerstellen kann Luft in die Röhre eindringen. Dies sind alles Hinweise auf eine Werkstattfertigung von Hand mit kleinen Stückzahlen bzw. einer Kleinserienfertigung.
Bei dem untersuchten Exemplar konnte wegen der ausgeprägten Verspiegelung im Innern der Getter nicht ausfindig gemacht werden.
Bild 4: Glaslunker
Bild 5: Der Röhrensockel
Bild 6: Lötstelle am Sockelstift
Wegen nicht vorhandener Kennlinien zu dieser Röhre, habe ich mit einem Stereo-Messmikroskop das Röhrensystem optisch vermessen mit dem Ziel, mit diesen Abmessungen ggf. eine brauchbare Kennlinie zu gewinnen. Die ermittelten Abmessungen waren nach einer statistischen Auswertung der Messwerte genau genug um daraus Kennlinien von dieser Type zu berechnen. Allerdings zeigten die unter dem Mikroskop beobachteten Details der Konstruktion eine sehr grobe Ausführung des Aufbaus. Vor allem mussten von den Details der Gitterkonstruktion statistische Mittelwerte, speziell von den Abmessungen der Gitterstege und Gitterfenster ermittelt werden, damit sie für eine mathematische Auswertung verwendbar sind. Auf Grund der Herstellungsmethoden dieser Röhre sind die Abweichungen von Röhrenexemplar zu Röhrenexemplar sowieso recht hoch, so dass man zumindest mit einer mathematisch gewonnenen Kennlinie, abgeleitet von den vorliegenden gemittelten mechanischen Abmessungen Anhaltspunkte über die Arbeitsweise dieser Röhre erhält. Das Ergebnis der optischen Vermessung und anschließender Kennlinienberechnung ist in den beiden folgenden Grafiken dargestellt. Es ist sowohl eine Kennlinie dargestellt für den Betrieb mit einem Heizfaden und eine weitere, für den Betrieb mit zwei Heizfäden. Die Kennlinien sind ausschließlich aus den vermessenen mechanischen Daten des Röhrensystems nach bekannten Verfahren abgeleitet.
Bild 7: Kennlinie wenn ein Heizfaden geschaltet ist.
Bild 8: Kennlinie wenn zwei Heizfäden geschaltet sind.
Die Angaben von Nelson auf der Röhrenschachtel bezüglich der Einstellung eines Arbeitspunktes bei Betrieb als Leistungsverstärker-Röhre (80 Volt Anodenspannung mit 3 Volt, und 120 Volt Anodenspannung mit 6 Volt) bekommt beim Betrachten der Kennlinien für zwei geschaltete Heizfäden einen Sinn.
Details über die verwendeten Abmessungen zur Berechnung der Röhrenkennlinien:
Bild 9: Das Gitter
Verwendete Abmessungen zur Röhrenberechnung:
Abstand Heizer–Anode 5,0 mm
Abstand Heizer – Gitter 2,0 mm
Gitterstegbreite 0,2 mm
Gitterfensterbreite 1,8 mm
Anodenlänge 2,0 cm
Anodenbreite 1,0 cm
Gegenüberstellung der Röhrenkenndaten von Nelson mit den Röhrenkenndaten aus den berechneten Kennlinien zeigt die folgende Grafik.
Bild 10: Ermittlung von Steilheit, Innenwiderstand und Durchgriff
Zur Erläuterung ist ein gestricheltes Dreieck eingezeichnet. Die in den Röhrenformeln verwendeten Werte sind in der Grafik angegeben.
Steilheit = 0,25 mA/V
Innenwiderstand = 33,3 kΩ
Durchgriff = 0,12
Damit ist sichergestellt, dass die berechnete Kennlinie den von Nelson propagierten Daten entspricht.
Der Röhrensockel
Die Sockelstifte, der Scherenschalter und die Schraubenköpfe, die auch als Schaltkontakte für die Heizfaden-Umschaltung dienen, sind in Messing ausgeführt. Die Federkraft des Scherenschalters ist schwach. Hier sind Kontaktprobleme im Heizkreis vorprogrammiert, die zu Störungen im laufenden Betrieb führen können. Es ist kein Wunder, dass bei meinem Exemplar zunächst keiner der Heizfäden Durchgang über die Kontakte hatte.
Die Farbe des Sockelkitts weist auf eine Masse auf Gipsbasis hin. Der Metallsockel besteht aus einem vernickelten Messingrohr. Die unbekannte schwarze Vergussmasse im Sockelbereich hat keine Kennzeichnung, die Rückschlüsse auf einen Hersteller zulässt. Die Anodenleitung im Sockel ist mit einem Glasrohr gegen Schlüsse gesichert. Auf dem Quetschfuß befindet sich spiegelverkehrt die Ziffer 2.
Um weitere Informationen über diese Röhre zu erhalten, wurde sie elektrisch vermessen.
Zunächst die Betriebsdaten des Heizers:
Bild 11: Betriebsdaten des Heizers
Wie das Temperatur-Widerstands- Diagramm zeigt, sind die Betriebsdaten des Heizers meines Exemplars:
Uf = 1,5 V, If = 0,35 A Betriebstemperatur ca. 1000 °C
Die Heizspannung bei dem vermessenen Exemplar für 0,35 A Heizstrom ist mit 1,5 V also ca. 0,3 … 0,5 V geringer als die veröffentlichten Angaben. Bei 2 V Heizspannung steigt der Heizstrom auf ca. 0,39 A und die Betriebstemperatur beträgt dann ca. 1200 °C. Bei thorierten Heizfäden könnte die Betriebstemperatur bis ca. 1400 °C gewählt werden allerdings wäre dies mit Verlust von Lebensdauer verbunden. Das Exemplar hat bei allen drei Heizfäden nur geringe Abweichungen zum obigen Diagramm. Die Betriebsdaten der Heizer befinden sich zwischen 1000 … 1200 °C auf der sicheren Seite.
Die Emissionsstrom-Messung
Bild 12: Der Emissionsstrom der DE2 von Nelson bei 1,5 V und 0,35 A Heizerbetriebsdaten.
Durch eine Emissionsstrommessung kann man herausfinden, welchen maximalen Anodenstrom die Röhre bei eingestellten Heizerbetriebsdaten abgeben könnte. Bei reinen Metallfäden wie Wolfram, Platin oder Nickel sowie bei thorierten Wolframfäden kann man den Emissionsstrom mit einer statischen Messung ermitteln. Bei Fäden oder Katoden mit Emissionspasten wären die maximal möglichen Emissionsströme so hoch, dass man sie ohne Schaden für den Heizer nicht statisch vornehmen kann. Emissionsströme bei Katoden mit Emissionspasten werden mit gepulsten Anodenspannungen gemessen deren Impuls-Pausenverhältnis an die zu untersuchende Katode angepasst wird.
Praktische Bedeutung hätte dieser Emissionsstrom, wenn man die DE2 als Gleichrichterröhre verwenden würde. Dazu würde man das Gitter mit der Anode verbinden. Der Innenwiderstand als Gleichrichterröhre beträgt dann ca. 3,3 kΩ. Dieser Gedanke kam mir in Verbindung mit der Universalröhre RV12P2000, die tatsächlich auch als Gleichrichterröhre in Notzeiten verwendet wurde.
Messung der realen Kennlinien
Die Gegenüberstellung von berechneter Kennlinie zur gemessenen Kennlinie zeigt sichtbare Unterschiede. Es wurden identische Maßstäbe für die Darstellung gewählt.
Für mich als Röhrenspezialist sind die Unterschiede nicht so groß wie eigentlich erwartet. Ein wesentlicher Unterschied entsteht durch Unregelmäßigkeiten in den Abmessungen der Systemteile, wie bereits vorher geschildert.
Viel größer ist der Unterschied zwischen der gemessenen Emission von max. 9 mA ab 40 Volt (Bild 9) und dem Anodenstrom von ca. 2 mA bei 120 V Anodenspannung und 0 V Gitterspannung (Bild 10). Da ist noch jede Menge Reserve drin. Diese Reserve kann eine Alterung der Röhre durch Emissionsverlust kaschieren. Die Emission kann bei diesem Exemplar absinken bis auf ca. 2 mA, ohne dass man dies im Betrieb merken würde. Gleichzeitig kommt dies auch einer Heizstromeinstellung entgegen. Man kann den Heizstrom so weit herunter drehen, wie das bei den frühen Röhren und Schaltungen üblich war, ohne die Funktion zu stören. Dies gilt natürlich nur, wenn man die Röhre im Bereich negativer Gitterspannungswerte betreibt.
Betreibt man allerdings die Röhre im Bereich positiver Gitterspannungen, so kann man diese Röhre theoretisch bis ca. 9 mA Anodenstrom betreiben.
Die berechnete Kennlinie zeigt dem Röhrenkonstrukteur, wie die elektrischen Werte am Objekt „Röhre“ währen, wenn man bei der Herstellung die für die Kennlinie wichtigen Abmessungen der Röhrenkonstruktion eingehalten hätte. Im Fall meines Exemplars sind z.B. die Abstände zwischen Heizer und Gitterrost höher als das Sollmaß und einzelne Gitterstege vom Gitterrost sind etwas breiter als sie sein sollten. All dies führt zu einer Reduzierung des Anodenstromwerts. Im gegenteiligen Fall könnten die Werte auch zu höhere Anodenströme führen. In der Praxis kommen beide Abweichungen vor. Mit Respekt zum Heizer und Angst vor Schlüssen hat man häufig die Abstände zwischen Heizer und Gitter in der Praxis größer „Hingebogen“. Die häufigere Abweichung ist dadurch vermehrt zu geringeren Anodenstromwerten.
Im Fall des vermessenen Exemplars beträgt die Anodenstromreduzierung ca. minus 30%. In der Praxis sind bei entsprechenden Konstruktionen und Herstellungsweisen besonders bei älteren Röhrentypen durchaus +30 bis - 50% Abweichungen bei den elektrischen Werten zu finden. Aus Sicht eines Röhrenprüfers währe diese Röhre noch brauchbar. Mit Kenntnis der Emission ist diese Röhre als gut zu bezeichen.
Ein sogenannter Schwanzstrom hat diese Röhre nicht. Die Anodenfläche bedeckt vollständig die geöffnete Gitterfläche. Wäre z.B. eine Anode oder ein Gitter so verschoben, dass durch die Anodenfläche die geöffnete Gitterfläche nicht vollständig verdeckt ist, könnte ein stetiger Anteil ungesteuerten Anodenstroms fließen. Dies ist bei vielen älteren Röhrenkonstruktionen der Fall.
Auch hat die Röhre noch ein gutes Vakuum, was durch Fehlen eines Gitterstroms bei negativen Gitterspannungen nachgewiesen ist.
Beschriftungen auf der Röhre
In Bild 14 ist das Nelson Emblem abgebildet. Auf dem Glaskolben befindet sich zusätzlich ein BBC-Emblem, welches als Nachweis für eine Zugehörigkeit von Nelson zu dieser Vereinigung zeigen soll. Damit verbunden sind Abgaben (Royalties), die für jede verkaufte Röhre erhoben wurde.
Im Bereich des Sockels ist eine blaue Banderole um die Röhre gewickelt. Die Beschriftung auf dieser Banderole:
TYPE D.E.2. FILAMENT VOLTS 1.8 TO 2.0 Amps .1
CARE SHOULD BE TAKEN NOT TO EXEED VALUES
Protected by Patents
Die Röhren-Box
Noch seltener wie die Röhre ist eine gut erhaltene Orginal-Röhren-Box.
Die folgenden Bilder zeigen drei Seiten der Röhrenbox. Die vierte Seite zeigt die Röhrendaten, siehe dazu Bild 2.
Diese DE2 von Nelson ist fast 90 alt Jahre alt. Sie befindet sich in einem ausgezeichneten technischen Zustand. Sie könnte in einem passenden Gerät ohne Probleme ihre beabsichtigte Funktion auch jetzt noch voll erfüllen.
Unter der Typenbezeichnung DE2 gibt es eine Röhrentype von Marconi-Osram, die aber funktionell völlig anders gestaltet ist und auch andere technischen Daten hat. Die Typen sind nicht gegeneinander austauschbar.
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