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Überraschend unterschiedliche Systeme bei E92CC
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Harald Giese
13.Dec.22 |
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Bilder können durch Anklicken vergrößert werden
In meinem Röhrenfundus befinden sich einige Exemplare der 1954 erschienenen E92CC, einer Röhre die hauptsächlich für den Einsatz in Zählschaltungen und Rechenmaschinen vorgesehen war. Dag Schöber zeigt in der RM - Bildergalerie dieser Röhre zwei Bilder der E92CC in einem IBM - Modul (Flip-Flop-Zählstufe) eines Röhren - Computers. Die rechte Röhre zeigt den Fertigingscode B.nb.02, also Januar 1958. Auch wenn das aufgrund der schwachen Auflösung schwer zu beurteilen ist, so sehen meine Telefunken Röhren genauso aus. Die Anodenkästen zeigen beidseitig zwei rechteckige Perforierungen, drei Versteifungsrippen und einen vom oberen Glimmerplättchen gehaltenen Getterträger in Ringform (Halo - Getter).
Die Fertigungscodes meiner Telefunken E92CC lauten von links nach rechts. U2200804 ⇒ 22. August 1960 U3110004 ⇒ 13. Oktober 1960 U5100304 ⇒ 15. März 1960 U9000604 ⇒ 9. Juni 1960
Ganz anders präsentieren sich die E92CC aus VALVO Produktion:
Die linke Röhre hat einen zylindrischen, nicht eingeschnürten Glaskolben (so wie die Telefunken Röhren), ihr Elektrodensystem hat glatte Anodenbleche ohne Perforation, und einen auf dem oberen Glimmerplättchen ruhenden, D - förmigen Getterträger (Steigbügelgetter). Die rechte Röhre hat einen stark eingeschnürten Glaskolben (pinched glass envelope), Anodenbleche mit 3 Versteifungsrippen und einen D-foil - Getterträger (Steigbügelgetter mit aufgeschweißter Folie), der von einer bis zum unteren Glimmerplättchen reichenden Stange getragen wird. Der auffallendste Unterschied besteht aber in der Höhe der Elektrodensysteme: Links: 22 mm, rechts : 18 mm. Das System der rechten Röhre ist somit knapp 20% kürzer als das der linken.
Während der zweizeilige etch - code der rechten Röhre: 3O6 - Δ7L (3O6 ⇒ E92CC System Version 6, - Δ7L ⇒ Heerlen 1957 Dezember) der ELCOMA Nomenklatur für Röhren folgt, deutet der Code der linken Röhre auf eine frühe Fertigung vor Einführung des ELCOMA Codes hin.
Offenbar hatte man also festgestellt, dass auch ein um 20 % kürzeres Elektrodensystem für ausreichende Wärmeabstrahlung sorgt. Immerhin konnte man so eine Menge Geld für das kostspielige Elektrodenmaterial einsparen. Wo aber liegt der Hintergrund für diese Änderung? Wie bereits eingangs erwähnt, war die E92CC zur Verwendung in Zählschaltungen und Rechenmaschinen vorgesehen. Als die Röhre 1954 eingeführt wurde, hatte man noch nicht besonders viel Erfahrung hinsichtlich der optimalen Auslegung solcher Röhren für den Schaltbetrieb gesammelt. Bei den anfänglich eingesetzten Röhren wie der 12SN7 (siehe z.B. hier) handelte es sich noch um normale NF - Verstärkerröhren, die für den Betrieb bei einem bestimmten Anodenruhestrom ausgelegt waren. Das Elektrodensystem war also für eine bestimmte Anodenverlustleistung konzipiert, die auf dem Produkt Ua x Ia mit einer, von der Modulation bestimmten Schwankung basierte. Die in Rechenanlagen eingesetzten Röhren sollen aber vollkommen anderen Forderungen genügen: Da sie hier als Schalter fungieren, sollen sie im leitenden Zustand möglichst niederohmig und im gesperrten Zustand möglichst hochohmig sein und den Übergang vom leitenden zum gesperrten Zustand in möglichst kurzer Zeit vollführen. Dementsrechend unterscheiden sich auch die Angaben der elektrischen Parameter in den Datenblättern: MULLARD Datenbuch:
Im gesperrten Zustand (blau umrahmt) fließen bei Ua=150 V, Ug1= -10 V maximal 100 µA, im leitenden Zustand (rot umrahmt) bei der gleichen Anodenspannung aber Ug1 = -1,7 V im Mittel Ia = 8,5 mA. Ähnliche Angaben findet man im Telefunken Datenbuch:
Trägt man diese Arbeitspunkte in die Ia= f (Ug) und Ia = f (Ua) Kennlinien ein, so ergibt sich folgendes Bild:
Der Leistungsumsatz beträgt somit im leitenden Zustand pro Triodensystem nur P =150V x 8,5 mA = 1,3 Watt. Werden die Röhren in einer Zählstufe in Flip - Flop Konfiguration eingesetzt, in der immer nur eine Triode leitet und die andere gesperrt ist, liegt die in Wärme umgesetzte Verlustleistung für die ganze Röhre also bei nur 1,3 Watt. Es erscheint also durchaus plausibel, dass man sich angesichts dieser niedrigen Leistung schon bald nach Einführung der Röhre bemüht hat, die Systemdimensionen zu verringern und dadurch Produktionskosten einzusparen.
Intuitiv würden man jetzt folgern, dass man angesichts dieser geringen Wärmeleistung das Röhrensystem noch viel kleiner hätte auslegen können. Das ist ein Fehlschluss. Man musste nämlich auf die Stromdichte auf der Kathodenoberfläche Rücksicht nehmen, die mit kürzer werdendem Elektrodensystem ansteigt, die aber im Interesse langer Lebensdauer einen bestimmten Maximalwert nicht überschreiten darf. Offenbar hatte VALVO (PHILIPS) die elektrischen Möglichkeiten mit der beschriebenen Systemverkürzung "ausgereizt". Bauversionen der E92CC mit noch kleinerem System sind mir jedenfalls nicht bekannt. Ein essentieller Punkt, der hier nicht angesprochen wurde, sind die gegenüber ungünstigen Tastverhältnissen resistenten Kathodenbeschichtungen dieser Schaltröhren, durch die sie sich in besonderer Weise für die Anwendung in Zählschaltungen eignen. Trotzdem hoffe ich, einen kleinen Beitrag zum grundlegenden Verständnis der Auslegungskriterien von Schaltröhren geliefert zu haben. Harald Giese |
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