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ED705 Mischdetektor vor 1945 ?
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Wolfgang Eckardt
11.Feb.11 |
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Bei verschiedenen Modellen von Messgeräten aus den 1950er Jahren vom Funkwerk Erfurt (z.B. UKW-Messgenerator Typ 2006) ist auf den mir vorliegenden Original-Kataloglättern bei der Bestückung angegeben eine Kristall-Diode ED705. Da diese bisher im RM nur mit ihrer Bezeichnung eingetragen ist ohne weitere Hinweise, habe ich recherchiert. Erst dachte ich, es wäre eine besondere HF-Diode aus DDR-Produktion, die so etwa 1949/50 für spezielle Messtechnik hergestellt wurde. Aber in keinem meiner vorhandenen Datenbücher gab es etwas. Dann fand ich im www einen Hinweis, dass es bereits vor 1945 einen so genannten Mischdetektor für militärische Geräte ("Berlin-Anlagen") gab. Leider fand ich in dem Text nur diese kleine Bilddokumentation:
Bemerkenswert finde ich die - kaum lesbaren - Daten zur Stromstärke: Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass das Funkwerk Erfurt um 1950 Dioden aus militärischen Beständen von vor 1945 offiziell eingebaut hat. Wer weiß etwas zu dieser ED705 ? Wolfgang Eckardt
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Bernhard Nagel
11.Feb.11 |
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Hallo Herr Eckardt, im Internet fand sich bei der Suche nach "Berlin-Geräte" ein Text mit Verweis: Berichte Nr. 1 - Nr. 50 Im 5-bändigen Werk "Röhren-Historie" von Wolfgang Scharschmidt (2007) findet sich im Band 4 (als Leseprobe verfügbar): Firma Sanitas: als wichtige Komponente der 9,15 cm Berlin-Geräte, Nachbau des englischen CV 76 Der Einsatz dieser Mischdiode ED705 war also in einer militärischen Funkpeilanlage bei ca. 3 GHz Arbeitsfrequenz. Anscheinend wurden Restbestände dieser Detektor-Dioden für "zivile" Nachkriegsprodukte der Messtechnik eingesetzt, ein nicht ungewöhnlicher Vorgang. Auch Rohde & Schwarz bediente sich bis Anfang der 1950er Jahre aus Restbeständen von z.B. Wehrmachtsröhren (Messempfänger ESD). Nachtrag: Es handelt sich sehr wahrscheinlich um das Funkmessortungsgerät FuMO 81 (82, 83, 84) "Berlin", auch als FuG 224 bezeichnet. Hersteller: Telefunken. Bernhard Nagel |
Wolfgang Eckardt
11.Feb.11 |
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Vielen Dank Herr Nagel für Ihre Informationen. Es scheint also durchaus Realität gewesen zu sein, dass diese Mischdioden als "Kriegsprodukt" nach 1945 in "friedlichen" Messinstrumenten der gehobenen Art eingesetzt wurden. Zur Entstehung dieser ED705 fand ich einen Beitrag zu dessen Erfinder: Einer dieser damaligen Pioniere ist der deutsche Physiker Herbert F. Matarè. Er studierte in Aachen und anderen Universitäten verschiedene technische Disziplinen und trat 1939 in das Telefunken-Forschungslaboratorium in Berlin ein. Quelle: UIPRE.org; Bulletin 353, Dez. 2008 Eine E-Mail erhielt ich von Herrn Löwe zur Verwendung des Mischdetektors und das deckt sich mit der Info von Herrn Nagel: Das "Berlin"-Gerät FuG224 war das Rundstrahl-Radargerät der Wehrmacht, das erst kurz vor Kriegsende fertig wurde. Nur eine handvoll wurden gebaut. Die entsprechende Magnetron-Röhre konnte erst entwickelt werden, nachdem bei Rotterdam ein alliierter Bomber mit dem sogenannten "H2S"-Gerät erbeutet wurde. Vielen Dank auch an Herrn Löwe. Vielleicht finden sich noch Informationen zu dieser ED705 und ein Bild. Hier noch eine Zeichnung vom Aufbau dieser Diode aus Wolfgang Eckardt
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Wolfgang Eckardt
13.Feb.11 |
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Eine hochinteressante Quelle, die ich bisher nicht kannte, hat mir noch weitere Auskünfte zu diesen Halbleiterdioden vor 1945 gebracht: Anfänge der Halbleiterforschung und -entwicklung Ich zitier hier einige Auszüge von den Seiten 72-74. Während Seiler gemeinsam mit Günther im Materiallabor der Universität Breslau die ersten Kleinserien der Siliziumschichten produzierte, untersuchte Mataré in Leubus unterschiedliche Detektortypen. Ihre Erkenntnisse führten dann Anfang 1944 zum grundsätzlichen Design der Telefunken-Detektorender Serie ED 700 bis 705, die ab Frühjahr 1944 produziert werden konnten. Die Detektoren der Serie ED 700 bis ED 705 von Telefunken waren Mitte 1944 die einzigen Detektoren von gleichbleibender Qualität, mit denen Zentimeterwellen nachgewiesen werden konnten. Daher rüstete Telefunken die bei ihnen hergestellten „Naxos"- und „Berlin"-Geräte ausschließlich mit eigenen Detektoren aus.113
Anfangs war das keineswegs so gewesen. Die Detektoren der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) und von anderen Institutionen erschienen durchaus konkurrenzfähig. Der Präsident der PTR, Abraham Esau, hatte sich im April 1943 noch bei Runge beschwert, daß Leo Brandt als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Rotterdam seine Machtposition ausnütze und in bezug auf Detektoren „die Leistungen anderer verschweige."114 Doch seit Anfang 1944 waren die nach dem Güntherschen Verfahren hergestellten synthetischen Siliziumschichten für den Zentimeterwellen-empfang allen anderen Materialien überlegen. Deshalb richtete Seiler in Kooperation mit dem Röhrenwerk von Telefunken eine Serien-Fertigung ein. „So 20 bis 30 Öfen wurden da gemacht... und dann haben wir Dutzende von Frauen gehabt, die nichts anderes gemacht haben, als festzustellen ob die Gleichrichtung gleichmäßig ordentlich war."115
In diesen Öfen wurden kleine Graphitstäbchen von einigen Millimetern Länge mittels des Güntherschen Verfahrens mit einer Siliziumschicht überzogen. Diese Stäbchen wurden dann einfach durchgebrochen und an der Bruchstelle in das Detektorgehäuse gelötet. Für den gleichrichtenden Kontakt wurde eine Ringschleife aus Molybdän-Draht auf die silizierte Seite des Graphit-Stäbchens gedrückt und nach Einstellung fest verschraubt. Dieser Gesamtaufbau wurde während der Entwicklung der Serie nicht geändert. Lediglich die Abmessungen der Modelle ED 704 und ED 705 waren kleiner als diejenigen ihrer Vorgänger, so daß vor dem Einbau eine neue Halterung eingeschraubt werden mußte (Abb. 19).116 [siehe Zeichnung in vorher. Post. W.E.]
Wegen der guten Leitfähigkeit der hergestellten Siliziumschichten reichte eine Ringschleife mit ihrer im Vergleich zu einer dünnen Drahtspitze großen Berührungsfläche aus. Allein die Aufdruckkraft des Drahtes sorgte für die für den Einsatz in Flugzeugen, Schiffen und U-Rooten nötige Schüttel- und Stoßfestigkeit des Detektors. Der abgebildete Mischdetektor ED 705 stellte das Spitzenprodukt von Telefunken dar und kam ab Oktober 1944 in den „Berlin"-Geräten zum Einsatz. Doch trotz der speziellen Alterungsbehandlung, mit der eine gute Konstanz der Detektoren erreicht werden sollte, fielen sie offenbar so häufig aus, daß mit jeder Anlage ein Reservekästchen ausgeliefert wurde, das zwei weitere ED 705 Detektoren enthielt. Über die Gründe der teilweise geringen Lebensdauer lagen erst wenige Erkenntnisse vor.
Bis zum Ende des Krieges konnte dieses Problem allerdings nicht mehr gelöst werden. Weitere Forschungen im Telefunken Laboratorium:
Parallel zur Produktion dieser Detektoren liefen in Rothes Labor in Leubus weitere Forschungen, die auf eine Verbesserung der Detektoreigenschaften abzielten. Ein Schwachpurikt der Detektoren ED 700 bis ED 705 bestand in der Kontaktierung der Siliziumschicht durch die Ringschleife. Die Ringschleife ließ sich zwar stabiler als eine Nadel montieren, Erschütterungen konnten aber weiterhin die Gleichrichterwirkung beeinflussen. Auch führte der oft unsaubere Kontakt zu starkem Rauschen und trug zur unerwünschten Kapazität Co bei. Zusätzlich hatte die Ringschleife insbesondere bei sehr hohen Frequenzen eine störende Induktivität L.
Mataré und Seiler experimentierten daher gemeinsam damit, die Siliziumschicht zunächst mit einer isolierenden Schicht zu versehen und dann „mit Hilfe eines elektrischen Durchschlags oder dergleichen feine Löcher zu erzeugen".
In diesen Löchern konnte man danach elektrolytisch kleine Kupfer- oder Silberpilze wachsen lassen und diese kontaktieren. Dadurch waren die Kontakte zwar sehr stabil, zum Empfang von Zentimeterwellen ergaben sich aber zunächst zu große Kapazitäten, so daß dieses Verfahren nicht in die Produktion überführt werden konnte.118
Parallel wurde weiter an der Verbesserung der existierenden Detektoren gearbeitet. Da diese Detektoren insbesondere in den „Berlin"-Geräten auch im Mischbetrieb als Überlagerungsempfänger eingesetzt werden sollten, ergaben sich ähnliche Probleme mit dem Empfänger-Oszillatorrauschen wie bei den Elektronenröhren-Dioden. Daher stellte Mataré nun auch Versuche zur Rauschkompensation mit Detektoren an. Rauschkompensation war mit Duodioden schon schwierig genug, aber noch schlechter gelang es mit den Kristall-Duodioden. Das besondere Problem war dabei wiederum, eine möglichst identische Charakteristik der beiden Detektoren zu erzeugen. Das gelang um so besser, je näher die beiden Spitzenkontakte beieinander lagen. Matare experimentierte mit zwei Nadeln auf dem Kristall als Anoden und dem Kristall selbst als Kathode. Mataré erinnert sich, daß er im Zusammenhang mit dieser Schaltung auch schon Versuche angestellt hatte, die Schottky- Sperrschicht der einen Spitze mit der anderen Spitze zu steuern, er also einen Drei-Elektroden-Verstärkungs-Kristall im Sinn hatte. [Spitzentransistor? W.E.] Er konnte auch vereinzelt Effekte messen, aber keine klaren Ergebnisse erzielen.119
Diese Experimente mußten abgebrochen werden, als die Sowjetarmee 1944 gegen Leubus vorrückte, so daß das Labor erneut geräumt und verlagert werden mußte.
Mit dieser "Quelle" ist nun einiges zur Entstehung dieses "Mischdetektor ED705" beleuchtet, doch eine "vernünftige Abbildung" habe ich leider immer noch nicht. W.E.
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Christian ADAM
14.Feb.11 |
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Sehr geehrte Kollegen, Seit Gestern gibt es mehr im Rmorg über Mataré's Geschichte und die Erfindung des Transistron: US Transistor & French Transistron Alles hat mit der Duo Diode angefangen... Viel Spass beim Lesen, Christian ADAM |
Wolfgang Eckardt
01.Jul.12 |
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Ich erhielt interessante Unterlagen über die Produktion bei OSW um 1946...1949 von Herrn Pius Steiner (DANKE!). Dort wird u.a. ausgeführt, dass 1947 vom Kristall-Detektor Typ ED704 5.000 Stück gebaut wurden als Reparationsleistung .
Wolfgang Eckardt |
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