Achim Dassow
15.Jun.14
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Hallo miteinander,
in der "Funk und Ton" Mai 1949 konnte ich folgendes Material einscannen und aufarbeiten, ich wünsche allen Interessierten gute Unterhaltung!
Die englische Universalröhre UA-55
Eine Entwicklung von John A. Sargrove und ein Produkt der British Tungsram Radio Works Ltd.
Bei näherem Zusehen überrascht es keineswegs, wenn die englische Röhrenindustrie immer wieder den Versuch macht, eine Universalröhre zu schaffen.
Für das englische Inlandsgeschaft und für den weltweiten Export muss sie bisher drei verschiedene Typenreihen, nämlich englische, europäaische und amerikanische Röhren, liefem.
Das bedeutet eine Unzahl verschiedener Bauformen mit nur kleinen Serien und daher hohe Preise, womit die internationale Konkurrenzfähigkeit nicht gehoben wird.
John A. Sargrove, M. Brit. I. R. E., A. M. I. E. E., brachte im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit den britischen Tungsram -Werken eine Doppeltetrode in Pressglastechnik heraus, die berufen zu sein scheint, als Universalröhre für aIle Empfängerstufen ihren Weg zu machen.
Es handelt sich dabei eigentlich um eine kräftige Tetrode, bei der die Wirkung des Bremsgitters durch Strahlbleche erreicht wird (Beam-System) und die geschickt in zwei Hälften aufgeteilt wurde, so dass mit dem Materialaufwand und der Arbeitszeit für eine Rohre praktisch zwei, d. h. eine Doppelröhre, geschaffen wurde.
Abb. 1 zeigt das Äussere der Röhre, Abb. 2 einen schematischen Blick in das System, während Abb. 3 den grundsätzlichen Aufbau und die Sockelschaltung erkennen lässt: die Strahlbleche A haben einen doppelten E-formigen Querschnitt; sie reichen bis dicht an die schmalen Seiten der Kathode heran und bilden derart die Trennung beider Teile der Röhre.
Die beiden anderen Balken des "E" wirken wie Schirme zwischen den Gittern und der Anode.
Die Gitter haben grosse Maschen und befinden sich dicht an der Kathode, so dass man grosse Anodenströme selbst bei geringer Anodenspannung bekommt, wurde doch die Röhre vorzugsweise für Allstromgeräte entwickelt, die in den meisten Ländern mit 110 ... 117 Volt Netzspannung auskommen müssen.
Abb. 3 gibt ausserdem den neuen 9-Stift-Sockel wieder, dessen Stifte zugleich als Zuführung für das direkt aufgesetzte, aufrecht stehende System dienen.
Alle Stifte mit Ausnahme der beiden Anodenstifte Ax und Ay haben 36° Abstand voneinander, diese jedoch sind 72° voneinander entfernt und verhüten falsches Einstecken. Die Heizspannung beträgt 55 Volt, der Heizstrom 100 rnA.
UA-55 als Endröhre:
Bei Ua = 90 Volt (= Ug2) und Ug1 = - 5 Volt ergibt sich eine Ausgangsleistung von etwa 1Watt, wenn beide Systeme parallelgeschaltet sind.
Die Kennlinie nach Abb. 4 entspricht etwa der 25 L 6 und in grober Annäherung der CL 4. Als günstigster Aussenwiderstand gilt 2500 Ohm, die Steilheit beträgt etwa 7 rnA/Volt.
Als Spannungsverstärker:
Bei Ua = 90 Volt muss man an Gitter 2 +15 Volt legen. Man bekommt dann eine
Röhre mit hohem Innenwiderstand für HF.-, ZF.- und NF.-Verstärkung, deren Steilheit noch immer 4,5 rnA/Volt beträgt.
Als Regelröhre:
Man schaltet beide Anoden parallel und legt an Schirmgitter G2 x 10 Volt und an Schirmgitter G2 y 25 Volt - auf diese Weise erhält man eine Röhre mit veränderlicher Steilheit.
Will man mit gleitender Schirmgitterspannung arbeiten, so muss man ausserdem beide Schirmgitter parallel schalten und in ihre gemeinsame Zuleitung einen Festwiderstand von 350 kOhm legen.
Wie Abb. 5 erkennen lässt, verschiebt sich die Kurve weiter nach links.
Als Oszillator:
Durch Zusammenschalten des Schirmgitters G2 y mit der Anode Ay wird die eine Röhrenhälfte als Oszillator-Triode benutzt, während die andere Hälfte als Mischtetrode arbeitet.
Als B-Verstärker:
Das Steuergitter wird mit dem Schirmgitter zusammengelegt.
Man kann die Röhre somit als Leistungsverstärker mit Gitterstrom verwenden.
Als Netzgleichrichter:
Hierbei werden beide Systeme parallelgeschaltet, wobei Schutzwiderstände von 10 kOhm (zwischen Steuergitter und Anode) und 1 kOhm (zwischen Schirmgitter und Anode) die Belastung der beiden Gitter niedrig halten.
Die Isolation zwischen Heizfaden und Schicht häIt 500 Volt aus.
In Abb. 6 sind die Kennlinien dargestellt.
In der Praxis hat sich herausgestellt, dass die UA-55 in Hoch- und Zwischen-frequenzstufen leicht zur Selbsterregung neigt, da die Kapazität Steuer-gitter/Anode mit 0,07 pF pro System reichlich hoch ist.
Man muss daher eine Neutralisation einführen, die in Zwischenfrequenzstufen infolge der festen Arbeitsfrequenz nicht allzu schwierig zu erreichen ist, wie es etwa in Abb. 7 dargestellt ist.
Man teilt die Kapazität des zweiten Kreises im ersten Bandfilter auf, legt den Mittelpunkt an Masse und sieht ausserdem eine kleine Neutralisations-kapazität Cn von nicht mehr als 0,1 pF vor.
Die zweite Hälfte der Röhre wird in dieser Schaltung als Demodulator geschaltet. Ausserdem hat F. M. Colebrook eine Spezialschaltung angegeben, bei der beide Systeme der Röhre hintereinander geschaltet sind, wobei die Kopplungskapazität zwischen beiden Stufen sehr klein ist.
Eine Neutralisation ist dabei überflüssig, da beide Steuergitter gegenphasig sind und der ZF.- Verstärker damit recht stabil wird.
Der zu erzielende Verstärkungsfaktor soIl je nach Röhrengüte mit 300 bis 500 recht brauchbar sein.
Abb. 8 zeigt schliesslich das vollständige Schaltbild eines 6-Kreis-Supers, mit vier UA-55 bestückt, wahrend Abb. 9 das fertige Gerät darstellt, dessen Abmessungen recht gering sind, wie die beigegebene Zigarette beweist.
Beim Betrieb am 110-Volt-Netz müssen die Heizfäden natürlich auf zwei Serien verteilt werden.
Man kann mit der UA-55 recht billige Einkreiser aufbauen, jeweils mit einer Röhre für Audion und Endstufe und einer zweiten als Gleichrichter (bzw. an deren Stelle ein Trockengleichrichter).
Abb. 10 stellt das Chassis eines derart gestalteten Exportempfängers dar, der nach dem System der Starrverdrahtung vollautomatisch produziert wird.
Vielleicht weiss ja jemand, wie gross der kommerzielle Erfolg dieser Röhre wirklich war.
Gruss
Achim
Attachments
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Peter von Bechen † 15.7.19
16.Jun.14
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Hallo Herr Dassow,
zum Thema Sargrove-Entwicklungen gab es kürzlich zwei von mir verfasste längere Artikel in der Zeitschrift "Funkgeschichte":
1. Sargrove-Universalröhre UA-55: Eine für alles. Heft 213 (Februar 2014), Seiten 30 - 34
2. Vollautomatische Produktion mit dem "ECME": Drei Radios pro Minute. Heft 214 (April 2014) , Seiten 44 - 48.
Der erste Artikel enthält einige Informationen, die Sie auch "Funk und Ton" gefunden hatten, während der zweite Artikel die automatisierte Produktion von Radios mit dieser Röhre beschreibt. Diese sind in größeren Stückzahlen nach Afrika und Asien exportiert worden.
Trotzdem waren die Entwicklungen von Sargrove nicht von Erfolg gekrönt. Nach kurzer Zeit musste er aufgeben, weil seine Investoren den "Geldhahn" zudrehten.
Aber das alles ins in dem Artikel ausführlich beschrieben.
Wenn Sie es intereessiert, kann ich Ihnen die beiden Hefte gerne zusenden. Übrigens: GFGF-Mitglieder bekommen die Zeitschrift regelmäßig, sie ist im Jahresbeitrag enthalten.
Gruß
Peter von Bechen
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