Philips Weltempfänger: 007 James Bond im Radiozimmer
Philips Weltempfänger: 007 James Bond im Radiozimmer
Ganz stimmt die Geschichte natürlich wieder einmal nicht. Die Gerätenummer ist ja auch falsch. Aber Äusserlichkeiten zählen bei mir, und dann stimmt die Geschichte am Schluss doch.
Es trudelt ein aus fernem Land der L6X38T. Bei mir geht es natürlich anders als im Film: das Radio tut nichts. Einige Schwierigkeiten hat der Radioliebhaber erwartet, hat er doch bemerkt, dass der Zeiger schief hängt, dass wohl auch ein paar Schrauben hier und dort fehlen. Wie aber weiter gar nichts geschieht, als das Gerät Strom erhält, das ist dann doch etwas enttäuschend.
Der Studiosus weiss schon, dass beim L6X38T auf seltsame Weise ein Ohrhörer eingebaut ist. Darum bemerkt er schnell, dass dieser Ohrhörer dafür verantwortlich ist, dass nicht der kleinste Ton zu hören ist. Nach ein paar Mal Schalten kommt ein Knacken, wodurch klar wird, dass im Inneren doch etwas passiert. Das Labor-Netzgerät sagt, der Stromverbrauch sei 50mA, also frisst schon einmal etwas Strom.
Gerne ziehe ich ein Zweitgerät hinzu, das mir verrät, ob in dem Kandidaten etwas oszilliert. Ich sehe ein paar Zeichen, aber ein starkes, lautes Pfeifen stellt sich nicht ein. Ich bringe die Heimsender in Stellung: Siehe da, bei voll aufgedrehter Lautstärke ist im Hintergrund jetzt etwas aufzunehmen. UKW ist da, ja, auch die Mittelwelle. Daraus schliesst der Meister, dass die Transistoren 1, 2 und 3 in Ordnung sind, aber im ZF-Teil – bei den Transistoren 4, 5 und 6 – irgendwo der Wurm drin ist.
Bevor jedweder Wurm gefunden ist, muss der wirr herumhängende Seilzug aufgeräumt werden. Er besteht aus zwei Teilen: einem geflochtenem Draht, und einem Textil-Faden. Der Faden ist durchgescheuert, der Draht hat sich eng um die Drehkondensator-Achse gewickelt. Die Spannfeder, die die beiden Teile verbindet, sie hat sich verfangen in den oberen Anschlüssen des filigranen UKW-Schalters. Eine Einladung zum Kurzschlussfest…
Da der Mensch also irgendwo anfangen muss, fängt der Radioreparateur mit der Wiederherstellung des Seilzugs an. Gut, dass er unten im Gerät zwei winzige Umlenk-Rollen gefunden hat, die braucht er nämlich jetzt. Und gut, dass die Dokumentation ausgezeichnet ist – das macht ihm die Reparatur des Seilzuges erst möglich. Immer wieder kehrt der Blick zurück zur Zeichnung: hier unten durch, hier oben durch, hier links, da rechts. Am Schluss dreht sich alles wieder, wie es sich drehen soll, die Mechanik ist gemacht.
Kann man mit Mechanik Radio hören? – Kaum. Es muss der Fehler in der Elektronik gefunden werden. Die Spannungswerte machen mich nicht froh. T5 ist ganz seltsam. Von oben zwacke ich den Hut-Anschluss ab. Die Werte bleiben komisch. Bei den Philips-Platinen aus dieser Zeit stellt sich bei mir immer Furcht ein: zu filigran sind sie. Nur schon scharf Hinschauen führt zu Schäden. Wie aber beim Einspeisen des Prüfsignals der Collector-Anschluss von T5 sehr lebhaft reagiert – und die Basis ganz und gar nicht, wird das Zängelchen weiter bemüht: alle Anschlüsse von T5 werden abgezwickt.
Im Gegensatz zur Dokumentation ist hier ein AF121 eingebaut. Neu kommt hinein ein AF125 aus dem Vorrat. Ich löte ihn von oben herab ein. Da beim Abzwicken des letzten Drahtes sich unten bereits die erste Leiterbahn von der Platine gelöst hat, montiere ich den Transistor besonders sorgfältig. Seine vier Beine werden an den Enden zu vier Ösen gedreht, die werden über die Stümpfe gestülpt, und so wird der Transistor verlötet. Da soll der Sache extra Stabilität verleihen.
Dann kommt der grosse Moment: der Heimsender ertönt laut und deutlich, das Messinstrument schlägt aus. Die englischen Mittel- und Langwellen-Sender kommen kräftig herein. Einmal die Antennen ausgezogen, läuft auch UKW wirklich erstklassig. – Es ist dies der Moment, wo das Herz des Radioreparateurs singt!
Es wird gepützelt, gewaschen und gestriegelt. Was zusammengehört wird zusammengebaut. Fehlende Schrauben werden ersetzt. Die KW-Lupe wird gespritzt. – Dann lehnt der Fachmann sich zurück; er nimmt die Füsse hoch und legt sie dem Radio vor die Nase… ganz wie er es im Bond-Film gesehen hat…
Was kümmert es ihn, dass sein Gerät nicht der echte 22RL798 ist, sondern das Vorgänger-Modell? Mein Gerät sieht doch ganz gleich aus. – Ja, es ist eigentlich noch tausend Mal so schön. – Seht nur, wie gerade der Zeiger steht! – Fühlt nur die Leichtigkeit der Abstimmung! – Und hört nur, hört! Wie laut und stark und schön spielt mein Radio: auf Langwelle, auf Mittelwelle, auf allen Kurzwellen.
Ganz und gar perfekt wird es dann zum Schluss, bei formvollendeter Klassik auf UKW. Vollkommenes Wohlbefinden stellt sich bei mir ein, gewiss wie damals am ersten Tag mit dem neuen Radio, im fernen Jahre 1968!
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