AFC - Schaltung mit TBA120

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

AFC - Schaltung mit TBA120 
15.Dec.18 15:21
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Harald Giese (D)
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Harald Giese

Kürzlich bat mich ein Bekannter wegen folgenden Problems um Rat:

Bei seinem DUAL HiFi Tuner CT8 sprangen im UKW-Bereich bei Betätigen der AFC-Taste die Sender weg. Beim Betrachten der Schaltungsunterlagen war ich zunächst ratlos, da ich diese Variante der AFC-Steuerspannungserzeugung noch nie gesehen hatte. So habe ich diesen Fall zum Anlass genommen, mich etwas näher mit der Thematik zu befassen.

Hier zunächst die Schaltung des UKW-Oszillators im DUAL CT8: 


Die AFC - Steuerung des UKW-Oszillators erfolgt durch eine dem Oszilatorkreis (L104,C126, C127, C111) über die Koppelkondensatoren C109 (6,8pF) und C112 (1 nF) parallel liegende Varicap-Diode D101 BA152A.

Für diese Diode konnte ich nirgendwo zuverlässige Daten finden. Gemäß der VALVO "Äquivalenzliste für Halbleiterbauelement 1971" wurde dieser Diodentyp von Ditratherm hergestellt und entspricht grob der BA182:

Betrachtet man die in der VALVO Tabelle aufgeführten "Nachbartypen", also die Varicap-Dioden BA149 und BA150, so kommen einem Zweifel an der Korrektheit der Angaben für die BA152, bei der es sich ja eigentlich auch um eine Varicap-Diode ahnlich der BA149 handeln sollte. Im gegenwärtigen Zusamenhang ist das aber belanglos.

Die AFC-Steuerspannung wird von den rot eingekreisten Leitungen "A" und "F" kommend, über die Widerstände R105 und R106 von jeweils 100kΩ an die AFC Diode gelegt.

Nun kommt der spannende Teil. Wie wird die AFC-Steuerspannung erzeugt?:

 


Die ZF-Verstärkung erfolgte mit Hilfe eines in den siebziger Jahren häufig für diesen Zweck eingesetzten IC vom Typ TBA120, eines sechstufigen Begrenzer-Verstärkers mit 60dB maximaler Durchgangsverstärkung und symmetrischem Koinzidenzdemodulator. Der Typ TBA120A entspricht in seinem elektrischen Aufbau dem TBA120, hat aber anstatt einer DIL eine QIL - Pinanordnung also im zick-zack versetzte Pins.

Auszug aus "SIEMENS Datenbuch 1974/75 Band 2 / Lineare Schaltungen, p.32 ff."

Durch die versetzte Pinanordnung hatte man zwischen den einzelnen Lötaugen der gedruckten Schaltung etwas mehr Platz und konnte schlanke Massebahnen hindurchlegen Dadurch wurde die Gefahr der Stufenverkopplung  reduziert, die bei 60db Durchgangsverstärkung ein ernsthaftes Problem war.

Im Grunde genommen entspricht die von DUAL gewählte Beschaltung des TBA120 der im VALVO-Handbuch "Integrierte Linear-Schaltungen 1972" vorgeschlagenen, obwohl das wegen der etwas verwirrenden Darstellung in den DUAL Serviceunterlagen nicht sofort erkennbar ist::

Hier der Schaltungsvorschlag von VALVO:


Zum besseren Verständnis der DUAL-Schaltung habe ich den essentiellen Teil herausgezeichnet, aus dem die Unterschiede zwischen dem ursprünglichen VALVO -Schaltungsvorschlag und der DUAL-Erweiterung hervorgehen:


Wie man sieht, stehen an den IC-Anschlüssen 8 (NF-Ausgang) und 9 Gleichspannungspegel, wobei der Pegel an Pin 9 durch eine IC-interne Stabilisierschaltung konstant gehalten wird, der an Pin 8 aber mit der Abstimmung (mit dem Durchfahren der S.Kurve) variiert. Bildet man aus den entsprechend angepassten Spannungspegeln eine Differenzspannung, so kann man diese verwenden, um den UKW-Oszillator nachzustimmen.

 

Zum Spannungspegel U8 an Pin 8 findet man in den VALVO Unterlagen eine Angabe. Der typische Wert liegt bei 7,3V, kann aber infolge von Ferigungstoleranzen zwischen 6,1V und 8,6V streuen.

 

 

 

 

 

 

 

Für den Spannungspegel an Pin 9 gibt es in den Unterlagen keine direkte Angabe. Auch er dürfte durch Fertigungstoleranzen gestreut haben.

Schaut man in die interen Beschaltung des TBA120, so sieht man, wie der Gleichspannungspegel an Pin 9 zustande kommt. Pin 7 und Pin 9 werden im offenen Zustand über eine Diodenkette und die 2,4kΩ Basiswiderstände auf nahezu demselben konstantem Potential gehalten werden. Durch die äußere Beschaltung werden Pin 7 und Pin 9 über die Schwingkreisspule L305 verbunden und so auf exakt dasselbe Potential gezwungen.


Wie funktioniert nun der Abgleich und die AFC?

In der DUAL Serviceanleitung liest sich das etwas kryptisch folgendermaßen:

Da ich an dieser Stelle nicht mehr weiter wusste, habe ich unseren Kollegen Hans Knoll kontaktiert, dem als früheren GRUNDIG Entwicklungsingenieur die Thematik natürlich vetraut war. Allerdings liess er mich auch wissen, dass man damals auch bei GRUNDIG zunächst verwirrt war, als man die DUAL Schaltung erstmals unter die Augen bekam. 

Hier nun seine Erklärung der AFC-Schaltung:

AFC eingeschaltet:

Bei gedrückter AFC Taste sind die Schaltkontakte 2 und 3 miteinander verbunden. Der Schleifer des 47 kΩ Reglers ist über C338 (47nF) mit dem untern Ende von R324 (Leitung "F")  verbunden.

Die Spannung an Pin 9 wird mit Hilfe des Spannungsteilers

[R321 (120kΩ) +R341 (47kΩ Regler)] / [R323 (47kΩ)]

soweit heruntergeteilt, dass sie stets negativer ist, als die Spannung an Pin 8. Damit ist gewährleistet, dass die Spannung an R324 (270kΩ) und somit auch an der diesem Widerstand parallel liegenden AFC Diode stets so gerichtet ist, dass die Diode im Sperrrichtung betrieben wird.

 

Abgleich:

In dieser Situation wird die Spule des Demodulatorkreises L305 gemäß der DUAL-Abgleichvorschrift auf maximale NF-Ausgangsspannung an Pin 8 abgeglichen. Hier ein Auszug aus dem DUAL Servicemanual:

 

Nehmen wir nun an, dass sich nach erfolgtem Abgleich die Frequenz des UKW-Oszillators geringfügig verschiebt. Dies hat zur Folge, dass sich der Gleichspannungspegel an Pin 8 entsprechend der Demodulator- S - Kurve verschiebt, und zwar je nach Änderungsrichtung der Oszillatorfrequenz in Richtung höherer oder niedrigerer Gleichspannung. Dies würde zu einer entsprechenden Variation des Spannungsabfalls über R324 und damit über der AFC Diode führen, die die Verschiebung der Oszillatorfrequenz abfängt. Der AFC Regelkreis ist damit geschlossen.

 

AFC ausgeschaltet:

In dieser Situation steht man vor dem Problem, dass man die AFC nicht einfach dadurch abschalten kann, dass man die Verbindung zur Varicap-Diode D101 auftrennt und damit die automatische Nachregelung des Oszillators unterbindet. Dies würde zur hoffnungslosen Verstimmung des Oszillators führen. Im Gegenteil: Man muss dafür sorgen, dass die Varicap-Diode bei abgeschalteter AFC dieselbe Sperrspannung erhält wie bei korrektem Mittenabgleich und aktiver AFC; nur dass eben die Nachsteuerung durch die mit der Abstimmung gleitende Gleichspannung an Pin 8 unterbunden werden muss.

DUAL hat das im CT8 so gelöst, dass in Stellung "AFC Aus" die Kontakte 1 und 2 des AFC Schalters miteinander verbunden und dadurch der Schleifer des Reglers R341 mit dem unteren Ende von R324 und damit auch über die Verbindung "F" mit dem unteren Ende der Varicap - Diode verbunden ist.

Entsprechend der DUAL Abgleichvorschrift (s.o.) wird nun die Stellung des Reglers (und dadurch die Spannung über der Varicap-Diode) so lange variiert, bis am NF-Ausgang Pin 8 der gleiche Spanungspegel erreicht ist, wie bei eingeschalteter AFC. So ist garantiert, daß ein eingestellter Sender bei Drücken der AFC Taste  nicht "wegrutscht".


Nachdem nun klar ist, wie die AFC Regelung im DUAL CT8 funktioniert, obliegt es dem Besitzer des Gerätes, die entsprechenden Bauteile zu überprüfen und so den Grund für die weglaufende Abstimmung zu finden.



Da zum gleichen Themenkreis gehörig, möchte ich hier noch eine ganz ähnliche Schaltung aus der Broschüre "Siemens Halbleiter-Schaltbeispiele, Integrierte Schaltungen, 1970, pp. 50 -53" zeigen. Bis auf kleinere Unterschiede entspricht die Schaltung der von DUAL verwendeten. Als Varicap-Diode für die AFC Nachstimmung des Oszillatorkreises dient hier eine BA138 ( ≈ BA150).

 

 




Natürlich gab es in den siebziger Jahren noch andere Integrierte Schaltungen, mit denen der Aufbau eines FM-ZF-Teils mit AFC - Erzeugung elegant lösbar war: 

Dazu zählen in erster Linie die ICs TAA920, bei dem allerdings eine aufwendigere  äußere Beschaltung notwendig war und insbesondere der CA3089 (µA3089), der sehr viel mehr Elektronik enthielt als der TBA120 - u.a. auch einen Ausgang mit der fertig aufbereiteten AFC-Steuerspannung - und daher viel kostspieliger war als der TBA120. Da die  Kalkulation auch damals schon den Entwicklern "im Nacken saß" zog man häufig vor, kostengünstigere ICs in Verbindung mit "Kunstschaltungen " einzusetzen. 

Leser deren Interesse an weiteren FM-Demodulationsschaltungen  geweckt wurde, seien auf folgende Artikel hingewiesen:

Dietmar Rudolph: "FM-Demoduatoren"

und

Dietmar Rudolph und Jochen Bauer:"FM-Demodulation - weniger bekannte Verfahren"

 

Mein Dank geht an Hans Knoll, der es geschafft hat, mir die Funktion der AFC-Regelung bei Einsatz eines TBA120 klar zu machen und an Dietmar Rudolph für die Hinweise auf Integrierte Schaltungen und einschlägige Veröffentlichungen zum Thema FM-Demodulation.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.