Alte Technik neu erlebt
Alte Technik neu erlebt
Vor längerer Zeit wurde mir ein Selbstbaugerät (Zweikreiser für MW in Truhenbauform) angeboten. Weil der Zustand noch ganz passabel war und es ein schönes Beispiel für den Selbstbau Ende der zwanziger Jahre ist, habe ich das Gerät im Tausch gegen einige modernere Radios erworben.
Das Gerät wies geringen Holzwurmbefall der Bodenplatte auf, die linke Skala war im unteren Bereich zertrümmert (die Bruchstücke aber noch fast alle vorhanden), die Verdrahtung war teilweise stark korrodiert (Lötfetteinsatz ?), der NF-Übertrager später schon einmal ausgewechselt und es war natürlich verdreckt. Das Gehäuse selbst ist vermutlich ein fertig bezogenes Teil, während die Montageplatte und die Frontplatte an den Schnittkanten nicht unbedingt von den handwerklichen Fertigkeiten des Erbauers zeugen.
Nach einer groben Reinigung bot sich im Inneren folgendes Bild:
Vor einem Probebetrieb erfolgte eine Schaltungsaufnahme. Prinzipiell war es die Schaltung eines Zweikreisers, die eigentlich funktionieren sollte. Lediglich die ca. 40 cm langen Verbindungsleitungen zwischen Audionkreis und Röhre ließen Zweifel aufkommen, ob so etwas stabil funktioniert. Hier die Schaltung:
Es ließen sich zwei oder drei Sender empfangen. Für mangelnde Empfangsqualität und Instabilitäten waren sicherlich das Alter und die oxidierten Schraubverbindungen verantwortlich. Eine Restaurierung schien also erfolgversprechend. Eine komplette Neuverdrahtung wurde beschlossen.
Das Gerät wurde komplett zerlegt und alle Bauteile im Ultraschallbad gereinigt. Die zersplitterte Skala konnte mit Sekundenkleber, Zweikomponentenkleber als Füller und viel Geduld wieder funktionsfähig gemacht werden. Bei der Montageplatte wurde die schlechte Verarbeitung etwas abgemildert und überzählige Bohrlöcher verschlossen. Nach dem Abschleifen folgte Beizen und leichte Behandlung mit Schellackpolitur. Der Verlauf der Verdrahtung wurde im Wesentlichen beibehalten, da sie ganz gut durchdacht war. Lediglich an einigen Stellen wurde noch etwas optimiert. Das Ergebnis präsentiert sich jetzt so:
Der erste Probebetrieb brachte sehr lautstarken etwas verzerrten aber stark brummenden Empfang. Mit etwas Geschick beim Einstellen der Heizspannungssteller und der Rückkopplung konnte der Empfang verbessert werden, aber es blieb das starke Hintergrundbrummen. Das Brummen entstand im Audion. Kein Wunder bei einem hochohmigen Gitter und 40 cm langen Verbindungsleitungen, die als Antenne für Nutz- und Störsignal wirken. Radio Bremen konnte sogar in der Kellerwerkstatt ohne Antenne und Erde empfangen werden. Die Empfindlichkeit der Schaltung war rein subjektiv hervorragend.
Da dies kein industriell gefertigtes Gerät ist, was nur wieder in den Originalzustand versetzt werden soll, sondern ein Selbstbaugerät, habe ich mir erlaubt, über gewisse Verbesserungen nachzudenken. Der Erbauer hatte sich sicherlich seine Gedanken gemacht und wahrscheinlich auch eine Vorlage benutzt. Er konnte aber auch experimentiert oder Fehler gemacht haben. Außerdem waren die Empfangsbedingungen Ende der zwanziger Jahre ganz andere als heute.
Zunächst musste das störende Brummen beseitigt werden. Es war klar, dass ein empfindliches Audion bei diesen Leitungslängen nicht stabil arbeiten wird. Als Alternative zum Audion bietet sich der Anodengleichrichter an, der aber eine negative Gittervorspannung benötigt. Durch die HF-Stufe sollte die Signalstärke ausreichen. Aber die zusätzliche Verdrahtung einer zweiten negativen Spannung war nachträglich auch schwierig.
Da es sich hier um ein direktgeheiztes Batteriegerät handelt, fiel mir die Sache mit der halben Fadenspannung als Gittervorspannung ein. Das wird u.a. hier behandelt. Es musste lediglich der Gitterkreis an das negative Heizfadenende der Audionröhre gelegt werden (Pluspol der Heizspannung liegt auf Minuspol der Anodenspannung). So ist auch der Gitterkreis der NF-Vorstufe angeschlossen, ob bewusst oder durch Zufall geschehen weiss nur der Erbauer. Der Gitterwiderstand des Audions musste nur noch durch eine Drahtbrücke ersetzt werden. Das war leicht zu machen, da die Gitterkombination aus einem Widerstandshalter mit Festkondensator besteht. Die Änderungen sind im folgenden Schaltbild durch die roten Pfeile gekennzeichnet:
Der nächste Empfangsversuch war überwältigend: So gut wie kein Brummen mehr, keine nennenswerte Verzerrungen und weicher Rückkopplungseinsatz. Es wurde beschlossen, keine weiteren Änderungen vorzunehmen, obwohl es noch einiges zur Schaltung anzumerken gibt.
Da ist z.B. eine geringe Handkapazität des Audionkreises. Bei dieser Schaltung des Schwingkreises ist das konstruktionsbedingt. Vorkreis- und Audionspule sind nämlich identisch, lediglich beim Audion ist eine zusätzliche Anzapfung für die Rückkopplung angebracht. Um nun den gleichen Frequenzbereich bei beiden Kreisen zu bestreichen, liegt auch der Drehkondensator des Audionkreises parallel zu den gesammten Windungen, aber der Rotor eben auf Potenzial des Rückkopplungsdrehkos.
Ein weiterer Punkt ist der gemeinsame Heizspannungssteller für HF-Stufe ,Audion und NF-Vorstufe. Natürlich wird damit gleichzeitig bei den drei Röhren die Heizspannung und damit die Emission reduziert, aber auch der Punkt des Rückkopplungseinsatzes verschiebt sich. Da der Erdpunkt des Gitterkreises der HF-Stufe vor dem Einsteller angeschlossen ist, wirkt hier der Spannungsfall am Einsteller als zusätzliche negative Gittervorspannung. Zur Lautstärkereduzierung ist das sicherlich erwünscht. Die Heizspannung muss dann zum Erreichen einer bestimmten Lautstärke nicht so stark gedrosselt werden. Ob diese Kombination aus gemeinsamer Heizspannungsabsenkung und zusätzlicher Anhebung der negativen Gittervorspannung für die HF-Stufe das Optimum für diese Anordnung ist, oder ob es nur ein Kompromiss bezüglich Bauteilaufwand ist wurde nicht untersucht. Jedenfalls scheinen damals zwei Heizspannungssteller für Geräte dieser Größe auch industriell üblich gewesen zu sein.
Die Empfangsergebnisse sind z.Zt. (Winter) in den frühen Abendstunden erstaunlich. Empfangen wird mit der Antennenanordnung, die ich hier (Post 13) beschrieben habe. Bei geschickter Bedienung ist fast ganz Europa zu hören. Die Trennschärfe ist auch erstaunlich. Um einen Sender zu finden, müssen Vorkreis und Audionkreis schon recht genau gleichzeitig abgestimmt werden.
Beim Gehäuse mussten nach der Wurmbehandlung nur die wenigen Wurmlöcher geschlossen und die Lackierung aufpoliert werden. Zum Abschluss noch eine Gesamtansicht des fertigen Gerätes:
HDH
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.