Anmerkungen zu den Schaltungen der ersten Transistorradios
Anmerkungen zu den Schaltungen der ersten Transistorradios
This is the original article (in German) to:
Comments on the Circuits of the first Transistor Radios
Translated from: Gebert W Anmerkungen zu den Schaltungen der ersten Transistorradios Funkgeschichte 115 (1997) 241-44 by W Gebert and M Burgess"
Anmerkungen zu den Schaltungen der ersten Transistorradios
Wolfgang Gebert, Berlin
Telefunken TR-1 und Regency TR-1
Zum Artikel „Telefunken-Taschenradios 1955- 1960" in der Funkgeschichte Nr. 113 [1] möchte ich noch folgendes ergänzen:
Am 18. Oktober des Jahres 1954 kam in den USA der „Regency TR-1", eine Entwicklung der Firma Texas Instruments auf den Markt. Es war der erste serienmäßig gebaute Transistorempfänger der Welt und kam früher als die Fachwelt erwartete. Es war eine echte Weltsensation [2].
Die Schaltungstechnik des Regency zeigt einige Besonderheiten. Die Schaltung der selbstschwingenden Mischstufe, die Basisvorspannungserzeugung der zweiten ZF-Stufe aus der NF-Endstufe, die unübliche ZF von 262 kHz und die Betriebsspannung von 22,5 V sind dabei charakteristisch für das Gerät. Andere Versuchsschaltungen jener Zeit, wie auch die folgenden Transistorempfänger des Jahres 1955, weichen
schaltungstechnisch deutlich ab.
Vergleicht man die Schaltung des „Telefunken TR-1" mit der des „Regency TR-1", so ist eine große Ähnlichkeit augenscheinlich (Bild 1). Nach den ersten grundlegenden Arbeiten im Halbleiterwerk Ulm wurde man im Gerätewerk Hannover offensichtlich erst nach Erscheinen des Regency-Empfängers aktiv. Dabei könnte man sich folgendes vorstellen (leider ist aber niemand bekannt, der dazu etwas sagen könnte):
Man paßte die Schaltung des Regency den eigenen zur Verfügung stehenden Transistoren an. Da diese vom pnp-Typ sind, mußte natürlich die Betriebsspannung umgepolt werden. Da sie zudem schlechtere HF-Eigenschaften hatten, wurde die ZF-Stufenzahl auf drei erhöht und die selbstschwingende Mischstufe durch getrennte Misch- und Oszillatorstufe ersetzt. Der Mischtransistor konnte nur so hinreichend rauscharm betrieben werden. Die Zwischenfrequenz wurde praktisch beibehalten. Die RC-Bauteile zur Neutralisation der ZF-Stufen mußten natürlich geändert werden. Im übrigen benutzte man gleiche Bauteilewerte, wo es nur möglich war (Es gab allerdings auch kaum große Alternativen). Als Lautsprecher diente ein ähnliches Jensen-Modell wie im Regency.
Die Behauptung, die Entwicklung und gar die Herstellung des Telefunken TR-1 habe schon im Sommer 1954 stattgefunden [3], ist wohl mit einem Fragezeichen zu versehen.
Ob auf der Hannovermesse im März 1955 schon ein Taschensuper hinter vorgehaltener Hand zu sehen war, ist noch zu klären [4].
Ein Regency TR-1 - mit Intermetall-Transistoren - wird dann allerdings auf der Düsseldorfer Funkausstellung 1955 von Intermetall vorgestellt
Bild 1: Schaltung des „Telefunken TR-1" vom August 55 (oben) im Vergleich zum „Regency TR-1" vom November 54 (unten). Die Übereinstimmungen sind augenscheinlich. (zum Vergrößern bitte auf Bild klicken)
RCA-Schaltungsvorschlag und Sony TR-55
Anfang der fünfziger Jahre kam der Wunsch nach Transistorradios nicht von den Rundfunkgeräteherstellem. Es waren die Halbleiterhersteller, die die Brauchbarkeit ihrer Transistoren demonstrieren und die Einsatzbreite der Transistoren verbessern wollten. Vor allem die Radio Corporation of America (wie Telefunken zugleich Halbleiterhersteller und Rundfunkgerätehersteller) hat hier enorme Forschungsarbeit geleistet. RCA zeigte, neben zehn weiteren Versuchsgeräten, schon im November 1952 (!) ein erstes kleines Versuchs-Transistorkofferradio, im Sommer 1953 ein weiteres und spätestens im Januar 1954 ein drittes Versuchsgerät. Schon im Taschenformat. Die Schaltbilder der letzteren zwei Geräte wurden auch veröffentlicht. Ein Schaltungsvergleich des dritten RCA-Gerätes mit dem Sony TR-55 vom August 1955 zeigt hier die RCA als Lehrmeister für HF- u. ZF-Stufen. Durch eine geänderte Regelschaltung hatte man aber die aktive Gleichrichterstufe durch eine Germaniumdiode ersetzen können. Die veränderte Anordnung des Oszillator-, des ersten ZF- u. des Eingangskreises ergibt sich allein dadurch, daß das Gehäuse des Drehkondensators (die Rotoren) auf Masse gelegt wurde (Bild 2).
Bild 2: Schaltung des dritten RCA-Mustergerätes von Anfang 54 (unten) im Vergleich zum Sony TR-55 vom August 55 (oben) (zum Vergrößern bitte auf Bild klicken)
Für weitere Hinweise zum Themenkreis „TR-1" wäre ich sehr dankbar.
Literaturverzeichnis
[1] Bogner, G.: Telefunken-Taschenradios
1955-1960. Funkgeschichte No. 113 (1997), S. 112-125
[2] Wolff, M. F.: The secret six-month
project. IEEE Spectrum, Dezember 1985
[3] o.A.: Transistor Vollsuper. Funk-Technik H. 5, 1956, S. 124
[4] o.A.: radio mentor H. 6, 1955, S. 299: Leitartikel „Etwas für Europa wirklich Neues lag in Hannover in der Luft, wenn es auch noch nicht gezeigt wurde: Transistor-Taschengeräte und Transistor-Autosuper." (radio mentor meint natürlich, daß diese Geräte inoffiziell zu sehen waren!)
[5] Dr. Rost: Kristalloden-Technik. 2. Aufl., S. 417ff.: Voll-Transistor- Mittelwellen-Super. Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn, Berlin
[6] o.A.: Bericht über die Funkausstellung Düsseldorf, radio mentor H. 10, 1955, S. 645ff
Dieser Artikel ist erschienen in der Funkgeschichte No.115 (1997) S.241-244
Literaturverzeichnis-Erweiterung
Funkschau 5 /1956 p.174-175 Schlegel, H.: Der Transistor-Taschen-Super Telefunken TR1 (Schaltungsbeschreibung aus dem Jahre 1956 zum Telefunken TR-1)
Proceedings of the IRE 8 /1955, p.662ff Holmes, Stanley, Freedman: A Developmental Pocket-Size Broadcast Receiver Employing Transistors (Schaltung des "dritten Versuchsgerätes" RCA)
Electronics 7 /1956 p.120-124 n.n.: Transistor Circuitry in Japan (Schaltbild Sony TR-55)
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.