Der Autor dieses Artikels scheint Mitarbeiter von Telefunken (gewesen) zu sein. Er gibt sich sehr kompetent und sehr überzeugt von einer Sache, die wenige Zeit später heimlich und schamhaft wieder eingestampft wurde.
Von
Rudolf Urtel
Der „Funk-Bastler" hat bereits in Heft 29, Seite 481, über die zur Funkausstellung auf dem Markt erscheinenden Telefunkenstäbe berichtet und mitgeteilt, dass es sich um Röhren handelt, die sich in ihrer Wirkungsweise in vielen Punkten von der der bekannten Röhren prinzipiell unterscheiden. Die nachfolgenden Zeilen versuchen, einen Überblick über die wichtigsten Erscheinungen, an Außensteuerröhren zu geben, ohne dass sie Anspruch auf Vollständigkeit machen, können. Das wird verständlich, wenn man berücksichtigt, dass bei den neuen Röhren zahlreiche, bisher in der Röhrentechnik nichtbenutzte Vorgänge herangezogen worden sind, von denen wir hier wohl qualitative, nicht aber quantitative Zusammenhänge behandeln können. Es bleibt natürlich die Möglichkeit, dass die Vorstellungen, die man sich heute von der Wirkungsweise der Außensteuerröhren macht, in diesem oder jenem Punkt eine Korrektur erfahren.
Historisches
Das Prinzip, eine Elektronenentladung durch statische Beeinflussung von außen zu steuern, ist nicht neu, im Gegenteil ist dies einer der ältesten Vorschläge zur Steuerung einer Röhre überhaupt (de Forest, 1906). Systematisch hat man sich mit der Außensteuerröhre (wobei wir hier immer nur von statischen Steuerungen sprechen) erst erheblich späterbeschäftigt, insbesondere liegt eine Reihe von amerikanischen Patenten, beginnend mit dem Jahre 1914, vor, die zum großen Teil auf Weagant zurückgehen. Aus dem Jahre 1915 ist das engl. Patent von Round zu erwähnen. Um das Jahr 1920 wird es dann sehr still in der Patentliteratur. Tatsächlich haben sich Außensteuerröhren damals nicht einführen können. Mit ziemlich großer Bestimmtheit kann man sagen, dass die älteren Versuche an der Formgebung scheiterten.
Die Formgebung
Die normale Anordnung einer Weagant-Röhre zeigt Abb. 1. Die Steuerelektrode G umgibt zylindrisch in verhältnismäßig großem Abstand die Entladungsbahn, Man erkennt leicht, dass eine derartige Anordnung große Durchgriffe ergeben muss. Tatsächlich ist es nach sicheren Informationen nicht geglückt, mit derartigen Röhren Durchgriffe unter etwa 30 v. H. zu erzielen. Dass gleichzeitig die Steilheit sehr zu wünschen übriglassen muss, erkennt man, wenn man daran denkt, dass diese in hohem Maße davon abhängt, wie eng das Gitter die Kathode und damit das Raumladungsgebiet umgibt.
Vergleicht man mit der Weagant-Anordnung die des Arcotrons (Abb. 2), so fällt sofort auf, dass hier die Steuerelektrode die Kathode eng (fast allseitig) umgibt. Wie stark der Einfluss der hierdurch bedingten flachen Form ist, geht daraus hervor, dass die Durchgriffe der modernen Außensteuerröhren 3 bis 4 v. H, betragen. (Die Telefunkenstäbe sind ausschließlich für Widerstandsverstärkerstufen dimensioniert.) Dadurch, dass die Steuerelektrode den Faden auf seiner ganzen Länge umfasst, sind die erforderlichen Steilheiten sichergestellt.
Auf eine kurze Formel gebracht: Bei einer normalen Röhre sind die Daten vom Systemaufbau, nicht aber vom Kolben abhängig. Bei den Außensteuerröhren sind die Datendurch die Formgebung des Kolbens in seiner Eigenschaft als Träger der Steuerelektrode wesentlich bestimmt.
Dass darüber hinaus die flache Form eine Annehmlichkeit für den Apparatebau bedeutet, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Ihre volle Ausnutzung ist jedoch erst dadurch möglich gemacht, dass die Telefunkenstäbe einen neuen Sockel bekommen haben, dessen Anordnung Abb. 3 a, dessen Schaltung Abb. 3 b zeigt. Durch Verwendung von nur drei Steckern und Anschluss der Anode an den Mittelsteckern wurde eine unverwechselbare Anordnung überflüssig. Der Anschluss des Steuerbelags erfolgt durch eine Kontaktfeder an der metallischen Einlassung des Sockels.
Statische Kennlinien
Versucht man, an einer Außensteuerröhre eine statische Messung zu machen, so stößt man auf die Tatsache, dass die Röhren auf Gleichspannungen praktisch nicht reagieren. Dies hat seinen Grund darin, dass z, B, bei Anlegen irgendeiner positiven Spannung an den Steuerbelag die Innenseite der Glaswand sich mit Elektronen auflädt. Äußere und innere Spannung stellen sich automatisch gleich groß mit umgekehrtem Vorzeichen ein, so dass sie sich in ihrer Wirkung auf die von der Kathode ausgehenden Elektronen gegenseitig aufheben.
Es ist zweckmäßig, sich schon bei dieser Gelegenheit darüber klar zu werden, das als steuernde Spannung immer nur die resultierende Spannung aus der Spannung des Steuerbelages und der Spannung der Ladung der Wand (im folgenden nur noch mit Wandladung bezeichnet) wirksam werden kann.
Bei negativen Spannungen des Steuerbelages sollte im Prinzip eine Aufnahme der statischen Kennlinie einer Hochvakuum-Außensteuerröhre (Arcotron 201) möglich sein. Wenn man jedoch bedenkt, dass es ein absolutes Vakuum nicht gibt und dass selbst in der best evakuierten Röhre noch positive Ionen anwesend sind, so erklärt es sich, dass man auch im Bereich negativer Spannungen des Steuerbelages nicht viel mit statischen Messungen anfangen kann, da dieIonen als Wandladung zum mindesten einen Teil der angelegten negativen Spannung kompensieren. Man wird also z, B. im günstigen Falle eine Kennlinie messen, wie sie in Abb. 4 durch a dargestellt wird, während die tatsächliche Kennlinie (die man auf dem Umwege über dynamische Verfahren ermitteln kann) etwa die durch b dargestellte ist. Ist die Vorspannung erst so groß, dass kein Anodenstrom mehr fließt, so findet in der Röhre auch keine Ionisation mehr statt. Geht man mit der Vorspannung wieder zurück, so beginnt daher ein Anodenstrom erst bei der tatsächlichen Kennlinie entsprechenden Vorspannung zu fließen. Diese Erscheinung ist natürlich an Rohren mit weniger gutem Vakuum nicht zu beobachten, geschweige denn bei einer gasgefüllten (Arcotron 301). Hier werden negative Vorspannungen durch lonenwandladung kompensiert, so dass die Messung eine Horizontale (Abb. 4 c) ergibt. Diese Tatsache wird uns später noch beschäftigen,
Wirkungsweise der Hochvakuum-Außensteuerröhre
Die Hochvakuum-Außensteuerröhre Arcotron 201 ist für die Niederfrequenzverstärkerstufe bestimmt. Legt man eine niederfrequente Wechselspannung an (Abb. 5 a, I), so wird sich die Innenwand während der ersten positiven Viertelperiode b—c negativ aufladen (II), so dass keine Steuerwirkung zustande kommt (III). Zwischen c und d nimmt nun die positive Spannung des Steuerbelages wieder ab (I), die negative Ladung der Wand bleibt wegen der guten Isolation praktisch unverändert (II), so dass die resultierende steuernde Spannung negativ wird. Im Punkte d wird die steuernde Spannung gleich der negativen Wandladung, die jetzt gewissermaßen. die Gittervorspannung darstellt. Das Abfließen der Ladung erfolgt hinreichend langsam, um keine Verzerrung der Niederfrequenz hervorzurufen.
Aus Abb. 5 a geht hervor, dass sich die Vorspannung immer so groß wie der Scheitelwert der Amplitude der niederfrequenten Wechselspannung einstellt. Treffen nun sehr starke Störamplituden auf den Steuerbelag, so kann die Vorspannung so groß werden, dass sie kurzzeitig die Röhre sperrt, so lange, bis der Überschuss an Ladung über die Isolation abgeflossen ist. Im allgemeinen ist dies innerhalb 1/2 Sek. der Fall. Durch besondere Schaltungsmaßnahmen kann eine künstliche Herabsetzung der Sperrzeiten bewirkt werden, jedoch ist dies im allgemeinen nicht erforderlich.
Wirkungsweise der gasgefüllten Außensteuerröhre bei Niederfrequenz
Legt man an die Steuerelektrode des gasgefüllten Arcotrons 301 eine niederfrequente Wechselspannung (Abb. 5 b, I), so verursacht ebenso wie bei der Hochvakuum- röhre die erste positive Viertelperiode b — c eine negative Wandladung (II), so dass die resultierende Spannung (III) Null bleibt. Zwischen c und d nimmt die Spannung der Steuerelektrode ab (I). Dadurch würde ein Überschuss negativer Wandladung frei werden, der zur Aufnahme positiver Ionen führt. Die negative Wandladung nimmt also ab (II), so dass bei d die an- gelegte Spannung und die Spannung der Wandladung beide Null werden, entsprechend auch die resultierende Spannung (III). Wird nun (d — e) die Spannung der Steuerelektrode (I) negativ, so wird die Wandladung positiv (II). Wieder wird die steuernde Spannung (III) zu Null. Dieses Wechselspiel zwischen Elektronen- und lonenwandladung setzt sich dauernd fort, immer wird die Spannung des Steuerbelages durch die Spannung der Wandladung zu Null kompensiert, so dass beim Anlegen niederfrequenter Wechselspannungen an die Steuerelektrode keine Beeinflussung des Anodenstromes stattfindet, Arcotron 301 ist also gegen niederfrequente Wechselspannungen unempfindlich.
Je höher nun die Frequenz wird, desto stärker macht sich der Trägheitsunterschied zwischen Ionen und Elektronen bemerkbar. Bei schnellen Frequenzen können die Ionen nicht folgen, so dass in den positiven Halbwellen keine oder nur eine unvollständige Kompensation durch Wandladung erfolgt. Die sich so ergebende Abhängigkeit der niederfrequenten Ausgangsspannung von der Frequenz bei konstantgehaltener niederfrequenter Eingangsspannung (l Volt) zeigt Abb. 6 a, aus der hervorgeht, dass bei den technischen Frequenzen (50—100 Perioden) eine Schwächung etwa im Verhältnis 1 : 100 auftritt, d. h, bei 1 Volt Wechselspannung am Gitter an der Anode nur eine Wechselspannung von etwa 0,01 Volt auftritt. Das Arcotron 301 beginnt überhaupt erst bei Frequenzen über 10 000 Perioden zu verstärken.
Diese überaus wichtige Erscheinung machte es nun möglich, auch für die Audionstufe direkte Wechselstromheizung zu verwenden. Bei den bisherigen direkt geheizten Wechselstromröhren beeinflusste die vom Faden herrührende, am Gitter auftretende Wechselspannung den Demodulationsvorgang so, dass Sprache und Musik in unerträglich störender Weise durch die 50 bzw. 100 Perioden moduliert waren. Abhilfe war nur durch die Verwendung indirekt geheizter Kathoden möglich.
Gerade auf dem Gebiet der Wechselstromheizung bringt die Außensteuerung in Verbindung mit der Gasfüllung der Audionstufe also wesentliche Vereinfachungen mit sich, so dass Telefunken die Arcotrons speziell für diesen Verwendungszweck ausgebildet hat. Die Telefunkenstäbe sind
direkt geheizte Wechselstromröhren mit der für diese Gattung üblichen Fadenspannung von 1 Volt. Da der Heizstrom nur etwa 0,25 Amp. beträgt, tritt eine nicht unerhebliche Erniedrigung der Heizleistung ein.
Wirkungsweise der gasgefüllten Außensteuerröhre
bei modulierter Hochfrequenz
Bestände die soeben behandelte Frequenzabhängigkeit auch beim Demodulationsvorgang, so wäre die Röhre unbrauchbar. Bei der Demodulation modulierter Hochfrequenz ist jedoch der Vorgang erheblich andersartig (Abb. 5 c). Ist die Trägerwelle unmoduliert (I a—b), so entsteht eine negative Wandlung (II), deren Spannung der positiven Spitzenspannung der Hochfrequenz entspricht. Wächst die Hochfrequenzspannung (I b—c), so wächst auch die Spannung der Wandladung (II). Fällt nun infolge der Modulation die hochfrequente Eingangsspannung (I c—d), so würde ein Überschuss negativer Wandladung sich ergeben. Dieser wird durch Aufnahme von Ionen kompensiert (II c—d) usw. Man erkennt aus Abb. 5 c II, dass die mittlere resultierende Spannung ein getreues Abbild der Modulation darstellt. Diese Spannung steuert die Röhre, so dass der gesamte Demodulationsvorgang sich ganz ähnlich wie beim normalen Audion verhält. Aus Gründen, deren Behandlung uns hier zu weit führen würde, ist dabei eine schwache Bevorzugung der tiefen Modulationsfrequenzen zu erwarten. Die Messung zeigt tatsächlich, wenn auch in geringem Ausmaß, den erwarteten Effekt. Abb. 6 b zeigt die Abhängigkeit der niederfrequenten Ausgangsspannung von der Modulationsfrequenz, wobei die hochfrequente Eingangsspannung (0,165 Volt) und der Modulationsgrad (80 v. H.) konstantgehalten wurden.
Schaltungstechnisches
Da, wie besprochen, die Größe der positiven Vorspannung des Steuerbelages auf die Arbeitsweise der Röhre keinen oder geringen Einfluss hat, kann man die Anodenwechsel- und Anodengleichspannung unmittelbar auf die Steuerelektrode der nächstfolgenden Röhre legen. Gitterkondensator und Gitterableitungswiderstand der zweiten Stufe können also in Fortfall kommen. Das gleiche gilt für Gitterkondensator und Gitterwiderstand der Audionstufe. Hierin liegt eine starke Vereinfachung des Empfängeraufbaues (Abb. 7), wobei auch der Fortfall einer Gittervorspannung für die zweite Stufe zu beachten ist.
Abb. 8 zeigt ein Schaltungsbeispiel eines vollständigen Dreiröhren-Netzempfängers, aus dem hervorgeht, dass die Schaltung im übrigen der eines normalen Dreiröhren-Empfängers entspricht. Zu bemerken ist, dass es sich empfiehlt, die Rückkopplungsspule etwas reichlicher zu dimensionieren als bei den normalen Röhren.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.