Das Nestel-Audion (Audion mit Diode)
Das Nestel-Audion (Audion mit Diode)
Nestel hat 1935 ein verbessertes Audion vorgeschlagen, bei dem eine (extra) Diode die Demodulation bewirkt und eine Triode bzw.Tetrode/Pentode die NF und die HF Spannung verstärkt, wobei letztere der Rückkopplungsspule zugeführt wird. [Nestel, W.: Rückkopplungsaudion mit verringertem Klirrfaktor. ETZ 1935, p. 1021] s. auch: AM-Demodulation Teil 3 und A simple one Valve regenerative Receiver.
Der Vorteil des "Nestel-Audions" besteht darin, daß für die verstärkende Triode bzw. Tetrode/Pentode ein Arbeitspunkt mit höherer Anodenspannung gewählt werden kann, als dies bei "normalen" Audions möglich ist. Auch ergibt sich für die Demodulation ein geringerer Klirrfaktor. [Es ist zu vermuten, aber noch nicht belegt, daß der Rückkopplungseinsatz "weich" ist.] => Siehe Post #3
In "Günther, H.; Richter, H.: Schule des Funktechnikers, Bd. 1, Frankh, 1939" findet sich eine Beschreibung, allerdings wird Nestel hier nicht erwähnt. Man spricht nur von "neuzeitlicher Ausführung [des Audions] mit Diodengleichrichtung".
Abb. 141 zeigt das Schaltbild eines „Vierröhren-Zweikreisers“ der an erster Stelle genannten Ausführung, die jedoch langsam verschwindet. Man macht hier – abgesehen von der Hochfrequenzstufe – stets von Dreipolröhren und der Widerstandsverstärkung Gebrauch, weil dann der Klirrfaktor entsprechend klein ist, während die Steuerspannung auf jeden Fall genügt. Alle Schalteinzelheiten der Anordnung sind uns bereits bekannt, so daß wir darüber nicht weiter zu sprechen brauchen.
Die an zweiter Stelle erwähnte Ausführungsform des „Zweikreis-Vierers“ findet sich fast in allen neuzeitlichen Geräten. Sie soll daher ausführlich besprochen werden. Abb. 142 zeigt das Schaltbild. Wir sehen wieder eine normale Schirmgitter-Hochfrequenzstufe, die induktiv auf den zweiten Kreis gekoppelt ist. Die dort auftretende Hochfrequenzspannung wird über einen Block C der gleichrichtenden Zweipolröhre zugeführt. An R entsteht dann das schon mehrfach erwähnte Spannungs-Gemisch (Hochfrequenz + Niederfrequenz + Gleichspannung). Im Gegensatz zu den bisher besprochenen Schaltungen wird hier nun die Hochfrequenz nicht abgesperrt, sondern gemeinsam mit der Niederfrequenz über den Kondensator C1 an das Gitter der folgenden Röhre geführt.Die Kapazität C1 muß natürlich einen beträchtlich höheren Wert als C aufweisen, da sie auch die Niederfrequenz zu übertragen hat.
In der dritten Röhre erfolgt getrennt die Verstärkung der Hoch- und der Niederfrequenzkomponente. Erst im Anodenkreis dieser Röhre wird die Hochfrequenz durch die Drossel ausgesiebt, während die Niederfrequenz über eine Widerstandskopplung in normaler Weise zur weiteren Verarbeitung dem Gitter der Endröhre zugeführt wird.
Von der Anode der dritten Röhre kann dann die verstärkte Rückkopplungsspannung abgezweigt werden, die über die uns bereits bekannte Anordnung eines veränderlichen Kondensators und eine Spule auf den zweiten Schwingkreis einwirkt.
Die Bezeichnung "Vierröhrengerät" ist für diesen Empfänger eigentlich nicht richtig, weil man die kleine Zweipolröhre gewöhnlich nicht mit zählt. In diesem Fall spricht man von einem „Dreier mit Diodengleichrichtung“. Wir benützen trotzdem die andere Bezeichnung, weil sie die tatsächlichen Verhältnisse besser trifft.
Vor einigen Jahren wurde eine Röhre herausgebracht, die in einem einzigen Glaskolben sowohl das Diodensystem als auch die dritte Röhre enthält. Diese Röhrenform heißt "Binode", und zwar unterscheidet man zwei Typen, die „Triode-Binode“ oder „Zweipol-Dreipolröhre“ (REN924) und die „Schirmgitter-Binode“ oder „Zweipol-Vierpolröhre“ (RENS1254), je nachdem, ob das Verstärkersystem eine Drei- oder eine Vierpolröhre darstellt. Die Kathode ist beiden Systemen gemeinsam. Wie sich die Schaltung eines modernen Vierröhren-Zweikreisers durch Verwendung dieser Röhre ändert, zeigt Abb. 144.
Die Hochfrequenzstufe und die Endröhre sind darin der besseren Übersicht halber fortgelassen. Es ist von dem zusätzlichen Schirmgitter abgesehen – genau dieselbe Anordnung wie in Abb. 142; nur befinden sich die Elektrodensysteme der 3. und der 4. Röhre in einem gemeinsamen Glaskolben. In diesem Fall kann man natürlich nicht mehr von einem Vierröhrengerät sprechen; vielmehr haben wir dann gewissermaßen einen „Zweikreis-Dreier“ mit verbesserter Gleichrichtung vor uns.
Die Binode hat sich jedoch in der Praxis nicht lange halten können, weil sich gewisse störende Beeinflussungen der Systeme untereinander nicht beseitigen ließen. Inzwischen ist man deshalb wieder dazu übergegangen, die beiden Systeme in getrennten Kolben unterzubringen.
Ein weiters Beispiel findet sich in der Zeitschrift "Funk, 1938, S.593", wo ein "Allwellen-Vorsatzgerät" mit der ABC1 beschrieben wird.
Die im Text aufgestellte Behauptung, daß sich die Schaltung nach Nestel "in fast allen neuzeitlichen Geräten findet", erscheint etwas zu optimistisch. (?) Aufgefallen ist mir bislang nur der Lorenz 100W.
Kennt jemand weitere Industriegeräte mit Nestel-Audion?
MfG DR
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Gerät mit Nestel-Audion
Die erweiterte Suche nach Geradeausempfängern mit AB2 erbrachte (nur) ein weiteres Gerät mit Nestel-Audion:
Tefag Tefadyn 100W
Wenn auch das Gehäuse völlig anders aussieht als beim Lorenz 100W, so zeigt ein Blick in die Schaltung, daß diese anscheinend - bis auf die Typ-Bezeichnung - identisch ist. Siehe auch die Vergleichsliste, die das bestätigt.
MfG DR
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Weicher Einsatz der Rückkopplung
Die im Post #1 geäußerte Vermutung, daß das Nestel-Audion einen weichen Einsatz der Rückkopplung hat, konnte nun in einer Literaturstelle gefunden werden: "Funktechnisches PRAKTIKUM von Erich Schwandt Ergaenzungsband von 1936. Weidmansche Buchhandlung Berlin."
(Mein Dank hierfür geht an Hans Knoll, der mir den Scan zur Verfügung stellte!)
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Nestel-Audion: viel zitiert - selten realisiert
Eine weitere kurze Beschreibung des Nestel-Audions findet sich in "Handbuch der Funktechnik und ihrer Grenzgebiete, Bd. 3 der 'Fortschritte', Franckh, 1938" im Kapitel "Schaltungstechnische Fortschritte im Empfängerbau, Teil 12. Demodulation".
Nach einem so vielfältigen Lob des Nestel-Audions ist es zunächst fast verwunderlich, weshalb außer den Empfängern 100W von Lorenz bzw. Tefag kein weiteres Gerät mit einem solchen Nestel-Audion bekannt ist.
Andererseits zeigt ein Blick auf die Schaltung des 100W, daß es sich bei diesem Gerät um ein frühes "HIFI" Gerät handelt, wie aus der AD1 in der Endstufe erkennbar wird. Statt von "HIFI" sprach man damals eher von einem "Kammermusik-Gerät". (Kammermusik-Geräte gab es z.B. von Siemens, allerdings zu sehr viel höheren Preisen. Die ersten Geräte dieser Serie (KMGI KMG II KMG III) waren mehrkreisige Geradeaus-Empfänger.)
Und aufgrund der Ausbreitungseigenschaften der LW und MW und den dabei auftretenden Störungen, war ein Qualitäts-Empfang nur für den Orts-Sender möglich. Dafür genügte dann jedoch auch ein Audion. So konnten Musikliebhaber mit etwas schmalerem Geldbeutel ebenfalls in den Genuß einer - gemäß der damaligen Technik - perfekten Wiedergabe kommen.
Diese frühen "HIFI-Geräte" waren eigentlich "Luxus-Geräte", die sich nicht jeder leisten konnte oder wollte. Die damaligen Hörer waren zudem eher an Fern- bzw. Auslandsempfang interessiert. Das könnte erklären, weshalb die Schaltung des Nestel-Audions in den Radios so sehr selten nur zu finden ist.
MfG DR
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praktische Erprobung des Nestel-Audions
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Empfang beim Lorenz 100W
Hier meine Beobachtungen beim Empfang mit dem Lorenz 100W:
Die Empfindlichkeit scheint geringfügig schlechter als bei vergleichbaren, normalen Audions. Das ist um so auffälliger, als ja zusätzlich noch eine AC2 eingesetzt wird, aber diese ist wohl zur Ansteuerung der AD1 notwendig. Insofern ergibt die Kombination AC2/AD1 wohl nicht mehr Verstärkung als eine einzelne AL4.
Der Rückkopplungseinsatz ist in der Tat sehr weich und erfolgt praktisch im Schwebungsnull, fast wie bei guten Zweikreisern der alten Bauart mit Vorkreis und Audion-Kreis. Den Hysterese-Effekt, den Wolfgang Holtmann beobachtet hat, kann ich beim Lorenz 100W nicht bestätigen. Ob das an der Triode liegt? Der 100W hat ja eine AF7 als Pentode.
Interessant ist der direkte Vergleich mit dem Lorenz 100GW, der als klassischer Einkreiser mit der CF7 und CL4 arbeitet. Dieser hat allerdings kein Audion, sondern einen Anodengleichrichter, was auch der verbesserten Klangwiedergabe bei allerdings verminderter Empfindlichkeit zu Gute kommt. Die Empfangsergebnisse beider Typen, W und GW, sind in etwa gleich. Aber auch der GW fällt durch eine deutlich bessere Wiedergabe als die normalen Einkreiser-Audions auf.
Die NF-Wiedergabe des 100W ist exzellent, Tiefen und Höhen werden sehr gut wiedergegeben, aber auch das wird zu einem guten Teil an der AD1 liegen. Auf jeden Fall haben normale Einkreiser mit AF7/AL4 hörbar mehr Verzerrungen. Leider kann ich echten Ortsempfang nicht mehr testen, seitdem der Sender Hoher Meißner des HR zum Jahreswechsel abgeschaltet hat.
Das Nestel-Audion war mir vorher nicht bekannt, ich hatte mir schon über die unübliche Kombination mit der Diode den Kopf zerbrochen. Daß es etwas mit verbesserter Wiedergabe zu tun hat, war eigentlich klar, aber erst die interessante Diskussion hier hat die Gründe offen gelegt.
Mein 100W stammt übrigens aus dem Nachlaß des ehemaligen GFGF-Redakteurs Ebeling, der 1996 bei Breker in Köln versteigert wurde. Das Gerät im absoluten Top-Zustand hat damals (zum Glück) kein großes Interesse gefunden, der Preis ist bei uns mit in der Datenbank aufgenommen.
Martin Steyer
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weitere Experimente ...
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Binoden-Audion von Pitsch 1933
Das "Nestel-Audion" hat offensichtlich einen Vorläufer. Dipl.-Ing. Helmut Pitsch, später sehr bekannt durch seine Buchveröffentlichungen: "Lehrbuch der Funk-Empfangstechnik", hat bereits 1933 im "Funk-Bastler, Heft 46, pp. 728 - 729" über eine (damals neue) Binode [Diode - Triode] in einer Demodulatorschaltung mit Rückkopplung berichtet. Da er schreibt, daß er die vorgestellten Schaltungen zuerst theoretisch überlegt und dann praktisch realisiert hat, scheint er der Vater dieses Gedankens zu sein, so daß man eigentlich von einem "Pitsch-Audion" sprechen müßte.
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