DFF Berlin Sendeanlagen Prenzlauer Allee36 Teil 4

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DFF Berlin Sendeanlagen Prenzlauer Allee36 Teil 4 
24.Apr.22 08:41
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Der geplante Fernsehsender Müggelberge , der Sender für ganz Berlin und Umgebung, konnte nicht gebaut werden,weil er in der Einflugschneise des künftigen Großflughafens der Hauptstadt liegt. Der jetzige Band I / Kanal 1 Sender  konnte die Versorgung des dichtbesiedelten Stadtgebietes in der Stadtmitte qualitativ nicht absichern. Außerdem gab es Empfangsgebiete wo die "Funkbrücke" Westberlin- Bundesgebiet auf ebenfalls Band I, Kanal1 störte.

Modell des Fernsehturmes auf dem Müggelbergen 1953.Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"  

Auch der Sender im "Alten Stadthaus" konnte nicht beliebig erweitert werden, so sah man sich nach einem neuen Zweitstandort um. Dieser wurde gefunden auf einer fast in der Stadtmitte liegenden Erhebung des Prenzlauer Berges.

Im Frühjahr 1955 begann man mit den baulichen Vorbereitungen. Die künftigen Betriebsräume wurden hergerichtet, Diese befanden sich in einem der Energieversorgung gehörenden etwa 13 x 35 m großen und fast 20 m hohem Gebäude im 4. Hof des Grundstückes Prenzlauer Allee 36. 

Foto: Archiv Museum Pankow

Hier hatte das Funkwesen der Deutschen Post alle Räume im 3. und 4. Obergeschoß und auch im Dachgeschoß erhalten. 

An der Nordoststrecke des Gebäudes wurde auf dem Flachdach ein etwa 46 m hoher  Stahlgitterturm  als Antennenträger montiert.

Foto Eberhard Kunst

Die Funksendestelle Prenzlauer Allee gehörte zum Funkamt Köpenick

In den Räumen befanden sich auch ein Labor des Rundfunk- und Fernsehtechnischen Zentralamtes der Deutschen Post. Das hatte zur Folge, daß man den Fernsehsendebetrieb untersuchte und entsprechende Schlußfolgerungen daraus abgeleitet wurden. 

Zuerst waren drei Fernsehsender "PA1" "PA2" und "PA3" mit unterschiedlichen Aufgabenstellungen im Einsatz.

"PA1"  das war ein Band I Fernsehsender aus dem Sachsenwerk Radeberg vom Typ 873/74 A+B mit einer Leistung von 3 KW , so wie er bereits in Leipzig ( Hochhaus der Energieversorgung )  und auf dem Müggelberge im Einsatz war. 

Dieser Sender wurde im 3.OG des Gebäudeteiles, der sich etwa unter dem Antennenträger befand, mit der Rückfront zur Prenzlauer Allee aufgestellt. Die Modulationsversorgung erfolgte über Richtfunk aus Adlershof .  Ob das eine direkte Verbindung war, das ist noch unklar....Am 15.Juli 1955 startete der Probebetrieb . Die offizielle Inbetriebnahme erfolgte am 13.08.1955.

Bereits nach 1-jähriger Betriebszeit, am 15.08.1956, stellte dieser Band I Sender auf Kanal 3  ( OIRT 59,25 Bild und 65,75 MHz Ton ) seinen Betrieb ein. Alles wurde sorgfältig demontiert und in der FuSSt Helpterberg wieder aufgebaut.

Foto: Archiv Museum Pankow

"PA II" das war das erste Exemplar des Typs G 507 vom Berliner Werk für Fernsehelektronik. Dieser Sender wurde in der südwestlichen Hälfte des insgesamt 27 x 10 m großen Betriebsraumes, im rechten Winkel zur Prenzlauer Allee, mit den Vorderfronten der Sendergestelle in Südwestrichtung aufgebaut. Er bestand aus 4 Gestellsektionen ( Tonsender, Vorstufe, 3-kW und 10-kW) Diese nahmen, einschließlich der notwendigen Zwischenräume, eine Gesamtlänge von mehr als 16 m ein. Der Sender konnte vom Kontrollpunkt aus , welches in dem mit einer Glastrennwand versehenen Kontrollraum stand, gut eingesehen werden.

Nach erfolgter Montage der Band III Antenne begann der Sender am 01.09.1955 mit 3 kW den Versuchsbetrieb auf. Er war ursprünglich für den OIRT- Kanal 10 vorgesehen (216,25 / 222,75 MHz), strahlte jedoch ab 01.September 1955  im OIRT Kanal 9 ( 209,25 / 215,75 MHz ) in horizontaler Polarisation aus. 

Die Modulation erhielt der Sender ebenfalls über eine Richtfunkverbindung von Adlershof. Dazu stand jeweils eine RVG 904E für die Bildübertragung und RVG 905E für den Ton zur Verfügung. Nach der am 15.11.1955 beendeten Nachrüstung begann am 15.12.1955 der Probebetrieb mit der vollen projektierten Leistung von 10 kW. 

Die offizielle Inbetriebnahme des Senders erfolgte am 21.12.1955. Von diesem Zeitpunkt an wurde der Sender in den abendlichen Programmansagen offiziell als "Fernsehsender Berlin Stadtmitte II" bezeichnet und auch in den Programmzeitschriften.

Am 11.01.1958 wurde der WF- Sender nach einer Betriebszeit von etw 2,5 Jahren außer Betrieb gesetzt, demontiert und umgesetzt zu seinem neuen Standort Dresden- Radebeul gebracht. Dort ersetzte er den  Band II Sender, er sendete tatsächlich im 2 m Amateuerfunkband !

Fotos Eberhard Kunst

Bild oben; Radebeuler Sender Bild unten; Wahnsdorf Richtfunk DFF

"PA III Im Spätsommer des Jahres 1956 wurde im Betriebsraum des 4. Obergeschoßes der erste UHF-Sender der DDR aufgestellt. Der UHF-Sender vom Typ FS871 mit 1kW Tonsender UKF891 hergestellt in den RAFENA- Werken in Radeberg. 
Eine Art Labormuster von diesem Sender war bereits im betriebseigenen Versuchsstandort auf dem Keulenberg 414m nordwestlich von Pulsnitz getestet worden.Dort strahlte man über eine Rohrschlitzantenne. 

In der Prenzlauer Allee ging dieser UHF-Sender mit 0,2 kW im OIRT-Kanal 15 auf 480,00/486,50 MHz und nach erfolgter Umstellung auf CCIR-Kanal 13 auf 478,25 /483,75 MHz in Betrieb. 

Jubel brach auf dem Keulenberg aus, als die ersten Farbbilder empfangen wurden.

Am 2. Januar 1958 wurde dieser UHF-Sender außer Betrieb genommen. der Sender verblieb beim RFZ , Die ersten Fernsehgeräte welche als Labormuster in Radeberg gebaut wurden, nicht als planwirtschaftliche Leistung sondern auf Risiko des damaligen Betriebsdirektors S. Schütze gingen erst mal ins Lager und dort verblieben Sie.

Die Geschichte wäre bestimmt anders gelaufen in der Farbfernsehentwicklung, wenn sich die oberste Führung der DDR anders positioniert hätte. 

"PA IV" Für das Betriebslabor des RFZ wurde 1958 ein Fernsehsender der Firma Siemens Typ " 227 Y 604 a" importiert, Bei der Reaktivierung der FuSSt Prenzlauer Allee wurde dieser Sender, der bis dahin über eine Bildleistung von 2 kW verfügte, in die Rechtsträgerschaft des Funkamtes Köpenick übernommen. Mit diesem Siemens UHF- Sender wurde am 30.03.1960 der Versuchsbetrieb aufgenommen. Diese Versuche gingen  bis zum 15.06.1960. Gesendet wurde mit 2 kW im Kanal 22 UHF-Band IV (479,25 /484,75 MHz, Horizontal) . 

Als Antenne standen SIEMENS-UHF-Einheitsfelder zur Verfügung, die in einem an der Spitze des Trägerturmes zusätzlich montierten , etwa 10 m hohem, Kunststoffzylinder untergebracht waren.

2 Fotos: Archiv Museum Pankow

Die Sendeantenne,  die einen Gewinn von 25 hatte, reichte damit bis in eine Höhe von ca 80 m. 

In der Zeit von vom 16.06.1960 bis zum 14.01.1961 wurde der SIEMENS-Fernsehsender auf eine Bildleistung von 20 kW nachgerüstet und farbtüchtig gemacht . Der neue Betriebs-Kanal war nun der Kanal 29  (535,25 / 540,75 MHz)-. Mit diesen neuen Parametern wurde der Versuchsbetrieb  in der Zeit vom 15.01.1961 bis zum 15.07.1961 fortgesetzt.

Die Übertragungen erfolgten nunmehr bereits in Farbe. 

Ab 16.07.1961 ging der Sender in den langzeitigen technischen Probebetrieb.  Anfang September 1963 wurde der Sender auf den Kanal 27  (519,26 / 524,76 MHz) umgestellt. Anschließend wurde er als Reservesender vorgehalten. Er wurde vom 09.11.1967 bis zum 08.04.1968 nochmals eingesetzt. Dann erfolgte die Demontage und Umsetzung nach Löbau ( Schafberg).

Foto; Peter Emrich, Löbau, Alter Fernsehturm auf dem Schafberg bei Löbau

"PA V" ist die Laborausführung des vom FWB in Vorbereitung der geplanten Einführung eines zweiten Fernsehprogrammes der DDR entwickelten UHF- Senders. Mit diesem 20 kW-UHF-Sender wurden am 13.April 1967 die ersten Strahlungsversuche unternommen. Der Versuchsbetrieb begann am 16.04.1967. Gearbeitet wurde wieder auf Kanal 27 (mit Offset 519,28 /524,76 MHz, H). 

Der Sender zeigte ein gutes Betriebsverhalten. Übertragen wurde das 1.Programm des DDR-Fernsehens. .

Zur Verfügung stand die bereits für den vorherigen Sender aufgebaute SIEMENS-UHF_Antenne.

Auf Anweisung des RFZ wurde der FWB- Testsender speziell für Testsendungen zur Einführung des      2. Programmes des DDR- Fernsehens eingeschaltet. Diese Sendungen begannen am 01.Juli 1969, abgestrahlt wurde mit 20 kW im UHF Kanal 27. 

Am 1.August 1969 wurde der Sender an das Funkamt Köpenick übergeben. In der Zeit vom 03.Oktober 1969, dem Tag der "offiziellen" Eröffnung des Farbfernsehens mit der Inbetriebnahme des Fernseh- und UKW-Turmes Berlin, war der FWB- Sender bis zum 03.10.1972 als Reservesender eingesetzt. 

Damit endete offiziell die 2.Etappe der Tätigkeit der FuSSt Prenzaluer Allee.

Anfang 1973 begann die Nachrüstung des FWB-UHF-Senders  auf die technischen Parameter des FWB-Typs 1535.8 F 2.  Nachdem dies erfolgreich abgeschlossen war, wurde der Sender umgesetzt zum Standort Bleßberg (Thüringen).

Am 25.Juli 1973 wurden mittels Hubschrauber der INTERFLUG die Antennen und der Stahlgitterturm demontiert.  Rein äußerlich zeugte nun nichts mehr von der über 15 jährigen Sende- und Experimentiertätigkeit auf dem Fernsehstandort Prenzlauer Allee 36.

 

Dieser Standort gehörte zum Funkamt Köpenick:

Funkamt Köpenick mit den Dienststellen FuSt Köpenick (MW, TV, UKW), Fernsehturm Alexanderplatz, einigen Füllsendern in Berlin, mehreren zentralen Diensten (ZTD, ZTI, ZSR).

Demnächst ist dazu ein ausführlicher Artikel geplant . 

 

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