Deutscher Fernsehfunk Berlin Adlershof Teil 3

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Deutscher Fernsehfunk Berlin Adlershof Teil 3 
03.Apr.22 14:50
1881

Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Willkommen im  Uhlenhorst ! Wenn Sie damit nichts anfangen können, das ist ein Teil des  Naturschutzgebietes Dammheide in Berlin- Köpenick. In diesem Areal wurde 1952 der erste Großsender der DDR erbaut. Am 21. Mai 1951 begannen dort die Arbeiten. Zeitweilig waren bis1000 Bauarbeiter auf der Großbaustelle beschäftigt. Hier wurde der erste Mittelwellengroßsender der DDR aufgebaut. Für die Hauptstadt Berlin waren damals sogar 500kW vorgesehen. Realisiert wurde jedoch im Eiltempo ein im Funkwerk Köpenick produzierter 250kW- Sender. Die Inbetriebnahme erfolgte am 6.Juli 1952 auf der Frequenz  611 KHz.

Dazu , über den Rundfunkstandort und das Funkamt Köpenick, plane ich eine gesonderte Veröffentlichung hier im Radiomuseum.org. 

Errichtet wurde ein Rohrmast und ein Reflektormast auf östlicher Seite  von je 240 m Höhe plus 8 m Antennenhaus, also 248 m.  Beide standen im Abstand von 95 m zueinander, die Hauptstrahlrichtung Richtung Westen.

Antennenmasten des Funkamts der Deutschen Post der DDR in Berlin-Köpenick (Uhlenhorst).
Quelle "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"  Foto aus dem Jahre 1958

Im November 1956 wurde im östlichen Antennenhaus ein 1 kW Fernsehsender aufgebaut. Geplant wurde jedoch auf diesem Standort der Aufbau eines 10 kW Fernsehsenders. Dafür wurde zwischen den beiden Abstimmmittelhäusern ein Zwischenbau errichtet.

Foto; Wolfgang Bittner

Dort hinein kamen die technischen Ausrüstungen des 10 kW Fernsehsenders der Firma Siemens & Halske sowie Büro- und Technikräume für die Mitarbeiter der Sendestelle. Ausgestrahlt wurde das Fernsehprogramm des DFF über eine Dipol- Antennengruppe, welche an der Spitze des Reflektormastes montiert war. Die Signalzuführung von Adlershof erfolgte bildseitig über Richtfunk und die Tonübertragung per Erdkabel. Der Richtfunkspiegel war an dem Gittemast befestigt , Foto oben. Das Foto hat der Berliner Fotograf Wolfgang Bittner am 29.09.2002 gemacht, da war der Spiegel aber bereits abgebaut. 

Bild aus dem Jahre 1984 vom Rückbau des Passivmastes . SW-Fotos: Sammlung von Eberhard Jauch                              Leider habe ich keine Fotos von der Errichtung der Anlage. Die Programmausstrahlung ds DFF- Fernsehprogrammes begann von diesem Standort im März 1958 auf VHF Kanal 5 CCIR (175,25 MHz Bild und 180,75 MHz Ton). Endlich hatte man einen Standort, der ganz Berlin gut versorgen konnte und sogar noch in Potsdam  wurde das DFF Programm von diesem Sender empfangen. 

Die Anlagen sind, bis auf Fundamente und Plattenstraßen, sämtlich nach 2004 zurückgebaut worden. Die Farbfotos habe ich bei einem Besuch im Sommer 2021 gemacht.

Der Standort der Sendemasten war etwa dort wo heute der Mobilfunkmast steht.

Der Siemens TV- Sender auf diesem Standort blieb übrigens aktiv bis zur Ablösung am 04.April 1970 .

Im Postbuch der DDR heißt es dazu auf Seite 186

4. April ; Inbetriebnahme eines Fernsehsenders der Deutschen Post im Fernseh- und UKW- Turm Berlin im Kanal 5 mit einer Leistung von 10 kW auf der Frequenz 175,25 /180,75 MHz (Bild/Ton) für das            I. Programm . Dafür stellt der bisherige Fernsehsender in Berlin- Köpenick den Betrieb ein.

Voller Stolz berichten die Medien über den Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, im Herzen Berlins.

Da gab es übrigens die Inbetriebnahmeaktion am 03.Oktober 1969, wo der damalige Staatsratvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, den Knopf symbolisch drückte und das Schwarz-Weiß-Bild verwandelte sich in eine SECAM IIIb Farbbild. Aber nur der UHF- Farbsender war bereits funkionstüchtig. Im Postbuch der DDR liest sich dies so:

3.Oktober : Der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Walter Ulbricht, übergibt am Vorabend des 20. Jahrestages der Gründung der DDR den Fernseh- und UKW- Turm Berlin der deutschen Post seiner Bestimmung. Mit einer Gesamthöhe von 365 m  (Betonschaft 250m , Antennenträger 115 m ) ist er das zweithöchste Turmbauwerk der Welt. Er enthält neben den technischen Einrichtungen zur Abstrahlung von zwei Fernseh- und fünf Hörfunkprogrammen die Richtfunk- Hauptleitstelle als Steuerzentrum des nördlichen Teils des Richtfunknetzes der DDR, ein Turmcafé (200 Plätze ) und eine Aussichtsetage. 

Minister Rudolph Schulze berichtet der Partei- und Staatsführung, daß die technischen Vorbereitungen für die Einführung des II. Fernsehprogrammes abgeschlossen sind. Die DDR ist damit der achte Staat Europas, der offiziell Farbfernsehsendungen aufnimmt.

Am Tag der Einweihung nimmt ein farbtüchtiger Fernsehsender den Betrieb im Band IV/ Kanal 27 mit einer Leistung von 20 kW auf der Fequenz 519,25/524,75 MHz ( Bild/Ton ) für das II.Programm auf. 

Zur Erinnerung gibt die Deutsche Post am 6.Oktober einen Sonderpostwertzeichen-Block und zwei Sonderpostwertzeichen mit Motiven des Fernseh- und UKW-Turmes heraus. Am gleichen Tag wird im Turm ein Postamt eröffnet. Eine der Marken habe ich noch, leider nicht mit dem Stempel des Postamtes.    

                                                                                                       

Ebenfalls am 3.Oktober beginnen im Band IV. die Fernsehsender in Dresden (Kanal 29) , Dequede (Kanal 31), und Schwerin (Kanal 29) mit den Farbfernsehsendungen. 

Es folgen dann auf Kanal 22 Leipzig am 28. Februar 1970 und Marlow, dort mit Plantermin Anfang 1971.

Damit können laut dieser Prognose 34% der Bevölkerung der DDR das II.Programm empfangen. dies ist natürlich auch in ganz Westberlin in bester Qualität zu sehen, ebenso in Hamburg  aber zunächst nur in schwarz- weiß. Einen Mehr-Normen-Decoder PAL- SECAM IIIb hat damals noch niemand in Serienfertigung !

Mehr zum Farbfernsehstart in der DDR LESEN SIE HIER.

Ergänzend noch die Inbetriebnahme der UKW- Sender vom Fernseh- und UKW-Turm.

Dazu lesen wir im Postbuch folgendes, wie immer tag genau eingetragen:

16.Februar 1970, über die UKW- Sender Berlin I- V werden vom Fernseh- und UKW-Turm Berlin  der Deutschen Post folgende Programme  des Deutschen Demokratischen Rundfunks abgestrahlt:

Berlin I    Frequenz 97,65 MHz  Kanal 35   DEUTSCHLANDSENDER

Berlin II   Frequenz 91,40 MHz  Kanal 15    BERLINER RUNDFUNK

Berlin III  Frequenz 95,80 MHz  Kanal 29    RADIO DDR I

Berlin IV  Frequenz 99,70 MHz  Kanal 42    RADIO DDR II

Berlin V   Frequenz 95,05 MHz  Kanal 27    BERLINER WELLE 

Der UKW-Sender BerlinV stellt seine Stereofoniesendungen ein.

Nun aber zurück zum Fernsehen.   

Die Techniker des DFF hatten neue Ideen, die heute selbstverständlich sind, damals aber ein Novum darstellten. Herr Hajo Böhme, der letzte Leiter des Funkamtes Dresden, schreibt mir dazu:

Ein Eigenbau-Fernsehsender des Funktechnischen Betriebsamtes mit 50 W Leistung kam zum Einsatz.

Er war vorher und sicher auch danach für Übertragungen durch die Studiotechnik Fernsehen insbesondere von Sportveranstaltungen im Einsatz. Erstmalig soll er zu einer Regatta auf dem Müggelsee in einem Boot verwendet worden sein und wurde deshalb „Wassersender“ genannt. 

Foto; Wolfgang Lill  Das Motorboot mit dem "Wassersender" begleitete die Rudersportler. Die Bilder wurden über den VHF Sender gesendet und dann über eine Richtfunkstrecke nach Adlershof übertragen.

Aber auch in einem Hubschrauber zur Übertragung der Friedensfahrt wurde er eingesetzt. Der Sender hatte auf einem kleinen viereckigen Tisch Platz. Er war nicht zum Dauerbetrieb konzipiert und dadurch recht störanfällig.

Die Idee, das populärste Radrennen , die Friedensfahrt, Prag- Berlin -- Warschau mit neuen technischen Lösungen noch attraktiver zu übertragen, begann man erfolgreich umzusetzen.

Herr Kunst mit Kamera im Hubschrauber MI-4    halb liegend , halb sitzend an der Kamera 

Vor dem Einsatz überprüft hier der Kameramann Eberhard Kunst die empfindliche Spezialkamera am Hubschrauber. Diese sitzt auf der Vorderseitedes Hubschraubers im Bodenbereich. Während die schwingungsempfindlichen Teile entsprechend geschützt und gelagert waren, mußte der Kamermann auf dem Boden liegend seine Arbeit verrrichten.

Dazu schreibt mir Herr Eberhard Kunst, er war damals Kameramann beim DFF, die Hubschraubereinsätze begannen mit der Friedensfahrt 1958. Den ersten Hubschrauber Mi-4 stellte die NVA  (Nationale Volksarmee) dem Deutschen Fernsehfunk zur Verfügung.

Später hatte dann die Deutsche Lufthansa/ Interflug zwei NVA- Hubschrauber mit Piloten von der NVA übernommen. Die ersten zwei Fernseh-Übertragungen wurden mit dem NVA-Hubi durchgeführt. Anschließend kam der DLH-Hubi zum Einsatz. 

Den ersten Teil der Sendung (Friedensfahrt) übernahm der Hubschrauber.  über eine solche Antenne wurde das Signal abgestrahlt.

Den Zwischenteil filmte ein Film-Kameramann, der seine Filme einem mitfahrenden polnischen Entwicklungswagen übergab. Nachdem der Film entwickelt und geschnitten war, wurde er einem Motorradfahrer übergeben, der den fertigen Film schnellstens zum Ü-Wagen am Zielpunkt transportierte. Hier wurde er sofort gesendet. Leider existieren von dem polnischen Filmwagen keine Bilder. Der erste Einbau von Geräten im Hubi wurde sehr einfach durchgeführt. es fehlte an Erfahrung Die Techniker vom NVA- Flugplatz Brandenburg-Briest gaben uns zwar einige Hinweise, die jedoch leider nicht zum Erfolg führten.

Gute ideen sichern viele Zuschauer, ich habe das ja auch als Kind miterlebt, alle waren begeistert, hören und sahen die Friedensfahrtübertragungen und hier mal einer der vielen Leserbriefe in einer Ostberliner Zeitung:

Die NVA lehnte den Einbau eines Benzin-Aggregates zur Stromversorgung mit 220Volt Wechselstrom ab. So mußten für den Stromanschluß Akkus und ein Umformer verwendet werden. Mit 600 Kg nahm diese Technik zwei Drittel der Gesamtmasse der Zuladung ein! Dadurch wurde die Traglast des Hubschraubers bis zur vorgeschriebenen Höhe genutzt. Die Folge war, der Pilot hatte z.B. am langsamen Berganstieg der Radfahrer große Schwierigkeiten den Hubi auf Höhe zu halten. Am Stadion in Magdeburg war es besonders kritisch. Eine Linkskurve musste geflogen werden, die Radfahrer wurden langsamer, wir bekamen Rückenwind dazu und der Hubi war nur noch mit großer Anstrengung und dem Können des Piloten auf Höhe zu halten. Bei den unten stehenden Zuschauern flogen bereits die Hüte und Mützen davon.

Schauen wir doch zunächst mal in das Cockpit des Hubschraubers

Alle Angaben an den Instrumenten sind in Russisch, so mußten die Piloten nicht nur gute fliegerische Kenntnisse haben sondern auch die russische Sprche beherrschen. Zwei dieser Piloten mit hervorragendem fliegerischen Können möchte ich hier nennen. Oberleutnant Wilhelm Eis (NVA) und Günter Krönert (DLH/IF). Auf diesem Wege viele Grüße an die zwei Flugexperten. 

Hier im Eingangsbereich steht die erste Technik

Hier haben wir bereits das Benzinaggregat im Hubschrauber der Deutschen Lufthansa. Der Bildsender mußte je nach Übertragungsort auf einen anderen VHF- Sendekanal abgestimmt werden. Zur Verfügung standen die Kanäle VHF 5 - 12. Das waren ja ganz normale Frequenzen der normalen Fernsehsender. Mit etwas Glück konnte der Fernsehzuschauer sogar die Reportagen  aus dem Hubschrauber verfolgen, wenn er zufällig diesen Kanal anstellte.  Bevor jedoch offiziell gesendet wurde, mußten Testflüge  erfolgen . Die Anlagen waren jedoch sehr störanfällig . Der Sender wurde geteilt in Netzteil und Sendeteil. Das Sendeteil war sogar an Gummiseilen aufgehängt.

Die Kamera war entsprechend der Aufgabenstellung nach vorn unten oder später ab 1961 seitlich an der Tür angebracht.

Auch ein Techniker fliegt immer mit und es wurde ja nicht nur das Bild von "oben" gesendet sondern auch moderiert. Die Hörer wußten sofort, die Übertragung kommt aus dem Hubschrauber,  Nebengeräusche zum Teil tüchtig laut, waren nicht zu vermeiden. 

I

Hier ein Blick auf die Ton-Sendeantenne am Hubschrauber.

Im Jahre 1960 führte die Friedensfahrt von Prag über Warschau nach Ostberlin. Hier das Streckenschema:

 

Wer Gottwaldov nicht zuordnen kann, der Ort heisst heute wieder Zlín. Hier können Sie weitere Informationen zum Ort erhalten 

Die Hubschrauberübertragungen erfolgten nur über dem Staatsgebiet der DDR, also in dem Falle von Frankfurt/Oder nach Dresden, von Dresden nach Leipzig, von Leipzig nach Magdeburg und die Friedensfahrt endete im Ostberliner "Walter Ulbricht Stadion". Gesamtsieger war 1960 übrigens Erich Hagen (DDR). Bei diesen Etappen durfte ich die Direktübertragungen direkt am Fernseher als 9 jähriger verfolgen. Übrigens gab es in der CSR und in Polen noch keine Hubschrauberübertragungen.

Beim Hubschraubereinsatz, auch intern als "Unternehmen Schlappohr" bezeichnet, konnten nicht nur Flugplätze zur Landung genutzt werden sondern auch die grüne Wiese. was natürlich zuvor abgestimmt wurde. Wenn der Hubschrauber stand, war sofort Besuch da. Auf die Frage, was wollt ihr mal werden kamen dann solche Antoworten wie Pilot, Kameramann, Stewardess, damals eben die Traumberufe....

Die Friedensfahrtübertragungen gingen dann auch über den Intervisionskanal Lugstein in die angeschlossenen Fernsehstationen der OIRT. WIE DAS FUNKTIONIERTE LESEN SIE HIER

Aber nun mußte das Signal Bild und Ton erst mal vom Hubschrauber zu einem Empfänger gesendet werden. von dort ging es dann über eine dafür aufgebaute Richtfunktrecke  zu einer Einspeisestelle des Richtfunknetzes  und von dort nach Adlershof zum DFF.

Die Hubschraubereinsätze wurden dann auch für weitere Sportveranstaltungen und  Erkundungen  genutzt. .

Ich bedanke mich bei Herrn Eberhard Kunst recht herzlich für die Bereitstellung von wunderbaren Fotos aus dieser Zeit und vielen Informationen aus seinem Archiv. 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.