Die deutschen Nachkriegs "Standard - Super"

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Die deutschen Nachkriegs "Standard - Super" 
22.Apr.22 09:47
1916
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Harald Giese (D)
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Harald Giese

Die deutschen Nachkriegs "Standard - Super"

Alle Bilder können durch Anklicken vergrößert werden!

1     Einleitung

Bei der Sichtung des A.R.T. Schaltplan Archivs fiel mir kürzlich das Blatt 10/11 der Sektion "Gemeinschaftsempfänger" in die Hände. Dessen Vorderseite zeigt den Schaltplan eines Kleinsupers mit der Röhrenbestückung  2 x ECH4, EBL1, AZ1 und der Modellbezeichnung "Standard - Super 1948 W" ohne Herstellerangabe, die Rückseite eine Abgleichanweisung für den "Standard - Super 48 W".

 

Unter dem A.R.T. - Schaltbild gab es mit "x, xx " gekennzeichenete Vermerke (rot umrahmt), die den Audio - Frequenzgang betreffende Schaltungsmodifikationen bei Tefefunkengeräten betreffen.

Die Bezeichnung "Standard-Super" erinnerte mich sofort an den Forumsbeitrag "Der Standard-Super W der Britischen Zone 1948", in dem anhand eines Ausschnitts aus dem "Radio-Mentor Heft 11 1948" die  Schaltungstechnik dieses Gemeinschaftserzeugnisses der deutschen Radioindustrie in der frühen Nachkriegszeit vorgestellt wurde. Hier noch einmal die Schaltungsbeschreibung aus dem "Radio-Mentor 11/1948". Der Beitrag erschien unter dem Modell "Standard - Super 1947".

 

Hier die zwei zu diesem Modell hochgeladenen Bilder:

 

 

Weiterhin findet man unter dem Modell die Gerätekurzbeschreibung und das Schaltbild aus der Funktechnik (FT) sowie ein Schaltbild aus Lange-Nowisch.

Beide Schaltbilder stimmen mit dem im A.R.T. Archiv für den "Standard - Super 1948" gezeigten überein.

Aus welchem Grund das A.R.T. Schaltbild die Typenbezeichnung "1948" trägt und warum in manchen Quellen vom "Standard - Super 47", in anderen vom "Standard - Super 48" gesprochen wird, ist mir nicht bekannt

 

 

 

Um herauszufinden, wieviele Firmen diesen Kleinsuper produzierten, habe ich in der RM - Suchmaske das Suchwort "Standard - Super" eingegeben und ein überraschendes Ergebnis erhalten.

Man erhält 106 Hits (Stand April 2022). Davon entfallen 67 Modelle auf deutsche Hersteller, und von denen  nur 23 Modelle auf Geräte mit der oben genannten Röhrenbestückung aus der "Roten Serie" 2 x ECH4, EBL1, AZ1. Zu den Röhren der "Roten Serie " siehe die folgenden Artikel von Jacob Roschy: Art. 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4

Daneben gab es noch "Standard - Super" Modelle mit Röhren der Roten U - Serie  2 x UCH5, UBL3 und UY3, solche mit den LOCTAL - Röhren 2 x UCH21, UBL21 und UY21 bzw. Selen-Gleichrichter, solche mit den Stahlröhren UCH11, UBF11, UCL11 und UY11, sowie ein Gerät mit der Universalröhre RV12P2000.

Alle Modelle trugen die Bezeichnung "Standard - Super"!

Im folgenden Beitrag werde ich versuchen, einen Überblick über die verschiedenen Modellvarianten zu geben.

 


 

2      "Rote Serie" Wechselstrom "Standard - Super"

 

2.1      Modelle mit 2 x ECH4, EBL1, AZ1  in Bakelitgehäuse

Hier zunächst eine Bildergalerie der im RM angelegten "Standard - Super" für Wechselstrombetrieb mit der Röhrenbestückung 2 x ECH4, EBL1, AZ1 in Bakelitgehäuse, die sich nur marginal voneinander unterscheiden. Möglicherweise wurden die Bakelitgehäuse alle von derselben Firma gefertigt, sodass sich optische Unterschiede auf die Skalenscheiben, Rückwände und Knöpfe beschränken. 


                                                                                               CONTINENTAL Rdfk GmbH

                               AEG                                                                (ehem.Stassfurt)                              "Standard Super 6/48WK (1947?)"                            "CONTINENTAL Standard Super (1947/1948)"             

 

  


                         

                             HAGENUK                                                                    KREFFT

             "Standard Super K101E (1947/1948)"             "Standard Super 83-64-500 (1948/1949)"

 

 


                                LORENZ                                                                   RADIX                                             

             "Standard Super 48W (1947/1948)"                    "Standard Super SK475W (1947/1948)"

 


                          SIEMENS                                                                  TEFI Apparatebau      

             "Standard Super W (1946?)"                          "TEFI Standard Super TSS446W (1947/1948)"

 


 

                            TELEFUNKEN                                                     WILLISEN (WILAG)

        "Standard Super 8H64WK (1947-1949)"                       "Standard Super W (1948/1949)"                                 

 

 


Von einigen weniger häufig anzutreffenden Geräten wie z.B. dem "Standard Super" von der Mechanischen Werkstätte Lehnsahn sind im RM z.Zt. noch keine Abbildungen vorhanden


 

 

                 TEFI Apparatebau

    "Standard Super TSS446 mit EM11 (1948)".

Abgerundet wurde das Spektrum der Standard - Super mit 2 x ECH4, EBL1, AZ1 durch eine von TEFI produzierte Luxus - Ausführung mit einem zusätzlichen  Magischem Auge EM11

 


 

2.2     Modelle mit 2 x ECH4, EBL1, AZ1 in Holzgehäuse

Während sich die Modelle in Bakelitgehäusen alle sehr ähnlich sahen, gab es bei den Holzgehäusen schon ein größeres Gestaltungsspektrum.

                            AEG                                                                           BLAUPUNKT

     "Standard Super 6/48WK (1948?)"                             "Standard  Super 5W647 (1947/1948) "

 


                            LORENZ                                                                 SIEMENS

            "Standard Super 48W (1947/1948)"                           "Standard Super W (1946?)"

 


TEFI Apparatebau

"Standard - Super TSK446W (1948/1949))"                            "TSS446H (1948/1949)"

 


TELEFUNKEN

"Standard Super 8H64WK (1948?)"

 

Wie man sieht, verwendeten einige Firmen gegen Ende der 1940er Jahre noch recht einfach gestaltete Holzgehäuse, während BLAUPUNKT mit seiner Modellreihe "5W647" auf die Pultform der dreißiger Jahre zurückgriff und sich andere Firmen wie TEFI und TELEFUNKEN bereits an deutlich modernere Gehäuseformen heranwagten.

 


 

3      "Rote -Serie" Allstrom  "Standard - Super"

Große schaltungstechnische Ähnlichkeit mit dem "Standard Super" mit E - Röhrenbestückung besaßen die entsprechenden Allstrom - Modelle mit der Röhrenbestückung 2 x UCH5, UBL3, UY3, U2500, wobei wohl  je nach Verfügbarkeit für die Heizstromregulierung auch unterschiedliche andere URDOX - Röhren eingesetzt wurden. .

Im A.R.T. Archiv findet man für das von BLAUPUNKT gefertigte Allstrommodell "Standard - Super 220 GW"  sowohl den Schaltplan, als auch die Abgleichanweisung.

 

Hier noch einmal zum Vergleich die Schaltung des Wechselstrommodels. Unterschiede beschränken sich im wesentlichen auf die Stromversorgung:

 

Die Abgleichanweisung des "Standard Super 220GW":

 


 

Hier wieder eine kleine Bldergalerie der im RM angelegten Modelle dieser Allstrom - Variante des "Standard - Super":

                                                                 BLAUPUNKT

           "Standard-Super GW 1948/1949)"                  "Standard - Super_GW_5GW648E(1948/1949)"

 

 


                            HAGENUK                                                           TEFI Apparatebau

                "Standard - Super WU (1948?)"                       "Standard - Super TSS446GW (1948)"

 


Zu den anderen in RM angelegten Modelle mit dieser Röhrenbestückung wurden bisher keine Bilder hochgeladen.  Hierzu zählen z.B. der TEFI Luxus Standard - Super TLS446GW und der HAGENUK Standard - Super Wikinger WU


 

 

4     Stahlröhren Allstrom "Standard - Super"

Alternativ zu Geräten mit Außenkontaktröhren der "Roten Serie" ECH4 und EBL1, bzw. UCH5 und UBL3 erschienen in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre auch zahlreiche Modelle mit der Stahlröhrenserie UCH11, UBF11, UCL1, UY11.

Im A.R.T. Archiv findet man z.B. den Schaltplan des "Schaub Standard Super (U11) GW", der beispielhaft für diese ganze Modellreihe steht:

Während in der Mischstufe auch hier eine Verbundröhre Heptode/Triode (UCH11) verwendet wurde, setzte man in der ZF nun eine Pethode/Duo-Diode UBF11 ein und kombinierte somit in dieser Röhre die ZF - Verstärkung mit der Demodulation und der Erzeugung der Schwundregelspannung.

Die Endstufenröhre war nun eine Triode/Penthode UCL11, kombinierte also NF - Vor - und Endverstärkung in einer Röhre. Bei den Geräteserien mit Röhren der "Roten Serie" war die NF-Vorverstärkung mit der  ZF-Verstärkerröhre zusammengefasst und die Duodiode mit der NF - Endröhre. In der Serie mit Stahröhren war die Kombination der Röhrensysteme also vertauscht.


Hier wieder eine keine Bildergalerie:

NORA

"Standard - Super GW (1947/1948?)"                                    "Standard - Super GW652 (1948/1950)"

 


 

SCHAUB /SCHAUB / LORENZ

 "Standard - Super U11 (1947/1948)"                                                "Standard - Super Z (1949?)"

                                                                             Gegenüber "Standard - Super U11" geänderte Skala,

                                                                                                           aber Gehäuse gleich

 


 

 

5     Loctalröhren Allstrom "Standard - Super"

In der Anfangszeit der SCHAUB / SCHAUB-Lorenz Allstrom "Standard - Super wurden diese auch mit den LOCTAL Röhren 2 x UCH21, UBL21 und UY21 ausgerüstet. Die typische Schaltung dieser Geräteserie zeigt das A.R.T. Schaltbild auf S. 2344:

 


SCHAUB / SCHAUB - LORENZ

Andere Hersteller diese Modells mit LOCTAL-Röhren sind nicht bekannt.

"SCHAUB Standard - Super Z Loctalröhren (1946/1947)"

Gleiches Aussehen wie Modell   "Standard - Super Z (1949?)"

 


 

 


 

6     Die "Standard - Super" und PHILIPS

 

Nach der Lektüre dieses Beitrags werden sich manche Leser gefragt haben, warum denn PHILIPS keine "Standard - Super" hergestellt hatte. Immerhin wäre das naheliegend, da die Röhren der "Roten Serie" ursprünglich von PHILIPS eingeführt wurden: ECH4 ⇒ 1940, EBL1 ⇒1937.

Die Antwort ist ganz einfach: PHILIPS hat viele Kleinsuper - Modelle mit diesen Röhren hergestellt, sie hießen lediglich nicht "Standard - Super" - das war nur die Bezeichnung für Geräte Deutscher Firmen.- sondern trugen die typischen PHILIPS Bezeichnungen.

Zur Vervollständigung möchte ich hier noch einige Modelle der PHILIPS Produktpalette aus diesem Zeitraum vorstellen. Trotz identischer Röhrenbestückung wichen die Schaltungen häufig etwas von denen der "Standard - Super" ab. Teilweise ging man bei der ZF-Verstärkerröhre auf eine einfache Penthode über, oder fügte wie schon im TEFI "Standard Super TSS446 mit EM11 (1948)"  noch ein Magisches Auge hinzu.

PHILIPS RW148E (1948/1949) ⇒ 2 x ECH4, EBL1, AZ1

 


 

PHILIPS Berlin (Elomar) D200W (1948/1949) ⇒ 2 x ECH4, EBL1, AZ1

 


PHILIPS ELOMAR RAW4E (1948 - 1950) ⇒ 2 x ECH4, EBL1, EZ1

Modell für Netz- und Autobetrieb

 


PHILIPS 43LV (1941)  ⇒ ECH4, EF9, EBL1, AZ1

 


PHILIPS BD396U (1949?) ⇒ 2 x UCH5, UBL3, UY3

 


PHILIPS BD396UA2 (1949/1950) ⇒ 2 x UCH5, UBL3, UY3, UM4  

Wie BD396U, aber mit zusätzlichem Mag. Auge UM4

 


PHILIPS B293U Philetta (1949?) ⇒ UCH5, UF5, UBL3, UY3

 


 

PHILIPS RA148U (1948) ⇒ UCH11, UBF11, UCL11, UY11

 


 

7     Schlussbemerkungen

Die Liste der Nachkriegsmodelle mit gleichen oder ähnlichen Röhrenbestückungen könnte noch lange fortgesetzt werden.

Im RM ist sogar ein mit 7 x P2000 Röhren und einer Gleichrichterröhre UY11 bestückter "SCHAUB Standard - Super Z P2000 Röhren (1947/1948)"  angelegt, über den aber z.Zt. außer dem A.R.T. Schaltbild und den Austauschröhren auf den Archivseiten 2342 und 2343 keine weiteren Informationen vorliegen.

 

 

Entgegen den Angaben auf der RM Modellseite werden hier allerdings 5 nicht regelbare Penthoden RV12P2000 und 2 regelbare Penthoden RV12P2001 angegeben, was angesichts des Einsatzes der Röhren auch plausibel erscheint. Der Punkt ist nicht endgültig geklärt.


 

Mir ging es hier aber auch nicht so sehr um eine vollständige Aufzählung aller deutschen Nachkriegs - Kleinsuper sondern eher darum zu zeigen, ein wie weites Modellspektrum die "Standard - Super" umfassten und wie es den damaligen Entwicklern trotz allgegenwärtiger Lieferengpässe gelungen ist, innerhalb kürzester Zeit kostengünstige und trotzdem leistungsfähige Radiogeräte auf den Markt zu bringen. Eine Meisterleistung, die noch heute höchste Anerkennung verdient.

 


Dieser Link führt auf den 2. Teil des Beitrags über die deutschen Nachkriegs "Standard - Super"

Harald Giese

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