Die Übersee-Empfangsstelle Lüchow
Die Übersee-Empfangsstelle Lüchow
Beitrag von unserem Gastautor : F.-W.Schulz
Parallel zu den Planungen für die Kurzwellen-Sendestelle Oebisfelde, liefen im Reichs-Post-Zentralamt (RPZ) in Berlin, Planungsarbeiten für eine neue Empfangsfunkstelle. Dabei handelte es sich praktisch um die Gegenstelle für Oebisfelde, Nauen usw. Es stellte sich heraus, dass die Empfangsfunkstelle Beelitz, die dem RPM direkt unterstellt war, dem wachsenden Überseefunkverkehr in allernächster Zukunft nicht mehr gewachsen sein würde. Nach Erledigung umfangreicher Planungsarbeiten, fiel die Wahl auf den Raum Lüchow-Woltersdorf. Um einen möglichst störungsfreien Empfang zu erzielen, müssen elektrische Anlagen aller Art, z.B. Hochspannungsleitungen, Industrieanlagen, größere Ansiedlungen und die Sendestellen, räumlich möglichst weit entfernt liegen. Durch einen hohen Grundwasserspiegel müssen gute Erdungsverhältnisse vorhanden sein. Diese Bedingungen waren in dem gewählten Gebiet gegeben, und die Empfangsfunkstelle war zudem zentral im ehemaligen Deutschen Reich gelegen.
Bauleiter Alfred Brühl
Am 18. November 1937 erhielt die Firma Telefunken vom RPZ den Auftrag, einen Kostenvoranschlag für die Lieferung, Aufstellung und Inbetriebnahme von 30 Rhombus-Antennen mit den zugehörigen Anlagen (Überträgern, Kabelzuleitungen, Empfängern und zwei Antennenwahlschaltern) für eine Funkempfangsstelle zu erarbeiten.
Als eigentlicher Gründungsakt zum Bau der Übersee-Funkempfangsstelle (ÜFESt) Lüchow ist der 1. September 1938 zu nennen. An diesem Tag wurde zwischen der Hannoverschen Siedlungsgesellschaft mbH und dem Präsidenten des RPZ ein Vertrag über die Herausgabe des Geländes geschlossen.
Von den betroffenen Gemeinden wurden folgende, wenig ertragreiche Flächen, erworben:
Tarnitz 44,14 ha
Woltersdorf 311,89 ha
Vasenthien 78,11 ha
Colborn 17,98 ha
Crautze 18,46 ha
Klein Breese 76,98 ha
Tobringen 7,31 ha
Gesamt 544,87 ha
(Diese Fläche wurde später durch Randkäufe auf 624 ha erweitert, wobei bei größter Auslastung, nur etwa 40% durch Antennen belegt waren.)
Das Empfangsgebäude der ÜFESt (Übersee-Empfangsstelle) Lüchow
Durch den Reichspostminister wurden am 4. Mai 1939 für die ÜFESt Lüchow 525 000 RM genehmigt und man konnte mit dem Bau des Betriebsgebäudes beginnen. Wegen des sumpfigen Untergrundes wurden erst Brunnen für eine Wasserhaltung gebohrt und dann mit der Errichtung der Gebäudewanne begonnen. Architekt und Bauleiter war Alfred Brühl. Das Baubüro befand sich in Woltersdorf.
Mitarbeiter der Bauleitung vor dem Büro in Woltersdorf
Einige Daten, um den Baufortgang zu dokumentieren. Inzwischen war der II. Weltkrieg ausgebrochen, wodurch die Bauarbeiten wegen Baustoff- und Arbeitskräftemangel behindert wurden.
20. November 1939 begannen die Bauarbeiten mit Ausschachtungs- und Erdbewegungsarbeiten. Die Bauleitung hatte in Woltersdorf ein nettes Haus neben dem Bahnhof gemietet und dort auch die Büros eingerichtet.
Empfangsgebäude der ÜFESt Lüchow aus den 60iger Jahren ( Fotograf unbekannt)
10. April 1940: Die Pumpanlage für die Wasserhaltung ist installiert, mit dem Bau der Gebäudewanne konnte begonnen werden. Die Arbeiten schritten nur langsam voran, da zeitweise auf der Baustelle nur 10 Maurer und 10 Arbeiter im Einsatz waren. Die Bauleitung rechnete damit, dass bei dem jetzigen, schleppenden Fortgang der Arbeiten mit dem Einbau der Apparate im Frühjahr 1942 begonnen werden kann.
Juli 1941: Mit den Arbeiten für das Dach kann begonnen werden.
11. Dezember 1941: Das Dach ist eingedeckt.
Geplant waren noch zwei weitere Empfangsgebäude in östlicher Richtung vom heutigen Hauptgebäude. Das Hauptgebäude ist mit den vorhandenen Anbauten ein Klinkerbau in Form eines ländlichen Gutshofes.
In dem halbfertigen Gebäude, begann man 1942 mit dem Einbau der technischen Einrichtungen und dem Aufbau der Antennen. Diese Arbeiten konnten erst 1944 beendet werden und die Übersee- Funkempfangsstelle Lüchow nahm den Betrieb auf. Der Vorsteher und Betriebsleiter war der Postamtmann Schlange.
Modellbilder der ÜFESt Lüchow
Bemerkenswert ist der Briefverkehr zwischen einem Postbeamten (von dem Knesebeck) in Berlin, der als Stationsleiter vorgesehen war und seinem Kollegen in Lüchow. In einem Schreiben vom 15. Februar 1940 hat er folgende Fragen:
1. Wo wird die Kolonie gebaut? Ich habe eine Spezialkarte, die von Lüchow bis über Woltersdorf geht und hörte, daß die Kolonie südlich von Tarnitz, fast anschließend an den Friedhof gebaut werden soll.
2. Werden nur Einfamilienhäuser gebaut und wie viel. Wie viel Zimmer sind vorgesehen. Ist etwas Stallung für Hühner, Enten oder Gänse vorhanden. Ich habe ein Auto. Ist Garage vorhanden?
3. Ist das Haus für den Betriebsleiter größer. Wie viel Zimmer hat es. Liegt es mit in der Kolonie oder ist es auf der Station?
4. Ist bei den Häusern Zentralheizung vorgesehen, ist es Fernheizung oder muß jedes Haus für sich geheizt werden?
5. Ist in Lüchow Gelegenheit zum Tennisspielen? -----
Über die Schulverhältnisse bin ich im Bilde. Meine beiden Kinder im Alter von 9 und 10 Jahren, müssen ja nach Salzwedel in die Schule. ----
In dem Antwortschreiben aus Lüchow vom 17. Februar 1940 ist folgendes zu lesen: ---- Die DRP erwirbt neben dem Schützenplatz ein über 4 Ha großes Gelände, das zunächst für 58 Wohnungen vorgesehen ist. Es werden 4, 8, und 10 Familienhäuser gebaut. Wann mit dem Bau begonnen werden kann, ist ganz unbestimmt. Ich rechne damit, daß jetzt in der Kriegszeit das Baumaterial hierfür nicht freigegeben wird. --
Zentralheizung, für die ich sehr gesprochen habe, hat das RPM abgelehnt, weil sie nach den derzeitig geltenden Bauvorschriften nicht genehmigt werden dürfen. --- Von den Bauten steht bisher noch nichts, noch nicht einmal die Grundmauern. Tennisplätze sind hier vorhanden und auch in der Siedlung vorgesehen. ---
Die Bauleitung für die Station hat sich ein nettes Einfamilienhäuschen neben dem Bahnhof Woltersdorf gemietet, in dem auch Platz für die Büroräume ist. Es liegt in einem schönen Park mit Garten, hat auch einen Teich, und eine Garage läßt sich bald Hinstellen. 20 Min. von der Station entfernt. Das wäre vielleicht etwas für Ihre ländlichen Wünsche, das Haus wird aber 5 Jahre lang für die Bauleitung belegt sein. ----
Der Mitarbeiter aus Berlin hat die Stelle in Lüchow nie angetreten.
Die Energieversorgung erfolgt über eine 15 kV Leitung von der Hannover - Braunschweigischen Stromversorgungs AG. Als Netzersatzanlage sind im Dieselhaus zwei Dieselaggregate von je 230 PS mit einer konstanten Leistung von 200 kVA vorhanden.
An Geräten und Antennen wurden bis zur Inbetriebnahme aufgebaut und angeschlossen:
30 Telefunken-Großstationsempfänger vom Typ E 459
14 Philips-Suchempfänger vom Typ CR 101
2 Ultrakurzwellenempfänger
14 Empfangsrhombusantennen
7 Rundantennen
Über Antennenwahlschalter konnte jede Antenne an jeden Empfänger geschaltet werden.
Durch einen Kabelanschluss vom Verstärkeramt Cheine an das Breitband-Kabel 503, Berlin - Hamburg, war die ÜFESt mit dem Fernkabelnetz der DRP verbunden.
Durch den Kriegsverlauf musste der kommerzielle Überseefunkdienst, sowohl für Telegrafie als auch für Sprechfunk immer mehr eingeschränkt werden. Die meisten Überseestaaten befanden sich mittlerweile mit Deutschland im Kriegszustand. Mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg kam das endgültige Aus für den Betrieb durch die DRP.
Von der Marine war erkannt worden, dass sich die Anlage vorzüglich für deren Belange eignet. Von der Marine Peilhauptstelle (MPHS) Ahlbeck wurden Marinefunker und Marinefunkerinnen von Ahlbeck nach Lüchow abkommandiert. Die ÜFESt Lüchow war nun nicht nur mit dem Haupttelegrafenamt, dem Überseeamt im Fernamt Berlin, sondern auch mit der Marine in Ahlbeck, dem BDU in Lanke und Wilhelmshaven durch Kabelleitungen verbunden.
Von den Empfängern wurde nun der Funkverkehr der gegnerischen Flotten abgehört und Funksprüche von in entfernten Seegebieten operierenden Schiffen und U Booten aufgenommen.
Durch den Kriegsverlauf war das B-Netz der Marine-Funkaufklärung ständig geschrumpft. Hatte man bisher Horchstellen vom Nordkapp (Kirkenes), bis auf Sizilien (Taormina), vom Atlantik (Brest) bis zum Schwarzen Meer (Konstanza, Eupatoria) und an der gesamten Nord- und Ostseeküste ( Brügge, Groningen, Flensburg, Arkona, Pillau, Reval, um nur einige Standorte zu nennen ) betrieben, so musste man sich nun auf das Reichsgebiet beschränken. Durch das Vordringen des Gegners gingen zahlreiche Stützpunkte verloren. Mit diesen Verlusten kam es zu erheblichen Einbußen bei der Nachrichtenbeschaffung aus dem Äther für die operative Planung. Die ÜFESt wurde als wie geschaffen für die Aufnahme der Marine Peilabteilung Pommern angesehen. Teile der Marine Peilabteilung Pommern richteten sich ab dem 17. Februar 1945 notdürftig im Gebäude ein und verrichtete bis zum 12. April ihren Dienst. Die Empfangsselle wurde offiziell am 8. April 1945 von der DRP an die Marine abgegeben, da mit dem Ausland, außer Japan, praktisch kein Nachrichtenaustausch mehr stattgefunden hat.
Die Empfangsantennen der ÜFESt
Die Marine Peilabteilung Pommern wurde ab dem 8. April 1945 in Marine Peilabteilung II umbenannt. Kommandeur war Korv. Kpt. Dr Blunck. Am 12. April 945 standen die amerikanischen Panzerspitzen der 5. US-Panzer-Division von Wittenberge bis Tangermünde an der Elbe. Die Kabelverbindungen zur ÜFESt wurden unterbrochen. Die Verstärkerämter für das Kabel 503, Kleinau und Jarchau wurden besetzt. Am 14. April kappten die Amerikaner in Cheine den Anschluss zur ÜFESt. Sowohl die letzten Postbeamten, als auch die Marinefunker stellten ihren Dienst ein. Die Marine Peilabteilung II zog nordwärts in Richtung Neumünster und Flensburg ab. Sie hinterließ einen großen Teil ihrer technischen Einrichtungen, die man zusätzlich zu den Anlagen der Post eingebaut hatte.
Das noch anwesende Personal der DRP, welches zum Teil aus Beelitz abgestellt war, ist mit Lastkraftwagen in Dömitz über die Elbe gefahren, um nach Beelitz zu den Familien zugelangen.
Die Großstationsempfänger wurden durch Ausbau von Teilen unbrauchbar gemacht. Die ausgebauten Teile hat man teilweise mitgenommen.
Amerikanische Panzergrenadiere und Panzer mit aufgesessener Infanterie
Die amerikanischen Panzerspitzen standen zwar schon seit dem 12. April 1945 am Westufer der Elbe, haben aber erst ab dem 21. April damit begonnen den Landkreis Lüchow-Dannenberg zu besetzen. Der Stab der 5. US-PD verlegte am 20. April in die Fallschirmjäger Kaserne auf dem Fliegerhorst in Salzwedel und leitete von dort die Besetzung. Lüchow kapituliert nach dem Beschuss durch Artillerie am 22. April kampflos. Einen Tag später standen die amerikanischen Panzer vor Dannenberg. Die Stadt wurde in den frühen Morgenstunden des 23. April übergeben. Erbitterte Kämpfe hat es in um das Dorf Zadrau, etwa 7 km südöstlich von Dannenberg, gegeben. Dort hatten sich sehr junge Soldaten verschanzt. Weitere verlustreiche Kämpfe hat es um den Höhbeck, einem Höhenzug bei Gartow, gegeben. Der Kampf tobte drei Tage, dann setzten sich die letzten deutschen Soldaten am 26. April über die Elbe ab. Dort, wo sich heute Touristen erholen, verloren im April 1945 168 Soldaten ihr Leben. Eine Entdeckung besonderer Art machten die Kommandos der 5. US-PD am 23. April in Neu Tramm. Sie stießen auf die unversehrte Fertigungsstätte für V 1 Flugkörper. Neben hunderten fertig montierter Flugbomben, fand man dort auch 54 bemannte Flugkörper V 1, "Reichenberg". Diese Produktionsstätte war den Alliierten bisher unbekannt. Im März 1944 hatte man in Neu Tramm, unter strengster Geheimhaltung, mit der Montage von V 1 Flugbomben begonnen.
Am 23. April gegen 12.30 Uhr erschien die erste amerikanische Einheit, bestehend aus 5 Panzerspähwagen und 2 Sherman-Panzer an der ÜFESt. Der führende amerikanische Oberleutnant besichtigte die Station, zog dann aber mit seiner Truppe weiter. Im Laufe des Tages kamen noch sieben weitere amerikanische Kampfgruppen vorbei, die aber alle kein Interesse zeigten. Am 24. April erschien dann unter Führung eines Sergeanten eine Wachmannschaft von 13 Amerikanern.
Bereits am 26. April hat man das Dienstgebäude zum Lager für russische Zwangsarbeiter beiderlei Geschlecht und Alter umfunktioniert.
Der Dienststellenleiter, Postamtmann Schlange berichtet darüber: Nach und nach trafen etwa 250 Personen ein. Innerhalb vier Wochen wechselte die amerikanische Besatzung vier Mal. Sämtliche auf der ÜFESt lagernden Sachen von bombengeschädigten Personen der DRP und unzählige zurückgelassene Marine-, Privatkoffer und Kisten wurden beschlagnahmt. Sie wurden geöffnet und alle brauchbaren Sachen an die einsitzenden russischen Flüchtlinge verteilt. Zwecks Unterbringung der Russen wurden sämtliche in den Diensträumen befindlichen Dienstmöbel in den großen Empfängersaal geschafft. Von der technischen Einrichtung wurden beschlagnahmt und weggeschafft: 22 Empfänger SFR RU 93, etwa 10 Philips-Kurzwellenempfänger, 2 Maschinen, mehrere Messinstrumente, fast das gesamte Werkzeug einschl. des Schweißapparates und sämtliche elektrische Bohrmaschinen. Dazu Ersatzteile, Röhren usw., Birnen in großen Mengen. Es herrschte ein ziemliches Durcheinander. Das sonstige Verhalten der Bewachungstruppe war sehr gut; das der Russen befriedigend.
Etwa um den 20. Mai wurden die russischen Zivilarbeiter nach Salzwedel in das auf dem Flugplatz eingerichtete Sammellager verlegt. Es verblieben nur vier amerikanische Solldaten zur Bewachung. Ende Mai oder Anfang Juni zog auch diese Truppe ab und die Station wurde von den einziehenden Briten übernommen, die das Gebäude als Kaserne für die B Company 8. Btl. Middlesex Regiment einrichtete. Diese Einheit verblieb bis zum 16. Februar 1946 auf dem Gelände und zog dann nach Lüchow.
Empfängerraum mit handbedienten Empfängern
Im Laufe der Zeit wurden die technischen Einrichtungen der ÜFESt sehr oft von britischen Spezialisten besichtigt und viele Geräte abgebaut. Die beiden Dieselaggregate von 230 PS wurden nach Hannover und Dortmund in die dortigen Verstärkerämter gebracht. Teile der noch vorhandenen Empfangsanlagen wurden nach Hamburg und zur PD Hannover abgegeben.
1946 übergab die Militärregierung das Gebäude der ÜFESt dem Landkreis Dannenberg, um dort Flüchtlinge unterzubringen. Nach einer im März 1946 stattgefundenen Besprechung zwischen dem Abt. Präs. Hain von der PD Hannover, dem Landrat Scheer und Capt. Büchler von der Mil. Reg. in Dannenberg sollte das Gebäude auf 3 Jahre an den Landkreis vermietet werden. Vorgesehen war die Unterbringung von etwa 100 Flüchtlingen. Wegen der abgelegenen Lage findet das Gebäude wenig Zuspruch und es fanden sich bis Mai 1946 nur 30 Personen ein.
Bereits Ende Mai 1946 erfolgte von der Reichspostdirektion die Anordnung, dass die ÜFESt wieder als Funkstelle für die britische Zone eingerichtet werden soll. Andererseits wurden weiter Anlagen abgebaut und fortgeschafft. Außerdem entstand der Plan zur Einrichtung einer Fernmeldeschule und es wurden umfangreiche Umbauarbeiten begonnen. Dieser Plan wurde 1947 endgültig aufgegeben und man begann im Juli erneut mit dem Ausbau als Funkempfangsstelle. Am 17. 12. 1947 wurde der Probebetrieb mit Rio de Janeiro aufgenommen. Die für einen zweiseitigen Nachrichtenaustausch erforderliche Sendefunkstelle lag nördlich von Hamburg bei Elmshorn. Mit dem Bau dieser KW Sendestelle hatte man 1941 begonnen. Das Sendehaus I war Anfang 1943 soweit fertig gestellt, dass man mit dem Einbau der Sender beginnen konnte.
Bis man mit dem Empfang der ersten Sendung aus Übersee beginnen konnte, mussten unsägliche Schwierigkeiten überwunden und improvisiert werden. Brauchbares Material und Gerät wurden in der gesamten Britischen Zone durch Mitarbeiter der Post zusammengesucht und nach Lüchow geschafft. Bei den Empfangsgeräten musste auf Wehrmachtsausrüstung zurückgegriffen werden. Die ersten Antennen wurden aus Holzmaste gestückelt. Für den Anschluss der Rhombus-Antennen fand das nicht mehr benötigte Seekabel nach Helgoland Verwendung. Helgoland wurde damals von der Airforce als Zielgelände für Bombenabwürfe benutzt. Die Bevölkerung musste die Insel verlassen. Das Verlegen der Kabel auf dem Gelände war sehr personalaufwändig, man benötigte bis zu 20 Mann für 100 m Kabel.
Wegen der inzwischen vollzogenen Teilung Deutschlands mussten für die Weiterleitung der empfangenen Sendungen neue Wege gefunden werden. Die alte Verbindung zum HTA (Haupttelegrafenamt) nach Berlin bestand nicht mehr. Die ÜFESt war durch einen Abzweig in Cheine mit dem Fernkabel 503 Berlin - Hamburg verbunden gewesen. Dieses Kabel lag in der Sowj. Besetzten Zone und wurde, wie alle Breitband-Kabel, in der SBZ nach dem Krieg als Reparationsleistung demontiert. Es mussten zur ÜFESt neue Fernsprech- und Fernschreibleitungen gelegt und geschaltet werden. Die Reichspost in den Westzonen hatte von den Besatzungsmächten sehr schnell den Auftrag bekommen, eine leistungsstarke Nord- Südverbindung herzustellen. Dazu hat man die in den Westzonen liegenden Kabelenden der Breitbandkabel 503 (Berlin - Hamburg), 509 (Berlin - Hannover, ausgelegt aber noch nicht in Betrieb) und 504 (Berlin - Frankfurt) geschwenkt und eine Verbindung Hamburg - Masendorf - Hannover - Hann. Münden - Frankfurt geschaffen. An dieses Kabel wurde die ÜFEST durch eine Querverbindung angeschlossen.
Besondere Verdienste während dieser Aufbauphase hat sich der damalige technische Leiter, Telegrafen- Inspektor Wilhelm Busch erworben.
In den nachfolgenden Jahren wurde die Station ständig erweitert. Ende 1947 umfasste die Belegschaft 22 Kräfte. 1949 war die Belegschaft bereits auf 120 Angestellte angewachsen. Ebenso ist die Entwicklung der Ausrüstung an Empfängern und Antennen. Eine neue Netzersatzanlage, bestehend aus einem 75 PS und einem 265 PS Dieselgenerator (148 kVA), verbunden mit 220 V Akkumulatoren-Batterien (2 X 576 Ah), sind Installiert worden.
Netzersatzanlage ( alt) wurde nach dem Kriege abgebaut
Netzersatzanlage neu etwa 1968 ( Fotograf unbekannt)
Entsprechend war die Entwicklung der Verbindungen. 1948 bestanden bereits mit 7 Überseestationen ständige Verbindungen. Die Zahl der Telegramme stieg auf ca. 1 500 wöchentlich. Ein Jahr später wurden bereits 3 500 Telegramme wöchentlich empfangen. Es bestanden Verbindungen mit Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Peru und Japan. Mit dem politischen und wirtschaftlichen Aufbau der BRD stiegen 1950 auch die mit dem Ausland benötigten Funklinien, zu den bestehenden Linien treten neue hinzu. Die Zahl der wöchentlich übermittelten Telegramme verdreifacht sich.
In den Jahren 1951 bis 53 wurden die angewandten Betriebsverfahren grundlegend geändert. Es erfolgte der Übergang vom Morseverkehr zum Funkfernschreibverkehr. Dadurch wurde die Bearbeitung der ein- und auslaufenden Überseetelegramme bei der ÜFESt Lüchow überflüssig. Der Restbetrieb für die Morseübertragung wurde ab dem 25. Mai 1953 zum TA Hamburg verlegt. Ein großer Teil der hochqualifizierten Mitarbeiter wurde nach Hamburg und zu anderen OPDn versetzt. Die Bedienung der neuen Generation von Empfangsgeräten, wurde teilweise von Frauen übernommen. Die Belegschaftsstärke von 217 sank auf 86 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Am 1. April 1952 wurde aus der ÜFESt ein selbständiges Funkamt, Amtsvorsteher war der Post Rat Heuser. Bis zum Jahresende 1952 bestanden 14 feste Verkehrsverbindungen.
Durch weitere Modernisierungen und Errichtung neuer Antennen, wurde die Kapazität bei gleichzeitiger Reduzierung des Personals ausgebaut. 1955 wurden mit einer Belegschaft von 55 Kräften 66 Auslandskanäle von 24 Empfangsfunklinien betreut.
Die Auslandskanäle teilen sich wie folgt auf:
45 Telegrafiekanäle
13 Telephoniekanäle
6 Bildfunkkanäle
1 Rundfunkkanal
1 Sonderfunkkanal
Am 3. Oktober 1955 wurde das Funkamt Lüchow aufgehoben und die ÜFESt als Abteilung dem FA Uelzen unterstellt.
Blick in den Empfängerraum der ÜFESt Lüchow
Blick in den Empfangsraum der ÜFESt Lüchow (Fotograf unbekannt)
Während der Reise vom Bundeskanzler Konrad Adenauer, im August 1955 nach Moskau, wurde über die ÜFESt eine Bildfunk- und Fernsprechverbindung nach Moskau eingerichtet.
Von 1957 bis 62 vollzog sich durch die Einführung eines verbesserten Telegrafieverfahrens mit automatischer Fehlerkorrektur, der Übergang zu Telex-Fernschreibverbindungen. Ein weiterer Technologie Schub erfolgte durch den Aufbau neuer Antennen und Empfangsanlagen von 1963 bis 66. Von der ÜFESt wurden zeitweise bis zu 30 Funklinien mit weit über 100 Funkkanälen zu überseeischen Ländern betrieben. Durch Rationalisierung wurde der Personalbestand kurzzeitig auf 45 Kräfte gesenkt.
Während der Olympischen Spiele 1964 in Tokio, wurde das Seekabel für die Übertragung, bei Hawaii beschädigt. Da eine weitere Rundfunkübertragung auf dem Kabelweg nicht möglich war, wurde von der ÜFESt kurzfristig die gesamte Rundfunkübertragung auf Kurzwelle für Europa übernommen. Die Übergabe auf Kabel erfolgte in Hamburg, was dort schon zuvor vom Seekabel geschehen war.
Im Juni 1966 wurde mit der Ausbildung von 12 Frauen für die Funkwetterbeobachtung begonnen. Im Dezember des gleichen Jahres erfolgte die Verlegung der Funkwetter-Beobachtungsstelle Detmold nach Lüchow, was einen Anstieg des Personals mit sich brachte.
Mit der Inbetriebnahme neuer Überseekabel und Einführung des Satellitenfunks, verloren die Übersee-Verbindungen über Kurzwelle zusehends an Bedeutung. Es kommt zur Einstellung einiger Verbindungen nach Nord-, Mittel- und Südamerika. Wegen einer Störung am Satelliten "Intelsat III" wurden einige Linien nach Brasilien zeitweise wieder über Kurzwelle betrieben.
Auf Grund der zurückgehenden Kurzwellenverbindungen mit Übersee, wurde vom BPM die Auflösung der zweiten KW Empfangsfunkstelle der OPD Frankfurt in Eschborn angeordnet. Im Rahmen der Zentralisierung wurden die von Eschborn betreuten Linien (Kabul, Athen, Bagdad, Teheran, Beirut, Monrovia, Bukarest, Kairo, Djidda und Addis Abeba) am 27. Juli 1969 von der ÜFESt übernommen.
Mit dem Übergang zur Übertragung durch Satellit, wurde als Standort für eine zentrale Empfangsanlage auch das Gelände bei Lüchow überprüft. In Deutschland war die Auswahl für die Errichtung der Erdefunkstelle nicht einfach. Lüchow war sowohl Topografisch, als auch Geografisch nicht geeignet. Nach umfangreichen Untersuchungen hat man den Ort Raisting, südlich des Ammersees in der "Raistinger Wanne" als geeignet befunden, was sich als zweckmäßig erwiesen hat.
Empfangsraum um 1970 ( Fotograf unbekannt)
Trotz des abzusehenden Endes des KW Überseefunks, wurden bis zur endgültigen Stilllegung 1988 noch weitere Modernisierungen durchgeführt. In einer Prognose zur voraussichtlichen Nutzung der KW für den Überseefunkdienst, stellte das Fernmeldetechnische Zentralamt am 4. März 1971 fest, dass mit dem Übergang auf Satellitenfunk und Kabelübertragung ab 1975 noch etwa 9 Funklinien betrieben werden. Diese Einschätzung hat sich als zutreffend erwiesen. Die bei der ÜFESt beschäftigten Postbeamten wurden zu anderen Dienststellen versetzt, oder gingen wie der letzte Betriebsleiter OAR Burdack in den Ruhestand.
Mit dem Aufbau des Atom-Endlagers Gorleben, verbunden mit massiven Demonstrationen durch Atomgegner, wurde vom Innen Ministerium an das Bundespostministerium die Bitte gestellt, auf dem nur teilweise genutzten Gelände der ÜFESt eine Hundertschaft der Polizei dort unterzubringen. Zu diesem Zweck wurden auf einer Freifläche von 950 m 2 neben dem Betriebsgebäude Baracken errichtet. Im Frühjahr 1979 zogen die ersten Polizeikräfte ein. Da auch im Hauptgebäude immer weniger Räume von der Post genutzt wurden, erfolgten umfangreiche Umbauten und das Gebäude wurde Zug um Zug durch Polizeikräfte belegt. Die Funkwetterbeobachtung war inzwischen von Lüchow nach Utlandshörn verlegt worden. Die Unterbringung der Polizeikräfte auf dem Gelände der ÜFESt war trotz aller Umbauten nur ein Provisorium. Man hat am Stadtrand von Lüchow, an der B 248 Richtung Salzwedel, 1985 mit dem Neubau einer Polizeiunterkunft begonnen. Dieser Komplex war 1987 fertig gestellt und die Polizeikräfte haben zum Ende des Jahres die ÜFESt verlassen.
Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass Gorleben als Atom-Endlager nicht geeignet ist und die dort inzwischen eingetroffenen und zwischengelagerten Castoren mit hochradioaktivem Atommüll irgendwann wieder abtransportiert werden müssen, wenn in Deutschland ein sicheres Endlager gefunden ist.
In Anzeigern und Zeitungen, wie der Elbe - Jeetzel - Zeitung, Lüneburger Tageblatt, Hannoversche Allgemeine, Frankfurter Allgemeine, usw. wurde das Gelänge ab dem 9. Januar 1988 zum Kauf angeboten. Inzwischen hat das Betriebsgebäude mehrfach den Besitzer gewechselt und wurde zu unterschiedlichen Zwecken genutzt. Die Palette reicht von Seminare und Wochenendschulungen für EDV Verfahren, über die Unterkunft für Asylbewerber, mit anschließendem Lehrstand, bis zu einem kleinen Betrieb.
Die Antennen wurden 1989 - 90 durch die Firma Bade und Sohn, Lüchow abgebaut und das Land in seinen ursprünglichen Zustand wieder hergestellt. In Gelände zeugen nur wenige Antennenfundamente von der früheren Nutzung. Spätere Generationen werden sich kaum noch daran erinnern, dass sich in diesem Gebiet über 50 Jahre eines der interessantesten Kapitel der Funkgeschichte Deutschlands abgespielt hat.
Lüchow, Wilhelm Bornemann
Die Damen vom Wetterfunk an ihren Geräten
Messplatz (Fotograf unbekannt)
Vorderansicht des Empfangsgebäudes (Fotograf unbekannt)
Noch etwas zu diesem Standort: Baracken für die Polizeibereitschaft bei Einsätzen zu Atom-Transporten in das vorgesehene Atomendlager Gorleben. Nach neueren Erkenntnissen ist Gorleben als Endlager für hochradioaktiven Müll nicht geeignet .
jetzt geht es los ...bitte schauen sie am 12.1.25 rein
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