Ersatz von AD1 durch AL4 bzw. AL5

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Ersatz von AD1 durch AL4 bzw. AL5 
04.Mar.19 12:34
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die End-Triode AD1 wurde für relativ kurze Zeit als Lautsprecher-Röhre für damalige HiFi-Geräte, wie z.B. bei der Kammermusik-Schatulle 76W von Siemens 1937 verwendet.

Eine schaltungstechnische Neuerung war zu dieser Zeit das Aufkommen der Gegenkopplung im Radio. Das hatte zur Folge, daß der "Trioden-Klang" nun auch mit Penthoden in der Endstufe erreichbar war. Dadurch wurde die AD1 mit ihrer Erfordernis einer recht hohen Steuerspannung am Gitter durch Penthoden wie die AL4 bzw. AL5 (später EL11 bzw. EL12) ersetzbar.

Das Prinzipschaltbild

Eine "Technische Information", hier allerdings noch aus der Kriegszeit, als Röhren sowieso knapp waren, zeigt wie eine AD1 durch eine AL4 ersetzt werden kann. Die AD1 war damals praktisch nicht mehr beschaffbar.

Bild 1.1 Industrieschaltbild: Ersatz der AD1 durch die AL4: Die Gegenkopplung ist hervorgehoben.
 

Die Ausgangskennlinien

Die Ausgangskennlinien von Trioden sind steiler, als die von Penthoden. Trioden haben folglich einen
geringeren Innenwiderstand als Pentoden. Auch sind die Kennlinien als Funktion der Steuerspannung am Gitter bei Trioden gleichmäßiger von einander entfernt als das bei Penthoden ist, Bild 1.2.
Im Kennlinienfeld der Penthode sind die fast horizontalen Ausgangskennlinien der nicht gegengekoppelten Röhre gestrichelt gezeichnet, während die sich durch die Gegenkopplung ergebenden steileren Ausgangskennlinien durchgezogen gezeichnet sind. Weiterhin ist erkennbar, wie gleichmäßig die Abstände der Ausgangskennlinien der Penthode infolge der Gegenkopplung nun geworden sind. (Diese Kennlinien infolge Gegenkopplung sind nur für die 6L6 aus der Literatur bekannt. Der Unterschied zur AL4 oder AL5 dürfte nur minimal sein.) Man hat somit durch die Gegenkopplung nun auch bei Verwendung einer Penthode Verhältnisse wie bei einer Triode.

 

Bild 1.2: Die Ausgangskennlinien der AD1 (links) und einer Penthode (6L6, rechts)

Während bei der (üblichen) Betrachtung der Gegenkopplung das Augenmerk auf der Reduzierung der nichtlinearen Verzerrungen, der Änderungen der Ein- und Ausgangswiderstände, sowie der Vergrößerung der Bandbreite gelegt wird, ist hier die Änderung im Ausgangskennlinienfeld der gegengekoppelten Penthode von Interesse. Dieses zeigt nun sehr große Ähnlichkeiten mit dem Ausgangskennlinienfeld einer Triode.

Gegentakt-Endstufen

Zur Erzielung größerer Sprech-Leistungen wurden Gegentakt-Endstufen verwendet. Bei exakt symmetrischer Realisierung einer solchen Endstufe kompensieren sich alle Nichtlinearitäten gerader Ordnungszahl, was eine weitere Verbesserung des Klangs ergibt.
 

Die Endstufen bei Blaupunkt 7W77 und 9W78

Das Gerät 9W78, zu dem es nur sehr wenige Informationen gibt, soll sehr ähnlich zum 7W77 sein. Vom 7W77 ist ein Schaltbild bekannt und es zeigt 2 AD1 im Gegentakt. Aufgrund von Fotos vom 9W78 ist jedoch bekannt, daß hier in der Endstufe 2 AL5 im Gegentakt zur Anwendung kommen.
(Das betrifft das unter "Blaupunkt" vertriebene Gerät 9W78. Im Unterschied dazu gibt es ein Typ-gleiches Gerät 9W78 von "Point Bleu, das nach wie vor eine Gegentakt-Endstufe mit 2 Stück AD1 hat.)

Interessant ist, daß die Chassis beider Geräte aus 2 Teil-Chassis bestehen, die zusammen-gepunktet sind. Ein Teil-Chassis trägt die Empfangs-Einheit, während das andere Teil-Chassis die Gegentakt-Endstufe und das Netzteil trägt. Ferner ist das Empfangs-Chassis beider Geräte fast identisch. Hier wurde beim 9W78 nur im Zwischenfrequenzbereich die AF3 durch die EF11 ersetzt – und das bis auf eine Zusatzwicklung zur Heizung - ohne Änderung der Schaltung.
Das nächste Bild zeigt die Endstufen von 7W77 (links) und 11W78 (rechts) im Vergleich. Die Endstufe des 9W78 entspricht der des 11W78. [Der Empfangsteil des 11W78 ist komplett mit Stahlröhren bestückt.]

 

Bild 2.1: Die Endstufe des 7W77 mit der AD1 (links) und die Endstufe des 11W78 mit der AL5 (rechts) [Ausschnitte ART Schaltbilder]

Die hier gewählte Art der Gegenkopplung bei der Schaltung mit der AL5 hat als Nachteil, daß die Gegenkopplung zwar von der Ausgangsspannung abgegriffen wird, dann aber durch die Einspeisung am "oberen Ende" des Treibertrafos auf eine Summierung der Ströme führt: i_3 = i_1+i_2
(Ströme und Spannungen in Kleinbuchstaben: nur Wechselgrößen.)

Da der Strom i_1 gegenphasig zum Strom i_2 aus dem Treibertrafo ist, muß folglich i_2 betragsmäßig um |i_1| größer werden, damit der Strom i_3 übrig bleibt, der über den Spannungsfall an 50 kΩ die Steuerpannung u_g am Gitter der AL5 bilden kann.

Durch die Vergrößerung des Stroms i_2 infolge der Gegenkopplung sieht die Treiber-Röhre (AC2) nun einen stark reduzierten Arbeitswiderstand.

 

Bild 2.2: Ströme und Spannungen im Gegenkopplungs-Zweig der AL5

Für die untere AL5 ergeben sich identische Verhältnisse, die nicht extra in der Graphik dargestellt sind.

 

Die Endstufen bei AEG 108WK und 97GWK

Eine diesbezüglich günstigere Lösung wurde bei AEG bzw. Telefunken gewählt. In den Geräten AEG 108WK bzw. 97GWK oder den baugleichen von Telefunken T8001WK bzw. T8000GWK wird die Gegenkopplung auf den "kalten" Punkt der (beiden nun getrennten) Sekundärwicklungen des Treiber-Trafos geführt, Bild 2.3. Der Treibertrafo ist dadurch sekundärseitig ohne zusätzliche Belastung infolge der Gegenkopplung.
Die Rückführung der Gegenkopplung auf den Fußpunkt der Sekundärwicklung des Treibertrafos entspricht (eigentlich) dem damaligen Stand der Technik.
{In Bild 1.2 (rechts oben in Bild 66.) ist die Gegenkopplungsschaltung (bei der 6L6) gezeigt. Auch hier wird auf den "Fußpunkt" der Eingangsspannung gegengekoppelt.}
Bei Gegentaktschaltungen bedingt das jedoch die Unterteilung der Sekundärwicklung in zwei getrennte Hälften. Eine Verwendung eines "normalen" Gegentakt-Treiber-Trafos (mit einer Sekundärwicklung mit Mittelanzapfung) ist also nicht möglich.

Bild 2.3: "Ersatz" der AD1 durch die CL4 bei AEG bzw. Telefunken (Ausschnitte aus ART Schaltbildern)
 

Nachtrag:

In "Newitt, J.H.: High Fidelity Techniques, Rinehart, 1953"  findet sich ein Diagramm zu typischen Intermodulationsverzerrungen von Gegentakt-Verstärkern (PP: push-pull).

Die darin zitierte Triode 2A3 (Kurve 4) ist ähnlich zu der AD1. Kurve 3 gehört zur 6L6, deren Kennlinienfeld in Bild 1.2 (Abb. 66) dargestellt ist.

MfG DR

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