Fernsehen in Berlin Extrablatt vom 9.März 1929
Fernsehen in Berlin Extrablatt vom 9.März 1929

Am 8. März 1929 wurden über den Rundfunksender Berlin-Witzleben (1,7 kW Sendeleistung, Frequenz 641 kHz) die ersten Fernsehbilder abgestrahlt. In der Berliner Presse hat man in einem Extrablatt vom 9. März 1929 über die erste ausgestrahlte "Fernsehsendung" in der Nacht vom 8. auf den 9. März (23.10 Uhr bis 0.30 Uhr) berichtet.
Nochmal als Abschrift:
Fernsehen in Berlin geglückt !
Gestern die ersten erfolgreichen Versuche. - Wie das Programm aussehen wird.
Manchem Rundfunkteilnehmer wird es aufgefallen sein, daß gestern im Lautsprecher außerhalb der offiziellen Sendezeiten ein lärmendes Knattern, das in der Tonlage hin und her schwankte und einem Wechselstromgeräusch glich, zu hören war.
Diese geheimnisvolle Zeichen bedeuten die ersten praktischen Versuche des Fernsehens nach dem System Mihaly, die die Reichspost in aller Stille vorgenommen hat.
Die langwierigen Laboratoriumsversuche sind jetzt zu einem gewissen Abschluß gekommen und für die Durchführung im Rundfunkbetrieb reif geworden; die letzte Etappe in der Entwicklung ist erreicht.
Die beweglichen Bilder sind an den verschiedendsten Stellen der Stadt empfangen worden, und durchweg sind diese einwandfrei, klar und unverzerrt zum Vorschein gekommen.
Man hat sogar in England jenes charakteristische Geräusch aufgenommen und dasselbe sofort als Fernsehsendungen festgestellt. Jeder, der also im Besitz eines Fernsehapparates ist, kann ohne weiteres die Versuchssendungen des Witzlebener Senders in seinen eigenem Heim sichtbar machen; verschiedene Amateure haben bereits ihre Beobachtungen an provisorischen Geräten mitgeteilt.
Witzlebener Funkturm mit Ausstellungshalle 1930
Damit steht Deutschland an erster Stelle auf dem Gebiete des Fernsehens. In anderen europäischen Ländern sind die Versuche gescheitert, sogar in England, das sich infolgedessen mit feststehenden Bildern begnügt-
Man ist bei den augenblicklichen Versuchen auch schon über die Durchführung des Sendeprogramms im Klaren.
Da die Rundfunkteilnehmer tagsüber im allgemeinen ksum Zeit dszu aufbringen können, sich Tagesereignisse anzusehen, werden Rundfunkreporter in aller Welt wichtige Begebenheiten filmen und an ihre Sendestationen weitertelegraphieren, die dann in einer Abendstunde den Ablauf der Tagesereignisse in gedrängter Reihenfolge dem Hörer übermitteln wird.
Die direkten Übertragungen haben, wie man vom Hörfunk her weiß, den Nachteil, daß es neben spannenden Momenten stets "tote Punkte" gibt, die der Sprecher nur mühsam auszufüllen vermag. Der Film gibt die möglichkeit , langweilige und uninteressante Stellen auszuschneiden und nur Aktuelles und tatsächlich Sehenswertes zur Vorführung zu bringen.
Gleichzeitig ist auch das Problem der Heimkinos gelöst. Jeder Unterhaltungsfilm kann bereits zur Premiere im Studio des Senderaumes abrollen und dann von Millionen zu Hause im Klubsessel angesehen zu werden.
Auch das Fernsehen auf der gewöhnlichen Telephonleitung ist nunmehr möglich geworden, und so kann man z.B. in München die Opern, die bekanntlich den Fernsprechteilnehmern übermittelt werden, auch durch Telephon sichtbar machen.
Welche kulturellen Umwälzungen, Umstellungen im gesamten Gesellschafts- und Wirtschaftsleben die Einführung des Fernsehens zur Folge haben wird, läßt sich heute noch gar nicht übersehen. Fritz Winkel
Mit der Entwicklung des Fernsehens durch die Reichspost ging es zielgerichtet weiter
1932 nimmt die Reichspost einen 16 kW Telefunken-Fernsehsender in Betrieb
Was nützt aber der beste Sender, wenn die Empfänger fehlen, so schnell wie es Fritz Winkel prognostizert hat, ging es leider nicht. Verschiedene Hersteller entwickelten jedoch Empfänger.
Hier ein Lorenz- Empfänger Baujahr 1936
Zumindestens seit 1934 gab es jedoch auch charmante Ansagerinnen: Ursula Patschke (links ) und Annemarie Beck (rechts) Foto: Quellenvermerk "Museumsstiftung Post und Telekommunikation" Berlin
Der Sender Berlin-Witzleben sendete nun auf Frequenzen 40,300 MHz (Bild) und 42,493 MHz (Ton).
Die DRP hielt es 1935 für an der Zeit, dieses neue Medium einem größeren Publikum vorzustellen und man richtete am 22. März 1935 in den Räumen des Reichspostmuseums in Berlin die erste öffentliche Fernsehstelle ein.
Zum ersten großen Höhepunkt kommt es 1936. da findet die Sommerolympiade in Berlin statt. Am 1. August geht es los . Insgesamt drei Aufnahmestellen hat die Reichspost geplant;
Eine schwenkbare Ioniskopkamera stand im Olympiastation unter der Ehrentribüne. Eine weitere Kamera war im Schwimmstadion ( Sommerbadolympiastadion ) stationiert und die dritte, eine Farnsworth-kamera an der Marathonstrecke. Diese machte jedoch nur bei entsprechender Helligkeit ( Sonnenschein ) vernünftige Bilder.
Von diesen Standorten ging es über Breitbandkabel zum Fernsehstudio der Deutschen Reichspost in der Rognitzstraße 9,
Foto: Quellenvermerk "Museumsstiftung Post und Telekommunikation" Berlin: Gedenktafel am Gebäude Rognitzstraße 9 ( vor der Renovierung ).
welches seit März 1934 sufgebaut und genutzt wurde. Hier zu sehen ist ein Kameramann der Deutschen Reichspost bei der Aufnahme von Direktfernsehbildern mit einer Zwischenfilmkamera während der Olympischen Spiele1936 in Berlin. Foto,Museumsstiftung für Post und Telekommunikation Berlin
Im Studio Rognitzstraße 9 wurde das Programm abgemischt und über den Sender "Paul Nipkow" in etwa 60 km Umkreis gesendet.
Insgesamt über 50 Fernsehstuben in Berlin und Potsdam empfingen bereits diese Olympiaübertragungen vom Berliner Sender. Die "Genickstarre" war wohl ein häufiger Effekt.
Foto,Museumsstiftung für Post und Telekommunikation Berlin
Dazu kamen einige private Fernsehbesitzer und auch Amateure.
Das FK502 wurde weiter verlegt von Leipzig nach Nürnberg. Die Strecke sollte über München mit Abzweig Obersalzberg, bis nach Wien aufgebaut werden. Speziell Jürgen Bauch hat dazu umfangreich recherchiert
Auch zu dem FK503, Berlin- Hamburg. Dazu, zu einem Verstärkeramt, plane ich einen gesonderten Artikel. Über dieses Fernkabel wurde auch die Kommunikation mit Kalbe , dem Längstwellensender Goliath, dem stärksten U-Boot-Sender der Welt, nordöstlich von Kalbe/Milde, abgewickelt.
Ein weiteres Fernkabel FK 504 wurde von Berlin zum Feldberg verlegt mit Abzweig zum Brocken. Auf dem Brocken selbst wurde ein Fernsehsender aufgebaut und auch in Betrieb genommen. Der Beginn des 2. Weltkrieges machte hier ein jähes Ende. Die Denkweise war damals, je höher der Sender umso größer die erzielbare Reichweite....aber lesen Sie mit einem Klick!
Fernsehen für den Bürger
Als Ergebnis dieser Strahlungsversuche wurde 1936 mit dem Bau eines Fernseh-Sendeturms auf dem Brocken begonnen. Vom April bis Juni 1939 wurde vom Brocken behelfsmäßig ein eigenes Programm ausgestrahlt. Das Berliner Programm konnte der Sender noch nicht übernehmen, weil das Fernsehkabel zum Abzweig Braunlage des Breitbandkabels (504) Berlin – Frankfurt / Main noch nicht fertiggestellt war.
Auf der 15. Großen Deutschen Rundfunkausstellung 1938 in Berlin wurden von der C. Lorenz AG neben Funk- und Rundfunktechnik auch Fernsehgeräte und Fernsehröhren ausgestellt.
In den Technischen Hausmitteilungen der Lorenz AG vom Dezember 1938 schreibt der Leiter des Fernsehlaboratoriums M. Messner: Im Anbetracht der bevorstehenden allgemeinen öffentlichen Einführung des Fernsehens in Deutschland brachte Lorenz zur Funkausstellung 1938 einen besonders sorgfältig durchentwickelten neuen Fernseh-Heimempfänger heraus. (1936 hatte Lorenz bereits einen solchen Heimempfänger, allerdings mit kleinerer Bildröhre, ausgestellt) Dieses Gerät stellt das jüngste Ergebnis der seit Jahren bei Lorenz bevorzugt gepflegten Entwicklung sehr kleiner, leichter, preiswert herstellbarer Fernsehempfänger dar und ist von vornherein in allen Einzelheiten dem von der Deutschen Reichspost festgelegten Fernsehsystem mit 441 Zeilen und Zeilensprungverfahren angepaßt. ---- Das Gehäuse hatte die Maße 35x54 cm und war 49 cm hoch, das Bild ist 20x23 cm.
Außerdem wurde ein kombinierter Fernseh-Rundfunkempfänger in Truhenform mit der Bildgröße 32x37,5 cm, eine Fernseh-Großprojektionsanlage für Fernsehstuben und ein Kraftwagen-Fernsehempfänger mit den Gehäuse-Abmaßen 48x35x22 cm, Bildgröße 9x11cm, im Betrieb vorgeführt. All diese Geräte waren für den kommerziellen Gebrauch bestimmt und sollten in die Produktion übernommen werden. Für 1939 war von der DRP die allgemeine Einführung des Fernsehens für den privaten Nutzer vorgesehen. Entsprechende Aufnahme- Sende- und Wiedergabegeräte waren von der Telefunken GmbH, der C. Lorenz AG, der Fernseh GmbH,(bis 1939 Fernseh AG), D S. Loewe und von TEKADE entwickelt worden. Von der Fernseh AG wurde 1939 der Deutsche Fernseh-Einheitsempfänger E 1
der Öffentlichkeit vorgestellt. Es sollte der „Volksempfänger“ für das Fernsehen werden. 650 RM sollte dieses Gerät kosten. Von den geplanten 10000 Stück konnten wegen des Kriegs nur 50 hergestellt werden.
Foto: Heribert Jung
Nach vorsichtigen Schätzungen hat es in den ersten Kriegsjahren etwa 500 öffentliche Empfangsstellen für den ersten deutschen Fernseh-Rundfunk gegeben. Neben den öffentlichen Fernsehstellen, waren vor allem in den Lazaretten in und um Berlin Fernsehempfänger aufgestellt. Über private Fernsehempfänger liegen keine Angaben vor.
Am 26.November 1943 wurde der Berliner Fernsehsender bei einem Luftangriff getroffen und war nicht mehr funktionsfähig. Fernsehstuben welche noch nicht zerstört waren, konnten jedoch weiterhin genutzt werden. Vom Studio im Deutschlandhaus
wurde Fernseh-Drahtfunk gesendet und bis Ende September 1944.wurden auch Lazarette im Großraum Berlin mit Fernsehen versorgt.
Foto: Quellenvermerk "Museumsstiftung Post und Telekommunikation" Berlin Fernsehaufnahmeraum der Deutschen Reichspost im Deutschlandhaus in Berlin Ecke Heerstraße.
Nach der Besetzung Frankreichs 1941 begann die DRP in Zusammenarbeit mit der Radiodiffusion Francaise in Paris, ein Französisch-Deutsches Fernsehen einzurichten. Dabei war auch ein Verwandter von unserer Familie, damals bei der Wehrmacht nach Paris kommandiert.
Foto: privat
Mit der Programmausstrahlung wurde in April 1943 begonnen. Unbekümmert von der alliierten Invasion, sendete der Fernsehsender Paris bis zum 18. August 1944. In Paris und Umgebung standen etwa 200 öffentliche und 800 bis 1000 private Fernsehempfänger. Während des Krieges wurden außer bei der Fernseh AG (ausgelagert nach Tanvald/Sudetengau) die meisten Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiet des Fernsehens weitgehend eingestellt. Alle technischen und wissenschaftlichen Kapazitäten waren für die Kriegsproduktion, speziell Anlagen für die V1 /V2 Raketen, gebunden.
Die Technik auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone wurde ab Mai 1945 zügig abgebaut, selbst die Fernkabel wurden ausgegraben und zur Wiederverwendung in die UdSSR geschafft.
Dazu gibt es im Radiomuseum.org bereits einige Beiträge.
In der sowjetischen Besatzungszone bzw der neu gegründeten DDR begann in Ostberlin am 21.12.1952 der Deutsche Fernsehfunk aus dem Stadthaus seine Versuchs-Sendungen mit 625 Zeilen und OIR-Tonnorm. In der BRD wurde fast zeitgleich das Fernsehen gestartet.
Zum Fernsehen in der BRD und Berlin West gibt es im Internet umfangreiche Ausarbeitungen. Auch bei uns im Radiomuseum.org finden Sie unter Forum , Stichwort Fernsehen, eine Menge Informationen...viel Spaß beim Stöbern und lesen.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.