Fernsehturm Dresden Wachwitz

ID: 512178
Fernsehturm Dresden Wachwitz 
26.Jan.19 18:49
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Im Jahre 2019 jährt sich zum 50. Male am 07.Oktober der Start des Farbfernsehens in der DDR. Das Farbfernsehen wurde aus den Adlershofer Studio am 07.10.1969 offiziell on air geschickt.

Das 2.Programm des DDR Fernsehens wurde zunächst über 4 Großsender ; den Ost-Berliner Fernsehturm, Höhe 368 m ( nach Moskau Ostianko,  537 m ,damals der zweithöchste der Welt )

Foto; Wolfgang Lill 

sowie über den Fernsehturm in Dresden Wachwitz Dresden (Foto: Wolfgang Lill)
und  über die Sendeanlagen Schwerin ( Sendemast rechts)

Foto Wikipedia Niteshift                  

und Dequede

 

Foto: Arne Wiechern , www Senderfotos.de

ausgestrahlt.

So bekamen mit dem Start des 2. Programmes theoretisch etwa 25 % der DDR- Bevölkerung sowie die Westberliner und Bewohner in angrenzenden Gebieten Niedersachsens, Hamburg und von Schleswig Holstein die Möglichkeit, dieses zweite Programm zu empfangen.

Die DDR- Führung hatte eine wohl politische Entscheidung getroffen, denn der große Bruder, die Sowjetunion, nutzte das französische Farbübertragungsverfahren SECAM III b. 

Mit dem Start des Farbfernsehens kam auch ein erster Farbfernseher aus dem Fernsehgerätewerk Staßfurt auf den Markt, der infolge der bereits vollständigen Transistorisierung sehr fortschrittlich war, man sprach damals zuerst vom modernsten Farbfernseher der Welt, später korrigierte man das auf den modernsten Farbfernseher Europas. Und unsere Partei und Staatsführung hatte sicher auch einen Hintergedanken; wenn die DDR einen SECAM III bringt, dann werden die Zuschauer in der DDR das Farbprogramm dem Westprogramm was nur in schwarz- weiß empfangbar war, vorziehen.

Dass solch eine Denkweise nur kurzsichtig ist, wissen wir heute...denn der Decoder wurde entwickelt, zuerst von Amateuren gebaut, dann serienmäßig, denn das lukrative Gerät bzw dessen Nachfolgetypen sollten ja exportiert werden und die Devisenkasse der DDR füllen.....

Color 20 Werksfoto mit der Jugendbrigade die diesen Fernseher herstellte.

Zum Color 20  wird es noch einen ausführlichen Bericht geben.

Also jetzt zum Dresdner Fernsehturm. Seit  1953  wurde das Fernsehsignal über einen Gittermast in Radebeul- Wahnsdorf abgestrahlt. Von dort aus gab es eine Dezimeter- Richtfunkverbindung nach Berlin und auch der Standort Görlitz konnte programmtechnisch erreicht werden.

Fotos ; unbekannt

Sozusagen ein idealer Standort, und es wurde auch 1959 ein Stahlbetonturm projektiert und modelliert für diesen Standort in  Radebeul - Wahnsdorf. 

Entschieden wurde anders, aus, nach meiner Ansicht, zwei Gründen:

- Radebeul gehört nicht zur Landeshauptstadt Dresden

- Der Fernsehturm wurde städtebaulich eingeordnet, nicht nach idealer Standortauswahl.

Die Zeit für die Errichtung war günstig. Die DDR war nach Bau der Berliner Mauer und der gesicherten Westgrenze gestärkt in die wirtschaftliche Entwicklung gestartet. Das wollte man nun auch durch ehrgeizige Bau- und Technikprojekte der Welt beweisen. 

Der Baustart begann nach Planung der Architekten Kurt Novotny und Johannes Braune sowie der Tragwerksplaner Ruehle und Macher im Juni 1964 . Die Arbeiten wurden im Auftrage des Bauherren der Deutschen Post vom Bau- und Montagekombinat Kohle und Energie ausgeführt.

Richtfest wurde am 15. Dezember 1965 gefeiert, der Turm hatte seine Betonbauhöhe von 167,15 m erreicht. Im Juni 1968 erreichte der Turm seine endgültige Höhe nach der Montage der 85 m hohen Kunststoffzylinderantenne von 252 m. Die Fertigstellung und Inbetriebnahme  der technischen Anlagen erfolgte zum 18.September 1969.  Zunächst die  Ausstrahlung der Fernsehprogramme, 

- DDR1 auf VHF Kanal 10 vertikal ( in schwarz- weiß)

- DDR2 Versuchsprogramm  auf Kanal 29 vertikal                                                                                    ( offizieller Start des Farb- TV Programmes war der 07.10.1969 um 1969 durch einen Knopfdruck vom damaligen Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht im  Berliner Fernsehturm) 

Hier der Programmstart des DDR 2 - Fernsehens ( Programm ND vom 06.10.1969)

und es erfolgte auch  die Aufschaltung  von 4 UKW- Sendern im CCIR Bereich 88...100 MHz                        Berliner Rundfunk   91,1 MHz    100 KW                                                                              Deutschlandsender 97,3 MHz      80 KW                                                                                                Radio DDR1              95,4 MHz    100 KW                                                                                               Radio DDR2              92,2 MHz     100KW  (von 6,00 bis 10,00 h Regionalprogramm Sender Dresden)

Im Jahre 1989 kommt ein fünfter UKW- Sender dazu

Jugendradio DT 64 102,4 MHz     100 KW   ( sendet damals  20 Stunden täglich )

Hier nochmal einige Eckdaten von diesem Fernsehturm:

Stahlbeton Ringfundament Tiefe 6 m , Durchmesser  21 m, gegründet im Granitgestein der Lausitzer Platte.

Fertighöhe 252 m, Turmfußdurchmesser; 9,40 m, Kelchrand 16 m, Masse ca 7300 Tonnen.                   750 Sufen führen bis zum ehemaligen Turmcafe in etwa 145 m Höhe sowie zur Aussichtsplattform und zu technischen Räumen,. Das gastronomische Objekt wurde 1991 leider geschlossen und  ist inzwischen aus brandschutztechnischen Gründen entkernt.  Für Besucher ist der Turm gegenwärtig nicht zugänglich.  Natürlich stehen für die Mitarbeiter und Transporte auch zwei Fahrstühle zur Verfügung.

Fotos : Wolfgang Lill     Bild unten; entkernter Bereich des ehemaligen Cafes

Von der Aussichtsplattform hat man einen schönen Blick über einen großen Teil von Dresden und in Richtung Osterzgebirge, Sächsische Schweiz. Leider ist ein klarer Blick selten , wie mir Mitarbeiter erklärten, was etwas mit dem Elbtal zu tun hat.  ( Hier im Foto links unterhalb des Windmessers die weltbekannte Brücke Blaues Wunder  ).

Heute wichtiger denn je ist die Richtfunktechnik.

Davon gibt es im Fernsehturm reichlich

 

vorherige 4 Fotos; Wolfgang Lill letzteres Hohlleiterkabel

Mit dem Ende der DDR übergibt der Eigentümer die Deutsche Post die Anlage samt Grundstück an die Deutsche Telekom, die fortan Eigentümer und Betreiber der Technik ist.

Interessant ist die Umstellung von SECAM III b auf die PAL-Norm in der Nacht vom 14. zum 15. Dezember 1990 und auch ein Frequenzwechsel am 15.12.1990.

Das war ein böses Erwachen für einige Besitzer von Empfängern, die nur über die SECAM IIIb- Norm verfügten. Fortan nur schwarz- weiß oder einen Converter einbauen lassen oder doch gleich ein neues Gerät kaufen....

Die Senderplätze des I.Programm des Deutschen Fernsehfunks erhielt fortan die ARD und das erste Programm des  Deutschen Fernsehfunks wechselte auf die Sendeplätze von DFF II , dort verblieb dieses Programm bis zu seiner Einstellung am 31.12.1991 24,00 Uhr. 

Schon 1991 beginnen technische Instandsetzungsarbeiten. Das Turmcafé in ca 145-... bis 150 m in zwei Etagen wurde am 30.Juni 1991 aus technischen Gründen und wohl auch wegen Pleite des gastronomischen Betreibers der HO Gaststätten für die öffentliche Nutzung geschlossen. Die gastronomische Versorgung wurde dann noch bis Jahresende 1991 mit einem privaten Betreiber im Vestibül gesichert, aber  dann war endgültig Schluß.

Vestibül am Fuße des Fernsehturmes, etwa 1970, Fotos Deutsche Werkstätten Hellerau, bereitgestellt durch Fernsehturm e.V. Dresden - vielen Dank -

Bis dahin hatten jährlich  etwa 200000 Dresdner und auswärtige Besucher das Turmcafé und die Aussichtsplattform besucht. Der groß angelegte Parkplatz für Busse und PKWs wurde in den letzten Jahren auch zurückgebaut.

Bis 2000 werden viele Sanierungsarbeiten  durchgeführt, a.u. die Abdichtung des Betonschaftes gegen eindringende Feuchtigkeit , die Sanitäreinrichtungen wurden erneuert, auch die Entrauchungsanlage und die zwei Fahrstühle.

Im Jahre 2005 wird der Bestandsschutz durch die Bauaufsicht aufgehoben, Sanierungsstudien werden in Auftrag gegeben und auch eine Brandschutzkonzeption für die Sicherung der technischen Anlagen. Letztere führt dann auch zur Entkernung der gastronomischen Räume.

Im Jahre 2006 wird ein Bauantrag eingereicht zur Umnutzung des Turmes zu einem reinen Technikstandort. Das Berliner Planungsbüro Weigelt GmbH , Architekten und Ingenieure erhält den Auftrag zur Umsetzung der Auflagen aus der Baugenehmigung.

Das ist das eigentliche AUS für das Turmcafé .

Inzwischen standen weitere technische Veränderungen an:

Das analoge Fernsehen wird am 23.Juli 2007 eingestellt.

Bis dahin sendeten die

ARD auf Kanal 10 , das ZDF auf Kanal 46 und der MDR hatte den Kanal 29 ( das frühere DFF II) .
Das später hinzugekommene Dresden- Fernsehen mit Sendebeginn 10.Juni 1996 verbleibt als einziger mit analoger Ausstrahlung.

Die Fernsehprogramme werden nunmehr digital in der Norm DVBT ausgestrahlt 

auf UHF Kanal 29  ; MDR, RBB, WDR und BR   ( vier dritte Programme )

auf UHF Kanal 36 : ZDF, 3-sat, Kinderkanal und ZDF- Info 

auf UHF Kanal 39 : ARD, ARTE, Phoenix und  Eins- Festival

Leistung je 100 KW.

Die UKW- Sender sind inzwischen mehr geworden. 

Bevor wir uns die Sendertechnik näher ansehen noch ein Foto den aussen angebrachten Wärmepumpen. Diese haben die Aufgabe, die Kühlung der Anlagen zu sichern.

Die Sender leisten cirka 10 KW... oder weniger

Vom Fernsehturm werden gegenwärtig insgesamt 15 UKW- Programme abgestrahlt, jedoch mit unterschiedlicher Leistung. 

So ist der Sender von Radio Dresden 103,5 MHz mit 2,0 KW angegeben ( mein Lieblingssender )

 

Grafik; Info Radio Dresden

Im Fernsehturm sind auch zwei Mulitiplexe installiert. Diese strahlen das zentrale Paket des DLF auf Kanal 5 c und das Paket des MDR auf Kanal 9A ab . Die Leistung ist bei beiden Multiplexen mit ERP 10 KW angegeben. Ob noch ein dritter oder vierter Multiplex installiert wird, das hängt sicher auch von der weiteren Entwicklung des Kaufverhaltens bei Empfängern ab. Ich glaube, das 15 UKW- Sender im Großraum Dresden zur Versorgung unserer Kraftfahrer sicher reichen und in stationären Empfangsanlagen das Internetradio die Zukunft sein wird..... aber warten wir ab...

 

Hier noch zwei Bilder vom jetzigen Zustand der Aussenanlagen. Da der Turm nur technisch genutzt ist, gibt es natürlich keine Notwendigkeit von Veränderungen.

Sicher hat es sich jedoch schon herumgesprochen, das Dank einer seit 2004 fortwährenden Bürgerinitiative nun eine Neueröffnung des Cafes in greifbare Nähe rückt.

Inzwischen sind dafür vom Bund 12, 8 Millionen Euro bereitgestellt, die Stadt Dresden und das Land Sachsen gibt je 6,4 Millionen Euro dazu, also stehen für dieses anspruchsvolle Vorhaben  25,6 Millionen Euro zur Verfügung.

Wenn es losgeht, werde ich es gerne begleiten.  

Nochmal zurück in die Zeit der 70iger Jahre . Ein Blick in das 2-Ebenen- Cafe in 145  und 148 m Höhe . Hersteller der Ausstattung waren die Deutschen Werkstätten Hellerau 

die 3 Fotos stammen aus dem Bestand der Deutschen Werkstätten Hellerau und wurden von der Fernsehturm e.v. für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt.

 

 

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Fernsehturm Dresden Wachwitz 
29.Jan.19 14:54
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Wolfgang Lill

Inzwischen gibt es von verschiedenen Zeitzeugen Hinweise und Dokumente. Ich bin am Sichten und werde Interessantes dem Artikel stufenweise hinzufügen.

Die erste Nachricht;

Der Fernsehturm könnte auch auf dem Postplatz,also im Zentrum von Dresden, stehen.....aber dann hätte er noch 120 m höher gebaut werden müssen und höher als der Fernsehturm in Ostberlin ? Das durfte nicht sein ! 

Für die Leser vom Radiomuseum ist der nachfolgende Bericht sicher von großem Interesse, den mir Herr Thomas Ludwig übersendete, die Texte ungekürzt und unverändert.  Es ist ein realistisches Spiegelbild aus der damaligen Zeit in der DDR, wie ich es auch ähnlich selbst erlebte:

 

Briefmarke mit dem Motiv des Dresdner Fernsehturmes, herausgegben von der Deutschen Post der DDR im Jahre 1978

 

Weitere Dokumente folgen !

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Fernsehturm Dresden Wachwitz vom Bau 
30.Jan.19 15:36
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Wir schreiben das Jahr 1965. Am 07.Februar 1965 erscheint ein interessanter Artikel im Neuen Deutschland unter der Überschrift;

Wer nicht wagt, kann nichts gewinnen...

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Fernsehturm Dresden Wachwitz 
14.May.19 20:16
1034 from 9151

Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Warum wurde eigentlich das Cafe auf dem Turm geschlossen ? Jetzt sind alle glücklich darüber; es wird ein neues Turmcafe und die Möglichkeit geben, die wunderbare Aussicht von der Plattform über das Elbtal bis zum Osterzgebirge, die Sächsische Schweiz und die herrliche Elblandschaft  zu genießen. 

Wir könnten jetzt Presseschau machen, denn gestern, am 13.Mai 2019 überschlugen sich die regionalen Medien.Hier ein Beispiel: saechsische.de/millionen-fuer-sanierung-des-dresdner-fernsehturms-4046637.html

Ich hatte im ersten Artikel geschrieben; 1991 begannen technische Instandsetzungsarbeiten.... Es war möglicherweise buchstäblich nach Zwölf !

1987 hatte man ein Gutachten von Herrn Dr. Ing. J. Böttcher erstellen lassen.

Hier zu sehen der geschädigte Bereich im Schaft des Fernsehturmes. Bereits bald nach der Errichtung des TV-Turmes im Jahre 1968 traten dort Risse auf, die sich dann über die Jahre bis 1987 deutlich ausgeprägt haben .  Die drei Hauptrisse erstrecken sich von Null bis 94,60 m jeweils im 120 Grad Abstand.

Der Betreiber, die Deutsche Post der DDR, hatte natürlich die Rißbildung sorgfältig beobachten lassen  und ständig die Rißbreite gemessen. 

Die Hauptrisse  / 120 Grad- Teilung / hier in der Skizze zu sehen, gehen mit großer Wahrscheinlichkeit durch die dicken Wände hindurch und unterteilen den Schaft auf etwa 90 m Länge in drei Zylinderschalen, die nur noch durch die Ringbewehrung zusammengehalten wurden- Die Rißbreiten betrugen laut Gutachten bis zu 0,8 mm ! 

Die Standsicherheit des Turmes war damit beeinträchtigt und wenn ich es damals gewußt hätte, dann hätte mich niemand auf die Aussichtsplattform gebracht. Dazu kamen noch Korrosionsprobleme. 

Es gilt als erwiesen, daß die eingetretenen Schäden auf eine zu geringe Ringbewehrung zurückzuführen waren. 

Bei Lastspielen an Prüfkörpern wurde damals bereits festgestellt, das die zu erwartende Lebensdauer des Turmes als überholt anzusehen ist. 

Aber welche Konsequenzen ergeben sich aus diesen Erkenntnissen ? In der DDR hieß es weiter beobachten, die Bewehrung wenigstens alle fünf Jahre stichprobenartig untersuchen. 

Dank der Deutschen Bundespost als neuen Betreiber wurden damals umfangreiche Maßnahmen zur Sanierung eingeleitet.  

Das der Sendebetrieb eingestellt werden sollte und ein Abbau des Turmes auch in Erwägung gezogen wurde, davon erfuhr die Bevölkerung nichts.  Der neue Standort der Sendetechnik in Dresden- Gompitz  war bereits vorgeplant und es wurden dort vorbereitende Arbeiten getroffen

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