Fiat Lux (Es werde Licht)

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Fiat Lux (Es werde Licht) 
17.Mar.05 21:28
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Fiat Lux (Es werde Licht)
Über unbrauchbare oder rasch überholte Erfindungen ist normalerweise wenig zu erfahren. Und doch: In jedem Land halten sich "Lokalmatadore", d.h. man zählt Erfinder auf, die wie viele andere an einer Sache gearbeitet haben, aus verschiedenen Gründen jedoch nicht zum Erfolg kamen. So führt Brockhaus etwa Heinrich J. Goebel, Mechaniker (Springe bei Hannover 1818-1893 New York), als einzigen Erfinder der Glühlampe (mit Glühfaden aus verkohlter Bambusfaser, 1854 in New York), obwohl er wie einige andere vor und nach ihm mit seinen Licht-Experimenten nur geringen Erfolg erzielte. "Er hat somit das Grundprinzip für Vakuumröhren aufgezeigt", heisst es in [83021].

Aus einem längeren Artikel für die Hitler-Jugend in Funk, Heft 4, 1938, heisst es über Goebel: "Wenn man das typische Beispiel eines deutschen Erfinders sucht, sollte man immer an Heinrich Goebel denken. Ein Mann, der sich eine Idee in den Kopf setzte, die seiner Zeit weit voraus eilte, der diese Idee mit Leidenschaft und einer Beharrlichkeit ohnegleichen verfolgte, und der mit dem denkbar geringsten Aufwand an Mitteln und nur auf sich selbst angewiesen an der Verwirklichung dieser Idee arbeitete und sie mit einer fast intuitiven Sicherheit meisterte. Und als er seine Arbeit von Erfolg gekrönt sah, war er zufrieden und es kam ihm nicht in den Sinn, seine Erfindung mit grossem Lärm anzupreisen und Kapital aus ihr zu schlagen, wie es sein grosser Konkurrent tat..." Das Umgekehrte war der Fall: Goebel fährt mit beleuchteter Kutsche durch die Stadt und nennt dies seine eigene Erfindung, obwohl King seine Glühlampe neun Jahre vorher patentiert hat.

Funk nennt eine Brenndauer von 4000 Stunden; heute sind 1000 Stunden ein Durchschnitt. Goebel versieht (diese Stelle ist wohl korrekt) leere Eau de Cologne-Flaschen mit einem verkohlten Bambusfaden. Dieses Gebilde verbindet er mit einem langen Barometerstab und füllt beides mit Quecksilber. Nach dem Umkehren entsteht in der Flasche ein Vakuum und er kann darauf die Flasche wegschmelzen.

Um 1710 beschreibt F. Hauksbee (1670-1713) ausführlich die Leuchtwirkungen im Vakuum. Winkler versucht 1744, beleuchtete Buchstaben herzustellen, was ein Vierteljahrhundert später G.B. Beccaria (1716-1781) gelingt. 1836 er-scheint im Courier belge ein Vorschlag, Leiter im Vakuum durch galvanischen Strom zum Glühen zu bringen - 1838 versucht dies Jobart in Brüssel mit Kohlestäbchen. Wahrscheinlich sind es A. King in London und J.W. Starr in Cincinnati (1844/45) sowie Staite und Greener (1846), die erstmals Kohlefaden-Lampen bauen. King lässt seine elektrische Glühlampe 1845 patentieren. Es folgen u.a. Moleyns und 1874 der Russe A.N. Lodygin (1847-1923) mit Erfindungen von Glühlampen.

Die modernen Metallfaden-Lampen haben ihren Ursprung noch früher, nämlich 1801 durch Thenard und Humphry Davy, also kurz nach der Erfindung der Batterie durch Volta sowie 1840 durch W.R. Grove (London) und Frederic de Moleys (Cheltenham) und 1847 durch Draper. Auch De la Rive experimentiert um 1845 mit elektrischem Licht.

Deluil zeigt 1844 am Place de la Concorde, Paris, erstmals öffentlich die elektrische Lichtbogenbeleuchtung.

Frühe Edison-Kohlefadenlampe mit Gewindefassung, 15 "Kerzen" hergestellt durch die Firma R. Castro, San Francisco

1878 lässt der Engländer Swan eine praktische Glühlampe patentieren. Edison meldet 1879 eine ähnliche Lösung zum Patent an und entwickelt gleichzeitig die heute noch gebräuchliche Gewindefassung. Er gewinnt einen jahrelan-gen Patentstreit gegen Swan. In Europa verlacht ihn - nach immerhin bis dahin mehr als 150 durch Edison angemelde-ten Patenten - Siemens in einer Beurteilung vom 21.1.1880 mit den Worten: "Edison ist eben ein amerikanischer go-ahead Erfinder, der nicht Zeit und Gelegenheit gehabt hat, sich zu unterrichten und der schnell Geld machen will". Uppenborn zählt ironisch auf, dass Edison der 78. Erfinder der Glühlampe sei [233].

In Kenntnis seiner Geschichte kann man bei Edison eher von "Leidenschaft und Beharrlichkeit ohnegleichen" (siehe oben) sprechen! Durch ihn entstehen auch die General Electric (GE) und die von E. Rathenau 1883 gegründete Deutsche Edisongesellschaft, die spätere AEG.

Wie leicht ist es doch, eine Erfindung ins Lächerliche zu ziehen oder diese umgekehrt als epochemachend hinzustellen und eine andere höchstens nebenbei zu erwähnen. Die meisten Fehler passieren im Zusammenhang mit dem Datum eines Patentes. Sowohl das Datum der Anmeldung beim Patentamt als auch das der Patenterteilung kann man verwenden, wobei oft Verwechslungen vorkommen. Der Erfinder hat das Patent im Land des Autors u.U. wesentlich später angemeldet als im Land der Priorität.

Gewisse Erfindungen liegen sozusagen in der Luft. Viele erfolgten etwa zur selben Zeit über die gleiche Sache, obwohl es eine schnelle Übermittlung von Informationen nicht gab. Oft kommt es zu neuen Erkenntnissen wenn die Zeit dazu "reif" ist bzw. mehrere Köpfe an der gleichen Idee arbeiten! Daraus erfolgt wahrscheinlich mehr als eine statistische Wirkung. Das wichtige Prinzip der Rückkopplung z.B. entdecken 1912/13 mindestens sieben verschiedene Personen, was später einen jahrelangen Patentstreit entfacht. Dabei war zu untersuchen, wer wirklich als erster das Prinzip formuliert und mit anderen Personen diskutiert hatte.

Natürlich hat es auch immer Leute gegeben, die sich die Arbeiten anderer zunutze gemacht haben. Für einen Erfinder, der seine Ansprüche patentamtlich schützen will, ist es üblich und notwendig, neue Patentanmeldungen über sein Fachgebiet zu lesen und andere Wege als die beschriebenen Lösungen oder weitere Patentansprüche zu finden.

In jedem fortschrittlichen Land gab und gibt es Experimentatoren, die Resultate erzielen, denen die praktische Anwendungsmöglichkeit fehlt. Als Lokalmatadore bezeichne ich Erfinder, die entweder unbrauchbare Erfindungen produzieren oder später lediglich eine gewisse Verbesserung einführen, denen man jedoch zu Unrecht die Erfindung des Prinzips zuschreibt. Jedes Land beansprucht gerne eine Entdeckung für sich.

Wie die erwähnten Probleme zeigen, ist es schwierig, eine neutrale Aufstellung der Erfindungen zu erarbeiten. Das Recherchieren aus erster Hand, also aus den Patentanmeldungen (oder sogar aus Gerichtsurteilen), ist zu aufwendig, so dass sich die meisten Autoren mit der Auflistung von Informationen aus dritter Hand begnügen. Zu meiner Verblüffung stelle ich fest, dass gerade namhafte Lexika falsche Daten aufweisen. Auch wenn ein Erfinder sehr oft als solcher zitiert ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass er als Urheber anzusehen ist. Einige solcher Falschmeldungen kommen in diesem Kapitel mit entsprechenden Hinweisen vor, damit der Leser vergleichend recherchieren kann.

Am meisten erstaunt hat mich allerdings das Buch [149] Tagebuch der Nachrichtentechnik (1980) von Sigfrid von Weiher, das sich ausschliesslich der Kulturgeschichte der Technik widmet. Der Autor hat mit diesem Thema doktoriert, ist Leiter eines Archivs und Lehrbeauftragter für das gleiche Thema. In seiner "Nabelschau" figurieren unter den ca. 500 Erfindernamen weder Dr. John Ambrose Fleming (Röhrendiode etc.), Edwin Howard Armstrong (Rückkopplung, Supersonic-Superheterodyne-Schaltung, Super-Regenerativ-Schaltung, Frequenzmodulation), noch Josef Henry, nach dem wir immerhin die Einheit der Induktion benennen. Henry hat 1840-42 u.a den oszillatorischen Charakter der Entladungen von Kondensatoren gefunden, den Thomson (Lord Kelvin) 1853 und Feddersen 1858 (rotierender Hohlspiegel) bestätigen. Auch Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz (Potsdam 1821-1894 Berlin) befasst sich mit den Schwingungen von Henry. Mit Henry beginnt die Geschichte der elektrischen Schwingungen. Das sind nur drei von vielen unerwähnten aber wichtigen ausländischen Erfindern - dafür überwiegt die Aufzählung von Lokalmatadoren. Unter solchen Voraussetzungen kann es gar nicht anders sein, als dass eine entstellte, nationalistisch zu gefärbte "Kulturgeschichte der Technik" Verbreitung findet. In einem anderen Buch des gleichen Autors stimmen hingegen zahlreiche Lobpreisungen, falls man das Wort "schon" durch "erst" ersetzt, denn viele dieser Taten leisteten andere Erfinder bereits früher! Solche "Geschichten" verursachen Fehlmeldungen in namhaften Zeitschriften bis hin zu einer falschen "Volksmeinung". Kriege vermeiden heisst, die Stärken der anderen und die eigenen Schwächen zu kennen. Darum werfe ich hier einige Gedanken in dieser Richtung auf, auch wenn dies unüblich ist!

Die Funkschau berichtet z.B. am 17.7.87 zum Tode von Wilhelm T. Runge: "Er entwickelte u.a. das Prinzip des Überlagerungsempfängers, nach dem auch heute noch fast alle Rundfunkempfänger arbeiten..." Es ist begreiflich, dass auch eine bekannte Fachzeitschrift sich letztlich auf die Aussage "der Kapazität" in diesem Bereich abzustützen hat. Trotzdem: Zu streiten ist höchstens darüber, ob Lévy (1917) oder Armstrong (1918) das Super-Prinzip zuzuschreiben ist, abgesehen davon, dass Hogan den Gedanken 1913 äussert und ihn Round im gleichen Jahr patentiert. Beim Vergleich von Aufbau und Weiterentwicklung dieser Erfindungen ist zu erkennen, dass Armstrong zu Recht als der Vater des Supers gilt, auch wenn später seine Patentansprüche gegenüber Lévy und anderen unterliegen.

Aus folgendem Grund kann man bei Runge nicht einmal von einer Erstentwicklung - geschweige denn vom Prinzip - sprechen: Ab 1924 stellen US-Firmen in zunehmender Zahl serienmässig Super-Rundfunkempfänger her (gegen Ende der 20er Jahre etwa 20 Hersteller) und ab 1924 produziert man vor allem in Frankreich, aber auch in den übrigen europäischen Ländern Superhet-Empfänger in Serie. Telefunken hingegen - wo Runge zu dieser Zeit Leiter des Empfängerlaboratoriums ist - bietet den Super-Rundfunkempfänger erst 1932/33 (T650 mit Tetroden) an. Auch ein kommerzieller Super erscheint erst Ende der 20er Jahre. Somit stellt sich die Frage, ob diese Falschinformationen zu belächeln sind oder Objektivität zu fordern ist. Diese Kritik soll die Leistungen von Runge nicht schmälern, hat er doch ab 1924 Patente bezüglich des Supers angemeldet und später für Telefunken Super-Empfänger entwickelt. Auch verdient er sich in den 30er Jahren einen Namen um die Erforschung der Dezimeterwellen. Die Details über Goebel und Runge dienen lediglich als begründete Beispiele zu den vielen Falschmeldungen, die auch heute - vor allem in Deutschland - grassieren.

Lediglich durch das Heranziehen von zusätzlicher fremdsprachlicher Literatur kann Ausgewogenheit betreffend Erfindungen und Entwicklungen bestehen. Ausserdem sind die Daten kritisch zu prüfen - wenn möglich anhand von Patentunterlagen.

Wo am meisten Unklarheit herrscht, bin ich auf Details eingegangen oder habe wenigstens die Patentnummer und/oder das Anmelde- oder Erteilungsdatum erwähnt. Der besonders interessierte Leser kann somit weitere Recherchen leicht durchführen. Allerdings will ich einen gewissen Rahmen nicht sprengen. Wahrscheinlich sind nur wenige Leser an einer Aufzählung möglichst genauer Erfinderdaten interessiert - oder sollte ich mich täuschen?

Trotz der besprochenen Schwierigkeiten sei der sachliche Versuch einer Erfinder- und Entdeckergalerie immerhin gewagt!

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Kriege vermeiden heisst... 
08.Oct.24 09:18
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Bei der Suche im Netz mit "Kriege vermeiden heisst" (also mit Anführungszeichen), kommen nur zwei Beiträge. Eines davon ist dieser Beitrag, den ich suchte, denn ich meinte schon mal "meinen Spruch" zu diesem Thema bei uns festgehalten zu haben. Da das im März 2005 passierte, fand ich das, doch unter einem ganz anderen Thema.

Ich nehme an, dass das nicht viele LeserInnen interessierte, also bringe ich meinen "Spruch" hier nochmals, denn der andere Beitrag zeigt für mich, warum wir jetzt einen Zeitgeist haben, der Kriege fördert. Gehe aber nicht weiter darauf ein, weil wir hier weder über Religionen, noch über politische Ansichten etc. schreiben wollen. Es ist Tabu.

Dieser Spruch scheint mir aber für uns alle essenziell zu sein, auch wenn er jetzt aus dem Zeitgeist fällt: "Kriege vermeiden heisst, die Stärken der anderen und die eigenen Schwächen zu kennen."

Natürlich müsste man mehr dazu erwähnen, wie z.B. dass man in einem Diskurs Konfliktzonen diskutieren sollte und diese mit einem gewissen Verständnis für die andere Seite und dem Näherbringen der eigenen Bedürfnisse, um eine austarierte Lösung anzustreben. Aber das war ja nicht das eigentliche Thema - und soll es auch nicht hier sein.

Nur noch etwas zum anderen Treffer:

Heute herrscht ein konträrer Zeitgeist, denn "Model United Nations Schleswig-Holstein 2007 Dokumentation" sah die Sprecherin (Sylvia Günthner) das schon im 2007 ganz anders, nämlich:

"Doch wie sichert man den Weltfrieden? - Kriege vermeiden heisst vor allem die Feinde des Friedens zu kennen und sich ihnen entschieden entgegen zu stellen. Und viel mehr noch sie zu bekämpfen."

Das sind für mich die Gründe, warum wir jetzt so viele unfassbar schädliche Kriege in jeder Beziehung führen. Trotzdem gab es da tosenden Beifall.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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