Funkhaus Berlin- Grünau

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Funkhaus Berlin- Grünau 
23.May.21 12:36
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Die Vorgeschichte,

auf dem 7500 m2 großen an der Dahme gelegenem Grundstück baute die Michelhausgesellschaft mit der  Danatbank im Stil des Nachexpressionismus ein viergeschossiges, siebenachsiges Backsteingebäude. 

In der Deutschen Bauzeitung, Ausgabe 64, 1930, schreibt  der Journalist Otto Riedrich :

 „An landschaftlich hervorragender Stelle hat die Danatbank für die Sportvereinigung ihrer Angestellten ein Haus errichten lassen, das in jeder Beziehung als gelungen bezeichnet werden kann. Mit aller Liebe und Hingabe hat sich der Architekt Otto Zbrzezny, Berlin, in die mannigfachen technischen Anforderungen des Sports versenkt. Ferner mußte bei der Entwurfsbearbeitung auf vielseitiges Bauprogramm Rücksicht genommen werden. Die Grundrisse lassen erkennen, daß das Haus auch festlichen und gesellschaftlichen Zwecken zu dienen hat.

Dann sollte das Bauwerk auch als Erholungsheim dienen, zu welchem Zwecke eine Anzahl Zimmer mit den erforderlichen Nebenräumen in den oberen Geschossen anzuordnen waren. Der große Zentralraum im Dachgeschoß, mit Oberlicht versehen, ist als Turnsaal ausgebildet, um ihn gruppieren sich, auf der einen Seite für Damen, auf der anderen für Herren, die Schlafräume für die Trainingsmannschaften und für Erholungsbedürftige. Um dieses mit Holzfachwerk bekleidete Geschoß führt eine Galerie. Die Türme zu beiden Seiten vermitteln den Zugang zur Damen- und Herrenabteilung.


In das Obergeschoß reicht der Saal, die Fensteröffnungen seiner Langseiten führen einerseits auf eine breite Terrasse, andererseits auf den umlaufenden Korridor, von dem aus Schlafräume mit Bädern und Toiletten erreicht werden. Auch eine Wohnung für den Bewirtschafter befindet sich in diesem Geschoß.
Trotz aller Beschränkungen der Mittel hat der Architekt überall Festlichkeit erreicht. Dies lassen besonders die der allgemeinen Geselligkeit dienenden Räume im Hauptgeschoß erkennen. Bei der Ausgestaltung wurden Sportmotive verwandt, die in schön durchgeführten Sinnbildern überall zu finden sind. In den Beleuchtungskörpern und der geschmiedeten Brüstung des großen Saales, der Deckenausbildung des Damenzimmers, besonders humorvoll in der Kneipe. Der große Festsaal wird bestimmt durch die lebhafte Maserung des grau gebeizten, gesandeten Kiefernholzes. Die Deckenbalken sind Stuck, die mittleren sind als Entlüfter ausgebildet. Die Holzbekleidung des Damenzimmers wurde hell schleiflackartig behandelt. Das Vorstandszimmer, aus als Schreib- und Lesezimmer dienend, ist durch seine Konstruktion für Bühnenzwecke bemerkenswert. Die breitflügelige Schiebetüröffnung, der Fußboden kann auf eine Breite von ungefähr 1,5 m mechanisch gehoben werden, Rollvorhänge schaffen neutrale seitliche und hintere Bühnenwände.

Einen Übergang zur großen Terrasse und zur Landschaft bietet die Glasveranda. Fußboden und Sockel erhielten Belag bzw. Bekleidung von Solnhofer Platten, die Wände weißen Anstrich, Holzunterzüge der Decke wurden blau und gelb abgesetzt. Blau sind auch Tische und Stühle, so daß der Raum mit seinen breiten Öffnungen ein besonders festliches Bild bietet. Einfache, klare und lichtdurchflutete Ausbildungen erhielten die Mitteltreppe, sowie Foyer und Garderoben. Unter dem im Bilde erscheinenden Podeste liegt der Haupteingang, dessen Haupträume dem Rudersport dienen. Die Bootsunterbringung ist ausgezeichnet durchgeführt, sibbvoll angeordnete Laufkatzen erleichtern den Transport der Boote. Von besonderer Bedeutung ist die Ruderbeckenanlage, großzügig sind Toiletten- und Baderäume, ferner Heizungs- und Warmwasserbereitungsanlage, Belüftung der Säle, Kühlräume usw.


Das äußere des Hauses entwickelt sich vom Wasser aus im ansteigenden Rhythmus der Terrassen nach oben, die sich aus der zweckvollen Gliederung der Grundrisse ergaben. Durch das helle Rot der bunten Klinker, der ins gelbe gehenden Farbe der Terrakotten, der lasierten und scharf rot abgesetzten Holzteile bietet das Haus einen wohlabgewogenen frohen Anblick. Die beiden seitlichen Treppentürme nehmen die Bewegung auf, sie bilden gleichzeitig auch den Rahmen für die strenge Gliederung der Hauptansicht mit dem runden Portalvorbau. Gleich festlichen Anblick bietet das Haus des Abends, wenn die Beleuchtungen, von den oberen Ecken der Türme ausgehend, eingeschaltet sind.


Das Bauwerk ist in der Hauptsache Ziegelmassivbau mit teilweiser Verwendung von Eisenfachwerk (Saalwände und Dachgeschoßaufbau). Es ist auf einem Betonpfahlrost gegründet und stellte außerordentliche Anforderungen an die Abdichtung. Die Zwischendecken wurden in Raebelkonstruktion ausgeführt, Fußböden in der Hauptsache mit Korklinoleum belegt, der Festsaal parkettiert. Das Dach wurde mit Ruberoid gedeckt.“


Otto Riedrich

            

Bild 1 Bootshalle mit Ausfahrt Richtung Dahme alle s-w Fotos  aus der  DeutschenBauzeitung Heft 4/1930

            

Bild 2 großer Festsaal , vorn Mitte die Musikerempore 

                   

Bild 3 Ansicht von der Regattastraße  

                                  

Bild 4 :Treppenvorbau von innen gesehen.

                                   

Bild 5 : Vorbau von außen

Bereits 1934 wurde das Grundstück Eigentum der Dresdner Bank. Fortan nicht nur für Wassersportfreunde sondern auch als Erholungsheim genutzt.

Im Jahre 1936 wurden hier die Ruderwettbewerbe der Olympischen Sommerspiele ausgetragen und in dem Hause wohnten damals die italienischen Sportler.

Das Gebäude befindet sich wenige hundert Meter vom Startplatz der Regattastrecke entfernt.        Die T​ribühne von 1936 wird gerade wieder renoviert.

Auch im Garten des Ferienobjektes hatte man einen Kampfrichterausguck, der jedoch zur Olympiade 1936 noch nicht vorhanden war. 

Schauen wir nochmal auf das Wasser, wir blicken auf die andere Uferseite, hier ist das Ziel und an unserem Ufer die Tribühne.

Wie das 1936 aussah, dazu noch ein Foto.

Im Jahre 1940 wurde es zur Nutzung als Reservelazarett von der Wehrmacht konfisziert. Im Frühjahr 1945 kam es durch Kriegseinwirkung zu Beschädigungen am Gebäude. Der Stadtteil lag, nachdem sich die Besatzungsmächte geeinigt hatten, im sowjetisch besetzten Sektor von Berlin .

Bereits am 13.Mai 1945 um 20,00 Uhr , begann der Berliner Rundfunk unter dem neuen Stationsnamen " Radio Berlin" unter Kontrolle der SMAD (Sowjetische Militäradministration) seine Sendungen. Ausgestrahlt wurde über den 86 m hohen Holzturm-Sender Tegel auf Mittelwelle 841 KHz, dieser hatte durch Kampfeinwirkungen nur leichte Beschädigungen davongetragen.

Das Funkhaus in der Masurenallee wurde zur Nutzung hergerichtet, die Übertragungskabel nach Tegel waren jedoch an mehreren Stellen unterbrochen und dies konnte in wenigen Tagen nicht repariert werden.

In Tegel wurde deshalb ein Provisorium eingerichtet. Von den Technikern wurde ein Ü- Wagen soweit instandgesetzt, daß er als eine Art Notstudio eingesetzt werden konnte. Es ging also jetzt direkt vom Notstudio zum Sender . So wurde die erste Stunde von 20,00 bis 21,00 Uhr gesendet.

Auch in der Masurenallee blieb man nicht untätig. Zum einen wurden eine behelfsmäßige Tonsignalleitung nach Tegel verlegt und im Studiogebäude wurden  Aufräumungsarbeiten erledigt und das Studio "Sprecher1" wieder arbeitsfähig gemacht. Auf 12 m2 konnte dann ab etwa 15.Mai wieder gesendet werden. Am 20.Mai sendete "Radio Berlin" bereits wieder von 6,00 Uhr morgens bis 01,00 Uhr nachts. 

Soweit, so gut, am 5. Juni 1945 kamen die Alliierten nach Berlin, die Stadt war inzwischen in vier Sektoren aufgeteilt.  Die Masurenallee gehörte nun zum britischen Sektor, der Sender Tegel war im französischen und das Verstärkeramt Winterfeldtstraße im amerikanischen Sektor der Stadt. Damit entstand eine komplizierte politische und technische Lage.

DAS KONNTE NICHT GUTGEHEN, dies wußten auch führende Politiker Ostberlins. Es begann mit willkürlichen Stromabschaltungen, Kabelunterbrechungen auf dem Weg zum Sender, Einschlagen von Fenstern, Diebstähle von Funkhauseigentum, um nur einige Probleme zu nennen. 

Man suchte nach einem sicheren Standort im Sowjetischen Sektor Berlins und man fand diesen:

Mit dem Befehl Nr. 113 vom 20.Mai 1946 ordnete der sowjetische Marschall Shukow den Bau eines Rundfunkstudios in dem Gebäude auf der Regattastraße 276/277 an. Die Technik wurde überwiegend aus Beständen der Reichsrundfunkgesellschaft, von der Wehrmacht sowie aus objektbezogenen Neuanfertigungen zusammengebaut.  Vorhanden waren nun  Schneid- und Umzeichnungseinrichtungen und es gab drei Regieräume für Saal, Hörspielkomplex und Sendekomplex sowie einen Schaltraum.

In Berlin Grünau begann die offizielle Arbeit im "kleinen Funkhaus" ab 1.Mai 1947.

Foto; Wolfgang Lill, April 2021. Leider habe ich bis jetzt kein Foto vom Betriebsstart in Grünau v. 1.Mai 1947 gefunden.

Von dort kamen zunächst Programmzuarbeiten für den Berliner Rundfunk an der Masurenallee sowie aber auch für andere Sender in der Sowjetischen Besatzungszone, dort konnten nicht nur Dokumentationen sondern auch Hörspiele produziert werden und auch Konzerte stattfinden. Mit der Nalepastraße wurden jedoch Kapazitäten geschaffen, die auch neues andenken ließen.

 

Am 17.August 1956 startete der Deutsche Freiheitssender 904 sein Programm. Es war just an dem Tage, wo in der BRD die KPD verboten wurde. So kämpfte man jetzt illegal weiter mit dem einzigsten Sender der nicht unter Regierungskontrolle der BRD stand .

Zunächst hatte man die Kollegen in der Nalepastraße einquartiert, das Risiko, daß die Redaktion schon nach kurzer Zeit auffliegt war jedoch zu groß und so schickte man die Kollegen in die abgelegene Villa nach Grünau. Bereits im September 1956 erfolgte der Umzug.

Der Sender selbst stand tatsächlich nicht unter Regierungskontrolle der BRD, weil er von Brehm bei Magdeburg  (also vom Gebiet der DDR)  mit 250 KW strahlte. 

Foto; www senderfotos-bb.de  vielen Dank.  Hinweis zum Foto : der rechte Mast ist weg, der linke ist noch vorhanden und sendet jetzt noch Zeitzeichen über Langwelle er ist einer von drei solchen Sendern, welche in Europa existieren. Die Trägerfrequenz ist 139,00 KHz. Der zweite ist in Lakihegy bei Budapest auf  135,60 KHz und Nummer drei findet man in Mainflingen bei Frankfurt /Main auf  129,1 kHz.

Bereits im Jahre 1959 war das "Gastspiel" vorbei, die Redaktion vom Dt. Freiheitssender 904            (inzwischen auf 908 KHz) zog nach Berlin- Friedrichshagen . Ich erinnere mich noch an einige Sendezeiten 19,00 bis 20,00 uhr, 21,00 bis 22,00 Uhr und frühmorgens konnte man die Stimme der illegalen KPD bereits 4,30 Uhr hören....

Gute 100 m stadtwärts findet man ein interessantes Gebäude. Herr Bechtoldt vom Regattapark.ev. Grünau schreibt mir dazu:

Wie versprochen, erhalten Sie im Anhang für Ihre Dokumentation ein paar Fotos, die unser Haus vor und auch in der Zeit als Funkhaus betreffen (Soldatensender 935 KHz ; hier die Senderkennung 7h2wNJuTeqg

 

ehemalige Mitarbeiter des Deutschen Soldatensenders  bei einem Veteranentreffen im Jahre 2010 vor Ort

Foto H.J. Wodtke. Vielen Dank !

 Der Original- Bauhaus-Stil-Oberbau (im Volksmund damals genannt "Keksdose") ist im Luftbild auf einem massiven Unterbau mit den dort integrierten Bootshallen sichtbar.

Ansicht des Gebäudes "Keksdose" in den 30iger Jahren

dort war eine Großküche im UG eingebaut.

Nach 1945 hat man die "Keksdose" abgerissen und auf dem Unterbau eine massive Gebäudeerweiterung vorgenommen, die leider die Bauhaus-Eleganz des ALLIANZ-Ursprungsgebäudes zerstört hat. Foto von der Übernahme 2002

4 vorherige Bilder aus der Sammlung des Eigentümers Herrn Bechthold. Vielen Dank. 

Um den sportlichen Zweck des Hauses als ASK-Ruderzentrum nach außen zu dokumentieren, wurde offiziell das Foto an der Rückfront, mit den 8 Ruderern vor dem Fenster des NVA-Generals für den DDR-Sport gestreut.

Foto; Bundesarchiv_Bild_183-31761-0001,_ZSK_Vorw%C3%A4rts_Berlin,_Achter.jpg gemeinfrei gestellt. 

Interessant ist auch die Übergabe der Haus-Unterlagen an unsere Familie 2002 durch die OFD-Berlin in einer "Geheimnisträger-Aktentasche", die mit Kette und Handschelle am Handgelenk fest angeschlossen werden sollte.

Foto: G. Bechthold . Vielen Dank !

Soweit dieser Bericht, für den ich mich herzlichst, ich denke auch im Namen aller Leser, bedanke.

Zurück zum Funkhaus Grünau.

Das Objekt ist auf der Denkmalliste der Stadt Berlin unter der Nummer : 09045637 erfasst.

Die weitere Nutzung ab 1968  erfolgte duch den Deutschen Fernsehfunk bzw. das  Fernsehen der DDR. Auch soll das Objekt für Schulungen genutzt worden sein. Nach der Wende ging das Grundstück komplett an das Neukölner Bildungswerk: Allerdings meldete dieses im September 2007 Insolvenz an. 

Im Rahmen einer Versteigerung erwarb die Hamburger Firma, die "Erste Hanseatische Projektmanagement GmbH"  am 28. März 2008 das Grundstück mit allen Baulichkeiten für 655.000 EURO. Aus meiner heutigen Sicht ein absolutes Schnäppchen. Im Frühjahr 2012 zogen junge Leute ein, die gemeinschaftliche Projekte reaisierten, was jedoch 2014 wieder beendet wurde.

Das Objekt begann mit dem Leerstand zu verfallen. Freundlicherweise hat mir Kai Ludwig einige Fotos überlassen, die er dort  aufnehmen konnte:

Hier eine Aufnahme von der Wasserseite aus dem Jahre 2017 Foto: Kai Ludwig

Zugang vom Korridor in eine Regie, Foto Kai Ludwig

Schaltschleuse in einen Sprecherraum, Foto Kai Ludwig

Regie, Foto Kai Ludwig

Vorhang zur Regulierung der Nachhallzeit im Sprecherraum , Foto Kai Ludwig

Aufgang im Funkhaus Grünau  Foto Kai Ludwig

Haupttreppenhaus im FH Grünau, Foto: Kai Ludwig.

Flur im Funkhaus Grünau , Foto: Kai Ludwig

Saal im Funkhaus, neun Jahre nach der Versteigerung ! Foto: Kai Ludwig

Funkhaus Grünau , Hofseite, Foto: Kai Ludwig

Ich möchte gleich noch einige Fotos zeigen, welche ich im April 2021 gemacht habe.

Wie wir sehen, hat der Eingetümer inzwischen einige Sicherungsarbeiten an den Fensteröffnungen veranlasst.

Straßenansicht

Illegale Partys werden hier offensichtlich immer wieder gefeiert, der Müll bleibt liegen.

 

Der Verein "Zukunft in Grünau e.V. " kämpft seit Jahren um den Erhalt des Denkmales. Herr Robert Schaddach, Abgeordneter der SPD in Berlin hat mit dem Verein eine Initiave gestartet mit dem Ziel der Enteignung des jetzigen Besitzers:

Ich hoffe, daß auch unsere Leser die Petition unterstützen, damit das Haus nicht langfristig verfällt. 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Funkhaus Berlin- Grünau 
25.Dec.21 08:10
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Seit nun mehr als 12 Jahren steht das denkmalgeschützte Backsteingebäude leer.  Das Gebäude auf dem 7500 Quadratmeter großen Grundstück an der Regattastrecke  hat sich im baulichen Zustand, so kann man es zumindestens erkennen, weiter verschlechtert.

Ein Anwohner hat mir dieses Foto, aufgenommen am 23.12.2021, geschickt. 

Hier noch die Pressemitteilung 

Robert Schaddach (SPD) beantragt ENTEIGNUNG von FUNKHAUS GRÜNAU Meine Motivation als Berliner SPD-Abgeordneter (MdA) für diesen Enteignungsantrag: „Es gilt mitzuhelfen ein gefährdetes Berliner Baudenkmal vor dem Untergang zu bewahren!“ Deshalb habe ich am 26. Januar 2021 den Antrag auf Enteignung von Funkhaus Grünau gemäß § 17 Denkmalschutzgesetz Berlin gestellt. Als Abgeordneter habe ich interessante Geschichten beim Schutz unserer Denkmale erlebt.

Aber selten sind mir spekulative Interessen gegen den Denkmalschutz so negativ für unser Gemeinwesen vor Augen geführt worden wie beim Denkmal FUNKHAUS GRÜNAU. Der Abstieg begann 2008, nachdem ein vermögender Hamburger Investor, getarnt in einem undurchsichtigen Hamburger Firmengeflecht, das Denkmal FUNKHAUS GRÜNAU, Nr.: 09045637 in der Berliner Denkmalliste, für ca. 650.000,- € verdeckt über seine Angestellten ersteigert hat.

Dabei erwarb er im Jahr 2008 das Denkmalgebäude als komplett funktionsfähiges Haus, d. h. es wurde bis dato technisch und optisch einwandfrei genutzt, - bis fast zuletzt als öffentliche Lehranstalt für Kurse der Bundesarbeitsagentur und mit regem Publikumsverkehr. Den Denkmalschutz für sein intaktes Denkmal in Berlin hat der neue Hamburger Eigentümer 2008 ausdrücklich mit gekauft, ebenso wie weitere Verpflichtungen aus dem B-Plan XVI-85. Aber dann hat es der Hamburger Eigentümer geschafft, das Denkmal FUNKHAUS GRÜNAU, durch totale Vernachlässigung und 12 Jahre schädlichen Leerstand, baulich wie funktional zu ruinieren:

Die gesamte Haustechnik ist desolat, d. h. im Haus funktioniert nichts mehr. Von oben wie von unten ist das Gebäude eindringendem Wasser teils schutzlos ausgeliefert - mit weiter negativer Langzeitwirkung auf die Bausubstanz. Nicht zuletzt wegen absurder Kaufpreisvorstellungen des Hamburger Eigentümers, die nicht im Entferntesten betriebswirtschaftlich begründbar wären (10 Millionen €), ist der Berliner Bürgerschaft eindringlich klar geworden, dass der Hamburger Eigentümer die Restaurierung unseres schwer beschädigten Denkmals FUNKHAUS GRÜNAU niemals verwirklichen will.

Gesprächsangebote mit Ortsvereinen wurden bis zuletzt auch anwaltlich ausgeschlagen. Das Denkmalgebäude hat mit diesem Eigentümer seine Nutzbarkeit als Haus verloren. Es ist momentan nur eine fensterlose defekte Hülle ohne Innenleben - ein negatives Monument für „Null Denkmalpflege“ und „Null Denkmalschutz“. Zudem verschandelt die desolate äußere Gestalt, mit Graffiti und Vandalismusschäden, das Lebensumfeld für unsere Berliner Bürger und Besucher seit langem in unzumutbarer Weise. Statt wie geplant die Region aufzuwerten strahlt das Denkmal Verfall und Niedergang aus.

Nicht nur ich glaube: Unsere Bürger und Besucher in Berlin haben etwas Besseres verdient! Dies umso mehr, als direkt nebenan, mit meiner bescheidenen Hilfe im Team „denkzeichenwassersport.de“, ein modernes SPORTDENKMAL in einem Erholungs-Park am Langen See entsteht. Auch dazu wünscht man sich gemeinwirtschaftlich möglichst schnell eine besser passende Nachbarschaft.

Als einziges im Berliner Südosten erhaltenes Baudenkmal aus der Stilepoche der „Moderne“, in expressionistischer Backstein-Architektur von 1929, hat dessen wechselvolle Geschichte, heute einen kritischen Tiefpunkt beim Verfall erreicht, - womöglich nicht mehr allzu weit entfernt vom „point of no return“. Wir erinnern uns: Denkmalschutz schafft Vermögenswerte für alle Bürger, aber ebenso ist Denkmalschutz auch Bürgerpflicht, insbesondere für Eigentümer/Verfügungsberechtigte. Unser Sozialsystem sieht zugunsten unserer gemeinsamen Interessen „Denkmalpflege“ vor.

Und mit „Denkmalschutz“ will der Gesetzgeber auch verhindern, dass Denkmale untergehen. Denn Denkmale sind einmalige Zeitzeugen und wichtige Kulturgüter, deren Wert unserer Allgemeinheit dauerhaft zugutekommen soll; – oder andersherum: Wenn ein Denkmal untergeht erleidet unser Gemeinwesen gleichzeitig einen unwiederbringlichen Schaden. Unsere Gesellschaft hat insofern gesetzlichen Anspruch auf Denkmalpflege und ordentlichen Denkmalschutz.

Wie jetzt, können manchmal gemeinnützige Initiativen dabei mithelfen. Selbst wenn der Enteignung hohe Hürden gegenüberstehen mögen, - gerne werde ich mich zum Nutzen der Allgemeinheit für eine positive Wende in der neueren Funkhaus-Geschichte einsetzen, um unser Berliner Denkmal FUNKHAUS GRÜNAU durch die Enteignung vor dem Untergang zu bewahren. Dabei bin ich für wertvolle Unterstützung aller Mitbürger, auch über Berlin hinaus, sehr dankbar.

Berlin, den 09. Februar 2021 Robert Schaddach, MdA

Die Pedition brachte über 8000 Unterschriften.  

Das Stadtentwicklungsamt Köpenick führte am 21.Oktober 2021 eine Begehung mit dem Eigentümer durch. Der Zustand des Daches ist inzwischen sehr schlecht und es muß unbedingt instandgesetzt werden. Der Eigentümer hat Instandhaltungsarbeiten zugesichert. Der Anwohner der mir das o.g. Foto übersandte, hat allerdings davon noch nichts gesehen. 

Das Stadtentwicklungsamt teilte dem SPD- Abgeordneten Schaddach mit, daß eine Enteignung nur zulässig ist, wenn der Eigentümer auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nicht reagiere, er hat jedoch mehrere solche Maßnahmen durchgeführt, so wurden die Fenster mit Platten verschlossen, die Einfriedung teilweise instandgesetzt sowie die Zugänge mit Vorhängeschloß gesichert. (Foto)

Der Wert des Grundstückes wird gegenwärtig mit 6 Millionen Euro eingeschätzt. 

Ich bleibe dran.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.