Glanzgrad Chassis

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ID: 335807
? Glanzgrad Chassis 
06.Dec.13 17:57
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Ulrich Mensdorf (D)
Beiträge: 4
Anzahl Danke: 9

Ich restauriere gerade mein allererstes Radio, ein Telefunken Caprice 1051.

Momentan bin ich am Chassis dran. Als nach nur kurzer Bearbeitung eine Stelle 

anfing zu spiegeln, fragte ich mich ob das denn so richtig ist, denn ich möchte, so möglich,

keine Restaurierung die über den Originalzustand hinausgeht.

Ich habe im Forum und im Netz gesucht, letztlich konnte ich nicht feststellen,

mit welchem Oberflächenglanz solche Stahlchassis vom Band liefen.

Bin für jede Info dankbar.

 

U. Mensdorf

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Oberfächen von Chassis 
06.Dec.13 23:03
74 from 2386
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Rüdiger Walz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 744
Anzahl Danke: 13
Rüdiger Walz

Hallo Herr Mensdorf,

die Oberflächen von Radiochassis wurden auf vielfältige Art und Weise behandelt. Die meisten Chassis bestehen aus Stahlblech und wurden mit silberner Farbe auf Basis Aluminiumpulver  lackiert. Je nach Lackanteil dieser Farben lassen sie sich beim Polieren vom Stahlblech herunterreiben. Das Blech sieht dann schön glänzend aus, wird aber ohne Schutzfarbe u.U. bald rosten. Hier kann man mit Felgenspray aus dem Baumarkt restaurieren. Wenn man nur dünn lackiert sieht das Chassis wieder wie original aus. Kleinere Reparaturen kann man mit „Silberfarbe“  (auf Basis Aluminiumpulver)  aus der Dose und Reiben mit einem Tuch durchführen. Mit dem Pinsel sieht man leicht Pinselstriche. Der Glanz ist seidenmatt. In den 50er Jahren wurde auch eine goldfarbene Lackierung verwendet. Reinigung hier je nach Verschmutzungsart mit Petroleum, Brennspiritus oder Haushaltsreiniger.

Weiterhin gab es cadminierte Chassis. Hier wurde Cadmium galvanisch aufgebracht. Diese Chassis setzen durch Korrosion im Laufe der Jahrzehnte ein gelbes Pulver bestehend aus Cadmiumsulfid und Cadmiumoxid an. Hier Vorsicht beim Reinigen. Cadmiumverbindungen sind giftig. Nicht zu stark reiben und hoffen, dass die Restbeschichtung noch ausreicht. Der Glanz ist matt. (Beispiele Telefunken Anfang 30er)

Wenige Chassis wurden auch verzinkt. Man erkennt sie an der grauen Farbe und der muschelig strukturierten Oberfläche. Zink läßt sich nicht so gut löten wie Cadmium, daher hat man früher Cadmium bevorzugt. (Beispiel Lorenz Musikcenter)

Weiterhin wurden vor allem Anfang der 30 Jahre Chassis vernickelt. Sie neigen nur unter extremer Feuchtigkeit zur Korrosion und zeigten im Neuzustand tatsächich einen gewissen Glanz. Heutzutage eher matt. (Beispiele ebenfalls Telefunken Anfang 30er)

Auch gab es Chassis aus Aluminiumblech. Sie glänzten im Neuzustand. Heutzutage oft grau oder mit “Pickeln“ durch Korrosion verursacht. Hier empfiehlt sich heiße Waschlauge für Weißwäsche. Sie  ist leicht alkalisch und reinigt Aluminiumoberflächen hervorragend. Ebenso für Spulentöpfe geeignet. (Beispiel Loewe  Anfang 30er)

Anfang der 30er Jahre kann es sein, dass die Chassis einer Serie unterschiedlich behandelt wurden. Man experimentierte offensichtlich noch mit der neuen Konstruktion. Später sind die meisten Chassis silbern lackiert.

Grundsätzlich sollte man vorsichtig an die Oberflächen herangehen. Wenn beim Reinigen der Lappen farbig wird, sollte man das verwendete Reinigungsmittel wechseln und vorsichtiger sein.

Rüdiger Walz

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Stahl pur 
07.Dec.13 14:56
178 from 2386

Ulrich Mensdorf (D)
Beiträge: 4
Anzahl Danke: 10

Hallo Herr Walz,
 
herzlichen Dank für die ausführliche Information.
Dass auch ausserhalb der Elektrik Gefahren lauern, war mir nicht bewußt.
Was mein Gerät betrifft:
Alu und Verzinkung kann ich ausschließen, es bleibt definitiv nur einfaches Stahlblech übrig.
Ich hab's mir mit einem kleinen Auflichtmikroskop an verschiedenen, auch noch nicht bearbeiteten
Stellen genau angeschaut. Nirgendwo ist eine Lackierung, bzw. Reste davon zu sehen.
 
Die Ausstattung dieses Caprice lässt erkennen, dass es wohl als Zweitgerät für die Küche gedacht war,
dementsprechend billig, da hat man sich wohl eine Lackierung des Cassis erspart.
Mein Caprice war auch genau so eingesetzt, die Entfernung der Fett-Staubpatina von der Platine
hat mich viel Geduld gekostet. Aber alles hat zwei Seiten, das Chassis hat nach 20 Jahren in einem eher feuchten Keller nicht einen Hauch von Rost.
 
Beim nächsten Objekt, werde ich mir jedenfalls die diversen Materialen genauer ansehen, bevor ich Hand
anlege.
 
MfG

Ulrich Mensdorf

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