graetz: 163W; Reparatur und Restauraution
graetz: 163W; Reparatur und Restauraution
hier möchte ich kurz über die Reparatur und Restauration eines 163W berichten. Ich kaufte das Gerät vor einigen Monaten zum Preis von 5 Euro von einem anderen Sammler, bei dem es lange Jahre ohne Funktion in der Garage zugebracht hatte. Es handelt sich um die zweite (53er) Version mit Aus-Taste links. Als ich es bekam, war das Gehäuse in einem erbärmlichen Zustand und eigentlich hatte ich schon vor, es zur Teilegewinnung zu schlachten, man weiß ja nie.
Erst Wochen später habe ich dann erstmals einen Blick in das Innenleben geworfen und mich beim Blick auf den Schaltplan von der hochkarätigen Technik überzeugt. Aber: innendrin hatte ein unbekannter (besser für ihn) Vorbesitzer statt einer korrekten EL12 eine EL84 eingebaut, indem er Schweißdrähte in die Fassung gesteckt und die EL84 einfach an den anderen Enden festgelötet hatte. Was die Leute nicht alles gemacht haben, um die Radios irgendwie spielfähig zu halten. Aber das muß ein übler Grobmotoriker gewesen sein.
So kam ich an eine zusätzliche EL84 und zu dem Entschluß, das Gerät denn doch fertig zu machen.
Nach einer gründlichen Reinigung habe ich zunächst im Innenraum alle netzspannungsführenden Kabel erneuert, da die Isolation des Ursprungsmaterials zerbröselt war. Dann habe ich wie üblich die Mechanik gangbar gemacht, die übelsten Kondensatoren getauscht und einen ersten Test mit einer aus einem anderen Radio geklauten EL11 (!) gemacht. Die Röhrenheizungen funktionierten sofort, aber es kam kein Piep aus dem kleinen LS, den ich immer zum Testen benutze. Na klar, das Radio hat einen elektrodynamischen und einen permanentdynamischen Lautsprecher. Das ganze Gerät bekommt nur dann Spannung, wenn auch der elektrodynamische Lautsprecher angeschlossen ist, da dessen Erregerspule zwischen den beiden Elkos steht. Darauf hat mich Herr Dehne freundlicherweise aufmerksam gemacht.
Nachdem ich das fliegend verdrahtet hatte, kamen auch schon die ersten Töne aus dem Radio. Jetzt konnte ich also an die Beschaffung einer möglichst neuen EL12 gehen, da alle soweit messbaren Spannungen im grünen Bereich lagen. Bei einem Versender habe ich dann eine echt nagelneue EL12, offensichtlich aus der Vorkriegsproduktion von Telefunken bekommen, die dem Gerät dann auch zum vollen Klangvolumen verhalf. Außerdem habe ich noch eine EF41 getauscht, die mir zu schwach erschien.
Als Schönheitsfehler verblieben noch die fleckigen Tasten, die ich bis heute nicht restlos sauber bekommen habe, der gelegentlich durch Knacken sich bemerkbar machende Wechselschalter der Stromsparschaltung und das Gehäuse.
Dieses Gehäuse war in schäbigem Zustand, der Lack zum Großteil ab, die Seitenzeileisten aus Messing fehlten usw. Aber es waren kaum Macken dran, sodaß ich beschloß, es neu zu beizen und zu lackieren. Dafür mußte erst der alte Lack ab, möglichst ohne das dicke Furnier zu beschädigen. Die Arbeit der Abschleifens konnte ich erfeulicherweise an ein in Rente befindliches Familienmitglied delegieren, welches Erfahrungen im Schreinerhandwerk hat, puh ! Anschließend habe ich das Gehäuse dann mit wässriger Holzbeize im Ton "Eiche mittel" von der Fa. Clou eingelassen, nicht ohne es vorher zweimal recht feucht abzureiben, um den letzten Schleifstaub zu entfernen und die Holzporen zu öffnen. Die Holzbeize habe ich mit einem weichen Baumwollappen einmassiert, bis sich eine Farbsättigung ergab und das Holz nichts mehr aufnahm. Nach gründlicher Trockung wurde dann mit dem Pinsel eine feine Schicht Schellack-Streichlack, auch von Clou aufgetragen. Dabei kommt es darauf an, flott zu arbeiten, da dieser Lack sehr zügig trocknet und dann klebrig wird. Den habe ich einen Tag später nochmal mit 220er Schleifpapier abgeschliffen und nochmals dünnst mit Schellack überzogen. Die fehlenden Messingzierleisten habe ich durch eine Goldkordel ersetzt, die man in verschiedenen Stärken im Dekorationsgeschäft bekommt.
Schließlich kam die Schallwandbespannung dran. Die alte war derart zerfetzt und verdreckt, daß ich eine Bespannung eines geschlachteten Saba eingesetzt habe, Graetz-Fans verzeihen dies hoffentlich. Da das Graetz-Emblem aus Messing fehlte, habe ich mich bei ebay umgesehen und für 4,50 Euro auch ein neues Emblem bekommen und dieses eingebaut.
Abschließend habe ich dann alle Drehknöpfe in Geschirreiniger gewaschen (50 bis 60 Grad warmes Wasser mit 1/4 Geschirrtab in einen alten Topf, Knöpfe für 15 Minuten rein, häufiger umrühren, nur für Bakelitknöpfe) und dann das ganze Gerät zusammengebaut.
Er ist jetzt fertig und spielt sehr schön. Klar den Schalter der Sparschaltung könnte ich brücken, um das Knacken wegzubekommen, mache ich aber nicht, warte lieber auf ein Schlachtgerät...
(Vorher-Nachher-Bilder stehen beim Modell.)
Holger Pflug
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Goldkordel
könnten Sie ein Bild von der "Goldkordel im Einsatz" bringen ? Ich würde mal gerne sehen, wie dies auf dem Gehäuse aussieht. Das Problem mit den Zierleisten tritt ja leider häufiger auf. Möglichst ein Bild, das die Kordel ziemlich detailliert zeigt. Das Gerät sieht ja wirklich gut aus !
Gruss an die Graetz ( und andere Geräte) Gemeinde
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Goldkordel
ledier habe ich keine Digitalkamera, die Bilder macht mir immer mein Bruder. Wenn der wieder mal hier ist, werde ich ihn um eine Aufnahme des Details bitten und Ihnen direkt per Mail zuschicken. Ich kaufe die Kordel hier in einem Dekorationsgeschäft für ungefähr 80 Cent pro Meter und verklebe sie nur an der Gehäusehinterkante, ziehe sie dann straff in die Nut und verklebe sie dann nochmals unter dem Gehäuse.
Bis dahin
Holger Pflug
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Sparschaltung bei Graetz 163W
kürzlich habe ich mir auf einem Flohmarkt genau dieses Gerät gekauft: Graetz 163W in mittelmäßigem Zustand für 15 EUR und eingeschränkt funktionsfähig.
Das Gerät hat eine Sparschaltung, die durch Ziehen des Lautstärkereglers aktiviert wird. Die Anodenspannungen werden allesamt zurückgefahren und dadurch die Leistungsaufnahme von 85W auf 55W reduziert. Das Gerät wird dementsprechend deutlich leiser und das magische Auge dunkler.
Meine Frage hier im Forum: Wozu braucht man bei einem netzbetriebenen Gerät eine Sparschaltung? Doch nicht etwa um Strom zu sparen aus Gründen des Umweltschutzes? Daran haben die Leute vor 52 Jahren doch noch nicht gedacht, oder? Außerdem wird das Gerät dadurch in der Herstellung teurer, man braucht ja einen Netztrafo mit zahlreichen Anzapfungen.
Grüße,
Andreas Echtner
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Sparschaltung
Wenn man die damaligen Preise bedenkt...
Gruß,
Simon Reiger
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Man wollte wirklich Strom sparen!
nicht der Umweltschutz, sondern die Stromrechnung war das Argument für die Sparschaltung. Vor 52 Jahren verdiente ein Arbeiter in der Stunde weniger als 2 DM. Da hat man am Monatsende im Geldbeutel deutlich gemerkt, ob die Stromrechnung 60 oder 70 DM ausmacht. Das hatte zur Folge, dass man beim Verlassen eines Raumes nicht vergaß, das Licht auszuschalten. Dass ein Gerät im Sparbetrieb 30 W weniger verbraucht, war vor diesem Hintergrund durchaus ein Verkaufsargument. An die Endröhren dachte man erst in zweiter Linie.
Es hat übrigens schon vor dem Krieg Radios mit dieser Art Sparschaltung gegeben.
Gruß
Peter von Bechen
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Pionierarbeiten von Graetz im Jahre 1935
Hallo Radiofreunde,
ja so war es 1935 mit der Sparschaltung, als deren Erfinder sich "Graetz" behauptet, die Energieeinsparung war das Argument. Auch bei Allstromempfängern gab es die Sparschaltung.
Hier der Text original 1938 - "Pionierarbeiten"
Frohes Radiohören und Grüße !
Jens Dehne
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Goldkordel im Einsatz
hier nun endlich das gewünschte Detailbild:
Gruß
Holger Pflug
Anlagen:
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Interessant
das sieht zwar etwas "ungewöhnlich" aus, aber ich denke daß die Restauration gut gelungen ist. Ich habe aber dennoch eine Frage:
Gibt es vielleicht eine "Goldkordel" die glatt an der Oberfläche ist ? Wenn man so etwas kaufen könnte dann hätte ich schon einen konkreten Einsatz dafür. Ich denke da an eine Art Kunststoff - "wurst", die golden eingefärbt ist, eben wie die Goldkordel, jedoch keine rauhe oder anders geprägte Oberfläche hat. Bisher ist mir so etwas noch nicht über den Weg gelaufen.
Viele Grüße und ein frohes Fest an alle Leser !
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Automaterial ?
kennen Sie Affensch....e ? Entschuldigen Sie das vulgäre Wort, aber eine andere Bezeichnung dafür kenne ich nicht. Es wird in Karosseriebetrieben zur Abdichtung neu eingesetzter Autofenster benutzt, genauer gesagt unter die Fensterdichtungen geklemmt und mit dem Fön erhitzt, damit es in Form kommt. Es handelt sich um einen halbwegs flexiblen Draht, der mit einer schwarzen Masse von etwa 3 mm Stärke umgeben ist. Müßte man also goldfarben spritzen.
Ist hier ein Karosseriebauer unter den Mitleseren ?
Holger Pflug
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Link zu ähnlichem Problem
Wahrscheinlich ist "Keder" ein interessanter Hinweis. Habe dies hier bei http://www.lexikonia.de/256339_keder.htm gefunden:
Ein Keder ist eine Verstärkung des Randes bei einem Tuch oder einer Plane (Abdeckung). Er besteht üblicherweise aus stoffumhüllten Leder oder Kunststoff.
Ein Keder dient sowohl zur Verdeckung und Verzierung von Nähten als auch zur Verstärkung von Kanten. Keder werden vor allem beim Beziehen von Polstermöbeln als Dekorationselement eingesetzt.
Habe derzeit Urlaub und werde die einschlägigen Betriebe in meiner Nähe abgrasen.
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