Kondensatoren restaurieren mit Parafin?
Kondensatoren restaurieren mit Parafin?

Papier-Kondensatoren restaurieren eine kleine Dokumentation zum Für und Wider 23.2.2010
In der Radio-Restaurationswelt ist dieses Thema ein immer wiederkehrendes Chatthema. Schauen wir doch einmal in den alten Kondensator hinein. Im Bild 1 ist der ausgezogene Wickel zu sehen. Dieser Kondensator hatte einen Isolationswiderstand bei Nennspannung von ca. 100kOhm. Was ist
in dem Kondensator passiert. Wickelt man auf und sucht die Defektstellen, so entdeckt man ausgefressene Löcher, siehe Bild 2. Spannungsüberschläge von Belag zu Belag nagen durch das Loch und das Papier verändert seine Isolationseigenschaft. Das hier ist ein Beispiel von vielen.
Bild 1 Herausziehen des Wickels Bild 2 Defektstelle im Alu-Belag Lochfraß
Es gibt Rezepte, die das Trocknen und anschließendes Tauchen eines defekten Kondensators in flüssigem Parafin empfehlen. Bei Becherkondensatoren kann die Abdeckung geöffnet werden, bei Rollentypen ist das schon schwieriger, Das Parafin soll ungehindert eindringen und soll an die Defektstelle vordringen und neu isolieren. Eine anschließende Isolationsprüfung kontrolliert den Erfolg.
Es bleibt in Diskussion wie erfolgreich diese Methoden sind.
Meist treten viele Defektstellen auf und die Kapazität ist schon stark verändert. Werden alle Defekte repariert? Wenn man Kondensatoren und keine Widerstände verwenden will, so bleibt die getarnte Austauschmethode eine gute Wahl. Wie im Bild 3 zu sehen, sieht man von außen nichts.
Bild 3 restaurierter Papierkondensator enthält 2 x 4,7μF MKT Kondensator mit 400V
Um eine Situation noch einmal zu demonstrieren, habe ich einen Restaurieranwärter vorgenommen.
Ein NORA Multityp aus einem Volksempfänger mit insgesamt 5 Stück 4μF, 2μF 2 x 0,1μF und 1μF.
Das ist ein Papierkondensator im klassischen Sinne. Nach dem Deckelöffnen sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld, Parafin- und Teerbrocken und braune Distanzblöcke liegen herum.
Bild 4 Das Kondensatorschlachtfeld
Bild 5 Kapazitätsmessung nach dem Öffnen Bild 6 Leckstromprüfung an dem „4μF – 2 x 2μF-Typ“
Der Kapazitätsmesser zeigt anstatt 4μF nur 1,7μF und der Isolationstest mit der 250V Glimmlampe einen Fehlstrom von 2,05mA. Angesichts dieser Werte habe ich alle Hoffnung beiseite gelegt und den Wickel aufgemacht. Warum ist die Kapazität so stark abgesunken? Die 2 Wickel waren optisch nicht gerade auffällig.
Bild 7 Seitenansicht Seitenansic "2 x 2µF" Bild 8 von oben
Bild 9 von unten
Der offene Wickel zeigte zahlreiche Defektstellen. Die Aluflächen mit vielen korrodierten Stellen gepflastert. Der 8m lange Wickel zeigte im Bereich von 5cm 3 Defektstellen vorzugsweise am Rand. Rechnet man auf die gesamte Länge so kommt man auf ca. 500 defekte Stellen. Damit wäre schon mal die verlorene Kapazität erklärt.
Bild 10 Defektstelle korrodierte Stellen z.T. bereits ausgefranste Löcher wie im Bild 2
Dazu kommen braun gebrannte Defekte am Rand – Bild 11 - sieht aus wie Spannungsüberschläge.
In jedem Fall sind diese Stellen nicht mehr voll isolierend. Die Analyse soll nicht bis ins Letzte gehen, sondern nur die Frage beantworten helfen, ob das neue Tauchbad im Parafin eine Verjüngung bringen kann.
Bild 11 Detailaufnahme brauner Fleck
Es ist von Kollegen nachgewiesen, dass der Isolationswiderstand stark ansteigt. Das führt zu der Versuchung den alten Kondensator wieder einsetzen. Ich habe zu der Parafintauchmethode keine Erfahrung, ob die Kapazität auch anwächst.
Bild 12 brauner Rand an der Wickelkante
Ich habe da Zweifel und bleibe bei dem sicheren Weg mit der Tarnung. Dann stimmen hinterher auch alle elektrischen Werte. Schlußendlich bleibt jedem überlassen welchen Weg gehen will.
Bericht aus der Radiowerkstatt von
Friedrich Weber
alias OpaFritz
22.2.2010
Literaturnachweis: E. Erb Radios von gestern ab Seite 319 ff.
Ergänzung am 2.3.2010
Der NORA Kondensator wurde inzwischen komplettiert und bekam ausser neuen MKT Kondensatoren eine neue Seitenfläche mit Fuss, da mußte ein Teil einer Konservendose dran glauben. Die neuen Kondensatoren wurden mit Parafin im Becher eingegossen, damit die Elemente nicht frei herumhängen. Damit ist diese Aktion abgeschlossen.
Der NORA Kondensator wartet auf einen Einsatz in einem passenden Volksempfänger.
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Über Paraffine

Ich war im Fach Chemie keine Leuchte, habe mich aber vor einigen Jahren mal durch die Literatur gearbeitet, weil ich vermutet hatte, dass Paraffin unter bestimmten Bedingungen doch Reaktionsprodukte erzeugen könnte und die Alterungseffekte der gewickelten Kondensatoren möglicherweise mit verursachen würde.
Sicher gibt es einen besseren Chemiker unter uns, der diese Frage kompetenter abhandeln kann.
In Stichpunkten: Paraffine sind ziemlich reaktionsträge, was auch in der Bezeichnung (lat.) zum Ausdruck kommt.
Vor allem in älteren Physikbüchern werden Dielektrika und die Verwendung von Paraffin für Kondensatoren etwas ausführlicher beschrieben. Im - Kohlrausch: Lehrbuch der praktischen Physik, 1930 - wird u.a. auf den schädlichen Einfluss von Feuchte wegen der hygroskopischen Eigenschaft des Papiers hingewiesen. So scheint also die Verwendung paraffinierter Papierstreifen als Dielektrikum eine perfekte Lösung zu sein.
In den Chemiebüchern findet man den Hinweis, dass sich Paraffine als Isolier- und Imprägniermittel eignen. Man liest dort aber auch, dass die Beständigkeit gegen Säuren, Laugen und Luftsauerstoff nur bei Raumtemperatur gegeben ist. Über das Verhalten im Temperaturbereich bis zur Entzündung konnte ich keine Angaben finden. Misstrauisch macht auch der Hinweis auf nicht genau definierte Reaktionsprodukte, wenn es doch zu einer Reaktion kommen sollte.
Eike Grund
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Kondensatoren auskochen

Paraffin kann je nach Qualität saure Komponenten enthalten. Es kann, wie auch das Papier in den Kondensatoren geringe Anteile Wasser aufnehmen. Daher kann es, wenn die Teervergussmasse (die auch saure Komponenten enthalten kann) im Laufe der Jahre rissig geworden ist zur Feuchtigkeitsaufnahme des Kondensators kommen. Die führt zu Erwärmung des Kondensators im Betrieb und damit zu einer Beschleunigung der Zersetzung des Papiers. Gleiches kennt man von großen Leistungstransformatoren, deren Wicklungen mit Papier isoliert werden.
Dies führt natürlich zu schlechteren Isolationswerten und je nach Lagerung auch zu Korrosionserscheinungen. So detailiert wie Herr Weber habe ich auch noch keine Kondesatoren zerlegt. Hier sind klar Überschläge und Korrosion zu erkennen. Der deutlichste optische Effekt bei alten Blockkondensatoren ist immer noch das Aufquellen, das bis zum Platzen des Blechgehäuses führen kann. Hier kann man nicht mehr viel machen, außer Kondensatoren entnehmen, Gehäuse neu verlöten und Neue innen einsetzen. Siehe hier
Hat der Blockkondensator aber nur verschlechterte Isolationswerte (kein Kurzschluß !) kann man ihn in Paraffin auskochen. Hierzu wird die Teerdeckschicht entfernt (Föhn oder vorsichtig mechanisch herauslösen. Achtung ! Wickel nicht beschädigen) Dann kann man den Kondensator in heißem Paraffin bei ca. 120-130 °C auskochen.
Neues Paraffin vorsichtig in einem alten Kochtopf schmelzen (60-80 °) und dann die Tempartur langsam erhöhen. Man sieht das Wasser aus dem Kondensator kochen. Nach einiger Zeit werden die Dampfblasen weniger und hören ganz auf. Blockkondensator moglichst spät aus dem abkühlenden Paraffin herausnehmen. Da es sich stark beim Abkühlen zusammenzieht muß immer wieder flüssiges Paraffin in den entnommenen Block nachgegossen werden. Der Block wird nun ausgemessen und die Teerschicht wieder oben aufgegossen.
Nach diesem Verfahren hat die Deutsche Post in den 40er Jahren Kondensatoren regeneriert. Siehe auch hier
Rüdiger Walz
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