Koyo KTR-1770 zur Kondensator-Kur

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ID: 633259
Dieser Artikel betrifft das Modell: KTR-1770 (Koyo Denki Co. Ltd.; Kodaira, Tokyo)

Koyo KTR-1770 zur Kondensator-Kur 
23.Aug.23 08:24
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Bruce Cohen (NL)
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Bruce Cohen

Das Radio ist mir vor Jahrzehnten ins Haus  gekommen, weil es so prächtig glänzt und strahlt. Mein Exemplar strahlt zwar eher etwas taub: es ist unsauber, unter dem Skalenglas gibt es einen dicken Grauschleier. Deswegen aber gleich das ganze Gerät auseinandernehmen – wo es sich doch auszeichnet durch einen deutlich sichtbaren mächtigen Kabelsalat?

Am Netz brummt es nur durchdringend laut. Empfang ist nicht möglich. Hingegen: Geht es nicht auch ohne Netz, mit dem Labornetzgerät via die Batterieanschlüsse? – Da läuft es doch ganz nett.  Langwelle und Mittelwelle gut, niedrige KW-Bänder gut, oben sehr viele Einstreuungen von UKW. VHF im allgemein recht gut, nur das AIR-Band ist zum Heulen.

Wegen des misslichen Empfangs auf dem AIR-Band nehme ich das Radio jetzt auseinander. Es fühlt sich in allem an, als ob ein Kontaktproblem vorläge – aber ich finde das Problem schliesslich doch nicht. Wenn man nicht lösen kann, was man lösen will, ist es vielleicht Zeit, etwas zu lösen, was man lösen kann. Es folgt die Kondensator-Kur.

Triefen tun die NTK-Kondensatoren noch gerade nicht – die Mengen, die austreten, sie          verkrusten und verharzen. Nach der ganzen Kur, wie sie im Schälchen liegen, da bluten sie allerdings vor meinen Augen aus. 

Die Stromversorgung / Endverstärkerplatine ist bei mir die CMK1, sie muss ganz heraus. Zuerst ein Foto machen, dann alle Anschlüsse ablöten. Auf dieser Platine befindet sich das Hauptschlachtfeld. Hier bleibt kein Stein auf dem anderen: alle NTK müssen raus!

Nach dieser Erfahrung fliegen ebenfalls alle Elektrolyten der MF-Platine hinaus – diese Platine lässt sich nach Lösen der Befestigungsschrauben und einer einzigen Leitung soweit kippen, dass man ausreichend Zugang hat. – Zum Schluss bleibt ein einziger NTK-Kondensator im Gerät, im HF-AM-Teil. An ihn kann ich nicht herankommen, ohne die Skala ebenfalls entfernen zu müssen, die nicht nur geschraubt, sondern auch geklebt ist. Da der Kondensator noch ‚trocken‘ ist an den Anschlüssen darf er als einziger drinbleiben.

Was ist das Resultat der Staatsaktion? – Der Grauschleier ist fort! – Die Skala, das Skalenglas, die Umgebung der Skala alles ist feucht abgewischt. Das Putztüchlein ist schwarz, das Glas durchsichtig! – Der Ton scheint mir viel kräftiger, saftiger sozusagen. – Ja, und zum Schluss kann ich jetzt ruhig den Netzstecker einstecken – kein Allbrummen mehr, sondern feinster All-Transistor-Empfang!

Wie sagten die Altvorderen? – Was lange währt, wird endlich gut! – Hier bei mir dauert es von 2009 – das Gerät trudelt bei mir ein – bis 2023. Wie viele lange Jahre sind das denn?

Jetzt kann der Radioreparateur zufrieden die Unordnung aufräumen, die er im Lauf der Reparatur angerichtet hat – vergnügt spielt dazu der Koyo KTR-1770 feinste klassische Musik.

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Koyo KTR-1770 - noch eine Kondensator-Kur 
11.Oct.23 12:02
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Martin Bösch (CH)
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Martin Bösch

Lieber Bruce,
einen Koyo KTR-1770 wollte ich schon lange einmal in Betrieb nehmen und habe mir vor einiger Zeit einen geleistet, im Wissen um die Schwachstellen des Geräts.

Der Befund war identisch mit dem beschriebenen, beim Anlegen der Netzspannung (ich habe ihn wie gewohnt mit dem Regel- / Trenntrafo hochgefahren) durchdringendes Brummen aus dem Lautsprecher, das alles übertönt, und den Anschein macht, das Gerät wolle sich gleich selbst zerstören...

Wie vorgeschlagen habe ich zunächst Batterien eingelegt und das Gerät spielte, mit einigen Kontaktstörungen an den Schaltern, aber immerhin.

Dank der schönen Resultate im Beitrag habe ich mich an meine erste umfassende "Kondensatorkur" gewagt, dieses Mehrplatinengerät ist wohl nicht das absolute Einsteigerobjekt.

Schon die Zerlegung ist mühsam, Skizzen von den etlichen abgelöteten Drahtverbindungen zu den Antennen, zur Stromversorgung resp. Transformator, zu den NF-Ausgängen und zum S-Meter haben mir geholfen, den Anschluss der Lautsprecherzuleitung hatte ich dummerweise vergessen, aufzuzeichnen.

Dann ging die Bestellung für neue Qualitätkondensatoren raus, die Spannungswerte habe ich höher gewählt, als die im Gerät verbauten - schadet sicher nicht.

Auch zur CMK1 Endverstärkerplatine musste ich einige Verbindungen ablöten und die Verbindungen protokollieren, ich habe sie nach dem Abschrauben nicht ganz entfernt, sondern lediglich zur Seite geklappt, um an die Kondensatoren zu gelangen. Deren Lage, Werte und Polarität hatte ich aufgezeichnet, nur bei einem die Polarität vergessen, glücklicherweise war der Minusstreifen auf dem zuvor angefertigten Bild zu erkennen.

Nachdem ich zunächst abschliessen wollte, habe ich mich dann auch noch der ZF-Verstärkerplatine angenommen, auch dort etliche Elkos, diejenigen mit hoher Kapazität von fraglicher "Kontinenz".Auch diese Platine konnte nach Lösen der Schrauben einigermassen zur Seite gekippt werden, um die Lötstellen der Kondensatoren zu erreichen.

Da es wie beschrieben kaum möglich ist, das Chassis ausserhalb des Gehäuses in Betrieb zu nehmen, habe ich alles wieder eingebaut, die Verbindungen anhand der Skizzen wieder angelötet und mit heftigem Stossgebet das Gerät unter Spannung gesetzt: offenbar habe ich alle Kabel an die richtige Position gebracht und die Polarität der Elkos hat gestimmt, auf AM kein Brumm, leises Rauschen, und sauberer Empfang in den AM-Bereichen. Ufffff....

Die Ernüchterung kam beim Umschalten auf FM als das Gerät stumm blieb, glücklicherweise nur win Kontaktproblem am Bereichsumschalter, UKW spielt nun auch und ich muss nicht nochmals alles demontieren.

Die Spannung war zu gross, ob die Kondensatorkur erfolgreich durchgeführt wurde, sonst hätte ich mir wie beschrieben Zeit genommen für die "Kontaktpflege" und vor allem die Reinigung des Skalenglases von innen, meins ist zum Glück ziemlich sauber - und die nochmalige "grosse Zerlegung" mit Ablöten aller Kabelverbindungen nicht wert.

Fazit: der Koyo spielt schön auf allen Bändern und ist empfindlich, die Zerlegung eine Mühsal, die akribische Dokumentation der abgelöteten Verbindungen essentiell und als erstes Objekt für den Kondensatorersatz ist es nicht gerade ein Anfängerobjekt...

Danke für Deinen Beitrag, der mir den Mut gegeben hat, mich hinter den Koyo zu machen
Martin

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Koyo KTR-1770 - noch eine Kondensator-Kur 
11.Oct.23 13:16
509 from 1164

Bruce Cohen (NL)
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Bruce Cohen

Dank Dir für Deinen Bericht.

Was lernt man daraus? - Nicht nur das Radiosammeln ist ansteckend, sogar das Kondensator-Kuren ist es.

Ich gratuliere zum sauber funktionierenden Koyo.

Liebe Grüsse

Bruce 

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