schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise

ID: 670297
Dieser Artikel betrifft das Modell: Gross-Super 55 SG55 (5071) (Schaub und Schaub-Lorenz)

? schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise 
09.Oct.24 10:11
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Dieses Gerät hat eine Kurzwellenlupe. Es handelt sich um einen kreisrunden, leitenden Bügel mit zentrisch angeordnetem Schleifer. Eines der beiden Bügelenden sowie der Schleifer sind in Serie zum Oszillatorkreis für KW2 bzw. für KW3 geschaltet. Das andere Bügelende ist nicht angeschlossen.

Wenn man den Gleichstrom-Widerstand an den beiden Bügelenden misst, erhält man 0 Ohm.

Frage: Muss/darf der Schleifer den Bügel berühren oder muss er in einem gewissen Abstand zum Bügel sein? Soll damit eine Kapazitätseinstellung möglich sein? Die ganze Konstruktion scheint mir für letztere gar grob und unpräzise zu sein. Aber ein direkter Kontakt zum Bügel ist m.E. ja auch nicht sinnvoll; das wäre ja einfach ein Potentiometer mit 0 Ohm Bahnwiderstand?

Kann mich jemand aufklären? Danke.

 

Nicolin Salis

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schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise 
09.Oct.24 11:33
38 from 756

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 735
Anzahl Danke: 2

Der Schleifer muss den Bügel berühren, und zwar wegen der Verluste mit sehr guter Kontaktgabe. Der Drahtbügel weist dann eine veränderbare Induktivität etwa im zweistelligen nH-Bereich auf. Das ist zwar absolut gesehen recht wenig, aber immer noch genug, um den Oszillator wie gewünscht um ein paar Stationen nach links oder rechts zu verstimmen.

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schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise 
09.Oct.24 11:31
30 from 756

Bernhard Nagel (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 1642
Anzahl Danke: 3
Bernhard Nagel

Hallo Herr Salis

Die KW-Lupe ist beim Schaub SG55 als Schleifring-Variometer ausgeführt. Zunächst die Lage im Schaltplan, der Ausschnitt zeigt die Oszillatorspulen für LW, MW, KW1, KW2 und KW3 (v.l.n.r.):

Es ist eine kleine veränderbare Induktivität, die in Reihe mit den Oszillatorspulen L23 oder L27 (Bereiche KW2, KW3) geschaltet wird. Für den Bereich KW1 ist sie nicht wirksam.

Der Schleifer muss federnd am Ring anliegen und guten Kontakt haben, sonst "hängen" die Spulen L23, 27 mit dem Fußpunkt "in der Luft", der Oszillator hätte bei diesen Bereichen keine Funktion.

Was gleichstrommässig einen Kurzschluss darstellen würde, ist im Hochfrequenzbereich eine Induktivität. Mit einem guten L-Meter kann die Selbstinduktion des Rings gemessen werden. Der DC-Widerstand nahe 0 Ω ist hier nicht von Relevanz, sondern sogar erwünscht.

Bitte laden Sie doch eine gute Detailaufnahme der KW-Lupe zum Modell und/oder hier in den Forumsthread.

Zum Thema KW-Lupe fanden sich ganz unterschiedliche Lösungen, in diesem Beitrag Band-Spreiz-Verfahren sind sie anschaulich beschrieben.

Unser Mitglied Harald Giese zeigte im Beitrag Das Kurzwellen-Mikroskop des Paillard 5502 eine aussergewöhnlich aufwendige Realisierung einer "KW-Lupe". Sehr lesenswert!

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schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise 
09.Oct.24 16:48
129 from 756

Nicolin Salis (CH)
Beiträge: 90
Anzahl Danke: 3

Danke für die Antworten. 

Dass ich im unserem Business mal mit Nanohenry (nH) zu tun bekommen würde, hätte ich nicht erwartet.

Wie empfohlen, habe ich ich Bügel und Schleifer gereinigt. Beide waren recht oxidiert. Ich verwendete einen Glasfaser-Pinsel und trug anschliessend etwas K61 auf, damit der Schleifer schön gleitet.

Die Messung (PeakTech 2170) ergab einen Wert von 35 nH ... 114 nH. 

Anschliessend lötete ich die beiden Anschlussdrähte wieder an die Fahnen der Tastatur. (Letztere hatte ich temporär mit einem Draht überbrückt, nachdem ich festgestellt hatte, dass KW2 und KW3 tot sind.)

Tatsächlich spielt das Radio nun wunderbar mit Kurzwellen-Lupe.

Sendet man auf KW 3 eine Generatorfrequenz von 16 MHz (das ist ungefähr Skalenmitte), lässt sich mit der Lupe von der Position "0" aus eine Abweichung von + 0.54 MHz (Position "-90" der Lupe) bzw. eine Abweichung von -0.3 MHz (Position "+90 der Lupe") erreichen.

Sendet man auf KW 2 eine Generatorfrequenz von 8 MHz (das ist ungefähr Skalenmitte), lässt sich mit der Lupe von der Position "0" aus eine Abweichung von + 0.11 MHz (Position "-90" der Lupe) bzw. eine Abweichung von -0.08 MHz (Position "+90 der Lupe") erreichen.

Photos folgen später.

Nicolin Salis

 

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schaub: Kurzwellen-Lupe, Funktionsweise 
09.Oct.24 17:17
141 from 756

Harald Giese (D)
Redakteur
Beiträge: 302
Anzahl Danke: 3
Harald Giese

Ein ganz ähnliches Verfahren zur Fein - Verstimmung des Oszillatorkreises verwendete METZ in seinen  Hawaii Modellen. Siehe "Die Radiogeräte der METZ Hawaii Modellreihe".

Im Gegensatz zu dem von Herrn Salis angeführten Schaub Großsuper 55, wurde hier aber nicht mit einem zirkularen Schleifring - Variometer, sondern mit einer linearen Anordnung - ähnlich einer Lecher - Leitung - gearbeitet.

Hier zwei Bilder dieser Anordnung:

Die Bilder können durch Anklicken vergrößert werden.

 

 

Grundsätzlich muss man anmerken, dass die Verwendung von Kurzschlussbügel - Variometern zur Veränderung der Induktivität gegenüber der "kontaktlosen" Fein - Verstimmung des Oszillators (Veränderung der Eintauchtiefe des Oszllator- Spulenkerns, Annäherung einer Kurzschlussschleife an die Oszillatorspule, Verwendung eines zusätzlichen kleinen Drehkondensators u.s.w.) gravierende Nachteile hatte und daher in der kommerziellenTechnik nicht zur Anwendung kam.

Hauptnachteile:

  1. Progressive Vergrößerung des Übergangswiderstandes zwischen Parallel - Leitung und Kurzschluss - Bügel.durch nachlassende Spannung der Andruckfedern, Oberflächenkorrosion, und Abrieb der ursprünglichen Versilberung ⇒ Nachlassende Kreisgüte!
  2. Unzureichend präzise Führung des Schlittens  ⇒ springende Abstimmung.
  3. Skalenseilantrieb des Kurzschlussbügels ist ungünstig (Zeitliche Längung des Skalenseils, kein schlupffreier Antrieb) ⇒ keine reproduzierbare Sendereinstellung. 

Harald Giese

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