Metrix LX 109A - Das ultimative französische Röhrenmessgerät

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Metrix LX 109A - Das ultimative französische Röhrenmessgerät 
23.Apr.18 17:16
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Kurt Schmid (D)
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Kurt Schmid

Metrix LX 109A - Das ultimative französische Röhrenmessgerät.
Teil I: Geräteübersicht

Kurt Schmid, Mainz

In einem Langzeitprojekt hat sich der Autor zum Ziel gesetzt, eine Auswahl der weltbesten Röhrenmessgeräte vorzustellen. Es fanden nur Labormessgeräte bzw. sogenannte Kennliniengeräte Berücksichtigung. Um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen, bleiben z.B. ultramassive Messplätze wie Neuberger RMP 400 oder Grundig/H&B 55a/6040 außer Betracht. Gleiches gilt für historische „Tube Tracer“ (z.B. Tektronix 576) und moderne computerisierte Röhrenmessgeräte wie RoeTest von Helmut Weigl [10] und µTracer von Ronald Dekker [1, 4]. Notabene! Wie die Namensgebung schon impliziert, sind Röhrenprüfgeräte keine Messgeräte.

Drei deutsche Röhrenmessgeräte gehören meines Erachtens zur Kategorie historischer Laborgeräte. Funke W 20 [6], Neuberger RPM 370 [2, 3] und Neuberger RPM 375 [7]. Bei vorstehenden drei Geräten erfolgt die Beurteilung der Röhrenqualität hauptsächlich aufgrund des Vergleichs des gemessenen Anodenstroms im charakteristischen Arbeitspunkt der Prüfröhre mit den Datenblattwerten. Echte Messung der Röhrensteilheit sind in diesen Geräten technisch bedingt (wegen zu geringer Einstell- und Messgenauigkeit) nicht sinnvoll. Eine ausgewogene Beurteilung der Leistungsfähigkeit historischer Geräte muss immer auch das Baujahr berücksichtigen.

Im Gegensatz zu den untersuchten deutschen Röhrenmessgeräten beherrscht das englische AVO VCM 163 [8] neben der Strommessmethode zusätzlich auch die Messung der Röhrensteilheit. Als Besonderheit können beide Parameter simultan gemessen und mit getrennten Instrumenten angezeigt werden. Hier kann also sowohl der gemessene Anodenstrom als auch die Röhrensteilheit mit den typischen Datenblattwerten verglichen werden.

Mindestens vier amerikanisches Röhrenmessgeräte zählen zur Topliga der sogenannten Röhrenanalyse-Geräten. Daystrom Weston CA-1630 Electron tube analyzer (1957; nur 360 produziert) (Abb. 11); New London 901A Transconductance Analyzer (27 Röhren, 60 Pfund) (Abb. 12), RCA Electron-Tube MicroMhoMeter WT-100A (1956) (Abb. 13) und Hickok RD 1700 (neun Anzeigeinstrumente) [9].

Nachfolgend wird das französische Spitzengerät Metrix LX 109A vorgestellt. Dieses Gerät ordnet sich bezüglich Leistungsfähigkeit zwanglos in die Reihe obiger premium Röhrenmessgeräte ein. Geräte dieser Kategorie standen aus Preisgründen nicht in normalen Radioreparaturwerkstätten, sondern waren bei staatlichen Stellen, in der Industrie oder beim Militär in Gebrauch.

Gerätebeschreibung

Zur Beschreibung standen zwei Geräte (SN 1287 & SN 1333), beide aus dem Produktionsjahr 1971, zur Verfügung. Die Netzspannung ist schrittweise zwischen 110 - 250 Volt einstellbar. Das Gerät hat eine Masse von 30 kg. Die Abmessungen sind: 610 x 340 x 400 mm.


Abb. 1:    Frontalansicht Metrix LX 109A

Nicht überraschend stehen die ausgereiftesten und leistungsstärksten Geräte meist am Ende einer längeren Produktionskette. Dies gilt auch für das Metrix LX 109A. Es ist Nachfolger vom Metrix U61 und erschien erst gegen Ende des Röhrenzeitalters (ab ca. 1970).

Wesentliche Änderungen zum Vorgängermodel Metrix U61:

a) Anzeigeinstrumente in modernerer Optik
b) Strommessinstrument ausgestattet mit zwei Reglern zur Einstellung eines unteren und oberen Schwellenwerts des G2-, G3- oder des Anodenstroms (mit elektrischen Schaltausgängen)

Die nachfolgende Beschreibung erfolgt nach funktionellen Gesichtspunkten.

Die vier essentiellen Funktionseinheiten eines Röhrenmessgeräts:

A) Spannungsquellen zur Versorgung der Röhrenelektroden
B) Röhrenfassungen
C) Zuordnung der Spannungsquellen zu den Fassungspins
D) Anzeigeinstrumente: 

a) für Messergebnissen
b) Monitoring der Spannungsquellen (fakultativ)

A) Spannungsquellen

Die Wechselspannung für die Heizung der Teströhren erfolgt über einen separaten Netztransformator. Stufenweise können Wechselspannungen zwischen 1,1 bis 117 Volt eingestellt werden. Ein zusätzlicher Schiebeschalter übernimmt die engstufte Feineinstellung auf eine Kalibriermarke des Anzeigeinstruments für die Heizspannung. Damit können auch längerfristige Änderungen der Netzspannung manuell ausgeglichen werden.

Hochstabile und belastungsunabhängige Spannungsquellen sind entscheidend für die Messgenauigkeit eines Röhrenmessgeräts.

Drei Gleichrichterröhren 5Y3BG erzeugen aus einem zweiten Netztransformator die Gleichspannungen für die vier vorhandenen variablen stabilisierten Gleichspannungsquellen.
Zur Generierung der Referenzspannung (-210 Volt) dienen zwei in Serie geschalteten 0B2WA Glimmstabilisatoren. Über einen Spannungsteiler wird daraus die variable Steuergitterspannung (Ug1) von 0 bis -50 Volt für die Prüfröhren erzeugt. Die Referenzspannung versorgt weiterhin drei elektronisch geregelte positive Spannungsquellen (Ug2, Ug3 und Ua).

Obwohl unter den Gleichspannungsquellen die Steuergitterspannung (Ug1) den weitaus größten Einfluss auf das Messergebnis (Anodenstrom, Steilheit) hat, ist diese einfach zu stabilisieren, da normalerweise kein oder ein nur geringer Gitterstrom fließt. Einflüsse von Netzspannungsschwankungen auf Ug1 werden eliminiert, weil diese aus der durch die Glimmstabilisatoren erzeugte Referenzspannung von -210 Volt abgeleitet ist.

Die Längsregelnetzteile für die Hochspannungen sind funktionell identisch aufgebaut und liefern jeweils 0 bis 300 Volt. Als Regelröhren dienen drei 6AU6. Als Endröhren für das G2 und G3 Netzteil dienen je zwei 6AQ5. Die höher belastbare Anodenspannungsquelle benutzt ein Paar 6L6GC.

Buchsenleisten auf der Frontplatte (Abb. 1 & 8) dienen zur bequemen Spannungsmessung an den Zuleitungen zu den Fassungspins der Prüfröhre durch externe Messgeräte. Einschleifbrücken (Abb. 2, Top) erlauben die Serienschaltung externer Strommessgeräte in die Leitungen zu den Röhrenelektroden.

Abb. 2:    Rückseitige Innenansicht

Röhrenparade von links nach rechts: 3 x 5Y3GC, 2 x 0B2WA, 2 x 6L6, 4 x 6AQ5, im Hintergrund: 2 x 6AU6. Auf der kleinen Platine mit dem Relais befinden sich noch 6 Transistoren BSY 52. Der Transformator auf der rechten Seite liefert die Heizspannungen für die Prüfröhren. Der Transformator auf der linken Seite liefert alle anderen Wechselspannungen.

Das Gerät weist aufwendige Überlast und Schutzmechanismen auf, welche durch Relaisabschaltung wirksam Schäden durch Bedienungsfehler vermeiden.

Abb. 3:    Ansicht der Chassis-Unterseite

Wie aus Abbildung 2 und 3 ersichtlich, ist das Gerät äußerst reparaturfreundlich und professionell aufgebaut. Dies kann man leider nicht für alle historischen Geräte konstatieren.

Zur Beurteilung der Güte der Stabilisierung der Gleichspannungsquellen wurde die Spannungskonstanz der Anoden- und G2-Spannungsquelle gegenüber Laständerung ermittelt (s. Abb. 4). Dazu wurde die jeweilige Spannungsquelle auf 300 VDC eingestellt und mit zwei in Serie geschalteten Leistungsschiebewiderständen (Grob/Fein) belastet und auf den gewünschten Strom eingestellt. Die sich über den Lastwiderstand einstellende Spannung wurde protokolliert.

Abb. 4:    Lastabhängigkeit der stabilisierten Hochspannungsquellen (Graph mit SigmaPlot v. 14 erstellt).

Nach Datenblatt kann die Anodenspannungsquelle nominal bis 100 mA und die G2- bzw. G3 Spannungsquelle bis maximal 30 mA liefern. Die maximale Abweichung der Anodenspannung bei 300 Volt beträgt bei einem Strom von 100 mA ca. 1,5 Volt (entspricht 0,5 Prozent). Die Schirmgitterspannungsänderung beträgt beim Nominalwert von 30 mA (ca. 0,2 Prozent). Die prozentualen Werte von Ia und Ig2 stimmen bei einem Strom von 30 mA überein (Abb. 4).

B) Röhrenfassungen

Die praktische Brauchbarkeit eines Röhrenprüfgeräts hängt in hohem Maß von der Verfügbarkeit von Fassungen für die verschiedenen Prüfröhren ab. Die universellste Lösung sind zweifellos auswechselbare Fassungsadapter. Im LX 109A sind jeweils zwei verschiedene Röhrenfassungen auf einem Wechseladapter (mit 9 cm Durchmesser) montiert. Diese werden wegen ihres Aussehens üblicherweise als „Camembert“ bezeichnet. Mit den 9 kreisförmig auf der Unterseite eines Camemberts angeordneten 4mm Steckstiften wird der Adapter auf den Ring der Aufnahme-Buchsen auf der Oberseite des LX 109A gesteckt (Abb. 6).

Abb. 5:    Eine Auswahl Fassungsadapter („Camembert“) mit Angabe der systematischen Bezeichnung der Fassungen bzw. der Röhrensockel.

Da die verschiedenen Camemberts relativ teuer waren (und heutzutage zudem rar sind), bot Metrix für Röhren mit selteneren Sockeln einzelne Adapter zum Aufstecken auf die Oktalfassung (K8A) von Camemberts an. In Abbildung 5 ist in A1 ein Camembert (O) mit einer Oktalfassung (rechte Seite) gezeigt. In einem identischen Camembert rechts daneben (A2) ist in die Oktalfassung ein vom Autor selbst hergestellter Adapter [11] für eine Stahlröhre (Y10A bzw. Y8A)) gesteckt.

Abb. 6:    Geräteoberseite von links nach rechts: Buchsenkreis zur Aufnahme der Fassungsadapter (Camembert), Einschleifbrücken und Matrix der Zuordnungsschalter.

C) Zuordnung der Spannungsquellen zu den Fassungspins

Für die konfigurierbare Verbindung der Spannungsquellen mit den Röhrenelektroden wurden in historischen Geräten oft Kreuzschienenverteiler (mit Kodierkarten) wie z.B. beim Funke W20 [6], dem Neuberger RPM 370 [2, 3] und dem RPM 375 [7] eingesetzt. Relativ selten finden sich Thumbwheel (=Daumenradschalter); so z.B. beim AVO VCM 163 [8]. Sehr beliebt waren auch Aggregate von Drehstufenschaltern; wie z.B. im Hickok RD 1700 benutzt [9]. Im Metrix LX 109A sind die Zuordnungsschalter aus einer Serie von 9 Schiebeschaltern realisiert.

Abb. 7:    Matrix der Schiebeschalter zur Zuordnung der Spannungsquellen zu den Fassungsanschlüssen der Teströhre

Abb. 8:    Der mächtige 9-fach Zuordnungsschalter von der Geräteinnenseite gesehen

D) Anzeigen

Es sind insgesamt fünf große rechteckige Anzeigeinstrumente vorhanden (siehe Abb. 1 und 9). Vier Instrument dienen zum Monitoring der Versorgungsspannungen der Teströhren. Ein zentrales Milli-Amperemeter zeigt das Messergebnis an.

Abb. 9:    Perspektivische Geräteansicht mit den fünf Anzeigeinstrumenten.

Auf der rechten Stirnseite sind drei Camemberts aufbewahrt. Drei weitere Adapter können auf der Gegenseite aufgenommen werden. Links auf der Geräteoberseite ist ein Camembert fertig zur Benutzung eingesteckt.

Als Neuheit wurde beim LX 109A das Strommessinstrument mit je einer wählbaren unteren und oberen Stromschwellen ausgestattet (Abb. 10).  

Abb. 10:    Zentrales Strommessinstrument mit den beiden Einstellreglern (grün oder rot markierte Einstellknöpfe)

Die untere und obere Schwelle werden mit Zeigern im Instrument angezeigt. Über- bzw. Unterschreitung werden mit Lämpchen signalisiert (Lichtschrankenfunktion). Zudem ist jeweils ein Relais-Schaltausgang für externe Zwecke vorhanden. Dieses Feature ist wohl hauptsächlich für den Einsatz des Metrix LX 109A in der Fertigung (Prüffeld) als Indikator von Toleranzüberschreitungen nach oben und unten von Interesse.

Nicht eigens hier dargestellte Funktionen sind z.B. einfache Kurzschlussprüfung zwischen Röhrenelektroden (auch im heißen Zustand). Vakuum Test, Messung von allen Prüfspannungen einschließlich Heizspannung und Strömen (Ig1, Ig2, Ig3, Ia).

Das optionale Zusatzgerät Pont U 661 erweitert das U 61 (oder auch das LX-109A) um eine genuine Steilheitsmessung. Das Pont U61 wird vom U 61 bzw. LX 109A mit den benötigten Spannungen versorgt. Beide Geräte haben identische mechanische Abmessungen, sodass, wenn sie nebeneinanderstehen, sich die imposante Breite von 170 cm ergibt.

Anhang

Im Artikel erwähnte und als „Seltene Vögel“ anzusprechende Röhren-Mess- und Analyse-Geräte. Wegen deren absoluten Seltenheit, sind mir bisher leider keine Einzelheiten bekannt).

Abb. 11:    Dieses „farbenfrohe" Gerät aus den USA ist der Electron-Tube Test Analyzer CA 1630 (Daystrom-Weston Instruments).

Auch hier werden vergleichbar zum Metrix LX 109A, manuell wechselbare Prüffassungs-Adapter (s. Mitte Oberseite) bevorzugt. In der Schublade (unten quer) befinden sich die restlichen quaderförmigen Fassungsadapter.

Abb. 12:    Der Transconductance Analyzer Model 901A (New London Instrument Co., USA).

Das Feld mit den Prüfröhrenfassungen (Top - Links) bietet nur eine begrenzte Auswahl an Röhrenfassungen. Rechts davon befindet sich das farbkodierte Drucktastenfeld, welches eine bequeme Zuordnung der Spannungsquellen zu den Fassungspins ermöglicht. Das Gerät ist immerhin mit fünf Anzeigeinstrumenten bestückt.

Mit diesem superseltenen Gerät verbindet sich für mich eine der wenigen bitteren Erinnerung an das Hobby. Vor wenigen Jahren wollte mir ein amerikanischer Anbieter bei ebay.com dieses herrliche Gerät selbst bei einem Angebot von USD 2000+ nicht verkaufen. Das 901A ging dann gerade zur Hälfte des Preises an einen Landsmann des Verkäufers.

Abb. 13:    Electron-Tube MicroMhoMeter WT-100A (RCA, USA).

Auch dieses Gerät baut, wie das Metrix LX 109A, auf austauschbare Module für die Prüfröhren (siehe links vom Anzeigeinstrument).

Abb. 14:    Provavalvole GB 74 M (UnaOhm, Milano) *

Dieses italienische Gerät misst sowohl Ströme als auch Steilheiten. Da nur ein Anzeigeinstrument vorhanden ist, können beide Werte allerdings nicht, wie beispielsweise im AVO VVM 163, gleichzeitig angezeigt werden. Das GB 74 M verwendet ebenfalls Adapter für die Prüfröhrenfassungen. Auf der Oberseite rechts ist ein Adapter mit drei Röhrenfassungen eingesteckt. Unter einer Klappe links daneben sind drei weitere Adapter aufbewahrt.

*da ich das GB 74 M gerne beschreiben möchte, suche ich es zu kaufen oder zur Leihe. Bitte kontaktieren Sie mich dazu [11].

Referenzen

[1]    Dekker, Ronald, µTracer 3+! A Small but Powerful Tube Tester/Tube Curve-Tracer.

[2]    Meisl, Alfons & Kurt Schmid, Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM 370 - Aufbau- und Verdrahtungsdetails, Radiomuseum.org (2014) 

[3]    Schmid, Kurt & Alfons Meisl, Das Neuberger Röhrenprüfgerät RPM 370 – Übersichtsartikel, Radiomuseum.org (2014) 

[4]    Schmid, Kurt, µTracer: Ein modernes Röhrenmessgerät/Kennlinienschreiber zum Nachbau, Radiomuseum.org (2013) 

[5]    Schmid, Kurt, Röhrenkennlinien mit Excel berechnen und darstellen, Radiomuseum.org (2014) 

[6]    Schmid, Kurt, Geliebt und gehasst: Das Funke W 20, Funkgeschichte 231,39-47,2017

[7]    Schmid, Kurt, Neuberger RPM 375: Das wohl beste deutsche Röhrenprüfgerät, Funkgeschichte 214,74-79,2014

[8]    Schmid, Kurt, The Ultimate British Valve Tester AVO VCM 163, Radio Bygones 140,3-7,2012

[9]    Schmid, Kurt, RD-Instruments Model 1700 - Hickok‘s Ultimate American Tube Analyzer, Tube Collector 17(6),26-32,2015

[10]  Weigl, Helmut, RoeTest

[11]  Kontakt: sigmapert for Info

 

Metrix LX 109A - Das ultimative französische Röhrenmessgerät.
Teil II: Messbeispiele und Aufnahme von Röhrenkennlinien

Kurt Schmid, Mainz

Die präzise einstellbaren stabilisierten Spannungsquellen und die genau ablesbaren Anzeigeinstrumente qualifizieren das Metrix LX 109A definitiv als Labor- und insbesondere als Kennliniengerät.

Einzelmessung im typischen Arbeitspunkt einer 6L6 Tetrode

Abb. 1:    Messungen an einer 6L6 Referenzröhre „Bogey Tube“ (von Roger Kennedy, USA)

Der blaue Sticker an der Frontplatte stammt vom Materialamt der französischen Luftwaffe (SMAA) und dokumentiert somit einen typischen Einsatzort.

Die Vermessung der 6L6 Referenzröhre ergab im typischen Arbeitspunkt dieser Röhre:

Ua = Ug2 = 250 Volt, Ug1 = -14 Volt

einen Anodenstrom von 83 mA. Bei Anwendung der nachfolgend erläuterten „Grid-Shift“ Methode wurde eine Steilheit von 6,5 mA/V ermittelt.

Aufnahme von Eingangskennlinien mit Metrix LX 109A

a) Ug1/Ia (am Beispiel 6V6 und EL84
 und Ermittlung der Steilheit mit zwei Methoden:
b) mit Grid-Shift (am Beispiel einer 6V6)
c) durch 1. Ableitung der Anodenstromkurve f‘(x) (am Beispiel einer EL84)

Bestimmung der Röhrensteilsteilheit durch manuelle Variation der Steuergittervorspannung (Ug1) = „Grid-Shift“ Methode

Die Steilheit einer Röhre ist definiert durch:

In der Praxis wird eine kleine Variation von Ug1 (ΔUg1) um den gewählten Arbeitspunkt durchgeführt und die resultierende Änderung des Anodenstroms (ΔIa) registriert. Durch Bildung des Quotienten ergibt sich die Steilheit S.

Abb. 2:    Ermittlung der Röhrensteilheit mit Hilfe der „Grid-Shift“ Methode (schematisch)

Das computergesteuerte Röhrenmessgerät „RoeTest“ von Helmut Weigl arbeitet nach diesem Prinzip [10].

Tabelle 1: Ia versus Ug1 Messwerte einer 6V6 Pentode

Bei Steuergitterspannungen zwischen -35 Volt und -5 Volt sind in Abständen von 5 Volt die zugehörigen Anodenströme protokolliert. Mit diesen sieben Wertepaaren wurde die Kennlinie geplottet (Abb. 3, schwarze gefüllte Kreise und mit kubischen Splines die Kurve erzeugt).

Die Kennlinie der Anodenstromsteilheit wurde mit der Grid-Shift Methode ermittelt, wobei ein ΔUg1 von einem Volt benutzt wurde. Die resultierend 7 diskreten Werte (Abb. 3 rote Kreise) wurden einfach mit Geraden (rot) miteinander verbunden.

Abb 3:    Kennliniencharts einer 6V6 (die Berechnungen und das Diagramm wurde mit SigmaPlot v.14 erzeugt)

Im typischen Arbeitspunkt (Ug1 = -12 Volt) ergab sich ein Anodenstrom Ia von 40 mA und eine Steigung von S = 4,1 mA/V.

Am Beispiel einer EL84 wurde die Kurve der Steilheit mathematisch aus der Anodenstromkurve berechnet.

Tabelle 2: Ug1 versus Ia Messwerte einer EL84 Pentode

Während beim obigen 6V6 Grid-Shift Beispiel die Kurve der Steilheit auch ohne Plot der Anodenstromkurve möglich gewesen wäre, ist bei der mathematischen Erstellung der Kurve der Steilheit die Kenntnis der mathematischen Funktion der Anodenstromkurve f(x) obligatorisch. Die 1. Ableitung f‘(x) stellt die Funktion der Steilheit dar. µTracer von Ronald Dekker [1,4] benutzt dieses Prinzip.

Wenn keine dafür geeigneten Analyse- bzw. Plotprogramme, wie z.B. das hier benutzte SigmaPlot oder OriginPro greifbar sind, kann auch ersatzweise das weniger leistungsfähige Microsoft Excel benutzen [5].

Abb. 4:    Eingangskennlinien einer EL84 Pentode

 Ergebnis im typischen Arbeitspunkt:
 Ua = 250V; Ug1 = -8V; Ia = 41,3 mA; S = 10,2 mA/V

Gemessen wurden die Anodenströme einer EL84 bei Steuergitterspannungen zwischen -16 V bis -6 V in Abständen von einem Volt (Tabelle 2). Mit den gewonnen 11 diskreten Messwertepaaren (Abb. 4, schwarz gefüllte Kreise) wurde die Kennlinie des Anodenstroms und der Steilheit der vermessenen Röhre ermittelt und geplottet (Origin Pro 2018 v.9.5.1). Das Programm erzeugt zuerst mittels eines Polynoms 3. Grades die Funktion des Anodenstromverlaufs f(x) und plottet diese (Abb. 4, schwarze Kurve). Durch Differenzierung entsteht die Kurve der Steilheit f‘(x) (Abb. 4, rote Kurve).

Während in obigen Beispielen Eingangskennlinien erhoben wurden, wird nachfolgend anhand der Vermessung einer 6A3 Triode auch eine Röhren-Ausgangskennlinie demonstriert. Gemessen werden Anodenströme in Abhängigkeit der Anodenspannung bei konstanter Steuergitterspannung. Die Anodenspannung wurde in fünf Stufen zwischen -250 und 150 Volt in recht groben Abständen von 25 Volt variiert. Dieses Protokoll wurde bei 4 unterschiedlichen Gittervorspannungen von -55, -50, -45 und -40 Volt „gefahren“.

Tabelle 3:     Messwerte zur Erstellung der Ausgangskennlinienschaar einer 6A3 Triode

Abb. 5:    Ausgangskennlinienschaar einer 6A3 Triode (geplottet mit SigmaPlot v.14, Kurven mit kubischen Splines erzeugt).

Im typischen Arbeitspunkt Ug1 = -45 Volt (s. Magenta Messpunkte und Kurve) bei Ua = 250 Volt betrug Ia = 62,4 mA. Der typische Datenblattwert ist mit Ia = 60 mA angegeben.

Ein schönes Beispiel, dass schon fünf Messpunkte genügen können, eine saubere Kennlinie zu generieren.

Das letzte hier gezeigte Beispiel zeigt den Test eines „magischen Auges“. Notwendige Widerstände sind im Gerät vorhanden und zuschaltbar.

Abb. 6:     Prüfung einer EM 34

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.