minerva: 610-M; Taschentransistor
minerva: 610-M; Taschentransistor
MINERVA Taschensuper 610 M, 610 ML, 640, 650
Versionsunterschiede und andere Besonderheiten
Themenverzeichnis:
A) Allgemeines zum Taschensuper
B) Taschentransistor 610 M (Taschensuper 610 M)
C) Taschensuper 640
D) Taschensuper 650
E) Taschentransistor 610 LM – die Langwellenversion
F) Nachtrag
G) Verfügbare technische Unterlagen über den Taschensuper
H) Einige Allgemeine Erkenntnisse über den Taschensuper
K) Hinweise zu Reparaturen und Restaurierung
L) Datenquellen
M) Kurioses über den Taschensuper
N) RM-relevante Zusammenfassung bezüglich Hochladen von Bildern
A) Allgemeines zum Taschensuper
Der Empfänger ist zwar schaltungstechnisch einfach konzipiert, das gelungene Design generierte hohe Verkaufsziffern über eine Produktionszeit von sieben Jahren. Er konnte sich sogar noch lange in der UKW-Zeit halten. Es lohnt sich daher, sich näher mit dem Gerät zu befassen.Auf Produktionsunterlagen von Minerva kann nicht mehr zurückgegriffen werden. Die originalen Service Unterlagen sind auch sehr allgemein gehalten, daher blieb nur die Möglichkeit, eine möglichst große Anzahl von Geräten technisch aufzuarbeiten. Mit Unterstützung befreundeter Sammler konnte ich über 50 Geräte untersuchen. Bei der endlichen Anzahl von Geräten kann nicht ausgeschlossen werden, dass es später noch zu weiterführenden Erkenntnissen kommt.
Taschensuper 610 M
Während der gesamten Produktionsdauer wurden für das Gerät drei Typennummern (610, 640 und 650) vergeben. Die Typennummern wurden bei Minerva für interne Administration und für technische Dokumentationen (z.B. Serviceanleitungen für Reparaturwerkstätten) verwendet.
In den Dokumentationen wurde anfänglich das Gerät mit “Taschentransistor“ bezeichnet. Später änderte man dies aus verkaufstechnischen Gründen auf “Taschensuper“.
Die Geräte selbst, auch die frühen Versionen, liefen unter “Taschensuper“. Zu ersehen an der Verpackung und am Beipack (Bedienungsanleitung, Garantieschein und Prüfschein).
Gegenüber den zahlenden Kunden benutzte Minerva nur leicht zu merkende Namen. In diesem Fall liefen alle Versionen unter “Taschensuper“.
Wie bei Minerva üblich, gab es auch beim Taschensuper fast regelmäßig qualitätssteigernde Nachbesserungen die in die laufende Produktion eingeflossen sind, die elektrische Schaltung blieb aber über den ganzen Produktionszeitraum praktisch unverändert. Es gab unterschiedliche Halbleiterbestückungen mit einhergehenden geänderten Neutralisationsschaltungen, sowie wegen unterschiedlicher Drehkondensatoren geänderte Platinenlayouts.
Lediglich die Einführung der seitlichen Kopfhörerbuchse kann der Type 640, das neue Gehäusedesign der Type 650 zugeordnet werden.
Insgesamt wurden bei der MW-Version des "Taschensuper" 6 Platinenversionen und gleichviele Skalenscheiben verbaut. Zusätzlich die Komponenten für die MW/LW-Version.
Taschensuper 610 M, die erste Geräteserie ohne Abstimmuntersetzung
Platinenversion 610/1 Platinenversion 610/2
Taschensuper 610 M, die zweite Geräteserie mit Reibraduntersetzung
Diese Kombination - Platine 610/2 und Drehko mit Skalenscheibe 610/3 – war stückzahlenmäßig der am häufigsten produzierte "Taschensuper" von Minerva.
Ab Seriennummer 900 000? (Schätzung wegen fehlender Produktionunterlagen) kam wieder ein neuer Drehkondensator, der einen Paddingkondensator erforderte, zum Einsatz. Die neue Platinenversion 610-3 mit der angepassten Skalenscheibe 610/4.
Erst die Geräte der späteren Typenreihe 640 und 650 war bezüglich Drehkondensator einheitlich ausgestattet.
Im Herbst 1962 – ab Seriennummer 921 101 - nochmals ein Schritt zur Qualitätsverbesserung. Im HF- und ZF-Teil kam der moderne diffusionslegierte Transistor AF127 zum Einsatz. Die vierpolige Gehäuseform verlangte eine neue Platinenversion 610-4. Diese neue Technologie verbesserte nochmals die Empfangseigenschaften. Der Neutralisationsaufwand der beiden ZF-Stufen konnte minimiert werden. Gleichzeitig stieg man im NF-Teil von den voluminösen OCxx Typen auf die kleinere Bauform AC126, 2x AC128 um. Ca. ½ Jahr lang gab es auch wahlweise Bestückungen im NF-Teil mit den äquivalenten Siemens-Typen AC151 und 2x AC153.
Platinenversion 610/3 Platinenversion 610/4
Die beim Taschensuper 610 M vorgefundenen vier Skalenscheiben mit deutlich erkennbaren Unterschieden im Frequenzverlauf zwischen 610/3 und 610/4:
Skala 610/1 Skala 610/2
Skala 610/3 Skala 610/4
Taschensuper 640 (mit Kopfhörerbuchse)
Zunächst wurden die Geräte noch mit der Vorgängerplatine 610 Ph1 ausgeliefert, später dann mit der Platinenversion 650 Ph1. Bis auf eine 2 mm Bohrung und einer minimal geänderten Leitung waren beide Platinversionen ident. Das nun horizontal ausgerichtete Sichtfenster mit Lupe zur besseren Ablesung bedingte ein neues Skalenrad 650/1.
Das Gehäuse gab es in vier Farben: beige, hellbraun, hellgrau und dunkelgrau. Je nach Gehäusefarbe wurde eine rötliche oder schwarze Skalenscheibe verbaut. Beide Skalenscheiben haben die gleiche Nummer 650/1.
Taschensuper 650
Die Oberflächen des formatfüllenden LS-Gitters und die Skalenscheiben sind farblich aufeinander abgestimmt. Die beiden grauen Modelle waren mit der schwarzen Skalenscheibe ausgestattet.
Taschensuper 650 in beige und hellbraun
Taschensuper 650 in hellgrau und dunkelgrau
Damit wäre das letzte Gerät dieser so erfolgreichen Baureihe besprochen. Das große Manko - die fehlende UKW-Empfangsmöglichkeit gegenüber der Fernostkonkurrenz war wohl das Ende des "Taschensupers". 1967 wurde die Produktion eingestellt
In den angeführten Technischen Mitteilungen vom Jänner 1961 findet sich eine gute und ausführliche technische Beschreibung des Taschensupers.
Am Deckblatt der Technischen Mitteilungen ist die MW/LW-Version abgebildet. Deutlich zu sehen der seitlich unterhalb des LS Reglers angebrachte Umschalter. Es existierte im Jahre 1960 zumindest ein Mustergerät.
- Auch von Minerva herausgegebene offizielle Unterlagen sollte man nicht als Evangelium betrachten. Im Zuge der Recherchen sind gleich mehrere Ungereimtheiten zu Tage getreten.
- Die Schaltung ist zwar an Einfachheit nicht zu überbieten, trotzdem haben sich mehrere Fehler eingeschlichen
- Der Eingangskreis (Ferritantenne) ist falsch gezeichnet. Das ist scheinbar niemandem aufgefallen über den kompletten Produktionszeitraum von 7 Jahren.
- In den Service Unterlagen für den “Taschensuper 640“ aus dem Jahre 1963 ist das 3. ZF-Filter anders beschaltet als in den vorher ausgegebenen Unterlagen. Obwohl ich alle in Frage kommenden Versionen mehrfach überprüfte, konnte ich keine einzige Bestätigung für diese Schaltungsänderung finden. Es dürfte sich um einen Zeichenfehler handeln. Die Leute im Konstruktionsbüro waren schließlich auch nur Menschen.
- Über die Beschaltung der KH-Buchse war man ebenfalls geteilter Meinung.
- Dafür waren die insgesamt 5 verbauten unterschiedlichen Drehkondensatoren keine Erwähnung wert.
- Eine MW/LW Version gab es nur von der ersten Typenreihe 610.
- Die Angaben von Seriennummern sind hilfreich solange sie richtig sind. Falsche Nummern bewirken genau das Gegenteil. Noch dazu eine Verifizierung in späteren Zeiten nur in Ausnahmefällen möglich ist.
- Die Seriennummer findet sich bis zu viermal pro Gerät
Eingestanzt auf der Cu-Seite des Prints,
ein Aufkleber im Batteriefach (ist häufig abgefallen),
am Prüfschein,
am Garantieschein.
- Am Prüfschein ist das genaue Produktionsdatum vermerkt (Endkontrolle).
Bei der Reibraduntersetzung ist ein kleiner Gummiring im Eingriff. Über die vielen Jahrzehnte, nicht immer aber oftmals, ausgehärtet und mit Druckstellen versehen verschlechtert sich dadurch das Abstimmungsfeeling. Für eine Abhilfe habe ich leider keinen Tipp parat. Wird wohl in den nächsten Jahrzehnten ein größeres Problem werden.
Da die Platinen aller Gerätegenerationen (ausgenommen die seltener anzutreffende erste Generation ohne Abstimmuntersetzung) untereinander tauschbar sind, ist es im Laufe der Zeit zu vielen nicht typenreinen Mischbestückungen gekommen (aus 2 mach 1 Gerät-Methode). Das ist zwar funktionell kein Manko, ist aber nicht der Auslieferungszustand.
“RADIOBOTE“ 2006, Nr. 3, 2008, Nr. 16 und 2011, Nr. 36
Mein Dank an Sammlerkollegen Rósza Tamás aus Ungarn. Er stellte mir seinen 610 ML zur Verfügung und ermöglichte damit eine ausführliche Dokumentation.
Weiters Dank an Wolfgang Schicker für die Unterstützung mit Geräten seiner Sammlung.
Ca. 1 Jahr nach Abschluss der Taschensuper-Recherche zeigt ein mir gut bekannter Sammler samt breitem Grinsen ein Exemplar mit dazugehörender Garantieurkunde auf der das Verkaufsdatum 7.1.1959 vermerkt ist. Das ist mehr als 1 Jahr vor dem offiziellen Verkaufsbeginn April 1960.
Die Wirkung auf mich war nachhaltig. Wie kann man sich um derartige Zeiträume irren?Man könnte den ominösen Garantieschein einfach der Feuerbestattung übergeben. Wäre aber schade, weil es ein interessantes Zeitdokument ist. Wie soll ich mich verhalten? Mein guter Ruf stand auf dem Spiel. Früher oder später wird das Gerät in irgendeinem Forum sein Unwesen treiben. Je länger man wartet umso schwieriger wird es dann zu deuten sein. Da alle Zeitzeugen den Weg alles Irdischen gegangen sind und dazu nicht mehr befrag werden können, blieb mir nichts anderes übrig als mich damit zu befassen.
Lenkt auch etwas von der staubtrockenen Technik ab und vermittelt einen Eindruck wie man durch systematische Fragestellungen zu interessanten Ergebnissen kommt.
Wie vorhin erwähnt handelt es sich um einen Taschensuper mit einem auf der Garantieurkunde vermerktem Verkaufsdatum von 7.1.1959. Es ist alles erhalten geblieben, von der originalen Verpackung samt Beipack inklusive Garantieschein. Ein praktisch fabrikneues Gerät – eigentlich ein Glücksfall für jeden Sammler würde da nicht der hinlänglich dokumentierte offizielle Verkaufsstart des Taschensupers mit Frühjahr 1960 im Wege stehen.
Zunächst könnte es sich um einen „Spaßvogel“ handeln der einfach ein falsches Datum am Garantieschein eingetragen hatte. Oder das Datum stimmt, dann müsste aber das Gerät bereits im Jahre 1958 produziert worden sein. Das halte ich wieder für nicht plausibel.
Laut Seriennummer ist es ein Gerät der ersten Generation, ist aber nicht das mit der niedrigsten Nummer vorgefundene Gerät. Ein Gerät mit einer noch niedrigeren Nummer befindet sich sogar in meiner Sammlung.
Eine genaue optische Begutachtung förderte interessante Einzelheiten zu Tage. Das Gerät war noch in der Originalschachtel und machte einen neuwertigen Eindruck. Lediglich ein Kontaktstreifen des Batteriehalters hatte minimale Korrosion verursacht durch eine ausgelaufene Batterie.
Interessant auch der beiliegende Garantieschein. Es ist nur das Abgabedatum vermerkt ohne Händlerstampiglie. Zur damaligen Zeit äußerst ungewöhnlich, da nur mit einem vollständig ausgefüllten Schein ein Garantieanspruch bestand. Zum Unterschied von heute war damals die Garantie auf eine Zeitdauer von 6 Monaten ab Verkauf beschränkt.
Meine Ansicht zu diesem Fall:
Das Gerät hinterlässt den Eindruck, dass es sich um ein Firmengeschenk handelt. Ein hoher MINERVA-Mann hat das Gerät zu Werbezwecken verschenkt, mit der Absicht - aus welchen Gründen auch immer - eine Rückverfolgung im Zuge einer Garantieleistung durch das falsche Datum zu unterbinden.
Ein normaler Käufer hätte das Gerät auch benutzt. Es sind jedoch wirklich nur minimale Gebrauchsspuren ersichtlich. Offensichtlich wurde nur einmal eine Batterie eingesetzt, dann verlor der Besitzer das Interesse am Gerät. Der Beschenkte wiederum war technisch nicht unbedarft. Er hat die Batterie aus dem Gerät entfernt und das Gerät samt Begleitpapieren wieder in der Originalschachtel gelagert. Darin hat es dann das nächste halbe Jahrhundert gut geschützt im Dunkeln geschlummert. Wäre die Batterie nicht entfernt worden, hätte die Korrosion über den langen Zeitraum hinweg das Gerät zerstört. So ist ein fast neuwertiges Gerät samt Unterlagen der Nachwelt erhalten geblieben.
Etwas Spekulation ist natürlich immer dabei, aber so könnte ich mir den damaligen Ablauf vorstellen.
In die gleiche Kategorie fallen auch Geräte die von Firmen speziell für Ausstellungen und
Messen hergestellt wurden. Meist Geräte mit einem speziellen Plastiküberzug die nicht für den normalen Verkauf bestimmt waren.
Bildern:
Bilder von Geräten mit einer Kopfhörerbuchse und elfenbeinfarbenem Gehäuse sind auf Modell 640 zu laden.
Bilder von Geräten der Letztserie (geändertes Gehäusedesign) sind auf das Modell 650 zu laden.
Der glückliche Besitzer der Mittel/Langwellenversion oder des Mustergerätes ladet die Bilder auf das Modell 610 ML.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.