Kondensator-Mikrofon Neumann M49 (M50) - Teil 3

ID: 366504
Kondensator-Mikrofon Neumann M49 (M50) - Teil 3  
31.Dec.14 18:00
2994

Achim Dassow (CH)
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Liebe Radiomuseum-Freunde,

der weiter unten folgende Artikel von Herbert Grosskopf stammt aus der "Fernmeldetechnische Zeitschrift" (FTZ) 1951, Heft9.

Der Inhalt lässt vermuten, dass die Entwicklung des M49 hauptsächlich beim NWDR in Hamburg stattfand, nicht zuletzt auch wegen der dort unternommenen Anstrengungen in Bezug auf die Verstärkerröhre MSC2.
Hierzu später einmal noch ein sehr detaillierter Artikel von Hr. Grosskopf [1] hier im RM.
Einen etwas oberflächlichen Eindruck hinterlässt zunächst die diesbezügliche Darstellung der Geschichte auf der Homepage der Fa. Georg Neumann GmbH.
Fragen ergeben sich durch den dortigen Satz "Neumann gelang es, sich für diese Methode die Patentrechte zu sichern", spannend wäre eine Aufklärung des Sachverhalts hierzu.
Ebenso spannend ist die parallele Entwicklung bei Microtech Gefell in Thüringen (ursprünglich Georg Neumann und Co., einer früheren Neumann Zweitgründung, die infolge der deutschen Teilung in die ostdeutsche RFT eingegliedert wurde.
Die dort hergestellten Produkte sind hier im RM zu finden, oder auch als pdf's auf der Homepage von Microtech Gefell (auch nicht mehr lieferbare wie z.B. das MCV563).
Auf der Geschichtsseite von Microtech Gefell wird deutlich mehr das Wirken von Erich Rickmann gewürdigt, der wohl als wichtigste Kraft hinter der Entwicklung der Kondensatormikrofon-Technik angesehen werden kann.
Erich Rickmann hat Anfang 1940 ein Buch über Elektroakustik veröffentlicht, in dem u.a. auch drei Varianten des Kondensatormikrophons (Druckmikrofon, Achter-, Nierencharakteristik) beschrieben sind.

Teile des folgenden Artikels sind auch in dem ins deutsche übersetzte Artikel (Teil1, Teil2) aus der "Wireless World", Feb. 1953 zu finden, vermutlich entstammt dieser dem nachfolgenden Text, da er manche Details davon nicht enthält.
Wegen der sehr kleinen Schrift in der mit den Jahren stark gebräunten Ausgabe der FTZ (sehr schlechtes Kontrastverhältnis) hat die Umwandlung des Artikels in lesbaren Text (viele Handkorrekturen) einige Zeit in Anspruch genommen.

Neue Kondensatormikrophone fur Rundfunk-Studios
(Mitteilung aus der Zentraltechnik des NWDR)

1. Zum Problem der Schallübertragung
Bei der Entwicklung von Mikrophonen für die Schallübertragungstechnik muss man von der Tatsache ausgehen, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen der objektiv richtigen und der subjektiv günstigsten Schallaufnahme besteht.
Im ersten Falle kommt es allein darauf an, einen Schallvorgang möglichst getreu in elektrische Schwingungen umzusetzen. Das bedeutet in dem allgemeinen Falle der Schallaufnahme in einem beliebigen Raum, dass das Mikrophon für alle Schalleinfallsrichtungen die gleiche Empfindlichkeit und möglichst kleine lineare und nichtlineare Verzerrungen haben muss.
Grundsätzlich anders aber liegen die Verhältnisse im Falle der subjektiv günstigsten Schallübertragung aus einem Raum in einen anderen.
Eine wirklich "naturgetreue" Schallübertragung ist schon deshalb nicht möglich, weil weder das Mikrophon als Aufnahmegerät noch der Lautsprecher als Schallgeber je imstande sein werden, die Eigenschaften des menschlichen Gehörs oder die Eigenschaften einer natürlichen Klangwelle vollkommen nachzubilden.
Hinzu kommen die grundsätzlichen und unvermeidbaren Unterschiede in den raumakustischen Eigenschaften zwischen Aufnahme und Wiedergaberaum, sowie zwischen ein- und zweiohrigem Hören. Die Schallübertragung kann somit nur das Ziel einer möglichst angenehm empfundenen Wiedergabe anstreben.
Die Beurteilung der Wiedergabegüte ist also in diesem Falle weitgehend subjektiv und daher äusserst schwierig. Darum ist es nicht verwunderlich, dass es an klaren Richtlinien sowohl für die Schallaufnahme als auch für die Schallwiedergabe-Technik fehlt.
Dem Mikrophon fällt also im Rundfunkbereich die Aufgabe zu, ein möglichst "günstiges" Klangbild aufzunehmen. Ist hier bereits ein Fehler begangen worden, so lässt er sich in den meisten Fällen im weiteren Zuge des Übertragungskanals nicht mehr korrigieren.
Dem Toningenieur, der die Aufnahmen macht, muss zu diesem Zweck eine gewisse Auswahl von Mikrophonen mit verschiedenen Eigenschaften zur Verfügung stehen, damit er sich den jeweiligen Verhältnissen anpassen kann.
Aus der Erfahrung haben sich einige bestimmte Typen von Mikrophonen als besonders zweckmässig erwiesen. Hierzu gehören die bekannten Mikrophone mit all-, ein- oder zweiseitiger Charakteristik.
Sie bieten bereits eine Reihe von Variationsmöglichkeiten. In vielen Fällen aber, besonders bei der Aufnahme ausgedehnter Klangkörper und in weiter Entfernung vom Klangkörper sind die mit diesen Mikrophonen erzielten Ergebnisse nicht befriedigend.
Ein objektiv richtig aufnehmendes Mikrophon ergibt in diesen Fallen ein zu halliges Klangbild.
Ein Mikrophon mit einseitiger Richtwirkung, das die Hallwirkung zu verringern gestattet, wirkt ebenfalls nur in seltenen Fällen befriedigend.
Bewährt haben sich in diesem Falle dagegen Mikrophone, die eine nach hohen Frequenzen hin zunehmende Richtwirkung aufweisen.
Ob der Grund hierfür darin liegt, dass ein solches Mikrophon gewisse physiologische Eigenschaften eines Hörers im Aufnahmeraum nachahmt, oder ob andere Gründe massgebend sind, sei dahingestellt. Auf jeden Fall ist es notwendig, dass man diese Erfahrungstatsachen berücksichtigt und sie in vertretbarer Weise nutzbar macht.
Moderne Mikrophone für den Rundfunkbetrieb müssen aber nicht nur eine Anpassung an die jeweiligen und sehr unterschiedlichen Verhältnisse ermöglichen, sondern auch hinsichtlich Frequenzgang und Geräuschfreiheit den hohen Anforderungen des UKW-Rundfunks genügen.
Ausserdem ist es erwünscht, mit einer möglichst geringen Typenzahl auszukommen.

2. Überblick über die neuentwickelten Mikrophontypen
Die im vorangehenden Abschnitt sehr knapp skizzierten Gesichtspunkte waren massgebend für die Entwicklung der weiter unten beschriebenen Mikrophone.
Die Forderung nach einer gewissen Auswahl an Richtmikrophonen konnte durch die Entwicklung eines Druckgradientenmikrophons mit veränderbarer Richtwirkung befriedigt werden. Dieses Mikrophon (M 49) hat eine weitgehend frequenzunabhängige und wahlweise durch Fernbedienung einstellbare Richtcharakteristik bei geradlinigem Frequenzgang. Es gestattet somit, aus dem gesamten Schallgeschehen eines Raumes einen bestimmten Sektor praktisch objektiv richtig aufzunehmen.
Dies Mikrophon wird auch in all den Fallen genügen, in denen der direkte Schall den indirekten überwiegt, also bei Aufnahmen aus relativ naher Entfernung, in denen es im wesentlichen auf einen geraden Frequenzgang ankommt.
Bei der Aufnahme ausgedehnter Klangkörper und aus weiter Entfernung befindet sich dagegen das Mikrophon in einem Schallfeld, das vorwiegend durch den diffusen Schall bestimmt wird.
Es wird also im wesentlichen darauf ankommen, dass der Frequenzgang für ein ideal diffuses Schallfeld hinreichend gerade ist.
Will man die oben skizzierten Erfahrungstatsachen berücksichtigen und eine nach hohen Frequenzen zunehmende Richtwirkung einführen, so bedeutet das zwangsläufig einen Anstieg des Frequenzganges in der freien Welle bei Schalleinfall- von vorn. Dies scheint aber in einem vorwiegend diffusen Schallfeld durchaus zulässig. Sicher darf nun aber die Richtwirkung nicht zu ausgeprägt sein, denn es soll ein grosser Klangkörper in seiner gesamten Ausdehnung für alle Frequenzen möglichst gleich gut erfasst werden.
Diese Überlegungen führten zur Entwicklung eines Druckmikrophons (M 50), dessen Frequenzgang in der freien Welle nach hohen Frequenzen hin bis auf den Faktor 2 ansteigt und das dabei eine zunehmende Richtwirkung aufweist, die jedoch auch bei den höchsten Tonfrequenzen noch sehr breit ist.
Im folgenden werden die für die Dimensionierung dieser beiden Mikrophone wesentlichen Gesichtspunkte beschrieben und die wichtigsten technischen Daten bekanntgegeben.
Das Prinzip des Kondensatormikrophons wurde beibehalten, da dieses trotz seiner relativ starken Empfindlichkeit gegenuber äusseren Einflüssen unbestreitbare Vorteile gegenüber anderen Konstruktionen hat.
Beide Mikrophone sind äusserlich vollkommen gleich und haben die in Abb. 1 gezeigte Form. Sie unterscheiden sich nur durch die Mikrophonkapsel.
Diese Neuentwicklungen sollen die bekannten alten Mikrophone ablösen und bei allen westdeutschen Rundfunkgesellschaften eingeführt werden.

3. Das Mikrophon M 49 mit veränderbarer Richtcharakteristik
Die Kapsel dieses Mikrophons ist eine Kombination von zwei gleichartigen Nierenmikrophonkapseln, deren
maximale Empfindlichkeit in entgegengesetzter Richtung liegt. Beide Kapseln arbeiten auf den gemeinsamen Verstärker.
Die nach vorn gerichtete Kapsel erhält eine konstante Vorspannung U1.
Die Vorspannung der anderen Kapsel ist kontinuierlich von U2=U1 bis U2= - U1 veränderbar.
Die durch die Parallelschaltung beider Kapseln vollzogene Addition der beiden Richtcharakteristiken

ergibt als Summencharakteristik

Wir erhalten also
für p = 1     Rres = 1 Kreischarakteristik,
für p = 0     Rres = ½ (1 + cos φ) Nierencharakteristik,
für p = - 1   Rres = cos φ Achtercharakteristik.
Mit beliebigen anderen Werten 1 ≤ p ≤ - 1 lassen sich entsprechende Zwischencharakteristiken einstelIen.
Für φ = 0, also für die Hauptempfangsrichtung ist Rres = 1 unabhängig von p.
Das Übertragungsmass des Mikrophons wird demnach durch die Änderung der Richtcharakteristik nicht beeinflusst. Da ferner die Gesamtkapazität nicht geändert wird, ist auch die Ersatzlautstärke des Mikrophons für aIle Richtcharakteristiken die gleiche.
Für die Nierencharakteristik bedeutet zwar die ständige Zusammenschaltung beider Kapseln eine Verminderung der Ausgangsspannung, da die zweite Kapsel als tote Kapazitat parallel liegt (U2= 0).
Der Einfluss auf die Ersatzlautstärke 1) ist aber nicht gross, da die zusätzliche Kapazität gleichzeitig die Störspannung herabsetzt.
Grundsätzlich ware es möglich, die gleiche Vielzahl von Charakteristiken durch eine Kombination eines Mikrophons mit Kreischarakteristik und eines Mikrophons mit Achtercharakteristik zu erzielen.
Dieses Prinzip ist häufig auf dynamische Mikrophone angewendet worden.
Abgesehen davon, dass es angenehmer ist, zwei gleichartige Mikrophone zu verwenden, bereitet die Kreis-Acht-Kombination jedoch erhebliche Schwierigkeiten.
Kapazitive Druckgradientenmikrophone lassen sich namlich nur für einen begrenzten Frequenzbereich herstelIen, da es nicht möglich ist, die Kapsel klein zur WelIenlänge der höchsten zu übertragenden Frequenz zu machen, wie es das Prinzip des Druckgradientenmikrophons erfordert.
Das Nierenmikrophon macht hierin keine Ausnahme.
Doch bietet sich hier die Möglichkeit, das Mikrophon für die hohen Frequenzen in einen Druckempfänger übergehen zu lassen und eine weitgehend nierenförmige Charakteristik in diesem Frequenzbereich im wesentlichen durch die Beugung am Mikrophonkörper zu erzielen.
Ein Druckmikrophon hat im Prinzip den in Abb. 2 dargestellten Aufbau. Eine möglichst hochgespannte Membran ist isoliert in geringem Abstand gegenüber einer durchbohrten Elektrode angeordnet.
Ein Luftpolster hinter der Elektrode (oft Sacklöcher) dient zur Erhöhung der wirksamen Steife und wird so gewählt, dass die Eigenfrequenz des gesamten Systems in die Nähe der Grenze des gewünschten Übertragungsbereichs fälIt.


Durch geeignete Wahl des Abstandes und der Perforation der Gegenelektrode erreicht man eine aperiodische Dämpfung der Membranschwingung. Damit ist eine frequenzunabhängige Umwandlung der mechanischen Schwingungen in elektrische gewährleistet.
Ein Druckgradientenmikrophon entsteht aus dem Druckmikrophon, wenn auf der Rückseite des Mikrophons eine Reibungshemmung, etwa in der Form eines sehr engen Schlitzes angebracht wird.
Das mechanische Ersatzschaltbild des Druckmikrophons (Abb. 3) ist dann in der gestrichelt gezeichneten Weise zu ergänzen. Das Mikrophon ist dann nicht mehr allein dem SchalIdruck p1 auf die Vorderseite der Membran ausgesetzt, sondern gleichfalls einem von der Rückseite her wirkenden Druck p3. Dieser wiederum ist, durch die Wirkung der Reibungshemmung im Spalt und der Luftpolstersteife, gegenüber dem Druck p2 auf der Rückseite des Mikrophons um φ = rph * ω CL in der Phase nacheilend, solange rph« ω CL ist. Für rph» ω CL wird die Öffnung unwirksam.
Hier bleibt das Mikrophon praktisch Druckempfänger. Wir erhalten ein Nierenmikrophon, wenn wir den Winkel φ so wählen, dass er genau so gross ist wie der Phasenunterschied zwischen p1 und p2 bei frontalem Schalleinfall [1].
Machen wir die Impedanz der Membran


so ergibt sich aus dem Ersatzschaltbild, dass dann bei Schalleinfall aus 90° (p1 = p2) zwischen den Enden von rph keine Kraft auftritt, das Mikrophon sich also wie ein Druckempfänger verhält.
Die Empfindlichkeit des Nierenmikrophons ist deshalb doppelt so gross wie die des Druckempfängers, aus dem es entstanden ist. Die Bedingung Zm «rph muss eingehalten werden, um einen geraden Frequenzgang zu erzielen [1].
Die Druckdifferenz p1 - p3 und damit die Kraftwirkung auf die Membran steigt mit der Frequenz und erfordert ein reibungsgehemmtes System, wenn die Auslenkung der Membran frequenzunabhängig dem Druck am Ort des Mikrophons entsprechen soIl.
Allein diese Bedingung zwingt uns, ein Druckgradientenmikrophon grundsätzlich anders zu dimensionieren, als es bei einem Druckempfänger möglich wäre.
Sie widerspricht der Forderung nach möglichst hoher Membranspannung, die erfüllt sein muss, wenn wir dem Kondensatormikrophon eine möglichst hohe Vorspannung geben und damit eine möglichst grosse Empfindlichkeit erreichen wollen.
Sie zwingt uns, Abmessungen zu wählen, die nur in einem Frequenzbereich ein Druckgradienten-mikrophon mit ausreichender Empfindlichkeit möglich machen.
1) Als Ersatzlautstärke gilt nach den Empfehlungen des Akustischen Ausschusses das Verhältnis von Geräuschspannung zu Übertragungsmass. Es wird in db, bezogen auf 2· 10-4 μbar, angegeben und hat die Dimension phon.
Abb.4 zeigt den Frequenzgang eines Nierenmikrophons bei einseitig auf die Membran wirkender Kraft, wie er sich aus dem Ersatzschaltbild herleiten lässt.
Unterhalb der Grenzfrequenz fg steigt die Auslenkung der Membran mit 1/ω' bestimmt durch die Reibungshemmung r + rph. Bei tiefen Frequenzen wird die Membransteife 1/CM wirksam und unterhalb des Übertragungsbereiches schliesslich allein massgebend.
Oberhalb der Grenzfrequenz wirkt zunächst die Luftpolstersteife 1/CL und ergibt einen Bereich frequenzunabhängiger Auslenkung, bis schliesslich am Ende des Übertragungsbereiches die Resonanz der Membranmasse mit CL zu erkennen ist.
Im freien Schallfeld wird die Membran im unteren Frequenzbereich durch den mit ω ansteigenden Druckgradienten angeregt und ergibt einen geraden Frequenzgang. Um fg herum ist die Bedingung kleiner Winkel nicht mehr erfüllt.
Es vollzieht sich der Übergang zum Druckempfänger. Gleichzeitig setzt aber auch eine Druckstauung an der Membran ein. Sie erhöht die Empfindlichkeit des Mikrophons als Druckempfänger.
Sie wäre ohne diese Wirkung nur halb so gross wie im unteren Frequenzbereich (vgl. oben). Gleichzeitig bewirkt die Druckstauung die Richtwirkung im oberen Frequenzbereich.

Da im Bereich fu und fg ein proportional mit der Frequenz ansteigender Frequenzgang erforderlich ist, folgt für die grösstmögliche Steife der Membran aus Abb. 4 
1/CM = fu/fg*1/CL . Sie ist sehr viel kleiner als 1/CL . Diese Bedingung lässt sich bei kleinen Radien nicht mehr einhalten.
Zwar ist die auf die Membranauslenkung bezogene Membransteife unabhängig vom Radius. Die
Membranmasse aber nimmt mit dem Quadrat des Radius ab. Die vorgeschriebene Resonanzfrequenz erfordert also eine im gleichen Masse abnehmende Luftpolstersteife.
Dadurch wird das Verhältnis mit abnehmendem Radius quadratisch ungünstiger, denn wir können die Membran bicht beliebig schlaff machen. Eine Restspannung ist erforderlich, wenn sie glatt sein soIl.
Das realisierbare Verhältnis CM/CL bestimmt demnach entscheidend die höchste Frequenz, bis zu der ein Nierenmikrophon als Druckgradientenempfänger hergestellt werden kann. Sie liegt praktisch urn 3000Hz herum.
Um trotz extrem weicher Membran eine genügend hohe Vorspannung anlegen zu konnen, ist ein möglichst grosser Abstand zwischen Membran und Gegenelektrode erforderlich.
Sein Höchstwert wird durch konstruktive Gesichtspunkte bestimmt. Eine genauere quantitative Auswertung der angedeuteten Beziehungen zeigt, dass unter Berücksichtigung betrieblich bedingter Sicherheitsfaktoren die optimale Dimensionierung in relativ engen Grenzen liegt.
Ähnliches gilt für andere Formen der Richtcharakteristik. Das Nierenmikrophon hat aber vor allem den Vorteil, dass eine Erweiterung des Frequenzbereichs bei noch relativ guten Richteigenschaften durch die geschilderten Massnahmen möglich ist. Dadurch ergibt eine Kombination zweier Nierenmikrophone Richtmikrophone anderer Charakteristik in einer Qualität, wie sie mit einem Einzelelement nicht möglich ist.
Abb. 5 zeigt die für die 3 Grenzfälle - Kugel, Niere und Acht - erzielten Frequenzgänge und Richtcharakteristiken.
Abb. 6 veranschaulicht die gute Übereinstimmung zwischen errechneter und gemessener Charakteristik bei 1000Hz.
Die Ausgangsspannung beträgt 0,7 mV/μbar und ist etwas niedriger als beim Druckempfänger.
Die Ersatzlautstärke betragt 22 phon.

4. Das Druckmikrophon M50
Eine gleichmässige Übertragung des gesamten Tonfrequenzbereichs erfordert Abmessungen der Kapsel, die möglichst klein im Verhältnis zur Wellenlänge der höchsten zu übertragenden Frequenz sind.
Das Übertragungsmass eines Mikrophons sinkt mit wachsendem Übertragungsbereich. Um trotz kleiner Abmessungen den Einfluss der schädlichen Kapazität des Verstärkers auf das Übertragungsmass genügend klein zu halten, darf die Eigenkapazität nicht zu klein sein, zumal die Vergrösserung des übertragenen Tonfrequenzbereichs ohnehin das Übertragungsmass herabsetzt.
Eine genügend grosse Eigenkapazität lässt sich nur durch extrem kleine Abstände zwischen Membran und Gegenelektrode erreichen.
Das Mikrophon M50 hat einen Membrandurchmesser von 12mm und einen Membranabstand von 10 μ.
Als Membranmaterial dient eine dünne Kunststoff-Folie. Folien haben den Vorteil, dass sich der Aufbau der Kapsel einfach gestaltet und sich ein weitgehender Schutz gegen Durchschläge ergibt.
Die sehr geringe Masse der Folien ermöglicht Konstruktionen, die im Verhaltnis zu den Metallmembranen bei relativ kleinen Polarisationsspannungen ausreichende Übertragungsmasse liefern.
Diese Tatsache ist nicht zu unterschätzen, da mit wachsender Polarisationsspannung die Anforderungen an die Isolation steigen, wenn der Einfluss auf den Gitterstrom der Rohre nicht grösser werden solI. Geringfügige Änderungen der Übertragungseigenschaften durch eine gewisse Inkonstanz der Folien sind für die Schallübertragung ohne Bedeutung. Sie liegen in sehr engen Grenzen.
Die Mikrophonkapsel M50 ist in eine Kugel von 45 mm Durchmesser eingebaut. Die Richtcharakteristik für den Aufpunkt einer Kugel zeigt nach S c h w a r z [2] eine
nach hohen Frequenzen hin zunehmende Richtschärfe, die für die Frequenz ∞ die Form eines Halbkreissektors annimmt.
Sofern die in die Kugel eingebaute Kapsel genügend klein im Verhältnis zum Kugeldurchmesser  ist, lässt sich durch einen solchen Aufbau eine auch noch bei hohen Frequenzen sehr breite Richtwirkung realisieren.
Gegenüber der Scheibe hat die Kugel den Vorteil, dass die Druck-stauung im Aufpunkt stetig ansteigt, um sich dem Faktor 2 zu nähern. Im Aufpunkt von Scheiben durchläuft die Druckstauung bekanntlich Maxima und Minima und erreicht den Wert 3.
Im diffusen Schallfeld steigt der Druck im Aufpunkt einer Kugel auf den Faktor √2.
Der Frequenzgang eines Mikrophons, das sich in der Umgebung dieses Aufpunktes befindet, ist also praktisch geradlinig.
Abb. 7 zeigt Richtcharakteristik und Frequenzgang des Mikrophons M 50. Die mit der Mikrophonkapsel und dem Verstärker erreichte Ersatzlautstärke ist geringer als 20 phon.
Die relativ kleine Kapazität einer Kondensatormikrophonkapsel zwingt dazu, Kapsel und Verstärker möglichst nahe beieinander anzuordnen.
Der Verstärker selbst unterscheidet sich von anderen besonders durch seinen extrem hohen Eingangswiderstand. Diese Forderung ergibt sich z. T. daraus, dass die von der Kapsel abgegebene Spannung frequenzunabhängig an das Gitter der Verstärkerröhre gelangen muss, zu überwiegendem Teil hat sie aber ihren Grund in der mit wachsendem Eingangswiderstand geringer werden den äquivalenten Störspannung [3].
Die Erweiterung des Übertragungsbereiches auf alle Tonfrequenzen hat zwangsläufig gegenüber den alten Mikrophonen mit kleinerem Übertragungsbereich eine Empfindlichkeitsabnahme zur Folge, so dall aIle Mittel angewendet werden müssen, um ein Optimum zu erreichen.
Bei vollkommen offenem Gitter hat die Röhre einen Eingangswiderstand Ri = ET / Igm
ET: Temperaturspannung der Röhre (=0.1V),
Igm: Gitterstrom im negativen Maximum der Gitterstromkennlinie.
Dabei stellt sich automatisch eine Gittervorspannung ein, für die die Summe aller Gitterströme Null ist (Punkt A in Abb. 8).
Erzwingt man eine stärkere positive Gittervorspannung, so nimmt Ri wegen des dort exponentiellen Verlaufs der Gitterstromkennlinie sehr schnell ab, so dass man zweckmässigerweise einen Arbeitspunkt links von A wählt.
Wegen einer gewissen Inkonstanz der Gitterströme lässt sich ein bestimmter Arbeitspunkt jedoch nur sehr schwer einhalten, zumal eine möglichst geringe Vorspannung im Interesse einer grossen Steilheit wünschenswert ist. Man wird also versuchen, einen Arbeitspunkt in der Nähe von A einzuhalten und hat dann im Durchschnitt mit dem oben angegebenen Ri zu rechnen.
SolI nun bei einer Koppelkapazität C der Frequenzgang bis zu einer tiefen Frequenz fu praktisch gerade sein, so muss der Eingangswiderstand der Schaltung
R ≥ 1 / (2π*fu*C) sein.
Eine Kapazität von 50 pf erfordert für fu = 30 Hz einen Eingangswiderstand Re von etwa 100MΩ. Diesen Wert hätte die Röhre allein schon bei einem Gitterstrom von 10-9 A.
Will man gegen die Schwankungen des Gitterstromes gesichert sein, dann muss mindestens eine Grössenordnung mehr gefordert sein.
Es lässt sich zeigen, dass nicht nur der Frequenzgang des Mikrophons, sondern auch seine Störspannung durch den Gitterstrom ungünstig beeinflusst wird.
Genügend kleine Gitterströme der Röhre sind demnach auch Voraussetzung für einen optimalen Geräuschspannungsabstand des Mikrophons.  Anzustreben sind Werte von einigen 10-11 A.
Die Grösse der Gitterströme wird entscheidend durch die Isolation des Gitters gegenüber Punkten höheren Potentials bestimmt.
Besonders kritisch ist der Widerstand gegenüber der Anode der Röhre und der Mikrophonkapsel. Deshalb muss die bestmögliche Isolation für die Röhre und die kritischen Schaltelemente gewahrleistet sein.
Die Verwendung handelsüblicher Rundfunkröhren wird stets zu Kompromisslösungen führen.
Das Prinzip des Kondensatormikrophons in NF-Schaltung erfordert eine Röhre, deren Eigenschaften sich denen einer Elektrometerröhre nähern.
Sie unterscheidet sich von diesen dadurch, dass einerseits auf eine gewisse Verstärkung und andererseits auf kleine Abmessungen nicht verzichtet werden kann, weil das gesamte Mikrophon nicht unhandlich sein soll.
Auf Anregung des NWDR haben die Vakuumtechnischen Werkstätten in Hamburg versucht, eine den Erfordernissen entsprechende Röhre herzustellen.
Mit der Triode MSC2 wurde eine Röhre geschaffen, die den hohen Anforderungen bereits weitgehend gerecht wird. Die kleinen Abmessungen der Röhre und ihre Klingfestigkeit ermöglichen es, dem Mikrophon eine sehr handliche Form und dennoch einen übersichtlichen Aufbau zu geben.
Auf eine Trennung von Kapsel und Verstärker wurde verzichtet, da sie einen recht unzweckmässigen Schnitt darstellt.
Die Kapazität der Kapsel beeinflusst nämlich sowohl die Störspannung als auch durch eine über die Gitteranodenkapazitat stattfindende Gegenkopplung die Verstärkung und den Frequenzgang des Mikrophons.
Abb.9 zeigt den Aufbau des Verstärkers.
Eine Grundplatte mit Steckeranschluss tragt, weich gelagert, den Verstärker. Die Röhre und alle empfindlichen Einzelteile befinden sich im oberen Teil. Sie werden durch eine Schutzkappe abgedeckt, die gleichzeitig die Kapsel trägt. Die Kappe aus Material geringer Warmeleitfähigkeit ermöglicht eine Aufheizung des Raumes unter der Kappe durch die Röhre und gewährleistet die erforderlichen hohen Isolationswerte.
Die Halteschrauben der Kappe stellen gleichzeitig die elektrische Verbindung zwischen Kapsel und Verstärker her. Ein Schutzkorb schirmt Verstärker und Kapsel nach aussen hin ab.
Die Ersatzlautstärke der Mikrophone betragt 20 bis 22 phon; sie entspricht im allgemeinen bereits dem Störpegel eines Studios. Der Ausgangsscheinwiderstand der Mikrophone mit 200 Ω ermöglicht den Anschluss einer langen Leitung.
Zur Speisung der Mikrophone können wahlweise ein Batteriekoffer, ein Netzanschlussgerät oder ein Gestellnetzgerät verwendet werden. Diese Geräte liefern gleichzeitig für das Mikrophon M49 die zum Einstellen der gewünschten Richtcharakteristik erforderliche Gleichspannung.
Der entsprechende Bedienungsknopf ist am jeweiligen Netzgerät angebracht. Es ist aber auch möglich, die Richtcharakteristik der Mikrophone von einem beliebigen anderen Ort aus, z. B. dem Regietisch, zu ändern.

Schrifttumsnachweis
[1] G r o ss k o p f, FTZ 1950, Heft 7.
[2] S c h w a r z, Akustische Zeitschrift 4/1943.
[3] W e b e r, Akustische Zeitschrift 3/1943.
 (Eingeg. 25. April 1951)

Allen einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht

Achim

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