saba: Nochmals: Stummschalter S7 neben Netzschalter S2

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ID: 660658
Dieser Artikel betrifft das Modell: Schwarzwald-Automatic 6-3D (SABA; Villingen)

? saba: Nochmals: Stummschalter S7 neben Netzschalter S2 
14.Jun.24 08:04
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Über den Stummschalter S7 wurde in einem früheren Thread schon mal diskutiert und darin ausgesagt, er diene dazu, die "Einschaltgeräusche" zu unterdrücken.

Bei meinem Gerät ist der Schalter zerbröselt, und es lässt sich nicht mehr sagen, wie er genau zusammengesetzt war und wie und wann die Schaltzungen Kontakt machten oder nicht.

Meine Fragen sind wie folgt:

1. Verstehe ich die Notwendigkeit der Unterdrückung von "Einschaltgeräuschen" nicht. Ein Röhrenradio hat doch kein Einschaltgeräusch? Und wenn doch - welches soll das sein?
 

2. Eher noch verstünde ich, dass man beim Ausschalten des Gerätes verhindern will, dass die zusammenbrechende Anodenspannung die Oszillatorfrequenz verstellt, so dass man noch kurz andere Sender hört, bevor das Radio stumm ist. Bei "normalen" Klaviertastaturen (also solchen, bei denen die AUS-Taste die anderen Tasten in den Ruhezustand versetzt) wird dies so gelöst, dass beim Betätigen der AUS-Taste ein Arbeitskontakt geöffnet wird, über den die Anodenspannung läuft.
 

3. Sollte bei diesem Radio tatsächlich die Notwendigkeit bestehen, Audio stummzuschalten während des Ein- oder Ausschaltens, dann müsste der Stummschalter S7 doch einen Schleifkontakt mit einer gewissen Hysterese haben, so dass die Stummschaltung nach Betätigen des Schalters S2 noch eine Weile bestehen bleibt, bis sich entweder die Spannungen stabilisiert haben und das Radio betriebsbereit ist bzw. bis die Anodenspannung total zusammengebrochen ist und das Radio stumm ist.

Wenn mir jemand den zeitlichen Ablauf des Stummschalter-Kontaktschliessens in Abhängigkeit der Betätigung der EIN-/AUS-Taste erklärten könnte, wäre ich dankbar.

Nicolin Salis

EM: Link zum fraglichen Thread eingefügt

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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saba: Nochmals: Stummschalter S7 neben Netzschalter S2 
15.Jun.24 22:09
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Harald Giese (D)
Redakteur
Beiträge: 286
Harald Giese

Hallo Herr Salis,

Ihre Vermutung ist zutreffend: Der Kollege hatte sich damals bei seinem Forumsbeitrag geirrt. Es handelt sich um keine Einschaltverzögerung, sondern um eine Stummsteurung, die sowohl beim Einschalten als auch beim Ausschalten des Gerätes das Steuergitter des Triodensystems der EABC80 (NF - Vorverstärker) für eine gewisse Zeit auf negative Spannung tastet.

Da die Dauer der Stummsteuerung viel kürzer ist, als die Aufheizzeit der Röhren, ist nur der Vorgang beim Ausschalten von Interesse.

Hier die Schaltung:

Alle Bilder können durch Anklicken vergrößert werden.

 

Das funktioniert folgendermassen:

Aus einem der beiden 15 V~ Trafowickel (Anschlüsse "a" und "b", die ja bekanntlich für die Drehrichtungsumschaltung benötigt werden, erzeugt man mit Hilfe des Gleichrichters E25C2 noch zwei negative Spannungen: Eine höhere Spannung U≈ -21 V und eine durch einen Widerstandsteiler 25 KΩ / 45 KΩ = 0,55 herabgesetzte Spannung Uv ≈ -12 V.

Die niedrigere Spannung Uv wird für die Steuergitterspannung der Triode der EABC80, sowie die Steuergitterspannungen der Triode und Pentode der ECL80 verwendet (blaue Verbindungen).

Für das Steuergitter der EABC80 wird die Spannung Uv durch einen  Widerstandsteiler 3 MΩ /13 MΩ = 0.23 auf ca., Ug1 = 2,8 V heruntergeteilt; das entspricht ungefähr dem für die EABC80 tabellierten Wert.

Auch für die Triodenstrecke der ECL80 wird die Spannung Uv durch einen Widerstandsteiler heruntergeteilt, während für die Pentodenstrecke die volle Spannung verwendet wird.


Die höhere Spannung Um wird für die Stummschaltung verwendet. Ich gehe hier nur auf die Stummschaltung bei Betätigen des Netzschalters ein. Solange der Netzschalter gedrückt wird, wird Um über zwei 2 MΩ Widerstände an das Steuergitter der EABC80 gelegt, von dem ein 3 MΩ Widerstand auf Masse führt (die bereits erwähnte hochohmige Verbindung über 10 MΩ an Uv wollen wir hier vernachlässigen).

Somit wird also beim Ausschaltvorgang die Spannung U≈ -21 V , reduziert um einen Faktor 3 MΩ / 7 MΩ = 0,432 auf das Steuergitter der EABC80 gelegt. Allerdings liegt nach dem ersten 2 MΩ Widerstand ein Kondensator von 0,25 µF nach Masse, der die Spannung am Steuergitter mit folgender Zeitkonstante ansteigen lässt. 

Ladezeitkonstante 2 MΩ / 0,25 µF ⇒ τ = RC = 0,5 sec

Natürlich bleibt der Schaltkontakt "s7" bei  normaler Betätigung des Netzschalters viel kürzer geschlossen, sodass die Gittervorspannung den genannten Wert von Ug1 = 0,432 x -21 V = - 9 V nicht.erreichen wird. Trotzdem ist die sich am Steuergitter aufbauende negative Spannung offensichtlich ausreichend, um die Röhre zu sperren und durch die lange Integrationszeit erfolgt die Stummsteuerung "knackfrei".

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die

Entladezeitkonstante 5 MΩ / 0,25 µF ⇒    τ = RC = 1,25 sec

Wie man sieht, bleibt die EABC80 auch dann noch eine Weile stummgeschaltet, wenn der Netzschalter schon wieder losgelassen wurde.


Hier noch zwei Bilder des Schalters "s7":

 

Hier im eingebauten Zustand:

 

         Schalter s7 offen (Ruhezustand)                     s7 geschlossen (EIN - AUS - Schalter gedrückt)

 

Hoffentlich hilft Ihnen das weiter!

Mit besten Grüßen,

Harald Giese

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saba: Nochmals: Stummschalter S7 neben Netzschalter S2 
16.Jun.24 04:30
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Sehr geehrter Herr Giese

Was für eine reichhaltige und fundierte Antwort! Haben Sie vielen Dank. 

Je mehr man sich mit Saba-Geräten aus der Zeit befasst, desto grösser wird die Hochachtung vor deren Ingenieuren.

Im Moment habe ich die Stummschaltung ausser Betrieb. Wie vermutet, passiert beim Einschalten nichts Besonders, aber beim Abschalten streift der Oszillator noch kurz die Nachbarprogramme, bevor sie in der sinkenden Lautstärke untergehen.

Ich hatte mir schon Gedanken darüber gemacht, ob ich ein von den Netzschalterkontakten gesteuertes Relais mit verlängerter Ausschaltzeit installieren soll, aber jetzt, wo ich sehe, dass die Originalschaltung diese Zeitfunktion schon hat, kann ich mich auf das Ersetzen des Schalters S7 durch einen anderen (evtl. Microswitch, angeflanscht an die metallene Wange des Tastenaggregates) konzentrieren.

Nicolin Salis

 

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