philips: PHILIPS RB634/03 Nostalgieradio aus dem EPW Neuruppin

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Dieser Artikel betrifft das Modell: Nostalgieradio RB634/03 (Philips Radios - Deutschland)

philips: PHILIPS RB634/03 Nostalgieradio aus dem EPW Neuruppin 
05.Jan.22 11:43
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Harald Giese (D)
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Harald Giese

PHILIPS RB634/03 Nostalgieradio aus dem EPW Neuruppin

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1     Einleitung

Neulich fragte mich der Antikhändler, bei dem meine Frau häufig den Laden durchstöbert, ob ich nicht ein altes Radio haben wolle. Wie sich herausstellte, handelte es sich um einen PHILIPS RB634 / 03, Baujahr ca. 1983 (Aufdruck auf dem Tuner - Baustein), also immerhin mittlerweile auch schon fast 40 Jahre alt. Nicht wirklich alt, natürlich, dafür aber in ganz hervorragendem optischen Zustand. Bei dem Gerät handelt es sich um ein verkleinertes, anstelle von Röhren mit Transistoren und ICs bestücktes  Replikat des klassischen PHILIPS Super Inductance "Lentebode" 634A. (Lentebode = Frühlingsbote) und wurde im EPW / Neuruppin / DDR hergestellt.

Natürlich konnte ich nicht widerstehen und nahm das Gerät mit nach Hause. In diesem Zusammenhang fiel mir wieder der alte (2005), vom Kollegen Werner Braun initiierte Forumsthread  "Was ist das? Elenore52 hat noch nicht geantwortet..." ein. So stiess ich auch wieder auf die anderen, um 1983 anlässlich des 50. Jahrestages des  "Super Inductance 634A" erschienenen  Nostalgie - Editionen: Aus Rumänischer Produktion PHILIPS 634 ITC 490N. und aus britischer Produktion der Superinductance 634A Replica R634/15 13R634/15Z.

Nun kann man sich über die "Sammel - Würdigkeit" solcher Replikat - Radios sicher streiten. Aber ich zitiere hier mal Konrad Birkner: "Sowas ist auch nicht schlimmer als ein "moderner" VW-Käfer. Solange es gefällt ist doch alles in Ordnung".

Als ich die Rückwand des Gerätes öffnete, war ich jedenfalls von dem schönen, übersichtlichen Aufbau so angenehm überrascht, dass ich mich entschloss, etwas darüber zu schreiben.


 

2     Die Schaltung

Ich verwende hier die auf der RM - Modellseite des RB634 / 03 hinterlegte Schaltung, habe aber die Schaltungsvariante für das Modell mit LW - Bereich herausgeschnitten und die Verbindungspfeile durch Farben hervorgehoben. Dadurch wird die Schaltung übersichtlicher.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Links unten im Bild sieht man den mit den Transistoren SF235 (Vorstufe in Basis-Schaltung) und SF225 (Oszillator) bestückten, und noch mit einem klassischen Luftdrehko abgestimmten UKW - Tuner. Die nicht abschaltbare AVC (oranger Pfeil) verwendet die Varicap - Diode KB213B. Die "B" Variante der KB213 hat eine max. Kapazität von 42 pF.

Bei UKW - Betrieb koppelt der Ausgang des 1. ZF - Filters L103 / L104 auf die Basis des Transistors V1 (SF225) (grüner Pfeil).

Der Ausgang von V1 führt über das keramische 10,7 MHz Filter L5 auf den AM/FM - ZF - Verstärkerbaustein A1 (A281) und von dort zur Demodulation auf ein herkömmliches Ratio - Filter mit 2 Ge - Dioden GA113. Die Bezeichnung 2GA113 im Schaltbild rührt von der Tastsache her, dass diese Dioden nur als selektiertes Pärchen für Ratio - Detektoren geliefert wurden.

            Das keramische 10,7 MHz Filter L5

 

Für die NF - Verstärkung wurde der Baustein A211D eingesetzt.

 

Bei MW - Betrieb wird der UKW - Tuner deaktiviert und der Transistor V1 (SF225) als selbstschwingende Mischstufe betrieben. Ferritantennen - Vorkreis und Oszillatorkreis werden auch hier kapazitiv abgestimmt (blauer und roter Pfeil). Der Ausgang der Mischstufe führt zwecks Impedanzanpassung über das  Filter L6 auf das zwecks Bandbreitenerhöhung mit 6,8 pF (C11)  gebrückte keramische Filter L7 ebenfalls auf den ZF - Verstärkerbaustein A281D, dessen Ausgang auf einen herkömmlichen Demodulatorkreis mit der Ge - Diode GA101 führt.

                                               Das keramische 455 KHz Filter L7

 

Das Firmenlogo auf diesem Filter ist mir nicht bekannt.  Etwas mehr Informationen zur Geschichte der keramischen Filter findet man hier.

An Pin 13 stellt der A281D eine intern stabilisierte Gleichspannung von 2,6 V bereit (In Durchlassrichtung betriebene Kette von 4 Si - Dioden), die u.a. dazu verwendet wird, die Basisspannung für den Transistor V1 (SF225) zu produzieren (lila Pfeil) und die AM Demodulatordiode V4 (GA101) leicht in Durchlassrichtung vorzuspannen. Dadurch wurde das Ansprechen des AM - Demodulators bei niedrigen Signalspannungen verbessert.


Abgesehen vom NF - Verstärkerbaustein A211D, der mit seiner maximal zulässigen Versorgungsspannung von 15 V betrieben wird (Netzteil - Oberspannung), wird die gesamte restliche Schaltung mit einer stabilisierten Spannung von +8,3V versorgt, die durch eine Längsregelstufe mit dem Transistor V10 (SC236) erzeugt wird.


Alle Halbleiterkomponenten stammten aus der Produktion des  Halbleiterwerk Frankfurt /Oder, VEB, (HFO) / DDR.


 

3     Der Aufbau des RB634 / 03

Außenansicht:

 

 

 

Wie auch beim originalen Super - Inductance 634A von 1933 wurde die MW - Skala in Metern geeicht, was bei den meisten Käufern für einige Verwirrung gesorgt haben dürfte. 

Auf der Frontseite befinden sich lediglich links der Lautstärkeregler mit Netzschalter und rechts die Senderabstimmung.


Auf der Rückseite befinden sich der Wellenbereichsumschalter und der Umschalter von Radiobetrieb auf Phono - Eingang. Rechts daneben die 5-polige DIN - Buchse für Aufnahme / Wiedergabe. 

Das Gerät besitzt keinen externen Antennenanschluss. Auf MW wird eine Ferritantene eingesetzt, auf UKW ein auf der Innenseite des Gehäuses verlegter Flachbandkabel - Dipol. Durch die gezwungenermaßen auf engem Raum erfolgte, gefaltete Verlegung dieses Dipols ist die UKW - Empfangsempfindluichkeit des Gerätes recht dürftig (unzureichende Erfassung des elektrischen Feldes).

 

 


Innenansicht:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier noch zwei Detalbilder:

 

Der Datumsstempel auf dem Tunergehäuse lautet 10 / 83. Das Qualitätssiegel im Dreieck zeigt interessanterweise Güteklasse "2". Sonst wurde in Geräte für den westlichen Markt nur Güteklasse "1" verbaut. 


 

4     Reparatur

Der PHILIPS 634/03 zeigte einen Standardfehler, den viele lange nicht benutzte Geräte mit Drehkondensatoren aufweisen: Aufgrund verharzten Lagerfetts ließ sich die Drehkoachse nicht mehr drehen.

Häufig kann man die Achse durch Erhitzen, Auswaschen der Fettreste mit einem Lösungsmittel und neuem Ölen wieder gangbar machen. Hier lag der Fall komplizierter.

 

Die Drehkoachse läuft hier in einer gerändelten Lagerbuchse, die in einen Plastikflansch eingegossen ist. Hat sich die Drehkoachse in der Führungsbuchse festgesetzt, so wird letztere bei zu großem Kraftaufwand aus dem Plastikflansch herausgerissen. Zwar wird die Drehkoachse im vorliegenden Fall nicht direkt angetrieben, sondern über einen Skalenseilzug, jedoch wurde ein so stabiles Seil verwendet, dass man es schaffte die Lagerung mechanisch zu zerstören. Die losgerissene Führungsbuchse inklusive der darin steckenden Drehkoachse verkantete sich und riss den kompletten Drehko aus seinen Gummihalterungen in der voderen Chassis - Taverse. Links ein Bild des im Fundzustand schief im Chassis sitzenden Drehkos. 

 

Nach Ausbau des Drehkos erkannte man den zerstörten Plastikflansch.

 

Nach Lösen der Halteschrauben und Beseitigen der Plastikreste:

Nach längerer Wärmeinwirkung konnte die Drehoachse aus der Führungsbuchse gezogen werden.

 

Aus 2mm starkem Blech wurde eine Lasche geschnitten, mit einer Passbohrung für Presssitz der gerändelten Führungsbuchse versehen und auf das Drehkogehäuse gelötet.

Auf dem rechten Bild erkennt man die teilweise deformierten Zähne des Messingritzels, die mit Hilfe einer Nadelfeile wieder bereinigt wurden.

 

Nach dem Zusammenbau funktionierte der Drehkoantrieb wieder einwandfrei.


 

5     Schlussbemerkung

Bei dem 1983 gebauten PHILIPS RB634/03 handelt es sich zwar nur um ein Replikat des originalen Super Inductance 634A von 1933, ich bin aber der Ansicht, dass die Elektrophysikalischen Werkstätten (EPW) Neuruppin / DDR hiermit ein Gerät geschaffen haben, das sehr schön den damaligen Stand der Technik widerspiegelt und durchaus erhaltenswert ist.

Harald Giese

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