Plattenwechsler 20-fach aus 1928
? Plattenwechsler 20-fach aus 1928
In einem der Monatshefte "Technik für Alle", 19. Jahrgang 1928/29 fand ich auf Seite 96 einen interessanten Artikel über einen elektrisch betriebenen Plattenwechsler für bis zu 20 Platten, über den ich noch nie etwas gehört habe, zumal ELEKTROLA auch noch als Hersteller genannt wird.
Ich habe den Text in eine heute gebräuchliche Schrift formatiert und auch die zwei Abbildungen angehängt.
Die Zukunft der Schallplatte
Aus „Technik für Alle“. 19. Jg. 1928/1929, S. 96
"Der letzte Schritt, den die Entwicklung des Grammophons kürzlich tat, wird dazu führen, dass man schon demnächst mit diesem Instrument die Tätigkeit der Musikkapellen und manche Musikvorführungen mit einem einzigen Spielapparat beliebig oft und an beliebig vielen Stellen gleichzeitig hörbar machen bzw. wiedergeben kann. Ja, das künftige Grammophon wird jene sogar gelegentlich vollkommen ersetzen. Da es möglich ist, auf der Schallplatte das gesprochene Wort, das gesungene Lied und das Spiel des Instruments wiederzugeben, lässt sich wenigstens für das Ohr das gesamte Programm eines Kabaretts ersetzen; das Geigensolo des Violinspielers, der Vortrag des Pianisten, Kammermusik, vollbesetztes Orchester - alles lässt sich abwechselnd nacheinander zum Vortrag bringen. Aber um dem Grammophon wirkliche Bedeutung für die öffentliche Verwendung zu geben, waren zwei zusätzliche Erfindungen nötig, die erst in der letzten Zeit herausgekommen sind: die elektrische Aufnahme und Wiedergabe mit elektrischer Verstärkung durch Lautsprecher sowie die Konstruktion eines Magazinapparates, der bis zu 20 Platten nacheinander selbsttätig auflegt, abspielt und ablegt. Man kann also für einen derartigen Apparat ein Dauerprogramm zusammenstellen und es den ganzen Abend über abspielen lassen, ohne dass sich ein Finger zur Bedienung zu regen braucht; man hat aber auch die Möglichkeit, einzelne Stücke, die besonders gut gefallen, beliebig oft zwischendurch zu wiederholen, kann ein nicht gefallendes Stück abbrechen, zum nächsten übergehen usw. Edison hat übrigens vor kurzem eine Schallplatte normaler Abmessung, aber für 40 Minuten Spieldauer konstruiert, mit der man also ganze Symphonien wird vorführen können.
Die Frage scheint am Platze, ob damit die Möglichkeiten des Grammophons erschöpft sind. Wahrscheinlich werden wir im Laufe der nächsten Zeit noch weitere Entwicklungen erleben. Einen Übergang dazu bildet bereits die allerdings noch wenig verbreitete Konstruktion für Diktographen und Diktaphone, die schon den Auftakt darstellt zur Übersendung von mündlichen Mitteilungen sozusagen auf der der Postkarte, denn es ist natürlich ebenso leicht, ein Wachsblatt zu besprechen und statt des geschriebenen Wortes zu senden, wie die Postkarte zu schreiben, die der andere lesen soll. Vielleicht wird man eines Tages in weitem Umfange von dieser Möglichkeit des Schriftverkehrs Gebrauch machen; um diese Zeit wird auch die Verzerrungsfreiheit und Klarheit der Übertragung einen solchen Grad erreicht haben, dass Originalstimme und Wiedergabe nicht mehr zu unterscheiden sind. Schon heute sind wir mit Hilfe der elektrischen Aufnahme und Wiedergabe nahe daran, Musikstücke in solcher Klangschönheit wiederzugeben, dass der Blinde kaum imstande sein dürfte, den Unterschied zwischen Original und Grammophonwiedergabe herauszufinden.
Doch dürfen wir nicht etwa annehmen, dass man nun ein für allemal an der Platte oder am Blatt als Übertragungsmittel festhalten wird. Man hat bereits gelungene Versuche gemacht, ähnlich wie beim Film einen Streifen für die Tonwiedergabe zu verwenden, und besonders bemerkenswert ist die bei einer neuen Diktiermaschine versuchte Methode, die Schallströme als magnetische Eindrücke einem Drahte mitzuteilen, der im Wiedergabeapparat die aufgespeicherte Sprache verzerrungsfrei zurücküberträgt. Von diesen vor drei Jahren gelungenen Versuchen ist inzwischen nicht wieder die Rede gewesen, wohl weil die vorläufige Ausführung den wirtschaftlichen Voraussetzungen und Forderungen nicht genug entsprach. Wir können aber dessen sicher sein, dass in späterer Zeit der Sprechmaschine eine so ganz andersartige Bedeutung zugewiesen wird, dass die Schallplattenindustrie den Rundfunk nicht mehr als Konkurrenten anzusehen braucht. Man wird hochwertige musikalische und sprachliche Vorträge archivmäßig sammeln, wird den Bibliotheken Schallplattenarchive beigesellen, deren Bestände jedem zur Wiedergabe auf seinem genormten Apparat zu Hause zur Verfügung gestellt werden. Der Anfang zu solchem Archivbetrieb ist in der Berliner Staatsbibliothek bereits gemacht, wo Sprachproben und andere Dokumente schwindender Kulturen auf Schallplatten erhalten sind." -y.-
Die folgenden Texte stehen als Erklärungen bei den Bildern:
Die Anordnung des Magazinapparates: Die Musikplatten werden auf der Spindel links aufgereiht. Nach Einschalten hebt sie die „mechanische Hand“ einzeln ab, legt sie in der Mitte auf, die Schalldose setzt sich auf und bespielt. Nach Ablauf hebt sich die Schalldose, die Platte wird durch Umdrehung des Tellers automatisch in den gummigepolsterten Sammelkasten geworfen und die Hand legt die neue Platte auf.
Das neue „Elektrola“-Modell, ein automatisches Magazin-Instrument, spielt 20 Platten (25 oder 30 cm). Einstellung auch mit Fernschalter, der bis zu 9 m entfernt aufgestellt sein kann. Leider kostet das ideale Gerät 3100 RM.
Habe das Modell inzwischen in RM.org entdeckt, doch durch die Schreibweise ELEKTROLA in dem Artikel statt ELECTROLA habe ich es nicht gefunden. Es wäre sicher sinnvoll, das Modell mit dem Beitrag zu verknüpfen.
Wolfgang Eckardt
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Plattenwechsler 20-fach aus 1928
Ich schreibe hier nur eine Antwort, um aus dem Fragemodus herauszukommen. - Hören und und sehen möchte ich das Modell in Funktion schon einmal .......
W.E.
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
Früheste Plattenwechsler und Musikboxen
Lieber Wolfgang
Schön, Du hast da einen sehr frühen Plattenwechsler aus Europa ausgegraben, was mich sehr freut. Er ist nun auch verknüpft mit diesem Beitrag von Dir.
Vor vielen Jahren hatte ich mich für die Geschichte dieser Geräte interessiert und bin nur für zwei Jahre früher, also für 1926, auf solche Geräte gestossen, die ich mit Sicherheit datieren konnte. Grund war wohl, weil ich in den 1960er-Jahren eine Sammlung mechanischer Musikgeräte aufbaute. Die ersten Plattenwechsler stammen "natürlich" (Edison, Berliner etc.) aus den USA. Erste solche Geräte waren ohne elektronische Verstärkung. Die mechanische (bzw. akustische) Verstärkung mit grossen und gut geformten Trichtern hat einen fast unglaublichen Wirkungsgrad.
Nachweisen konnte ich ein Instrument von Gabel Manufacturing Company in Chicago aus 1926, allerdings in der Ausführung einer Jukebox. Aus Unterlagen konnte ich entnehmen, dass Gabel 1906 mit Plattenwechslern begonnen hatte, doch bin ich dem nicht mehr "auf die Spur" gekommen. Heute wäre es wohl leichter, denn auch Patente könnte man einsehen.
RCA gehörte auch zu den frühen Anbietern (Victor Talking Machine Compagny), weil die ex-Firma von Edison, die General Electric (GE) 1919 Mitbegründerin war - u.A. zusammen mit Westinghouse, dem grössten Konkurrenten. Also fast identisch aus drei grossen Playern entstanden, wie Telefunken viele Jahre zuvor. Siehe Electrola 10-70A von 1927.
Einzig für die Marke Capehart nahm ich mir Zeit, um tief zu recherchieren, um möglichst das ganze Programm zeigen zu können und ein paar Beiträge dazu. Grund war ein besonderer Mechanismus, um 1928 ganze 28 Schallplatten auch auf beiden Seiten abspielen zu können. Siehe Modell Automatic Orchestrope 28-G. Mit Klick auf den Hersteller findet man weitere Unterlagen, doch auch auf dem Modell weitere Modelle.
Herzlich grüsst Dich
Ernst
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