Renovierung eines Radiogehäuses aus den 50er Jahren
Renovierung eines Radiogehäuses aus den 50er Jahren
Renovierung eines Radiogehäuses aus den 50er Jahren
Es folgt die Beschreibung der Renovierung eines Radiogehäuses und das Aufbringen von goldenen Zierstreifen mit Goldbronze. Weiter werden Aspekte der Lackentfernung und des Lackierens behandelt.
Ausgangspunkt ist ein Gehäuse aus den 50er Jahren, hier ein Potsdam W von Stern Radio Berlin.
(zum Modell: Stern Radio; Potsdam W) Der Lack ist wie bei vielen Radios aus dieser Zeit verkratzt, Wasserflecken auf dem Gehäuse ergeben milchige Flecken, an einem Eck ist das Nussbaum-Furnier beschädigt. Ein Auffrischen mit Politur würde hier kein zufriedenstellendes Ergebnis bringen, der Lack muss erneuert werden.
Abschleifen kommt bei den sehr dünn furnierten Gehäusen nicht in Frage, zu gross ist die Gefahr, dass das Furnier dabei durchgeschliffen und irreparabel zerstört wird. Lacke aus dieser Zeit bis in die frühen 60er Jahre lassen sich oft mit Waschverdünnung abwaschen, Reaktionslacke, die gegen Lösemittel weitgehend beständig sind kommen erst ab den späten 50er Jahren vor.
Ermittlung der Lackart und Entfernen des Lackes:
Ein erster Versuch mit "Waschverdünnung" (Fa. Friedrich Klumpp Stuttgart) verlief jedoch negativ, der Lack schien beständig zu sein. Erst nachdem versuchsweise ein mit Verdünnung getränkter Lappen für eine halbe Stunde auf das Gehäuse gelegt wurde, hatte sich der Lack vollständig gelöst und wurde vom Lappen aufgesogen. Handelsübliche Nitroverdünnung griff den Lack nicht so gut an.
Die "Waschverdünnung" ist ausweislich des Sicherheitsdatenblattes der Fa. Klumpp wesentlich polarer als eine normale Nitroverdünnung, sie enthält viel Ester und Alkohole, während die Nitroverdünnung auch Aromaten enthält. Dies, um bei allen Sorten von Nitrocellulose und Nitrocombis zu "funktionieren".
Wenn Sie vor so einem Problem stehen, hilft nur "probieren"!
Liegt der Verdacht bei Nitro oder Nitro-Kombi-Lack, dann wird man zuerst mit Nitroverdünnung probieren, dann mit Spiritus, schließlich mit einer Mischung aus beidem.
Zunächst wurden nun alle Zierleisten und der innere vergoldete Rahmen entfernt. Anschliessend wurde ein gut getränkter Lappen mit Waschverdünnung auf das Gehäuse gelegt und mit Polyethylen-Folie abgedeckt. Diese ist lösemittelbeständig. In diesem Fall wurde ein beschädigter "gelber Sack" zweckentfremdet. Ebenso wurde mit den Seiten und der Front verfahren. Nach jeweils einer halben Stunde Einwirkzeit konnte der Lack vollständig abgewaschen werden. Die goldenen Zierstreifen werden dabei natürlich ebenfalls entfernt. Das Holzfurnier verträgt diese Prozedur ohne Schaden und sieht bereits jetzt schon wieder viel frischer aus. Das ganze sollte in gut durchlüfteter Umgebung, am besten im Freien stattfinden.
Entfernen kleiner Druckstellen
Kleinere Druckstellen im Furnier können jetzt mit Hilfe eines mit Wasser befeuchteten weissen Baumwolllappens und einem heissen Bügeleisen (Leinen) herausgedämpft werden. Dabei dringt Wasserdampf in die gequetschten Zellen des Holzes und bringt diese zum Aufquellen. Solange es zischt, passiert dem Furnier durch die Hitze nichts. Vorsichtiges Schleifen von Hand mit Schleifpapier der Körnung 240 bis 280 sorgt anschliessend wieder für einen glatten Untergrund.
Ausbesserungsarbeiten des Furnieres
Nun wurde das fehlende Furnierstück ergänzt: mit einer Feinsäge wurde die Bruchstelle begradigt und anschliessend der Grund auf eine gleichmässige Tiefe mit einem scharfen Stechbeitel ausgehoben. Nun wurde ein etwas dickeres Furnier in die Aussparung eingeleimt, so dass zum Schluss ein neues Stück Nussbaumfurnier eben mit der Oberfläche des Gehäuses aufgeleimt werden konnte. Dabei ist auf die Maserrichtung der Furniere zu achten. Nun wurde vorsichtig ebengeschliffen. Meist passt weder Farbe noch Maserung des neuen Furnieres zum vorhandenen. Hier ist nun der Malkünstler gefragt, der mit lasierenden Farben diese vorsichtig passend ergänzt und dabei auch Farbunterschiede ausgleicht. Auf rohem Holz eignen sich Aquarellfarben, auf bereits grundierten Oberflächen arbeitet man mit Retuschefarben oder lösemittelhaltiger sogenannter Patina.
Grundieren
Nun erfolgte ein erstes Auftragen von Lack. Bevorzugt sollten dabei lösemittelhaltige Möbel-Lacke verwendet werden. Diese sind in vielfältiger Form im Handel, als Einkomponenten Lacke oder als Reaktionslacke (oft auch als DD-Lacke bezeichnet), welche vor Verarbeitung mit Härter versetzt werden müssen. Sogenannte "Wasserlacke" oder auch "Acryl"-Lacke eignen sich meiner Meinung nach weniger gut. Sie besitzen nicht die Fähigkeit, das Furnier "anzufeuern", das Ergebnis wirkt dadurch etwas flau, im schlimmsten Falle milchig. Zwar ist das Lösemittel Wasser unbedenklich, die Zusammensetzung der Grundsubstanz ist jedoch keinesfalls "gesünder" als die der lösemittelhaltigen Lacke.
Nach vollständiger Durchtrocknung des Lackes wurde nun ein erstes mal mit Körnung 240 "zwischengeschliffen".
Zierstreifen aufbringen
Nun waren die goldenen Zierstreifen zu erneuern. Von diesen war ein Lichtschatten im Furnier noch zu erkennen, so dass die Position leicht zu ermitteln war. Für ein sauberes Ergebnis entschloss ich mich, die Hilfe eines Grafikers für Autobeschriftungen in Anspruch zu nehmen. Diese Betriebe verfügen über einen Schneidplotter und die notwendigen Materialien: Ich liess mir eine selbstklebende Schablone aus einer Maskierungsfolie ausschneiden, ein Streifen von 1,8mm und im Abstand von 6mm je einen Streifen von 1mm. Das Auge ist bei feinen Linien sehr empfindlich, von Hand wäre das sicher nicht so gleichmässig gegangen.
Nach dem passgenauen Aufbringen und dem Abkleben des restlichen Gehäuses wurde eine dünne Schicht Goldbronze aufgespritzt. Um ein späteres Verlaufen der Goldfarbe zu vermeiden, wurde noch vor Entfernen der Schablone eine weitere Schicht Klarlack aufgetragen. Dies ist sehr wichtig, sonst verläuft der schöne Goldrand beim weiteren Lackieren. Einen sehr schönen Bericht von Jochen Amend dazu finden Sie auch hier: (Loewe-opta: 2781W (2781 W); Meteor Restauration)
Zwischenschliff
Erst jetzt wurde die Schablone entfernt und eine weitere Schicht Lack aufgetragen. Diese wurde nach dem vollständigen Durchtrocknen mit 280er Schleifpapier sehr sorgfältig geschliffen. Es ist wichtig, durch den Schliff eine vollkommen glatte Oberfläche zu erzeugen. Der Lack bildet auch beim Auftragen mit einer Spritzpistole oder einer Spraydose nie eine perfekt glatte Oberfläche. Sie gleicht in der Regel immer mehr oder weniger einer Orangenhaut. Ist dieser Effekt gleich sichtbar, war der Lack zu dickflüssig, oder die Auftragsmenge zu gering. Aber auch scheinbar ein perfekter Verlauf zeigt diese Charakteristik mehr oder weniger ausgeprägt. Die "Hügel" werden nun durch das Schleifen bis auf das Niveau der "Täler" abgetragen. Wenn man den Schleifstaub abwischt, erkennt man noch vorhandene "Täler" an ihrer dunkleren Farbe. Hier muss noch nachgeschliffen werden. Wenn alles gleichmässig matt ist, kann der Auftrag des Decklackes erfolgen. Vorher wäre noch der richtige Zeitpunkt, leichte Farbangleichungen durch Aufnebeln von lasierender Farbe, sogenannter "Patina" vorzunehmen.
Endlackierung
Der Auftrag des Endlackes entscheidet nun über das Erscheinungsbild. Da früher glänzende Lacke bevorzugt wurden, sollte dies so beibehalten werden. Die Holzmaserung kommt so am schönsten zur Geltung. Konnten vorher eventuelle "Lack-Trieler" an den Seiten noch nachträglich weggeschliffen werden, ist dies nun nicht mehr möglich. Der Auftrag muss sitzen. Während auf der Oberseite keine Probleme auch bei reichlichem Auftrag entstehen, ist dies an den Seiten nicht so einfach. Um ein "Laufen" des Lackes zu verhindern, spritzt der Profi hier zunächst nur eine sehr dünne Schicht Lack auf, die noch nicht verläuft und grieselig aussieht, wenn man sie gegen das Licht betrachtet. Nach ca. 1 Minute erfolgen dann vorsichtig weitere dünne Aufträge, bis der Lack gerade eine glatte Oberfläche bildet. Der erste Auftrag sorgt dabei für eine "klebrige" Oberfläche, die ein Verlaufen mindert. Wenn man eine einigermassen staubfreie Umgebung hatte, erhält man nun eine schöne, glänzende Oberfläche.
Das Gerät gleicht nun wieder dem neuen Original, sieht man von einem leicht verblichenen Gelb des Lautsprecherstoffes ab.
Martin Renz
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.
da haben Sie ein gutes Stück Arbeit hingelegt, sind aber am Schluß auch mit dem nötigen Erfolg belohnt worden, meine Achtung.
In meiner Sammlung sind eine ganze Reihe ähnlicher und weitaus schlimmerer Problemfälle zu finden. Da ich schonmal eine heftige Bauchlandung mit diesen Arbeiten gemacht habe bin ich sehr dankbar über diesen Beitrag. Besonders die Idee mit der Maskierungsfolie ist sehr gut. Wieviel kostst soetwas in etwa?
Was haben Sie genau an Verdünnung benutz? Ich kenne Terpentin, Terpentinersatz, Nitroverdünnung oder Verdünnung für Acryl (Autolack) bzw. für DD-Lack.
Unter dem Begriff Waschverdünnung kann ich mir nichts vorstellen.
Gruß,
Paul Heußner
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Waschverdünnung
Hallo Herr Heussner,
das Problem, das optimale Lösemittel zu finden, stellt sich in der Tat. Ich habe deshalb den Text im Kapitel "Ermittlung der Lackart und Entfernen des Lackes" in Abstimmung mit Herrn Schön entsprechend angepasst (vielen Dank für die Unterstützung!).
Die von mir verwendete "Waschverdünnung" wird unter dieser Bezeichnung von der Fa. Klumpp in Stuttgart vertrieben, allerdings nur in Großgebinden ab 25/30 Liter. Ein vergleichbares Produkt in Kleingebinden konnte ich bisher nicht ausfindig machen. Die Fa. Staufen-Chemie, Hattenhofen, die ein umfangreiches Sortiment an Verdünnungen über den Fachhandel vertreibt, hat nach eigenen Angaben kein vergleichbares Produkt im Angebot. (die dort angebotene Waschverdünnung (nicht zu verwechseln mit "Waschbenzin"!) hat eine andere Zusammensetzung).
Wer also nicht gerade massenhaft Gehäuse renoviert hält sich am besten an die Empfehlungen im obigen Text. Weitere Erfahrungen anderer Restaurierer sind natürlich willkommen.
Bei Interesse lasse ich Ihnen gerne das Sicherheitsdatenblatt mit der Zusammensetzung zukommen. Es ist aber nur für chemisch "Vorbelastete" von Wert.
Martin Renz
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Renovation von Radiogehäusen
Erstens gratuliere ich Ihnen für die sehr schön und fachmännisch gemachte Arbeit, wirklich toll. Zweitens für die ausführlich und verständlich geschriebene Anleitung. Als Laie traue ich mich nicht so ohne weiteres solche heikle Arbeiten in Angriff zu nehmen. Obwohl leider fast 80% meiner Geräte in irgend einer Form Gehäuseschäden aufweisen.
Eines der grössten Probleme sind für mich:
- das restlose Ablaugen der Lacke
- das Einleimen von Furnierhölzern
- das anschliessende Spritzen eines geeigneten Lacks.
Frage: Obwohl Sie das Ablaugen exakt beschreiben, weiss ich nicht, mit welchem Mittel nun der gelöste Lack abgewaschen werden darf.
Nachdem der Lack entfernt und das Holz fein geschliffen ist, müsste man das Holz ev. mit einer Lasur im geeigneten Farbton färben.
Frage: Was passiert mit einer wasserlöslichen Lasur, quillt das Holz auf ?
Muss eine anders lösliche Lasur genommen werden ? Welche ?
Um geeignetes Furnierholz zu suchen, müsste man erst mal die verwendeten Holzarten kennen.
Frage: Welche Holzarten wurden in den 40er bis 60er Jahren in Deutschland verwendet ?
Gibt es typische Hinweise zur Erkennung dieser Hölzer ?
Welche Leime eignen sich am besten, um das feine Furnier möglichst ohne sichtbare Rückstände einzuleimen ?
Über die besonderen Eigenschaften der Lacke, werde ich Sie später fragen.
Für eine Antwort bei Zeit und Gelegenheit, danke ich Ihnen jetzt schon herzlich.
Freundschaftliche Sammlergrüsse, Herbert Odermatt
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Weiterführende Beiträge
Guten Tag Herr Odermatt,
Ihrem Wunsch nach Vertiefung des Themas bin ich gerne nachgekommen. Sie finden weitere Ausführungen zu folgenden Themen unter folgenden Threads:
Vollständige Entfernung von Lacken auf Radiogehäusen aus Holz
Bestimmung der Holzarten von Furnieren
Zum Thema Reparaturtechniken und Lackieren brauche ich noch etwas Zeit und werde dies dann ebenfalls veröffentlichen.
herzliche Grüsse
Martin Renz
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