Restauration eines Radiogehäuses aus den 30er Jahren

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Restauration eines Radiogehäuses aus den 30er Jahren 
08.May.08 17:07
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Martin Renz (D)
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Martin Renz

Restauration eines Radiogehäuses aus den 30er Jahren

Dieses 452 WK von Saba aus dem Jahre 1938/39 war in einem sehr verdreckten Zustand, der Lautsprecherstoff durch eine Teer-Fett-Dreckmischung stark verfärbt. Der Lack war verkratzt und sehr stumpf, die Farbe des Holzes durch Lichteinwirkung und Dreck alles andere als schön. Das Furnier selbst hatte keine größeren Schäden, Skala und Knöpfe waren unversehrt, der Knopf des Frequenzbereichsschalters fehlte allerdings. Vielen Dank an Werner Hauff, der ihn mir aus seinem Fundus zukommen ließ.

vorher

Nach dem Ausbau des Chassis und der Lautsprecherwand wusch ich das Gehäuse mit Nitroverdünnung ab. Dabei löste sich der Lack nur schwer, ich fügte daher einen Schluss Salmiak (Ammoniak) hinzu. Dieser riecht sehr stark, daher nur mit Absaugung oder im Freien damit umgehen. Das dabei lösemittelfeste Handschuhe (zum Beispiel auf Nitrilbasis) getragen werden sollten, versteht sich hoffentlich von selbst. Nun löste sich der Lack sehr viel besser. Die darunter liegende Beize wird von der Verdünnung nicht angegriffen. Wer diese erhalten will, kann anschließend gleich zur erneuten Lackierung übergehen. Durch Lichteinfluss dürfte die Farbe aber dennoch nicht dem originalen Farbton entsprechen.

ohne Lack

Ich habe daher mit feinem Schleifpapier (240er) die auf dem Holz liegende Farbschicht der Beize abgetragen.  Hier sieht man unten noch einen Teil der Beize:

die alte Beize

Diese Beize wurde vermutlich mit der Spritzpistole aufgetragen, so konnten Farbunterschiede der Furniere besser ausgeglichen werden. Die Farbpartikel liegen daher nur auf der Oberfläche des Holzes. Beim Furnier des Gehäuses handelt es sich um Nussbaum-Splint-Furnier, also einem Furnier ohne besondere Zeichnung und mit relativ blasser Farbe. Die schmalen Frontpartien sind dagegen mit Makassar Ebenholz furniert. Dieses hat eine sehr lebhafte Zeichnung und eine schöne Eigenfarbe, es sollte daher später nicht gebeizt werden.
 

Dämpfen

Druckstellen und Kratzer im Furnier können jetzt mit einem gut feuchten Lappen und einem auf höchste Stufe eingestellten Bügeleisen herausgedämpft werden. Dabei dringt Dampf in die Poren des Holzes und bläht diese wieder auf. Der Lappen darf dabei nie ganz trocken werden, sonst riskiert man Brandstellen. Danach nochmals fein schleifen, bis sich das Holz ganz glatt anfühlt.
 

Beizen

Nachdem nun alles sorgfältig in Faserrichtung geschliffen war, habe ich eine Wasserbeize mit einem (Natur-)Schwamm aufgetragen. Farbton Nussbaum, mittel. Grundsätzlich sollte nicht  zu dunkel gebeizt werden, der Lackauftrag lässt das Holz noch sehr viel dunkler werden. Um die Frontpartie nicht zu verfärben, habe ich diese vorher mit klarem Wasser eingenetzt. Sollten nun Beizspritzer hinkommen, dringen diese nicht ins Holz ein und können problemlos mit einem feuchten Lappen weggewischt werden.

gebeizt - ohne Lack

Die Partien des Sockelfußes und die Innenseiten wurden mit einer dunkleren Beize nachgebeizt, da sie aus einem sehr hellen Nussbaumholz gefertigt sind und vor allem der Fuß so harmonischer wirkt.
 

Lackieren

Nun wurde mit einem DD-Lack, also einem lösemittelhaltigen 2-Komponentenlack gespritzt. Dieser feuert das Holz besonders schön an. So genannte Wasserlacke schaffen das bis heute noch nicht wirklich befriedigend, sie wirken matter, bei manchen wirkt das Holz wie durch einen Grauschleier. Nach einem Zwischenschliff mit 240er Papier wurden noch kleine Macken an den Kanten mit Hartwachs ausgebessert. Dieses wird mit einer Art Lötkolben flüssig gemacht und direkt auf das Holz aufgetragen und anschließend mit einem Holzspatel geglättet und eben geschliffen. (Ein normaler, regelbarer Lötkolben mit 150°C geht auch) Man könnte bei kleinen Stellen auch Weichwachs nehmen, wie es ebenfalls zum Ausbessern von Holz angeboten wird.

Nun wurde nochmals lackiert. Auf den Abbildungen der Prospekte von damals kann man erkennen, dass der Lack einmal glänzend gewesen sein muss. Nach dem Trocknen habe ich darum einen sehr feinen Schliff mit 400er Papier gemacht und mit einem hochglänzenden PUR-Überzugslack für kräftigen Glanz gesorgt. Wer sich das Lackieren nicht zutraut, kann das gebeizte Gehäuse auch einem Autolackierer anvertrauen. Die dort verwendeten Lacke haben sich bei uns schon öfters bewährt, wenn es auf einen guten Hochglanz ankommt. Auf das bei Autoteilen übliche "Einbrennen" muss aber auf jeden Fall verzichtet werden!
 

Der Lautsprecherstoff

Versuche den Lautsprecherstoff zu reinigen schlugen fehl, der Zigarettenteer blieb Sieger. Ein letzter Versuch mit Wasserstoffperoxyd als Bleichmittel bleichte nicht nur den Teer, sondern auch die dunklen Fäden im Stoff. Ich habe ihn daher mit einem Bügeleisen von der Schallwand entfernt und mit einem Stoff aus der Kollektion von Corrien Maas ersetzt. Diesen habe ich auf einem Karton gerade ausgespannt und mit vielen Nadeln mit der Rückseite nach oben befestigt.

Lautsprecherstoff befestigen

Dann habe ich die Schallwand mit Knochenleim (Gelatine) eingestrichen und sofort auf den Stoff gedrückt. Der im Wasserbad erhitzte Leim erkaltet schnell und klebt sofort. Gegenüber Kontaktkleber hat er den Vorteil, dass die Klebestelle durch Erwärmen mit dem Bügeleisen wieder gelöst werden kann und so Korrekturen möglich sind. Durch das Aufspannen war dies jedoch nicht nötig. Die Schallwand könnte noch vorgewärmt werden, dann gewinnt man etwas Zeit beim Kleben.

Nach dem Zusammenbau sieht das Radiogehäuse wieder richtig gut aus und strahlt in alter Frische.
Radiogehäuse Saba 452WK

Die Beschreibung der Restauration des Chassis findet sich hier beim Modell.

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Restauration eines Radiogehäuses aus den 30er Jahren 
08.Dec.20 17:27
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Thomas Mettang (D)
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Thomas Mettang

Danke für die ausführliche Restaurationsbeschreibung, die Idee, den Stoff mit Knochenleim zu spannen finde ich toll.

Mit Knochenleim, kann man in Granulatform kaufen, weicht diesen über Nacht 1:1 in Wasser ein und erhitzt diesen dann im Wasserbad (nehme hierzu einen Babyfläschenwärmer) auf ca. 55 bis max 65 Grad kann man auch kleine und größere Gehäusebeschädigungen ausbessern. Hierzu mischt man diesem etwas Holzmehl oder feinen Sägestaub hinzu. Der Leim hat bereits eine dunkelbräunliche Farbe, sodaß er bei den verwendeten Gehäusen, meistens bräunlch gebeizt, sich farblich kaum unterscheidet. Nach dem Trocknen kann man diesen Nachbearbeiten (Schleifen) und Überbeizen oder Lackieren.

Auch kann man Ihn zum Fixieren von abgegangenen Furnier hervorragend verwenden, durch Hitze und Wärme wird er wieder flüssig und mann kann noch nachbessern.

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