lorenz: Restaurierung Paladin 20
lorenz: Restaurierung Paladin 20
Restaurierung Lorenz Paladin 20
Das Gerät
Der Paladin 20 ist weitgehend identisch mit dem Gerät 2514 von Philips. Philips durfte aus Patentgründen keine Geräte in Deutschland produzieren und versuchte über Anteile an der Firma Lorenz und Produktion dort am deutschen Markt teilzuhaben. Siehe auch unter den Firmengeschichten Lorenz und Philips.
Der 2514 kam als Nachfolger des 2501 im Jahr 1928 auf den Markt und wurde einige Jahre gebaut. Der 2501 benötigte noch eine externe Anodenbatterie oder das Anodenspannungsgerät Typ 372 für die Anodenspannungen. Der 2514 war schon ein „all electric“ Gerät und war sehr erfolgreich trotz oder vielleicht auch wegen seines spartanischen Äußeren. Er wurde bereits am Fließband gebaut.
Lorenz sollte nun neben seinen selbst entwickelten Geräten ab 1928 Geräte von Philips in Deutschland bauen, die von der Deutschen Philips GmbH, einer Niederlassung der Philips Eindhoven in Deutschland, vertrieben werden sollten. Das Typenschild vorne am Gerät zeigt daher „Deutsche Philips GmbH“ und „Hersteller C. Lorenz A.G.“. Auch in Deutschland wurde das Gerät am Fließband gebaut, eine Neuerung, die stolz in der Festschrift 50 Jahre Lorenz vorgestellt wird. Ein Gemälde zeigt die Bandmontage im Lorenz Montage-Werk 1, Berlin Treptow, ehemalige Räume der Fa. Gurlt GmbH.
Diese Bandmontage soll 1929 bei Lorenz eingeführt worden sein und man erprobte sie an Geräten, „deren Fabrikation sich bereits bewährt hatte, so daß ein Einfluss der gefürchteten Kinderkrankheiten ausgeschlossen war und man die Vorteile einer betriebstechnisch einwandfreien Konstruktion für die Bandmontage erkennen konnte“.[1] Bilder der Bandmontage zeigen lediglich Paladin 5 und Paladin 20, beides Geräte, deren Design in der Serienfertigung bereits bei Philips Eindhoven erfolgreich lief.
Vergleicht man den Paladin 20 mit dem 2514 fällt äußerlich das Typenschild vorne auf, das übrigens auf dem Gemälde nur aus dem Lorenz-Emblem besteht. Weiterhin sind die Felder auf den Seitenteilen, auf denen beim 2514 „Philips“ eingeprägt ist beim Paladin 20 leer. Innen sieht man die typischen Philips Becherkondensatoren, Spulen, Trafos und Übertrager die mit Teer vergossen sind. Es drängt sich der Verdacht auf, dass viele, wenn nicht alle Einzelteile aus Holland kamen.
Mein Gerät ist eine 125 Volt Wechselstrom Version, deren Trafo keine Umschaltmöglichkeit für andere Netzspannungen hat. Die Röhrenbestückung war zu 50 % original. Die Endröhre und die Gleichrichterröhre waren durch eine RE 134 und RGN 1064 ersetzt worden. Da die RGN1064 zu hoch ist und der letzte Betreiber des Gerätes offensichtlich keine Philips 506k (K für Kurz) oder Valvo G504 erwerben konnte, hatte er ein Loch in das Bodenblech geschnitten.
Das Gerät erfordert kurze Röhren auch für die Hf Tetrode, wie sie in Holland üblich waren. Auch sind alle Röhren außer der Gleichrichterröhre mit Seitenanschluss ausgerüstet, also 4-Pin Versionen, wie sie in Deutschland unüblich sind. Da noch die seltenen Röhren H4100D mit 4-Pin Sockel und eine A4110 mit 4-Pin Sockel im Gerät steckten, ist anzunehmen, dass die Originalbestückung von Valvo stammt, die damals auch zum Philips Konzern gehörte. In den Fassungen ist der fünfte Mittelpin nicht vorgesehen. Glücklicherweise hatte ich noch eine G 504, die von der Bauhöhe passte und eine 4-pin L415D als Endröhre zur Verfügung, sodass ich die Röhrenbestückung original ergänzen konnte.
Der Netzanschluß des Paladin 20 hat als Besonderheit noch ein zusätzlich mit herausgeführtes Erdkabel. Es gibt also keine Erdbuchse wie bei deutschen Geräten üblich, sondern nur drei Antennenanschlussbuchsen über einen Kombi-Kondensator 30, 110 und 470 pF an den ersten Kreis zur Anpassung der Antennenlänge. Netzanschlusskabel und Erdkabel waren sehr brüchig. Ein Vorbenutzer hatte bereits vor langer Zeit das Netzkabel ersetzt, indem er das Originalkabel abgeschnitten hatte und ein neues Kabel direkt am Gerät angelötet und mit Textilisolierband isoliert hatte.
Eine grobe Überprüfung des Gerätes mit einem externen Netzteil und kalten Röhren ergab eine Stromaufnahme von ca. 15 mA, was darauf hindeutete, dass die Blockkondensoren noch einigermaßen brauchbar sind. Die Wechselstromaufnahme des Trafos ohne Belastung war gering, also keine Kurzschlusswindungen. Es zeigte sich allerdings, dass der Zwischenübertrage von der Nf-Röhre zur Endröhre primärseitig unterbrochen war und außerdem war im Gerät kein Ausgangsübertrager zum Lautsprecher verbaut, was auf den ersten Blick allerdings original aussah.
Restaurierung
Loch im Bodenblech
Der letzte Nutzer des Gerätes hatte wie oben beschrieben ein halbrundes Loch mit einer Blechschere in die Röhrenabdeckung geschnitten. (Ich hoffe, es war kein Sammler!) Die Oberfläche des Gerätes ist mit einer Art lackgetränktem Leinen bespannt, was die Kaschierung nicht einfacher macht. Ich suchte eine Pappe, die genauso dick war wie das Gehäuseblech und zeichnete die Konturen des Loches auf die Pappe und schnitt sie aus. Da die Pappe nicht im Loch frei schweben kann legte ich ein dünnes Aluminiumblech dahinter und verklebte alles mit 2-Komponenntenkleber. Außen wurde das Loch mit schwarzem Kalico beklebt, das in der Buchbinderei verwendet wird und eine Leinenstruktur hat. Da das Gerät tiefschwarz ist, sieht man die Reparatur an der Rückwand von außen kaum.
Netz- und Erdungskabel
Philipsgeräte der Frühzeit kann man nicht nur als „Serviceunfreundlich“, sondern sogar manchmal als „Serviceunmöglich“ bezeichnen. Die Konstrukteure sind offensichtlich von einer „0-Fehler Quote“ ausgegangen. Das Auswechseln des Netzkabels erfordert eine Teilzerlegung des Gerätes. Die beiden Kabel verschwinden durch ein Loch in der linken Seitenwand und man könnte denken, dass durch das Lösen der Halteschrauben der Wand am Chassis die dahinter liegende Elektrik leicht zu erreichen sein sollte. Aber meilenweit gefehlt!!!. Beiträge im Radiomuseum.org hatten mich schon vorgewarnt, leider beschreibt keiner, was genau zu tun ist. In der auf Holländisch geschriebenen Serviceanleitung gibt es zwar Hinweise, aber im Folgenden nun die Beschreibung und Bilder des dornenvollen Weges zu einem neuen Netzkabel in Deutsch.
Das Netzkabel ist in einer Baugruppe in einem schwarzen Bakelitkasten angeschlossen, die sich Hochfrequenzbaugruppe nennt und sich hinter der linken Seitenwand befindet und zusätzlich die Fassung für die Hochfrequenzröhre H4100D integriert enthält. Siehe Bild, die Baugruppe ist der schmale schwarze Kasten zwischen Trafo und Seitenwand. Die Seitenwand ist nicht ohne weiteres abnehmbar, also muss man von innen die Baugruppe demontieren. Da sich direkt neben der Baugruppe der Netztrafo befindet, muss dieser zuerst demontiert werden.
Das Abdeckblech des Trafos lässt sich noch leicht entfernen (im Bild bereits geschehen), dann müssen die Anschlüsse auf der rechten Seite losgelötet werden, was bei der Philipstechnik der in Teer eingegossenen Lötpunkte in einer gut gelüfteten Werkstatt gemacht werden sollte, wenn man mit Mitbewohnern keine Probleme bekommen möchte. Das Loslöten geht noch ganz gut, später das Einlöten ist angesichts des herunterlaufenden Teers schwierig.
Der Trafo ist mit vier Schrauben am Chassis befestigt. Zwei fixieren praktischerweise gleichzeitig die Abdeckung, zwei weitere sind aber lange Schrauben, die durch das Blechpaket, Abstandsstücke und das Chassis laufen. Warum hier nicht genauso wie auf der anderen Seite einfach ein Blechwinkel verwendet wurde, der mit dem Chassis verschraubt ist, erschließt sich mir nicht. Von unten sind die Schrauben noch zusätzlich mit Muttern gesichert. Auf die Muttern passt prinzipiell ein 6mm Steckschlüssel, sie sind aber so dicht am gebördelten Rand des Chassis platziert, dass keiner meiner Schlüssel passte. Das Lösen mit einer Spitzzange ist nicht sehr erquicklich. Das Chassis hat ebenfalls Gewinde und man muss die Schrauben dann herausdrehen. Es reicht die Anschlüsse an der Außenseite abzulöten. Der Trafo kann nun nach hinten gekippt werden. In der Serviceanleitung wird davor gewarnt dabei die Anschlussdrähte nicht zu brechen, eine Warnung, die nach 90 Jahren noch viel wichtiger ist. Ich habe die Drähte mit der Heizluftpistole vorsichtig erwärmt, damit die Isolation nicht zerbröselt.
Man muss den Trafo nicht nur nach hinten kippen, hierbei wird eine Halteschraube sichtbar, sondern ganz um 180 ° nach links (Bild). Wäre sonst zu einfach…. Beide nun sichtbaren Halteschrauben sind versenkt angebracht und der restliche Aufbau der Baugruppe erlaubt ebenfalls nicht die Verwendung eines Standardsteckschlüssels. Hier also auch wieder vorsichtig mit einer Spitzzange arbeiten. Die Schrauben saßen zum Glück nicht sehr fest. (Bild) Achtung die mittlere Schraube gehört zum Potentiometer und braucht nicht gelöst werden!
Man kann nun die Hochfrequenzbaugruppe zur Seite schwenken und hat den Blick auf das Potentiometer, Röhrenfassung und die Anschlüsse für Netz- und Erdkabel. (Bild) Das Potentiometer regelt übrigens die Gittervorspannung der Hf-Röhre. Da diese mit 1 µF abgeblockt ist, arbeitet die Lautstärkeregelung mit starker Verzögerung, was die Bedienung gewöhnungsbedürftig macht. In der Baugruppe befindet sich noch ein Kondensator von ca. 0,1 µF, der zwischen Erdanschluss und Chassis geschaltet ist. Alles in allem ein sehr gedrängter Aufbau.
Für das textilumsponnene Netzkabel gibt es heutzutage sogar im Baumarkt aufgrund der Nostalgie- LED Lampen Ersatz, für das Erdanschusskabel verwendete ich eine Telefonvermittlungverbindungsschnur aus meinem Fundus. Die Kabel wurden zeitgemäß mit Garn abgebunden und angelötet. Die Zugentlastung findet durch ein Plättchen statt, in dem sich eine elliptische Bohrung befindet für das dickere Netzkabel und das einadrige Erdanschlusskabel. Dieses Plättchen blockiert die Kabel an der Garnabbindung, man darf es daher nicht verlieren oder vergessen aufzuziehen, sonst geht der Kabelzug direkt auf die Lötstellen, da die Öffnung in der Seitenwand sehr groß ist.
Der Zusammenbau findet in umgekehrter Reihenfolge statt, die Schauben des Trafos müssen sorgfältig angezogen werden, da sie auch das Blechpaket zusammenhalten.
Nf- und Ausgangsübertrager
Wie oben schon beschrieben war der Nf-Übertrager primärseitig offen und ich vermisste den Ausgangsübertrager, der im Schaltbild des 2514 eingezeichnet ist. Ein Ausgangsübertrager ist für deutsche Geräte jener Zeit eigentlich unüblich und die Anschlüsse der Endröhrenanode an die Lautsprecherbuchsen sahen unberührt aus. Die Buchsen sehen von innen beim 2514 anders aus und aus dem Blechgehäuse, in dem die beiden Übertrager gemeinsam montiert sind, kamen keine Kabel für den Lautsprecheranschluss heraus.
Da Philips-Übertrager frei-tragende, teervergossenen Spulen haben ist ein Neuwickeln so gut wie unmöglich. Die Übertrager im Blechgehäuse sind auch sehr kompakt und ein Sammler hat hier im Radiomuseum.org schon einmal die Beschaffung eines Ersatzübertragers beschrieben. Leider funktioniert wie so häufig der Link zum Lieferanten nicht mehr.
Also musste das Blechgehäuse, in dem die Übertrager sitzen geöffnet werden. (Bild) Es ist mit vier langen Schrauben mit rechteckigen Köpfen, die oben im Kunststoffgehäusedeckel mit Teer vergossen sind am Chassis befestigt. Von unten kann man die Muttern, an denen auch die Anschlüsse für Versorgungsspannung und Röhren befestigt sind, öffnen. Jetzt kann das Gehäuse nach oben herausgezogen werden. Aber Vorsicht, an den Schrauben sind die Anschlüsse der Übertrager festgelötet. Die Übertrager sitzen lose in zwei Schienen am Blechgehäuse. Durch ihr Eigengewicht oder durch einzelnes Herausziehen der Schrauben können die Anschlüsse abgerissen werden. Also das Ganze komplett vorsichtig vom Chassis abheben. Bei mir war der Teer an den rechteckigen Schraubenköpfen abgebröselt, wodurch sich die Schrauben gefährlich frei bewegen konnten.
Eine Überraschung: Wie schon vermutet war im Gehäuse kein Ausgangsübertrager. Sein Platz war durch einen Holzklotz belegt. (Bild) Das Ganze sieht original aus, sodass meine Vermutung, dass nie ein Ausgangsübertrager eingebaut war bestätigt scheint.
Unterbrechungen in Übertragern entstehen oft durch korrodierte Lötstellen. Entweder durch den Handschweiß der Löterin oder der Säure aus dem verwendeten Lötfett korrodieren die Lötstellen zwischen Windungsdraht und Anschlussdraht. In manchen Fällen kann man durch einen Stromstoß diese Lötstellen zumindest befristet reparieren. Die Primärwicklung des Nf-Übertragers wurde mit 300 V aus einem Netzteil mit hohem Innenwiderstand bzw. Schutzwiderstand beaufschlagt, sodass im Falle des Verschweißens der offenen Verbindung der Strom begrenzt würde und die Windungen nicht zerstören werden können. Nach Beklopfen des Übertragers verschweißte die Verbindung tatsächlich und die Primärwicklung hatte den erwarteten Widerstand von ca. 2750 Ω.
Damit konnte das Gerät in Betrieb genommen werden und funktionierte tatsächlich auf Anhieb. Die Leckströme der Kondensatoren liegen wie oben schon beschrieben in einem akzeptablen Bereich, jedoch ist das Gerät in dem Zustand nicht für Dauerbetrieb geeignet, aber auch nicht gedacht.
Der Paladin 20 brummt an einem modernen Lautsprecher ziemlich stark, wie auch schon hier im RM.org beschrieben, aber mit einem Philips-Lautsprecher 2003 war das Brummen kaum zu hören. Dieser funktionierte mit dem Paladin 20 auch ohne Ausgangsübertrager hervorragend.
Hier noch ein Bild nach Reinigen und Polieren mit Philips-Lautsprecher 2003.
[1] 50 Jahre Lorenz 1880 – 1930, Festschrift der C. Lorenz Aktiengesellschaft Berlin-Tempelhof
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.