rohde: BN 12001; Nf-Millivoltmeter UVN: Reparatur der Elektronik

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rohde: BN 12001; Nf-Millivoltmeter UVN: Reparatur der Elektronik 
27.Oct.15 17:53
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Martin Siebert (D)
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Martin Siebert

Reparatur der Elektronik eines UVN BN 12001

Beim Abgleich von Radios ist ein Millivoltmeter für Wechselspannung mit analoger Skala sehr hilfreich. Das UVN BN 12001 von Rohde & Schwarz kann Spannung am symmetrischen oder am unsymmetrischen Eingang in allen Meßbereichen von „1 mV -60 dB“ bis „300 V +50 dB“) auf einen Pegel von „1 V 0 dB“ im NF-Ausgang verstärken. Der symmetrische Eingang gestattet eine potentialfreie Messung einer Wechselspannung im Audiobereich mit einem Oszilloskop. Ich hatte bei einer Auktion auf Ebay endlich Erfolg und konnte dieses Gerät für meine Laborausrüstung erwerben.

Mein erster Blick auf die Unterseite vom Chassis.

Auch der Blick auf die linke Seite vom Chassis offenbart einen sauber verdrahteten Aufbau mit hochwertigen Bauelementen.

Ich zog das Chassis aus dem Gerät und war wieder erstaunt über die kompromißlos gebaute Röhrentechnik von Rohde & Schwarz. Auf dem Selengleichrichter steht „2.5.58“. Auf dem Abschirmblech ist ein Stempelabdruck „8. Okt. 1958 R&S frl“ zu lesen. Im Gerät war lediglich eine korrodierte Feinsicherung zu ersetzen. Durch Umstecken dieser trägen Feinsicherung wurde die Netzspannung von 220 Vrms~ auf 235 Vrms~ umgestellt.

Der Netzstecker war nicht mehr elektrisch sicher und wurde durch einen Neuen ersetzt.

Ich steckte den neuen Netzstecker in einen Regeltrenntransformator mit einer 500 W-Schutzglühbirne am Ausgang, schaltete das UVN BN 12001 ein und regelte die Netzspannung vorsichtig auf 230 Vrms~ hoch.

Die Rückseite vom Chassis ohne Schirmbleche.

Gealterte MP-Kondensatoren von SAF

Ich konnte den Skalenzeiger nicht auf 0 V einstellen. Der Zeiger vom Meßwerk ging in jedem Meßbereich auf etwa 2/3 vom Vollausschlag. Ich überzeugte mich davon, daß keine Fehlspannung am symmetrischen und am unsymmetrischen Eingang anlag. Der Meßverstärker funktionierte. Die Nadel schlug in den empfindlichen Meßbereichen weiter aus, wenn ich einen der beiden Eingänge mit dem Finger berührte. Die Mechanik vom Meßwerk war in Ordnung.

Am Zeigerinstrument lag eine unerwünschte Gleichspannung von etwa 7 V an. Am Ausgang vom NF-Verstärker waren auch 3 V Gleichspannung zu messen, die da nicht hingehörten. Die Gleichspannung kam, wenn die Kathoden in den Röhren warm wurden.

Ich hatte den Verdacht, daß ein Feinschluß im Gerät ist. Ich überprüfte die Isolierung vom Potentiometer R48 „Nacheichen“ und vom Meßwerk I1. Irgendwie kam Gleichspannung durch die Kondensatoren C23 (Meßwerk) und C24 (unsymmetrischer NF-Verstärkerausgang).

Ich lötete einen Anschluß von C23 ab. Die Gleichspannung am Meßwerk war weg. Ich schaltete einen Metall-Polypropylen-Kondensator parallel zu C23. Endlich lag der Zeiger auf Null. Ich schaltete den Bereichswahlschalter auf die Betriebsart „Eichen“, und das Meßwerk zeigte eine 50 Hz-Wechselspannung an.

Ich untersuchte C23: Er hatte statt 1 µF eine Kapazität von 2,5 µF und isolierte nur noch mit etwa 100 kΩ. Nach dem vollständigen Entladen baute er eine 1 V-Spannung auf.

Im Laufe von fünf Jahrzehnten war Feuchtigkeit in diesen MP-Kondensator von SAF aus der Luft eingedrungen. Die aus der Literatur bekannte Kapazitätsverdopplung in gealterten MP-Kondensatoren war eingetreten. Das Wasser wurde im Elektrolyt durch die angelegte Spannung zerlegt, es kam zur Ionenwanderung, und aus C23 wurde ein hochohmiger Akku. Im Millivoltmeter entstand eine Reihenschaltung von 100 kΩ von C23 mit dem Innenwiderstand von 70 kΩ vom Meßwerk.

Rohde & Schwarz hatte 2 x 2 µF und 6 x 1 µF von diesem Kondensatortyp in dieses Gerät eingebaut, die alle denselben Alterungsschaden haben.

Ausbau der MP-Kondensatoren von SAF

Ich bestellte bei Antikradio-Restored neue Metall-Polypropylen-Kondensatoren, denn so hohe Werte hatte ich nicht in meinem Sortiment.

Ich baute die MP-Kondensatoren von SAF aus und ersetzte sie durch die bestellten neuen Kondensatoren. Die defekten MP-Kondensatoren wurden von speziellen Federn gehalten, und zwei Drahtanschlüsse waren so gut eingebaut, daß meine Seitenschneider sie nicht erreichen konnten. Mit einer Schlüsselfeile ritzte ich diese Drähte am Gehäuse des Kondensators an, drückte die Feder mit spitzen Fingern zusammen und drehte den MP in seiner Halterung bis der Draht an der Rückseite brach. Dabei sollte unbedingt das Gerät spannungsfrei geschaltet sein! Man kann die Berührung mit den im Betrieb spannungsführenden Teilen bei diesem Ausbau nicht vermeiden.

Einbau von Metall-Polypropylen-Kondensatoren

Der Einbau mit der üblichen Wickeltechnik war problemlos. Die tiefliegenden Drahtstummel verlängerte ich mit Schaltdraht und isolierte sie mit Schrumpfschlauch. Die neuen Kondensatoren wurden ebenfalls einer Spezialbehandlung unterzogen. Das hier abgebildete Exemplar konnte ich in gut erreichbar gemachte Drahtstummel aufstecken und einlöten. Die originalen Lötstellen mit dem blauen Prüfpunkt blieben so im Gerät erhalten.

Das Chassis von unten mit den neuen Kondensatoren.

Hier der Blick auf den neuen C24, der mit 2 x 2 µF Metall-Polypropylen-Kondensatoren realisiert wird.

Die unerwünschte Gleichspannung am Meßwerk und am NF-Verstärkerausgang war endlich verschwunden. Die defekten MP-Kondensatoren hatten auch die Gleichspannungspotentiale im Meßverstärker verzogen. Ich erwartete eine einwandfreie Funktion vom Millivoltmeter und eine eventuell nötige Kalibrierung.

Fehlersuche im Meßverstärker

Leider erreichte die Verstärkung der Wechselspannung nur etwa 60 % des Gewünschten in allen Meßbereichen. Diese Verstärkung fehlte auch in der Betriebsart „Eichen“. Eine Kalibrierung des UVN BN 12001 war nicht möglich.

Bevor ich mir weitere Gedanken um die Fehlersuche machte, untersuchte ich die eingebauten Röhren: Hier ist eine EF804S auf dem Prüfstand.

Die Röhren waren alle gut. Eine Kathode in der Doppeltriode E80CC im Netzteil hatte etwa 20 % an Emission verloren. Das wirkte sich aber nicht auf die regulierte Gleichspannung von 150 V aus.

Die Prüfung vom Meßverstärker erfolgte mit einem Funktionsgenerator am symmetrischen Eingang und einem Oszilloskop am NF-Verstärkerausgang.

Ich prüfte die großen MP-Becherkondensatoren und alle Papierkondensatoren. Sie erwiesen sich als noch gut. Ich vermutete danach, daß gealterte Widerstände ihre Werte verändert haben. Ich zog mit parallelgeschalteten Widerständen an den Potentialen in der Schaltung. Die Widerstandswerte lagen im Gerät alle innerhalb ihrer vorgesehenen Toleranz.

Die Messung der Kondensatoren und Widerstände erfolgte ohne Auflöten der Lötstellen, denn ich möchte die Lötstellen unbedingt erhalten, denn sie sind Zeitzeugen, wo jede gute Lötstelle mit einem blauen Punkt markiert wurde. Es gingen lediglich zwei originale Lötstellen an C23 verloren. Ich maß die Spannungspotentiale und Veränderungen beim Parallelschalten von Widerständen und errechnete die Werte der Widerstände im Gerät. Das ist zeitaufwendig, schonte aber die Lötstellen.

Ich erhöhte mit Widerständen die Schirmgitterspannung an den Pentoden. Erst beim Ändern der Widerstandswerte in der Rückkopplung R33, R6 und R28 konnte ich endlich die Verstärkung auf 100 % ziehen.

Die Verstärkung vom Meßverstärker ist baulich vorgegeben und kann nicht mit irgendeinem Stellglied für eine Kalibrierung verändert werden. Klar war, daß an R28 1,05 Vrms~ abfallen müssen, wenn am Ausgang des Meßverstärkers 1 Vrms~ herauskommt. Dies erreichte ich mit einem parallelgeschalteten Widerstand von 2,2 kΩ. Entfernte ich diesen Widerstand fielen 1,59 Vrms~ an R28 ab. Diese Rückkopplung war zu stark, und ich erhielt nur 0,6 Vrms~ am NF-Ausgang.

Im Schaltplan und in der Stückliste folgen R6 und R33 mit je 2 MΩ. Im Gerät fand ich R6 mit 500 kΩ und R33 mit 2 MΩ. Ich vermutete eine undokumentierte Änderung, denn R28 war mit 1,25 kΩ realisiert, statt der vorgesehenen 1,68 kΩ in der Stückliste. Die Werte von diesen Widerständen lagen innerhalb der zulässigen 5 %-Toleranz.

Einbau einer Kalibrierung für den Meßverstärker

An R28 wurde eine Reihenschaltung von einem 470 Ω-, einem 220 Ω-Metallfilmwiderstand und einem 1 kΩ-Trimmer parallel angelötet. Mit dieser reversiblen Lösung bleibt die historische Situation fast unverändert.

Ich lötete zuerst die errechnete Reihenschaltung von 1,5 kΩ mit 1 kΩ-Trimmer ein. Leider machte sich die Länge der Drahtverbindungen bei den 2,2 kΩ bemerkbar, und der Wert des Festwiderstandes mußte kleiner werden. Mit dem linearen Trimmer wird der Meßverstärker auf 1 Vrms~ am NF-Ausgang eingestellt. So können später Auswirkungen von Alterungsvorgängen im Gerät in der Verstärkung ausglichen werden.

In den symmetrischen Eingang wurden 3 Vrms~, Sinus, 1 kHz eingespeist, und der Bereichswahlschalter wurde auf „3 V +10 dB“ gestellt. Der Einfluß von Störspannungen aus der Umgebung wurde so gering gehalten. Wenn der Meßverstärker richtig eingestellt ist, kann die Kalibrierung des UVN BN 12001 nach den Vorgaben von Rohde & Schwarz erfolgen.

Der Frequenzgang vom Millivoltmeter wurde mit dieser Maßnahme nicht verändert. Der NF-Verstärker ist ein Bandpaß. An den Bereichsgrenzen beträgt die Dämpfung etwa 1 dB bei 30 Hz und 1 dB bei 20 kHz gegenüber der Bandmitte wenn der symmetrische Eingang geschaltet ist. Von 100 Hz bis 15 kHz ist die Spannungsverstärkung im symmetrischen Betrieb konstant.

Die Kalibrierung verändert sich nach der Montage der Abschirmung vom Bereichsschalter, der Abschirmung auf der Rückseite vom Chassis, beim Einbau des Chassis in das Gehäuse und wenn das Millivoltmeter am Netz und nicht am Regeltrenntransformator betrieben wird: Also Chassis raus, Blech auf der Rückseite abschrauben, am eingebauten Trimmer drehen, alles wieder einbauen, Prüfschaltung aufbauen, kalibrieren. Das Ganze solange, bis alles stimmt.

Dabei zeigte sich die Alterung vom UVN BN 12001: Ich mußte Kompromisse bei der Kalibrierung machen. Ich mußte am Potentiometer R10 die „Eichspg.“ etwas zurücknehmen, damit das „Nacheichen“ vom Meßwerk funktioniert. Die Vorgabe von Rohde & Schwarz für die Meßgenauigkeit von +/- 3 % v. E. konnte ich nicht erreichen.

Gerade, weil ich nicht restlos sicher sein kann, daß ich auch wirklich alle Fehler im Gerät gefunden habe, ist die Reihenschaltung mit dem 1 kΩ-Trimmer reversibel mit möglichst wenig Eingriff in das Gerät eingebaut worden.

Mit dieser gefundenen intuitiven Lösung, und der Veränderung von R10, kann ich das Millivoltmeter in Betrieb nehmen.

Das Meßwerk erreicht in allen Meßbereichen nach der Kalibrierung eine Genauigkeit von 0 % bis +10 %. Der Meßverstärker erreicht eine Genauigkeit von -10 % bis 0 % in seiner Verstärkung in allen Meßbereichen. Man kann das Meßwerk an einem Sinusgenerator „nacheichen“, wenn seine Spannung genau und bekannt ist. Am besten geht das mit 3 Vrms~ mit 1 kHz. Dann erreicht bei mir das Meßwerk eine Genauigkeit von +/- 5 % in allen Meßbereichen.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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undokumentierte Änderung oder anderer Revisionsstand? 
31.Oct.15 19:21
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Lieber Herr Siebert
Ihr Reparaturbericht ist das, was wir für möglichst viele Modellseiten wünschen. Danke.
Entsprechend hat Ihr Beitrag auch die Wertschätzung durch die Sterne erreicht.

Auch sind die integrierten Bilder schön gewählt und veranschaulichen viel.

Allerdings schreiben Sie:
"
Ich vermutete eine undokumentierte Änderung, denn R28 war mit 1,25 kΩ realisiert, statt der vorgesehenen 1,68 kΩ in der Stückliste."

Bitte beachten Sie, dass gerade Messinstrumente und Labor-Ausrüstungen etc. oft über mehrere Jahre in der Fabrikation und im Verkauf bleiben und darum hin und wieder Revisionen erfahren. Gründe dafür können Verbesserungen oder das Ausfallen von Zulieferungsteilen etc. sein.

Wenn Sie nach dem hochgeladenen Schaltplan vorgegangen sind, dann ist das Revisionsstand 5274, also möglicherweise Woche 52, Jahr 1974. Gerade bei Firmen wie
Rohde & Schwarz sollten Sie davon ausgehen, dass nicht die Firma quasi eine undokumentierte Änderung vornimmt, sondern Sie und wir diese Änderung einfach (noch?) nicht kennen ...

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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