rtg: AGW1: merkwürdiges Variometer

ID: 180286
Dieser Artikel betrifft das Modell: AGW1 (RTG, System Junker; Berlin)

rtg: AGW1: merkwürdiges Variometer 
27.Dec.08 16:50
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Nachdem ich mir dieses interessante und wahrscheinlich so gut wie einmalige Gerät etwas genauer "unter die Lupe" genommen habe, stellte ich einige für mich merkwürdige Dinge fest, die ich mir nicht so recht erklären kann.

Auf den ersten Blick erscheint das Modell als "Zweikreiser", da 2 Variometer deutlich sichtbar eingebaut sind. Beginnt man nun die Schaltung aufzunehmen, kommt man zu dem Schluss, dass im Eingang der ersten Röhre etwas nicht so recht sinnvoll ist: der Antennenanschluss über einen ersten Kondensator (1500 cm), einen Drehko (600 cm) und einen weiteren Kondensator (150 cm) direkt an das Gitter der ersten Röhre. Was soll das bewirken?
Hier ein erster Teil der Schaltung im vorgefundenen Zustand.

Ich möchte annehmen - hier fehlt einfach eine Spule für einen abstimmbaren Eingangskreis (mit Fragezeichen eingezeichnet). Es sind in der Nähe der ersten Stufe auch einige Schraubenlöcher im Holz vorhanden, so dass mit großer Wahrscheinlichkeit dort irgendein "Spulengebilde" installiert war. Damit würde das Modell zum "Dreikreiser", wie es einmal ursprünglich aus Informationen von Dr. Börner eingetragen war.

Schaut man nun die beiden anderen Kreise zwischen Rö.1 / Rö.2 und R.2 / Rö. 3 = Audion an, so bin ich bei der Analyse der beiden gleich aufgebauten Variometer doch etwas ins Grübeln gekommen.

Mir sind verschiedene Variometerformen bekannt. Bei diesen fand ich prinzipiell 2 Spulen mit ihren je 2 Anschlüssen (evtl. noch Anzapfungen) vor, die sich gegeneinander verschieben oder drehen ließen.
Hier nun entdeckte ich erst einmal einen fest eingestellten HF-Trafo: Primärspule im Anodenkreis, Sekundärspule im Gitterkreis der folgenden Röhre. Wo aber waren die Anschlüsse der inneren verschiebbaren Spule?? Ich konnte nur einen entdecken.
Erster Gedanke: Gerät ist defekt, zerstört oder irgenwie umgbaut?
Es half nichts, ein Variometer musste demontiert werden, was auf Grund der recht einfachen Konstruktion kein Problem war. - Und da sah ich ein merkwürdiges Ergebnis:

Die Enden der verschiebbaren Innenspule sind einfach kurzgeschlossen und liegen über den Schleifkontakt an "Masse".
Da komme ich mit meinen bescheidenen HF-Kenntnissen ans Ende.  "Kurzschlusswindungen" - das signalisiert mir etwas von hohen Dämpfungsverlusten usw.
Wie soll das gut gehen als Variometer? Im Schaltbild habe ich versucht, das einzuzeichnen, wofür ich mir Hilfe von einem anderen uralten Schaltbild mit Variometer geholt habe, aber ohne kurzgeschlossene Windung.
Zum weiteren Verständnis der Schaltung ist vielleicht noch von Bedeutung, dass es für den Wellenbereich 1 (250 - 420 m) keinen zusätzlichen Schwingkreis-Kondensator gibt (Eigenkapazität der Spule?). Für den Wellenbereich 2 (420 - 600 m) wird bei jedem Variometer ein Kondensator von ca. 300 cm parallel zur Gitterkreisspule geschaltet.

Da ergibt sich für mich auch die Frage: Wie geht das dann im Eingangsschwingkreis? Dort ist kein weiterer Umschalter vorhanden. Käme also nur eine so genannte "aperiodische HF-Stufe" in Frage? Was könnte das dann für eine Spule sein, die dort fehlt?

Würde mich freuen, wenn mir ein HF-Experte etwas "Nachhilfe" hier geben könnte.

Danke sagt

Wolfgang Eckardt

 

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Da fehlt was 
04.Jan.09 17:11

Georg Beckmann (D)
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Georg Beckmann

Hallo Herr Eckardt,

ich glaube, in dem Schaltplan fehlt was. Z.B die Gitterableitwiderstände zwischen Gitter und einer

Gittervorspannung. Auf diese Weise würde die Schaltung nicht funktionieren, weil sich das Gitter der Röhren immer weiter negativ auflädt, bis die Röhre ganz sperrt.

 

Gruß

 

Georg Beckmann

 

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Gitterableitwiderstand? 
04.Jan.09 19:44

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Hallo Herr Beckmann,

Bei Thorium- oder Oxydröhren würde ich sofort zustimmen. Aber bei der Verwendung sehr alter Röhrentypen, und dazu zähle ich u.U.auch noch die RE11, ist es leicht möglich, dass das miese Vakuum einen Ableitwiderstand überflüssig machte. Jedenfalls gab es das schon in den früheren Jahren. 

Wer weiß mehr über die Güte des Vakuums bei  der RE11 ? sie brauchte ja keine Getterung zur Schonung des Heizfadens.
Oder liege ich da falsch ?

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Uralte Röhrentechnik 
04.Jan.09 20:39

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Hallo Herr Beckmann,

schön, dass zu diesem Empfänger Baujahr 1923 doch eine Diskussion beginnt. Außerhalb des Forums wurden bereits mehrere Informationen per E-Mail und Skype ausgetauscht. Dank besonders an Konrad Birkner, Prof. Rudolph und Gerald Gauert.
Prinzipiell haben Sie, Herr Beckmann, natürlich Recht, wenn Sie fehlende Gitterableitwiderstände monieren. Aber eben vom Stand unseres heutigen Wissens aus und mit den moderneren Röhren, die uns jetzt zur Verfügung stehen. Bei den "weichen" Röhren der Anfangszeit, hat das aber auch "ohne" funktioniert, da u.a. der Restgasanteil ziemlich hoch war.
Inwieweit da die RE11 unter diesen Bedingungen ordentlich arbeitet, vermag ich nicht zu beurteilen, da es für einen "Praxistest" des Empfängers noch zu früh ist. Angemerkt werden muss auch, dass es keine Beweise gibt, welcher Röhrentyp original vorgesehen war. Erhalten habe ich das Gerät mit 3xRE11 und RE84 als NF-Röhre. RE84 dürfte aber falsch sein, da diese 1923 noch nicht zur Verfügung stand. Aber was für eine Röhre statt RE11 käme wohl sonst noch 1923 in Frage?

So findet man z.B. einen HF-Verstärker in "Der praktische Radio-Amateur" von P. Lertes, 2. Aufl. 1924:

Inzwischen habe ich auch von Dr. Börner, Ilmenau, eine Information erhalten über den Empfänger AGW1 aus dem Buch "Der Rundfunk" von H. Thurn; 1924. Dort ist das Schaltbild einer frühen Version des Empfängers abgebildet, in dem die beiden HF-Vorstufen ohne Gitterableitwiderstand zu sehen sind. Mein in Post 1 gezeigtes selbst aufgenommenes Teil-Schaltbild entspricht dem, weist lediglich noch einen "Wellenschalter" auf, da der Mittelwellenbereich in 2 Teile aufgeteilt wurde und die Röhren werden parallel geheizt mit je einem Heizregler.

Hier das oben erwähnte Schaltbild:

Bei meinem beschriebenen Gerät fehlt also - wie ich schon richtig vermutete - eine Antennenspule, die mit dem Drehko einen Serienschwingkreis bildet. Also: ein Dreikreiser mit 2-HF-Stufen + Audion + NF-Stufe!

Nun noch etwas zu den Variometern. Herr Gauert wies mich auf eine ähnliche Problematik in einem anderen Empfänger hin (Wirtschaftsrundfunk von Lorenz), in dem ebenfalls Kurzschlussspulen am Variometer verwendet werden. Es scheint eine gängige Praxis gewesen zu sein, die Frequenz eines Schwingkreises auch auf diese Art und Weise zu verändern. Die Zeichnung der Variometer in dem obigen Schaltbild ist etwas verwirrend und entspricht nicht den vorgefundenen Tatsachen (siehe Post 1). Aber ich habe das Gerät bereits so weit untersuchen können, dass diese - zum Glück doch noch original erhaltenen - Teile von mir als Schaltbild zu Papier gebracht wurden.
Aus Zeitgründen kann ich jetzt dort nicht weiter arbeiten.

Für weitere Hinweise zu diesem interessanten und sehr frühem 4-Röhren-Empfänger bin ich natürlich dankbar.  

Wolfgang Eckardt

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Güte des Vakuums 
04.Jan.09 20:30

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Die RE 11 hatte ein sehr gutes Vakuum. Bei Messungen an alten Röhren liegen die Werte besser oder mindestens gleich gut wie bei modernen Nachbauten, d.h. im Bereich < 10-5 Torr. Die gut entgasten Nickelanoden verzehren zudem beim Betrieb noch Gas, so daß  der Wert im Laufe der Zeit noch besser werden kann, sofern die Röhre nicht überlastet wird. Es gab in der Massenfertigung allerdings auch Röhren mit schlechterem Vakuum, die meist als Audionröhren selektiert und mit Farbmarkirungen versehen wurden.

Also sollte man sich bei einer Schaltung nicht auf das gute oder schlechte Vakuum der Röhren verlassen, das führt zu undefinierten Zuständen.

Rüdiger Walz

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04.Jan.09 21:15

Konrad Birkner † 12.08.2014 (D)
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Konrad Birkner † 12.08.2014

Danke, Herr Walz;
jetzt hab ich wieder ein wenig dazugelernt. Darüber scheint man sich seinerzeit noch nicht so ganz im klaren gewesen zu sein.

Zur Abstimmung:
Wirbelstrombedämpfung zur Induktivitätsabstimmung verwendete z.B Marconi im V2a.
Dort werden Kupferscheiben  mehr oder weniger überdeckend an Flachspulen geschoben. Die erzielbare L-Variation liegt zwischen 1,5:1 und 2,25:1.
Zur Güte... da schweigt des Sängers Höflichkeit. Aber bei diesem Zweikreiser macht wenigstens Rückkopplung wieder einiges gut. Dem Detektor "Crystal A" bleibt dies versagt.

 

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Abstimmung mit Dämpfungswiderstand 
04.Jan.09 23:10

Georg Beckmann (D)
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Georg Beckmann

Hallo zusammen,

eigentlich aus ganz anderen Gründen habe ich mir überlegt, wie man die Resonanzfrequenz eines Schwingkreises mit einem Widerstand verändern kann.

So ist das Excelfile entstanden. Vielleicht ist es für den einen oder anderen interessant, wie man mit Excel so eine Funktion mit komplexen Zahlen berechnen kann. ( Ganz ohne Pspice Simulator, einfach nur elementare Rechnung )

Auch ohne Rechnung leuchtet das Ergebnis nach Überlegung sofort ein. Bei R= 0 und R = unendlich ist die Güte am größten. Dazwischen ist ein Bereich, wo im Widerstand Energie verbraucht wird, deshalb die Dämpfung größer ist.

Bei R = 0 ist die Frequenz am größten, weil da L3 kurzgeschlossen ist. Bei R = unendlich sind die beiden Induktivitäten in Reihe geschaltet, also die Frequenz am kleinsten.

Da sich die Physik meistens stetig verhält, liegen die anderen Werte dazwischen.

Noch ein Hinweis: Wer mit den Werten spielen will, sollte unter add ins die Analyse Funktionen im Excel installieren, sonst kennt Excel keine komplexen Zahlen.

Georg Beckmann

Anlagen:

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