Sender Leipzig 85 Jahre am 1.März 2009
Sender Leipzig 85 Jahre am 1.März 2009
![Wolfgang Eckardt](https://www.radiomuseum.org/image.cfm?image=d_eckardt_052008_rm.jpg&width=120&height=140)
1. Sender Leipzig I
"Hallo, hallo, hier ist Leipzig, hier ist der Leipziger Meßamtssender der Reichs-Telegraphen-Verwaltung für Mitteldeutschland, wir senden auf Welle 450!“
Am 29. Oktober 1923, nur 4 Monate vorher, war der Start des offiziellen Rundfunks in Deutschland, als das „Wunder aus der Luft“ - wie man es damals nannte - auf deutschem Boden für jedermann Wirklichkeit wurde. Da strahlte ein Röhrensender erstmals ein „Programm zur Unterhaltung und Belehrung“ aus dem Berliner „Voxhaus“ auf „Welle 400“ drahtlos aus, ging also „ON AIR“ - wie mancher heute sagen würden.
Dieser kleine Sender war mit seinen bescheidenen 250 Watt mit den damaligen einfachen Empfangsgeräten wohl kaum oder nur mit einigem Aufwand im mitteldeutschen Raum zu empfangen. So kam also mit dem „Sender Leipzig“ die wahre „Geburtsstunde“ des Rundfunks in Mitteldeutschland, dem heutigen Sendegebiet des MDR. Das „Radiofieber“ konnte also nun auch in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt „ausbrechen“.
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Meine gegenwärtig in Neustadt a.d. Orla laufende Ausstellung widmet sich auch diesem Thema (siehe auch meine Homepage) oder diesen Beitrag.
Die ersten Studioräume entstanden im Gebäude der „Alten Waage“, dem früheren Messeamt am Markt 4.
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Bild 6
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Die Zahl der Rundfunkhörer stieg schon im ersten Jahr an. Ende Dezember 1924 registrierte die Post in ihrem Direktionsbezirk Leipzig allein 48.000 Gebührenzahler. Im Juni 1925 wurde die 100.000er Grenze überschritten. Die Sendegesellschaft stand unter hoheitlicher Aufsicht der Reichspost.
Mit diesem zweiten Sender in Deutschland konnte ein recht dicht besiedeltes Gebiet in Mitteldeutschland erreicht werden. Das „geplante“ Gebiet, das man mit dem Sender überstreichen wollte, lässt sich auf dem folgende Bild erkennen. Offensichtlich hörte man Leipzig auch weiter entfernt, wie Empfangsberichte aus London zeigen - sicher aber nicht mit den einfachen und preiswerten Detektorempfängern.
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Mehrere Veränderungen, Umbauten und Verbesserungen an den alten Sendeanlagen erfolgten, bis am 17. Juni 1926 auf dem Ausstellungsgelände der „Technischen Messe“ eine neue moderne Sendeanlage eingeweiht wurde.
Damit die Fakten nicht ganz humorlos bleiben - der Sachse liebt bekanntlich den Humor - hier noch ein Gedicht aus "Die Mirag", Nov. 1924, in dem auch einige Namen von Sprechern, Schauspielern und Sängern aus dieser Zeit genannt werden:
Wird fortgesetzt mit: Teil 2. "Sender Leipzig"
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Sender Leipzig, Teil II
![Wolfgang Eckardt](https://www.radiomuseum.org/image.cfm?image=d_eckardt_052008_rm.jpg&width=120&height=140)
2. Der Sender Leipzig (Teil II)
Am 17. Juni 1926 weihte die MIRAG auf dem Ausstellungsgelände der „Technischen Messe“ eine neue moderne Sendeanlage des Senders Leipzig ein. Der Betrieb des Senders im „Johannis-Hospital“ wurde eingestellt, es wurde aber anfangs die gleiche Wellenlänge 452 m weiter benutzt.
Zwei Stahlgittermasten, 105 m hoch in 113 m Entfernung mit dazugehörigem Senderhaus bildeten eine eindrucksvolle Antennenanlage.
Bild 8
Hier ein Bild des gesamten Geländes der "Technischen Messe" mit den Antennenmasten links oben im Bild:
Bild 9
Und hier ein Bild aus Schwindel erregender Höhe mit Blick auf die Fundamente eines Mastes aus dem Heft "Die Mirag", Nr. 17/1930:
Bild 10
Im Senderhaus war jetzt ein Sender von Telefunken mit einer Endstufe mit 6 parallel geschalteten Senderöhren RS15 installiert. Diese brachten eine Sendeleistung von ca. 1,5 kW auf.
Bild 11
Da es in Europa immer mehr leistungsfähige Sender gab, blieben Störungen untereinander nicht aus. So wurden die Wellenlängen mancher Sender oft verändert oder mit anderen Standorten getauscht.
Hier eine Zeichnung aus der „RAFA“ (Radio für Alle), die die 1927 existierenden Sender in Deutschland zeigt. Beachtenswert ist, wie viele Städte „Besprechungsstellen“ (= Regionalstudios) inzwischen haben, die mittels Freileitung oder Erdkabel mit dem Hauptsender verbunden sind.
So blieb es auch beim zweiten „Sender Leipzig“ nicht aus, dass seine Wellenlänge mehrmals verändert wurde. Es ist nicht ganz einfach, in dem „Datendschungel“ der zahlreichen Fundstellen in Heften, Büchern und Tabellen die richtigen Wellenlängen / Frequenzen und die dazugehörigen Kalenderdaten zu finden.
November 1926 vorübergehend 361,1 m = 831 kHz,
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Sender Leipzig in Wiederau, Teil III
![Wolfgang Eckardt](https://www.radiomuseum.org/image.cfm?image=d_eckardt_052008_rm.jpg&width=120&height=140)
3. Der Sender Leipzig, jetzt in Wiederau
Am 28. Oktober 1932 war die feierliche Einweihung des neuen Großsenders Leipzig. Er hatte seinen Standort in einem 19,8 km von Leipzig entfernten Dorf - in Wiederau. Warum nun die exakte Betonung auf 19,8 km?
Die Gesetzeslage forderte, dass der Name eines Senders nur den Namen der Stadt tragen durfte, wenn er nicht weiter als 20 km davon entfernt war. Die Hoffnungen der Wiederauer Bürger, dass der Sender nun den Namen Ihres Dorfes tragen durfte, waren also dahin.
Die Sendeleistung betrug nun 120 kW mit 389,6 m Wellenlänge = 770 kHz. Leipzig besaß damit den größten und modernsten Sender Deutschlands.
Die erste Antennenanlage bestand aus zwei gewaltigen 125m hohen Türmen aus amerikanischem Pitchpinienholz, dazwischen 312 m Hanfseil gespannt, an dem die 90 m lange Reusen-Antenne hing.
Bild 18
Für den Sender setzte man nun die moderne wassergekühlte Röhre RS267 ein.
330 A bei 35 V für die Heizung, 10 kV Anodenspannung und über 30 kg Masse sind ihre beachtlichen Daten. Vier Stück waren davon installiert.
Bild 19
Hier ein Größenvergleich der Röhren, die bisher verwendet wurden.
Bild 20
Die Sendungen des neuen Großsenders waren jedoch nur in einem Umkreis von etwa 80 km wirklich gut zu empfangen und starke Schwunderscheinungen (Fading) störten, vor allem nachts, so dass es bald zu ausführlichen Untersuchungen und Messungen , danach zu Umbauten kam.
Mit Inkrafttreten des Luzerner Wellenplans ab 15. Januar 1934 bekam aber Leipzig erst einmal die Frequenz 785 kHz = 382 m zugewiesen.
Die Antennentürme ersetzte man 1935 durch einen 155-m-Holz-Fachwerkturm, in dem die Vertikalantenne hing. Die beiden Türme von 1932 wurden abgerissen, der neue Turm war bis 1953 das Wahrzeichen von Wiederau. Am 27. Okt. erfolgte die Sprengung, Fundamente sind noch heute zu sehen.
Gleichzeitig modernisierte man die Senderendstufe und der erneuerte Großsender ging am 15. Oktober 1935 mit den damals modernsten Röhren RS300 erfolgreich in Betrieb.
1939 wurde eine zweite Sendeanlage mit 100-kW-Sender und einer Dreieckflächen-antenne errichtet, die bis in die 1990-Jahre in Betrieb war. Von 1940 bis 1945 war Leipzig II der Muttersender für alle im Gleichwellenbetrieb angeschlossenen Sender.
Am 12. April 1945 verstummte die Sendeanlage, am 16. April besetzten US-amerikanische Soldaten das Sendegelände, danach übernahmen noch 1945 sowjetische Truppen den Standort.
Am 2. September 1945 nahm Wiederau den Sendebetrieb als „Radio Leipzig“ auf 785 kHz wieder auf, wurde aber bald darauf als Außenstelle der „Berliner Rundfunk GmbH“ festgelegt. Nachdem aber am 7. Dez. 1945 die „Mitteldeutsche Rundfunk-GmbH“ gegründet wurde, gliederte man den Leipziger Sender am 21. Dez. 1945 per Befehl der Sowjetischen Militär-Administration dort an.
Ein zweiter Sender, anfänglich auf 722 kHz, strahlte ein Programm für die Sowjetischen Streitkräfte aus.
In dieser Zeit, die auch geprägt war von „Stromsperren“ und Materialmangel, kam der gute alte Detektor-Empfänger aus der Anfangszeit des Rundfunks wieder zu ungeahnter Blüte. Bauanleitungen für Bastler waren wieder gefragt.
Es erfolgten noch einige Frequenzwechsel. Weitere Sender, auch auf Kurzwelle, ab 1959 und in den 1960er-Jahren für UKW und TV, baute man in Wiederau auf. Neue Rohrmasten werden errichtet, die das Bild heute noch prägen.
Der 1932 errichtete 120-kW-Sender wird im Mai 1963 außer Betrieb genommen.
Bild 21, Wiederau 2007
Auch heute stehen auf dem Gelände in Wiederau mehrere Sendeanlagen. Eine davon strahlt noch auf Mittelwelle 783 kHz das Programm „MDR-Info“ mit 100 kW aus, allerdings mit einem mit Halbleitern bestückten Sender. Die dazugehörige neue Haupt-Sendezentrale des MDR aber befindet sich in nur 3 km Luftlinie vom „Geburtsort“ des ersten „Mitteldeutschen Rundfunks“ entfernt in der Leipziger Kantstraße.
Sind inzwischen auch 85 Jahre vergangen - gemeinsam ist beiden, dass sie ihr Programm nach dem gleichen technischen Grundprinzip ausstrahlen für ein Gebiet, das flächenmäßig nahezu gleich ist. Nur sehen die Sende- und Empfangsgeräte erheblich anders aus....
Wolfgang Eckardt
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Das Ende der Mittelwelle in Wiederau
![Wolfgang Eckardt](https://www.radiomuseum.org/image.cfm?image=d_eckardt_052008_rm.jpg&width=120&height=140)
Aus aktuellem Anlass möchte ich meine Dokumentation zum Sender in Leipzig - vom Johannis-Hospital 1924 bis Wiederau 2013 ergänzen.
Zum Ende der Mittelwelle des MDR wurde im Forum bereits einiges geschrieben - siehe hier - nun also ein paar letzte Bilder und Text, allerdings nur als Anlage im pdf-Format.
Wolfgang Eckardt
Anlagen:- Wiederau 1939 bis zum Ende 2013 (391 KB)
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