siemens: Rel 445E311 (E311, E 311); Reparaturbericht
siemens: Rel 445E311 (E311, E 311); Reparaturbericht
Die Freude über das sehr gut erhaltene und funktionierende Gerät dauerte nur etwa eine Stunde, dann fing der SSB-Empfang merkwürdig zu zwitschern an, so dass kaum noch etwas zu verstehen war. Bei Empfang eines nichtmodulierten Dauerträgers in der Betriebart A1 war dann festzustellen, dass der Ton um einige hundert Herz hin und her sprang.
Nun war ich zwar über die Funktion des Gerätes informiert, aber als normaler Radiorestaurator / Reparateur ist man doch zunächst mit so einem Gerät etwas überfordert. Also Handbuch studieren und überlegen, wo so ein Fehler auftreten kann. Der Möglichkeiten gibt es ja viele. Das nächste Problem sind die gekapselten Baugruppen, so dass man außer an den vorgesehenen Messpunkten für die Kathodenströme der Röhren keine Messungen vornehmen kann, da die Verdrahtung nur nach Ausbau der Baugruppen zugänglich ist. Aber um die Baugruppen außerhalb des Chassis betreiben zu können, fehlen einem die erforderlichen Adapterkabel. Deshalb wurde zunächst ein Adapter für Novalröhren angefertigt, um zumindest an den Röhrenstiften messen zu können. Das funktioniert bis hin zu einigen hundert Kiloherz noch ganz gut.
Röhre 7, ECH81, auf Adapter
Nachdem der Fehler nach gezieltem Tausch der verschiedenen ECH81 und E88CC nicht einzugrenzen war, musste also gemessen werden. Zu diesem Zeitpunkt setzte dann auch noch, erst zögerlich und dann ganz, der SSB- und A1-Empfang aus. A3-Empfang war möglich. Also Röhre 7 (ECH81, Produktdetektor) auf den Adapter und mit Oszilloskop messen. Es stellte sich heraus, dass die 31/30-kHz-Schwingungen aussetzten. Die Anodenspannung des Oszillators betrug nur noch ca. 7 V statt der geforderten 22...25 V. Es wurde der Anodenwiderstand ausgewechselt und danach schwang der 31-kHz-Oszillator wieder. Die Tonhöhensprünge blieben aber bestehen. Ein Abtrennen der Baugruppe und Einspeisung eines externen 30kHz-ZF-Signals zeigte dann auch, dass der Oszillator sauber ohne Frequenzsprünge schwingt.
Durch Zufall wurde bemerkt, dass die Frequenzsprünge nur im gerasteten Betrieb auftraten. Im ungerasteten Betrieb störte nur die Brummmodulation (hier beschrieben), ansonsten war das Signal in Ordnung. Das führte dann direkt zum 100kHz-Quarzoszillator in der Rasterbaugruppe (Röhre 12, E88CC). Ein vorsichtiges Verdrehen des Trimmers C1 ( Frequenzkorrektur Quarzoszillator) zeigte massive Massekontaktprobleme des Rotors. Fehler also vermutlich gefunden. Nachdem die Kontaktprobleme durch eine zusätzliche Drahtverbindung behoben waren, zeigte sich der Fehler immer noch. Ein Verstellen des Trimmers brachte zwar Erfolg, aber nur kurzzeitig. Als nächstes wurden probehalber die frequenzbeeinflussenden Kondensatoren des Quarzoszillators ausgetauscht, auch ohne Erfolg.
Nun war Studium von Literatur über Quarzoszillatoren angesagt. In dem großen Quarzkochbuch aus dem Franzis-Verlag (Homepage vom Verfasser Bernd Neubig) fand ich den Hinweis auf sprunghafte Widerstandsveränderungen des Quarzkristalls bei Temperaturänderungen (Quarzofen !) und damit einhergehende Frequenzänderungen, sog. Dips. Ob es sich nun in diesem konkreten Fall um diese Dips handelt oder nur Alterung oder sonstiger Defekt ist, kann ich nicht nachweisen. Dazu fehlen die Messmittel. Tatsache ist jedoch, dass ein probeweiser Einbau eines anderen 100kHz-Quarzes den Fehler verschwinden lässt und das im Dauerbetrieb über einige Stunden.
Den Austauschquarz habe ich zunächst außerhalb des Thermostaten montiert. Eine Bohrung war zufällig im Blech an der passenden Stelle vorhanden. Ob sich der Quarzthermostat öffnen lässt, weiss ich noch nicht. Jedenfalls genügt nicht das Lösen der beiden Schrauben im Sockel. Es scheinen seitlich noch zwei Schrauben zu sitzen, die aber schwarz vergossen sind.
Quarzeinbau
Wenn die Theorie mit den Dips stimmt, genügt möglicherweise auch nur ein Abschalten der Heizung, so dass der Quarz nicht so hoch aufgeheizt wird, es sind immerhin 70 GrdC. Die geringere Langzeitfrequenzkonstanz muss man dann akzeptieren, das ist bei der jetzigen Lösung ja auch der Fall. Über diesen hoffentlich letzten Versuch werde ich zu gegebener Zeit berichten.
Nachtrag zur Geräteversion: Es ist die Version "e", Baujahr nicht vor Mitte 1971 anhand der Jahreszahlangaben auf den Kondensatoren, Typenbezeichnung S40445-E311-E1 nach der Einführung des neuen Sachnummernsystems bei Siemens im Rahmen der Neuorganisation von 1969.
Hans-Dieter Haase
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Quarzthermostat
Wie vermutet, macht der originale 100kHz-Quarz ohne Heizung die Frequenzsprünge nicht. Das wurde über 4 Stunden getestet. Also habe ich die Heizung abgeklemmt und betreibe den Quarzofen als "kalten" Thermostaten. Ich habe innerhalb der ersten Stunde eine Drift von ca. 1 kHz bei 6075 kHz (Deutsche Welle) festgestellt. Danach blieb die eingestellte Frequenz relativ konstant. Gerät dabei ohne Gehäuse und 18 GrdC Umgebungstemperatur.
Da mich der Thermostataufbau doch interessierte, habe ich die Vergussmasse der zwei seitlichen Senkschrauben entfernt (es war nur dick aufgetragener Sicherungslack). Die schwarze Gehäusekappe lässt sich dann abziehen und es kommt der Heizwiderstand zum Vorschein.
Durch Lösen von zwei Schrauben lässt sich die Deckplatte abnehmen.
Man erkennt den Quarz in Röhrenbauform und den Temperaturfühler. Ich habe nicht versucht, den Quarz herauszuziehen. Ohne Ziehwerkzeug war mir das zu riskant und mein Versuchsquarz hätte ohnehin nicht in die Fassung gepasst.
Laut Stückliste im Handbuch ist nicht vorgesehen, den Quarz allein auszuwechseln. Es ist immer der komplette Thermostat mit Quarz zu wechseln.
Hans-Dieter Haase
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Abschlussbericht
Um über die Frequenzdrift bei ausgeschalteter 100kHz-Quarzheizung eine genauere Aussage machen zu können, wurde dann doch gemessen. Vorher habe ich den Interpolations-Oszillator nach Handbuch im betriebswarmen Zustand nachgeglichen. Die eigentliche Messung erfolgte einen Tag später vom kalten Zustand aus bei einer Umgebungstemperatur von 18 GrdC und natürlich geschlossenem Gehäuse. Gemessen wurde mit dem Gerät selbst, indem zu den festgelegten Zeitpunkten der Empfänger auf Trägermaximum nachgestimmt wurde. Bandbreite dabei auf Minimum, Betriebsart dann A1 und gleiche Tonhöhe (1000 Hz) bei Seitenbandumschaltung.
Das Ergebnis zeigt die folgende Kurve.
Nach spätestens 1,5 h hat das Gerät offensichtlich seine Betriebstemperatur und damit seine Frequenzstabilität erreicht. Der Versuch wurde über 10 h weitergeführt. Es ergab sich keine erkennbare Änderung mehr. Das ursprüngliche Fehlerbild (Frequenzsprünge des geheizten 100kHz-Quarzes) trat in dieser Zeit nicht auf.
Schlussbemerkung:
Das Gerät wurde primär zum klassischen Kurzwellenempfang (mit Röhren) und nicht als Sammelobjekt angeschafft. Deswegen fiel auch die Wahl auf ein relativ neues Gerät (e-Version gebaut 1971) mit entsprechendem Preis. Zu diesem Zeitpunkt hatten die von Siemens gefertigten und eingebauten Kondensatoren eine bessere Langzeitqualität als noch 10 Jahre vorher. Weiterhin spielten persönliche nostalgische Gründe eine Rolle.
Dass der 100kHz-Quarz ein Temperaturproblem hat ist schade, aber die Messung hat ja gezeigt, dass man damit leben kann. (Wenn mir jemand mit einem Originalquarz aushelfen kann, wäre ich natürlich dankbar). Den Originalzustand kann man jederzeit durch Anlöten eines Drahtes wieder herstellen. Gelegentliche Aussetzer im NF-Bereich kommen wahrscheinlich von den Relaiskontakten und werden mit jeder Benutzung immer seltener.
Leider kennt man nicht den Lebenslauf so eines Gerätes. Diese Geräte entfalteten ihre Qualität bezüglich Frequenzstabilität ja erst nach einigen Stunden. Demzufolge waren sie auch wochen-/ monatelang im Dauerbetrieb bis zur nächsten Wartung. Dass die Funktion dann heute noch so gut ist zeugt von der damals produzierten Qualität. Kleinere Probleme muss man in Kauf nehmen. Hier verrät lediglich ein Aufkleber, dass mein Gerät im "Auswärtigen Amt -114" seinen Dienst getan hat. Offensichtlich gut behandelt, wie sein Äußeres verrät.
Hans-Dieter Haase
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doch noch ein Nachtrag
Von unserem Mitglied OM Sepp Juster, der über sehr großes Detailwissen zu dieser Gerätefamilie verfügt, erhielt ich einige Hinweise, von denen der folgende hierher passt:
Vor allem die Thermostatheizung des Interpolationsoszillators ausschalten (ganz einfach durch Ziehen des Relais L im Stromversorgungsteil), um die lange Aufheizzeit zu umgehen.
Das Ergebnis zeigt das folgende Bild:
Die Eigenerwärmung des Gerätes (Umgebungstemperatur 18 GrdC) verursacht in der ersten Stunde eine Frequenzänderung von nur 200 Hz, danach bleibt die eingestellte Frequenz konstant. Für einen Empfänger, der nur sporadisch wenige Stunden immer bei der gleichen Umgebungstemperatur betrieben wird, ein besseres Verhalten als das vom Konstrukteur gewollte immer gleiche Langzeitverhalten mal in der Sahara und mal in der Antarktis. Das absolute Ergebnis muss nun nicht repräsentativ für alle Geräte sein, die Tendenz aber sicherlich.
Der Interpolationsoszillator muss natürlich für diese neue Betriebsart nachgeglichen werden, ansonsten wird am Originalzustand des Gerätes nichts verändert. Wenn das Relais umgedreht unter den Haltebügel geklemmt wird, bleibt es an Ort und Stelle und ist bei einer Zurückänderung sofort verfügbar.
An OM Sepp Juster nochmals vielen Dank für die Hinweise.
Hans-Dieter Haase
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Ähnlicher 100 KHz Quarz
SIEMENS 100,0 KHz, ZL S 1013, 500C, Rel 678AS ?
Maße: LBH: 42mm/35mm/110mm; Sockel: Loktal 8 Pin
MfG DR
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ähnlicher Quarz
Er ist um 1cm kürzer, ansonst sind die mechanischen Abmessungen gleich wie die im 311 verbauten.
Zur Information:
In den 311 E und F Versionen wird der Thermostat mit der Bezeichnung Rel Bv 673 S 116 verbaut.
Alle anderen Geräteversionen verwenden den Thermostat mit der Bezeichnung Rel Bv 673 S 79.
Die S 79 Version schaltet bei Nenntemperatur einen Kontakt gegen Masse (Hg-Thermometer), während die S 116 Version eine Spannung liefert (elektronischer Kontakt).
Beide Versionen haben auch unterschiedliche Sockelbeschaltungen, sie sind also nicht kompatibel.
Durch die unterschiedlichen Steuerpotentiale wäre bei einem Tausch eine gröbere elektrische Modifikation notwendig.
Falls der Rudolph'sche Thermostat einen potentialfreien Kontakt liefert könntest Du ihn verwenden. Wahrscheinlich wäre nur eine geringfügige elektrische Modifikation am 8 pol. Stecker notwendig. Durch die kürzere Bauweise würde das mechanische Gegenlager fehlen --- wäre aber kein Betriebshindernis.
Auf den Typenschildern aller meiner Thermostaten der Bauform 673 (habe auch Thermostate aus Nicht 311 Geräten) steht "Heizung 20 V".
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Originalquarz
Nachdem ich von unserem Mitglied Sepp Juster dankenswerterweise einen Originalquarz bekommen habe, habe ich den Thermostat nochmals zerlegt. Wenn man die zwei unteren inneren Schrauben löst kann man zwei kleine Haltelaschen nach außen drehen. Der komplette Heizkörperblock lässt sich dann abziehen, er ist einschließlich elektronischem Thermometer steckbar. Der Quarz mit Fassung liegt dann frei. Eine typisch aufwändige Siemens-Konstruktion.
Es zeigte sich, dass sich der Glaskolben vom Pressglassockel gelöst hatte (siehe Foto, den Kolben habe ich zur besseren Darstellung etwas nach oben gezogen).
Der Kolben ist normalerweise mit einem braunen glasharten Kleber mit dem Sockel verklebt, Klebereste sind erkennbar. Ob der Quarz mit Schutzgas oder Vakuum versehen war und ob so eine Klebestelle überhaupt gasdicht ist konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen.
Es ist denkbar, dass die Frequenzsprünge im beheizten Zustand von diesem Fehler herrühren (die mechanische Stabilität ist ja nicht mehr im vollem Umfang gegeben bzw. fehlendes Schutzgas/Vakum?) oder ob der Quarzkristall selbst diesen Temperaturfehler hat habe ich nicht überprüft weil nicht so ganz einfach. Mit dem neuen Quarz funktioniert das Gerät jedenfalls ordnungsgemäß.
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