telefunken: TFK539V-Erfolgsmeldung
telefunken: TFK539V-Erfolgsmeldung
Telefunken (Ungarn) 539V:
Hurra! Das schier Unmögliche ist gelungen! Ein grosser ungarischer Telefunken 539V spielt wieder!
Da, wie nachfolgend dargestellt, im Laufe der Jahre sehr viele originale Bauteile abhandengekommen sind, ist das Radio zwar streng gesehen gar nicht sammlungswürdig, aber das ist mir egal. Mit Radios, original, aber stumm und somit zum rein musealen Staubfänger degradiert, kann ich mich sowieso wenig anfreunden. Ich bin aktiver Radiohörer und die Welt auch ohne Internet ins Wohnzimmer holen kann dieser Telefunken jetzt wieder allerbestens, und das macht mich froh.
Hier der Bericht über letztlich etwa 70 Stunden Arbeit.
Die Fehlerliste:
1.: wurde wohl in der Zeit des kalten Krieges versucht, das Radio für den Empfang von Spionagesendern abseits der Rundfunkbänder tauglich zu machen.
Daher war jeglicher korrekter Abgleich nicht mehr vorhanden, sowohl ZF als auch Oszillator waren völlig daneben, die Vorkreise ohne Funktion, teilweise fehlten auch die Ferritkerne in den Spulen.
2.: Später waren dann wohl Kondensatoren defekt, deswegen hat jemand mit einem Total-Rundumschlag gleich alle Kondensatoren getauscht bis auf die gleichwohl ebenfalls schlechten Netzteil-Elkos. Die hat er original und beinahe kapazitätslos belassen. Leider hatte derjenige reichlich HF-untaugliche Kondensatoren verbaut, das Radio kann ab da kaum mehr funktioniert haben.
3.: beim nächsten Reparaturversuch und hat man leider weder die HF-untauglichen Kondensatoren entdeckt noch gemerkt, dass der vorherige Kondensatortauscher alle Drähte am Wellenschalter abgelötet hatte und hinterher gemäss Schaltplan falsch wieder angelötet hatte. Da es keinen original-Telefunken-Schaltplan gibt sondern nur einen aus einem allgemeinen ungarischen Schaltplansammlungsbuch (ähnlich dem bei uns bekannten „Vademecum“), war bis dato auch keinem aufgefallen, dass der einzig zugängliche Schaltplan Druckfehler hat. Die Nummerierung der Kontakte ist im Schaltplan einfach von links nach rechts aufsteigend von 1 bis 13, im Radio ist es leider anders.
Dieser Reparierer hat dann wohl entnervt aufgegeben.
4.: Der Nächste hat in seiner Verzweiflung konsequent zu allen bisher neu hineinreparierten Fehlern zusätzlich alle vorhandenen Widerstände erneuert und dabei jede Menge kontaktlose kalte Lötstellen hinterlassen.
Wer dann noch einige Röhren daraus entfernt und eine weitere durch eine kaputte Röhre ersetzt hat, ist unbekannt.
Wer in der ganzen Reihe der Erfolglosen das Gehäuse aufgearbeitet hat, ist ebenfalls unbekannt, aber das hat derjenige gut gemacht.
Die vier Glasstreifen-Skalen wurden auch erneuert, leider sind die neuen Skalen etwas zu klein, der Endanschlag des Drehkondensators liegt also jetzt jeweils 1,5 cm ausserhalb des bedruckten Bereichs. Da heutzutage sowieso kein Sender mehr dort ist, wo es aufgedruckt ist, spielt dieser Fehler für mich eher keine Rolle.
Wer ausserdem vermutlich mit einem Schraubenzieher abgerutscht und in einen der beiden Netztrafos hineingestochen und dabei die äusserste Windungslage beschädigt hat, bleibt auch im Dunkel der Vergangenheit. Immerhin war die kaputte Wickellage dann provisorisch geflickt worden.
Das war dann der Endzustand, in dem das Radio zur Auktion kam und ich es gekauft hatte.
Nun, im ersten Reparaturversuch bei einem sehr begabten Jugendfreund in Thüringen kamen wir nach vielen Stunden an den Punkt, dass das Radio nicht mit dem Schaltplan übereinstimmt und dass Spulenkerne fehlen und haben die Sache nach etwa 15 Stunden auch vertagt, da ohne die Spulenkerne kein Weiterkommen mehr war. Die musste ich erst aus meinem Teilefundus zu Hause ersetzen.
Zwischenzeitlich hatte mir Béla Sik aus Ungarn, der einen komplett originalen 539V besitzt, freundlicherweise gute Fotos des Bereichs um den Wellenschalter geschickt, die waren die Ausgangsbasis für den endgültig gelungenen Reparaturversuch vergangene Woche.
Bestimmt acht der letzten Stunden wurden dann beim Erstellen eines Anschlussplans des Wellenschalters und des inneren Aufbaus der HF-Spulenbecher sowie einem ersten Grundabgleich verbraucht.
Aber die Mühe hat sich gelohnt. Nach schier endloser Tüftelei war der HF-Teil wieder fit und so gut wie möglich neu abgeglichen, die letzten Stunden waren dann noch ein bis dahin unentdeckter Fehler im NF-Teil (kalte Lötstelle eines früheren Reparierers in Kombination mit dem innerhalb der Abschirmleitung wegkorrodierten Kabel eines Gitterkappenanschlusses) und dann noch ein erst abends bei Empfang dann starker Sender entdeckter Fehler im Schwundausgleich, ebenfalls kalte Lötstelle einer früheren Reparatur. Schlussendlich danach noch Nachlöten aller Lötstellen im Radio, um vor weiteren kalten Lötstellen sicher zu sein.
Beim Zusammenbau brach dann noch eines der sehr steifen Verbindungskabel zwischen Chassis, Ausgangsübertrager und Lautsprecher und es gab einige mechanische Dinge mit dem Skalenzeigerantrieb zu lösen, aber jetzt spielt das Radio wieder.
Summasummarum stecken jetzt etwa 70 Stunden reine Arbeitszeit in dem Radio, als Lohnarbeit könnte das keiner je bezahlen, und sollte ich (oder später meine Erben) es wieder verkaufen, werden die vielen Stunden und der Materialaufwand auch nie mehr hereinkommen, zumal viele originale Bauteile unwiederbringlich verschwunden sind und das Radio somit keinen Sammlerwert hat, hier geht es also um eine rein idealistische Geschichte.
Das hier beigefügte Foto ist der Moment, als zum ersten Mal (nach Jahrzehnten vermutlich) wieder ungarische Worte aus dem Lautsprecher kamen. Ein ungarischer Sender auf Mittelwelle.
Anlagen:- erster_Versuch (148 KB)
Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.