Leybold u. von Ardenne: Verstärkung 3.000.000-fach

ID: 554020
Leybold u. von Ardenne: Verstärkung 3.000.000-fach 
18.Apr.21 17:03
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Achim Dassow (CH)
Redakteur
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Liebe Mitglieder, Besucher des RM,

bei der Durchsicht der letztjährigen Dokumenteneingänge ist mir wieder etwas aufgefallen, das die RM Modell-Liste erweitern hilft (z.B. eine Verbindung zur Kathodenstrahlröhre Ag18 herstellt) und das ich gerne hier präsentieren möchte:
Die Leibold und von Ardenne Oszillographen-Gesellschaft m.b.H. in Berlin NW7 (damalige Ortsbezeichnung) hat 1938 am 5. Juli die Liste E (2) für ihre Oszillographen-Verstärker herausgebracht. Darin werden Verstärker zur Verwendung mit ihren Oszillographen vorgestellt, die für die damalige Zeit doch recht bemerkenswerte Leistungsdaten aufwiesen, wie z.B. eine Verstärkung von bis zu 3.000.000 fach (fast 130dB) oder eine Ausgangsspannung von 500Vpp.
Bei den Angaben in den technischen Beschreibungen wurde als Einheit noch Neper verwendet, daher hier kurz die Umrechnung 1 Neper (Np) ≈ 8.686dB
Allen Interessierten wünsche ich gute Unterhaltung beim Studieren.

Hier der Einführungstext, der im Original noch mit Schreibmaschine verfasst wurde, und daher wegen der teilweise unvollständigen Typen-Anschläge mit dem OCR allein nicht richtig wiedergegeben werden konnte:

“Das Anwendungsgebiet des Elektronenstrahl-Oszillographen wird außerordentlich erweitert durch die Verwendung geeigneter Verstärker, da in sehr vielen Fällen die zu untersuchenden Spannungen so klein sind. dass sie nur eine ungenügende oder gar vollkommen unsichtbare Ablenkung des Elektronenstrahles bewirken.
Infolge der verhältnismäßig geringen Ablenkempfindlichkeit der Elektronenstrahlröhren muss die Ausgangsspannung solcher Verstärker genügend hoch und zur Vermeidung von Verzeichnungen und Unschärfen des Leuchtfleckes symmetrisch gegen Erde sein. Daß diese Verstärker vollkommen betriebssicher und leicht zu bedienen sind. ist unbedingt notwendig, da zuverlässige Messungen oft mit zum Teil nur wenig geübtem Personal durchgeführt werden müssen.
Die Forderungen, die an solche Verstärker auf Grund der Verschiedenartigkeit der Anwendungsgebiete gestellt werden. sind so weitgehend, daß es unmöglich ist. sie etwa durch einen Universalverstärker allein zu erfüllen.
Erwähnt seien nur:
Frequenzbereich von 0 (also Gleichspannung) bis zu einigen Millionen Hertz,
Verstärkung etwa 10fach bis zu etwa 1 000 000fach.
Gleichmäßigkeit der Verstärkung für alle Frequenzen
innerhalb des angegebenen Bereichs.
Anpassung des Verstärkungsgrades an gegebene Spannungen.
Als zweckmäßig hat sich eine Aufteilung nach folgenden
Gesichtspunkten erwiesen:

1. Verstärker mit geringem Verstärkungsgrad, für Nieder bis Mittelfrequenzen und zur Symmetrierung unsymmetrischer Meßspannungen (TypE 10).
Anwendungsgebiete: Stark- und Schwachstromtechnik in
Laboratorien und Betrieben.

2. Verstärker mit hohem Verstärkungsgrad für Tonfrequenzen
(Typ E 7).
Anwendungsgebiete: Rundfunk- und Fernsprechtechnik, akustische und phonetische Untersuchungen.

3. Verstärker mit hohem Verstärkungsgrad, für Nieder und
Hochfrequenzen (Typ E 8 )
Anwendungsgebiete: Rundfunksende- und -empfangstechnik, allgemeine drahtlose Nachrichten-technik.

4. Verstärker mit hohem Verstärkungsgrad, für Niederfrequenzen bis zur Frequenz Null (Gleichspannungsverstärker)
(Typ E 6 ).
Anwendungsgebiete: Physiologische Untersuchungen, und Maschinentechnik.

5. Vorverstärker als Zusatzgerät zu den unter 1) und 4) aufgeführten Verstärkern zur Erreichung höchster Verstärkungsgrade, für Nieder- und Tonfrequenzen
(Typ E 9 )
Anwendungsgebiete: Physiologische Untersuchungen und besondere akustische Arbeiten,
Rauschuntersuchungen an Widerständen usw.

Die weiter unten aufgeführten Verstärker wurden auf Grund unserer langjährigen Erfahrungen in ihren Leistungen den verschiedenen genannten Anwendungen so angepaßt, dass in fast allen Fallen ein Verstärker für ein bestimmtes Anwendungsgebiet genügt. Nur in ganz besonderen Fällen sind zwei Verstärker erforderlich.
Alle Verstärker sind in ein Metallgehäuse eingebaut, so dass eine wirksame Abschirmung gegen äußere Störungen erreicht wird.
Die Verstärker E 10, E 7 und E 8 sind für vollkommenen Netzanschluß eingerichtet. Durch eine sehr gute Siebung wurde erreicht, dass die Brummspannung am Ausgang dieser Verstärker so klein ist, dass sie sich nicht mehr störend bemerkbar macht.
Wenn nicht anders vorgeschrieben, werden die für Netzbetrieb eingerichteten Verstärker für den Anschluß an 220 V 50 Perioden geliefert. Umschaltung auf 110 bzw. 130 Volt ist mög1ich.
Der Verstärker E 6 der als Gleichspannungsverstärker gegen Schwankungen der Stromquellen ganz besonders empfindlich ist, hat keinen Netzanschluß sondern wird aus Batterien (5 Anodenbatterien je 100 Volt, 1 Akkumulator 4 Volt) gespeist. Alle Batterien werden in einem besonderen Metallkasten untergebracht und sind durch abgeschirmte Leitungen mit dem Verstärker verbunden.

Ebenso ist der Vorverstärker E 9 für Batteriebetrieb eingerichtet. Die Batterien (2 Anodenbatterien je 100 Volt, 1 Akkumulator 4 Volt) sind im Verstärker untergebracht und dadurch gut abgeschirmt. Bei diesem Verstärker, der als Vorverstärker in Verbindung mit den Typen E 6 und E 7 verwendet wird, ist der Betrieb mit den Batterien ganz besonders wichtig. Durch den sich ergebenden hohen Verstärkungsgrad von insgesamt 3 000 000 würden sich auch geringste Störungen beim Vorverstärker sehr störend auswirken; macht sich doch dann schon das etwa 10 μV betragende Rauschen des Eingangwiderstandes bemerkbar, wenn der Eingang nicht durch einen
Ohmschen Widerstand abgeschlossen wird. Bei niederohmigen Spannungsquellen am Eingang tritt als Störung nur noch das etwa 3 μV betragende Rauschen der Eingangsröhre in Erscheinung. Aus dem Gesagten geht hervor, daß nur solche Spannungen untersucht werden können, die genügend groß gegen die genannten Störspannungen sind.
Die Ausgangsspannung des Verstärkers E 6 ist unsymmetrisch gegen Erde. Es empfiehlt sich deshalb, denselben nur in Verbindung mit unserer gasgefüllten Elektronenstrahlröhre Ag 18 (Id=9021) zu verwenden, die gegen Unsymmetrie der Meßspannung unempfindlich ist.
Hat die den Verstärkern zugeführte Messung einen Gleichspannungsanteil, so ist bei den Verstärkern E 9 und E 10 durch Vorschalten eines Kondensators von etwa 0,1 μF in die Zuführungsleitung die Gleichspannung vom Verstärker fern zu halten.

Die bei den Daten der einzelnen Verstärker gemachte Angabe "am Ausgang unverzerrt durchlaufene Spannungsänderungen = 500 Volt" ist so zu verstehen, daß die Ausgangsspannung um 500 Volt sich ändern darf, ohne dass der Verstärker übersteuert wird (!). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Spannung sich zwischen 250 Volt positiv und 250 Volt negativ ändert. Bei sinusförmiger Spannung entsprechen diese Werte der Scheitelspannung; die Effektivspannung beträgt somit etwa 180 Volt. Beträgt dar Höchstverstärkungsgrad des Verstärkers 30 000, so darf demnach die Eingangsspannung nicht mehr als 6 mV betragen, wenn eine Übersteuerung des Verstärkers vermieden werden soll.
Nachstehend sind die verschiedenen Verstärker und ihre Daten aufgeführt. Bezüglich der Anwendungsgebiete verweisen wir auf Seite 2, Punkt 1 bis 5.
Wir machen darauf aufmerksam, dass unsere Verstärker nur in Verbindung mit Lichtzählrohren, Apparaten zur Messung kosmischer Strahlung und Elektronenstrahl-Oszillographen zu Mess- bzw. Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Die Verwendung zur Bild- und Schriftübertragung
(z.B. Bildtelegraphie, Fernsehton) im Verkehrssinne, sowie zur Herstellung gewerblich auszuwertender Klangaufzeichnungen und für medizinische Zwecke (ausgenommen Forschungsarbeiten) ist nicht gestattet und zieht vertragsrechtliche und patentrechtliche Verfolgung
nach sich.“

Es wurden nachfolgende Modelle vorgestellt, wobei leider nicht für alle eine Abbildung existiert.

E 10 Gegentaktverstärkerstufe für Netzanschluß, mit symmetrischer Ausgangsspannung, besonders geeignet zur Symmetrierung und Verstärkung einpolig geerdeter Messspannungen
Frequenzbereich                        10 ... 50 000 Hz
Frequenzgang, bezogen auf 1000 Hz;
zwischen 10      und  5 000 Hz ≤ -0,1 Neper
zwischen 5 000 und 50 000 Hz ≤ -0, 3 ... +0,1 Neper
Verstärkung                               180fach
regelbar                                     1000 : 1
Am Ausgang unverzerrt durchlaufene
Spannungsänderung                   500 Volt
Eingangswiderstand                   1 Megohm
Preis RM 325,--

E 7 Verstärker für Netzanschluss, mit symmetrischer Ausgangsspannung
Frequenzbereich               10 ... 30 000 Hz
Frequenzgang, bezogen auf 1000 Hz
zwischen 10 und 30 Hz ≤ - 0,3 Neper
  "   30   "     10 000 Hz ≤ - 0,1 Neper
  " 10 000 "   30 000 Hz ≤ -0,3 Neper
Verstärkung                     30 000 fach
regelbar                           1000 : 1
Am Ausgang unverzerrt durchlaufene
Spannungsänderung         500 Volt
Eingangswiderstand          1 Megohm

Preis RM 800,--

E 8 Verstärker für Netzanschluss mit symmetrischer
Ausgangsspannung
Frequenzbereich                  20 ... 2 000 000 Hz
Frequenzgang, bezogen auf 1000 Hz:
zwischen 20 und  300 Hz  ≤  ± 0.3 Neper
  "   300 "       300000 Hz  ≤ ± 0,l "
" 300 000 " 2 000 000 Hz  ≤ ± 0,3 "
Verstärkung                        2000 fach
regelbar                              50 : 1
Am Ausgang unverzerrt durchlaufene
Spannungsänderung            450 Volt
Eingangswiderstand            1 Megohm

Preis RM 1000,--

rechts: Bild des E8:

E 6 Gleichspannungsverstärker fur Batteriebetrieb,
mit unsymmetrischer Ausgangsspannung
Frequenzbereich                    0 ... 20 000 Hz
Frequenzgang, bezogen auf 1000 Hz:
zwischen 0 und 20 000 Hz ≤ - 0,3 Neper
Verstärkung                           30 000 fach
regelbar                                 1000: 1
Am Ausgang unverzerrt durchlaufene
Spannungsänderung               200 Volt
Eingangswiderstand               0,1 Megohm
Mitgeliefert wird ein abgeschirmter Kasten zur Aufnahme der Batterien, mit einer ebenfalls abgeschirmten Verbindungsschnur
Preis ohne Betterien RM 540,--

rechts: Bild des E 6 (im Vordergrund)

E 6b 1 Satz Batterien dazu

Wir empfehlen, die Batterien durch uns zu beziehen, damit dieselben in den Batteriekasten
gut hineinpassen.
Preis RM 58,50

E 9 Vorverstärker für Batteriebetrieb, mit unsymmetrischer Ausgangsspannung, nur zu verwenden
in Verbindung mit E 6 oder E 7.
Frequenzbereich 10 ... 20 000 Hz
Frequenzgang , bezogen auf 1000 Hz:
zwischen 10 und 50 Hz ≤ - 0,1 Neper *
                                   ≤ - 0,3 " **
           50.....10 000 Hz ≤ ± 0, 1 "
" 10 000 "     20 000 Hz ≤ - 0,3 "
Verstärkung                      100fach

*In Verbindung mit E 6 bzw. E 7 ergibt sich eine Gesamtverstärkung von 3 000 000. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass bei Zusammenschaltung von E 6 und E 9 die untere Frequenzgrenze des Gesamtverstärkers nicht mehr 0 Hz ist, sondern entsprechend dem Vorverstärker E 9 10 Hz.
Eingangswiderstand 0,1 Megohm

Preis ohne Batterien RM 295--
 
* bei Abschluss des Verstärkers mit 1 Megohm
** bei Abschluss des Verstärkers mit 0.1 Megohm

E 9b 1 Satz Batterien zu vorstehendem Verstärker E 9
Die für den Betrieb erforderlichen Batterien können im Verstärker untergebracht werden. Wir empfehlen, dieselben durch uns zu beziehen, damit sie in den vorgesehenen Raum gut hineinpassen.
Bezüglich Verstärker mit anderen als den angegebenen Daten bitten wir besonders anzufragen.
Preis RM 27.--

Bei einer  Verstärkung von bis zu 3.000.000 "hört man buchstäblich die Flöhe husten" bzw. die Widerstände rauschen, erstaunlich, daβ solche Verstärkungen damals schon beherrschbar waren.

Gruss
Achim

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