wega: 141; Transistor A-Eintakt warum?

ID: 222736
? wega: 141; Transistor A-Eintakt warum? 
20.Jun.10 22:20
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Henning Oelkers (D)
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Henning Oelkers

Liebe Forumsleser,

während meiner Lehrzeit reparierte ich ein Tischradio mit Eintakt-A Endstufe. Jetzt habe ich das Modell hier gefunden, und möchte meine Frage von vor über 30 Jahren jetzt hier stellen:

Warum wurde eine Eintakt-A Transistorendstufe gewählt, ( mit 2N3055 )  obwohl Hochleistungstransistor und Ausgangstrafo wohl teurer waren, als z.B BD135/BD136 oder auch AC187K/AC188K in Gegentaktschaltung

Waren es doch Kostengründe, oder versprach man sich einen besseren Klang ( Entfall der Übernahmeverzerrungen ) ?

Danke für Idee oder Aufklärung.

mit freundlichen Grüßen,

Henning Oelkers

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Eintakt-A-Verstärker im Wega 141 
21.Jun.10 16:02
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Hans-Jürgen Neuhaus (D)
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Hans-Jürgen Neuhaus

Hallo Herr Oelkers,

hier ein paar Thesen zu der zugegeben Ende der 60er-Jahre etwas exotischen Transistor-Eintakt-A-Enstufe im Wega 141 Tischradio.

Ausgangspunkt war sicherlich die Vorgabe an die Entwicklung, ca. 5W Ausgangsleistung bereitzustellen. Dies rührt wohl auch daher, die Ausgangsleistung bisher üblicher Röhrenendstufen mit EL84 oder ECL86 ohne Abstriche durch Transistor-Lösungen zu ersetzen.

Bei der kleinen Produktpallette an Rundfunk-Tischempfängern der Fa. Wega ist anzunehmen, dass bei der Entwicklung Synergien aus anderen Entwicklungsabteilungen gnutzt wurden oder werden mussten. Ich vermute, dass bei der Entwicklung des Wega 141 Entwickler aus der Fernsehabteilung Pate standen. Weiterhin weist die Schaltung des NF-Verstärkers auch Indizien auf, dass (noch) Röhren-Entwickler den Umbruch auf die (neue) Transistortechnik wagen (z.B. die relativ hochohmigen Potis für Lautstärke und Klangregler).

Dennoch ist die Schaltung - auch aus Kostengründen - keine schlechte Lösung: Der Eintakt-A-Verstärker weist gegenüber einer Gegtaktendstufe folgende Vorteile auf:

  • Keine Ruhestrom-Einstellung zur Vermeidung von Übernahmeverzerrungen; das heißt kein Abgleich in der Fabrik.
  • Keine Temperaturkompensation der Ruhestrom-Einstellung - also relativ einfache Schaltung.
  • Keine selektierten Transistoren (Pärchen) erforderlich
  • Einfacher Ausgangstrafo - ohne Anzapfungen - erforderlich.
  • Der schon damals auf Grund hoher Fertigungs-Stückzahlen relativ billige Leistungstransistor 2N3055, das sogenannte "Arbeitspferd".

Der Nachteil eines relativ hohen Dauer-Ruhestroms ist in netzgespeisten Geräten kein wirklicher Nachteil.

Alternativ wären natürlich - wie Sie auch bemerken - die seit den 60er-Jahren verfügbaren eisenlosen Endstufen mit Komplemantär-Transistoren die modernere Lösung gewesen. Aber

  • AC178K/AC188K sind eher für kleinere Leistungen - meist in Kofferradios - vorgesehen.
  • Bei 5W-Ausgangsleistung wären die schon erheblich teureren, gepaarten AD161/AD162 die richtige Wahl. Diese weisen übrigens eine Transitfrequenz von nur 10kHz auf.
  • Die von Ihnen angesprochenen BD135/BD136 sind erst ab Anfang der 70er-Jahre verfügbar. Auch BC140/BC160 sind erst ab 1968 am Markt erhältlich.

Ich denke, unter Berücksichtigung von

  • Noch geringer Entwickler-Erfahrung mit Transistoren
  • Nutzung von Synergie-Effekten bezüglich der Entwicklungs-Kapazitäten
  • Nutzung von Synergie-Effekten in der Bauteile-Beschaffung (Stückzahlen) zur Kosten-Senkung
  • Fehlen eines Abgleich-Schrittes für die Endstufe in der Fertigung

war diese Eintakt-A-Lösung für die relativ kleine Firma Wega im Jahr1968 sicherlich nicht die schlechteste Lösung. Wega hatte ja auch immer noch einen anderen Schwerpunkt: Ein nonkonformes, ansprechendes Design.

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Eintaktendstufe 
21.Jun.10 22:06
238 from 5304

Georg Beckmann (D)
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Georg Beckmann

Hallo Herr Oelkers und Herr Neuhaus,

ich möchte nicht spekulieren, aber zu dieser Zeit waren komplementäre Siliziumtransistoren rar.

AC .. AD waren Germaniumtransistoren, der 2N3055 ein Silizium NPN Typ.

Im Verhältnis zu anderen Teilen waren Transistoren zu dieser Zeit schon recht teuer.

Schöne Grüße mal wieder aus dem Remstal

 

Georg Beckmann

 

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Gedanken zur Enwicklung der komplementären Endstufe 
24.Jun.10 01:04
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Hans-Jürgen Neuhaus (D)
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Hans-Jürgen Neuhaus

Hallo Herr Beckmann,

Sie haben recht, komplementäre Silizium-Leistungs-Transistoren waren damals nicht nur teuer, sondern in den 60er-Jahren auch gar nicht verfügbar! Den komplementären Germanium-Leistungs-Transistoren ging es in deren Anfangszeit auch nicht viel besser. Einige Gedanken zum Hintergrund Ihrer Spekulation.

Das Problem ist, dass komplementäre Leistungs-Transistoren (PNP + NPN) den Aufbau von Audio-Leistungsverstärkern wesentlich erleichtern.

Fakt war, dass es zum NPN-Transistor 2N3055 damals noch nicht den erforderlichen, passenden Komplementär-Typ z.B. MJ2955 gab, der erst Anfang der 70er-Jahre auf dem Markt erscheint. Der 2N3055 kam schon 1964 auf den Markt. Die Erscheinungsdaten hat übrigens unser RMorg-Mitglied Günther Stabe recherchiert - vielen Dank!

Aus diesem Grunde wurde in Hochleistungs-Endstufen, die generell am Ausgang zur Erhöhung der Stromverstärkung, Darlington-Transistor-Lösungen erfordern (mindestens 2 Transistoren), als komplementären Gegenpart zum NPN-Typ 2N3055 eine sogenannte komplementäre Darlington-Lösung verwendet. Diese diskrete Darlingron-Lösung besteht aus aus einem PNP-Transistor mit kleinerer Leistung, der einen NPN-Leistungs-Transistor - z.B. 2N3055 - am Lautsprecher-Ausgang treibt. Dadurch erhält man einen vollwertigen komplementären PNP-Leistungstransistor. Beispiel: PNP-Transistor BC160 (Markteintritt: März 1970) treibt NPN-Transitor 2N3055 (von 1964) an.

Dieser Trick wurde übrigens schon Anfang der 60er-Jahre bei Germanium-Transistoren angewendet. Hier war allerdings das Problem, den (noch fehlenden) komplementären NPN-Typ hoher Leistung zu ersetzen. Beispiel: Telefunken Opus Studio 2650 aus dem Jahre 1965: NPN-Transistor AC75 (Jahrgang 1962) steuert PNP-Typ AD149 (Jahrgang 1963) an und wird dadurch zu dem erforderlichen komplementären NPN-Leistungs-Transistor.

Eines der ersten Geräte mit voll komplemetären Silizium-Leistungs-Transistoren - ohne den oben genannten "Trick" - am Lautsprecher-Ausgang war das Steuergerät Audio 308 der Fa. Braun. Da war die Fa. Braun also nicht nur designerisch ganz vorne - aber zu einem für die damalige Zeit stolzen Preis von 1895,-DM (mit Plattenspieler).

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