awb: WR8651 (WR 8651): Reparatur-Erlebnis-Bildbericht

ID: 153226
awb: WR8651 (WR 8651): Reparatur-Erlebnis-Bildbericht 
18.Nov.07 21:12
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Stefan Weigelt (D)
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Stefan Weigelt

  WR8651

Das schöne (oder zunächst auch nicht schöne) Stück hatten mir meine Frau und mein Sohn vom Flohmarkt mitgebracht. "Wegen der schönen Uhren-Skala", hieß es. Nun ist diese Skala tatsächlich das Aushängeschild dieses kleinen Radios und macht natürlich seine Persönlichkeit aus, obwohl der Sammlerpreis "nur" bei 10-15 EURO liegt. Meiner Frau gefiel das Stück aber viel besser als z. B. meine Freiburgs (was mich zugegebenerweise immer etwas zerknirscht macht und mir doch manchmal zu denken gibt)! Das ganze sah gar nicht schlecht aus, mein Sohn (10) verbot mir zunächst einmal strikt, das Radio zu verkaufen (da ich gerade meine Sammlung verkleinere). Er kam dann auch auf die Idee, die Reparatur und Restauration des Zwergs anzufangen, hatten wir doch vor kurzem unsere Sauna abgebaut und kurzerhand den Raum im Hause samt Nass-Arbeitsplatz mit der im Winter sehr ungemütlichen Elektronik-Werkstatt über der Garage getauscht:

Aber nun zum Radio. Leider hatten wir vergessen, das Gerät vor dem Zerlegen zu fotografieren. Daher gleich der Blick ins Innenleben:

Aus der Nähe konnte man die mittlere Staubhöhe näher quantifizieren:

Unser Nachwuchs-Restaurateur Jan Peter war bereits beim letzten Radio-Stammtisch Niederrhein von Henning Oelkers am Oszilloskop ausgebildet worden:

Er legt gleich los!

Nach der Reinigung sah das ganze schon besser aus:

Nun waren wir zufrieden und einhellig der Meinung, es hatte sich wirklich gelohnt. Doch es sollte der technische Teil folgen. Leider fanden wir im RM beim Modell nur den Hinweis "Schaltplan gesucht". Daher war pragmatisches Vorgehen angesagt. Da die Info des Verkäufers "Spielt nicht, ist wohl eine Röhre kaputt!" lautete, verzichteten wir erstmal auf das Einschalten. Zuerst zogen wir alle  Röhren, dies waren die EL41 in der Endstufe sowie die EABC80, die EF41 sowie die ECH81 und EC92. Nach dem kurzen Überprüfen des Elkos und dem vorsichtshalber vorgenommenen Ablöten des Kondensators parallell zum (Einweg-!) Gleichrichter konnte nach dem Einschalten eine konstante Spannung von ca. 260 Volt gemessen werden, soweit schien das in Ordnung zu sein. Vorsichtshalber wurde der Schaltplan eines anderen Gerätes mit EL41-Endstufe zu Rate gezogen, um Hinweise auf die Dimensionierungen zu bekommen. Die Kondensatoren bei diesem Gerät sind in der Mehrzahl die berüchtigten Teerkondensatoren.

Wie im Foto zu sehen, wurden zuerst die Koppelkonsatoren getauscht, wir wollten sukzessive vorgehen und erst die Endstufe zum Laufen bringen. Dazu wurden noch Kathodenwiderstand und Kathodenelko abgelötet und geprüft und die EL41 und EABC80 durchgemessen, letztere musste wie so oft durch ein frischeres Exemplar ersetzt werden, während die EL41 noch erstaunlich gute Emissionswerte aufwies. Nach Einsetzen und Einschalten durch Drehen des Lautstärkeknopfes (Doppel-Poti mit Einschaltfunktion), hörte man einen leisen Brummton, die Anodenspannung lag bei ca. 250V und die "Brummprobe" am Phono-Eingang zeigte, dass die Endstufe lief. Warum ich auf die Idee kam, den Funktionsgenerator anzuschließen, weiß ich nicht mehr genau, vermutlich zu Ausbildungszwecken, um dem Sohn die Funktion am Oszilloskop auch anschaulich zu machen. Ob es nun Glück oder Pech war, dass mit lauten Knall dass Licht am Arbeitsplatz erlosch? Um es vorweg zu nehmen: beides. Pech - weil der Drehschalter dahinschied - Glück weil ich jetzt endlich realisierte, dass das Gerät die Gleichspannung direkt aus der Netzspannung gewann!! Man mag es nun als fahrlässig bezeichnen, aber die Gewohnheit ist es wie so oft, welche sorglos macht, hatte ich doch in den letzten Tagen einige andere Radios repariert, welche natürlich mit "echtem" Netztrafo betrieben wurden. Der Trafo dieses Gerätes wirkte relativ zum Gerät so groß, dass die Funktion als reiner Heiztrafo zunächst gar nicht auffiel. Dabei bin ich eigentlich immer sehr vorsichtig und habe auch schon an anderen solchen Geräten gearbeitet!  Dann wurde noch einmal ungläubig gemessen: Zuerst hatte ich noch die Netzantenne in Verdacht, aber dann - ja, vom Netzanschluß über den (Ein-)Schalter ging ein Schaltdraht direkt zum Massepunkt. Uff! Erstmal durchatmen. Schnell wurde nun der Trenntrafo angeschlossen. Dann ging erstmal nichts mehr bis wir merkten, dass der Netzschalter (Bild) defekt war.

Doppelpoti mit Netzschalter - der schwarze Draht führt direkt zum Massepunkt in der Nähe des Trafos ans Chassis

Also wurde er vorläufig gebrückt - ärgerlich, weil solch ein Schalter mit dem Doppelpoti sicher nicht als Ersatzteil gehandelt wird. Dann ging es aber wieder aufwärts, nach Einsetzen der HF-Röhren, welche allesamt noch in Ordnung waren "spielte" das Radio wie neugeboren! Mittlerweile hatte Jan Peter die Drehknöpfe mittels Ultraschallbad sowie Sidol wieder zum Glänzen gebracht und sogar mit Goldlack-Stift den Zierring aufgefrischt. Sorgen bereitete uns nun noch das Gehäuse bzw. dessen Oberseite, hier war das Bakelit stumpf und ausgeblichen. Auf der Unterseite war beispielhaft zu sehen, wie es mal ausgesehen hatte! Da mußte noch einmal kurz im RM recherchiert werden. Dank der Tipps, viel Spülwasser, Putzen und letztlich der Autowachskur gelang es dann doch, die Oberfläche sogar wieder einigermaßen zum Glänzen zu bringen. Einziger äußerer "Mangel" bleibt wohl die stumpfe Plexiglasscheibe der Skala.

Die Vorführung bei der bessern Hälfte ergab dann sogar die Wertung "Küchentauglich", wahrlich ein bislang kaum vergebenes Prädikat für ein Röhrenradio. Die wenigen bisherigen Versuche, ein solches dort zu etablieren scheiterten unter teils heftigen nicht radiofreund-freien Protesten. Damit wird das wr8651 das älteste Küchenutensil werden. Bevor wir es jedoch in den Routinebetrieb überführen können, müssen noch die restlichen Teer-Kondensatoren getauscht und ein Dauertest bestanden werden!  

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.